War Schiller Philosophie Professor?

Hallo,

laut der deutschen wikipedia war Schiller Professor für Philosophie, aber er hat doch Medizin studiert, oder hat das irgendetwas mit der Philosophischen Fakultät zu tun (zu der die Medizin aber eigentlich nicht gehört)? War er nicht einfach „nur“ Doktor? Das er trotzdem einfach als Geschichtsprofessor arbeiten konnte führe ich mal auf die damalige Zeit zurück und natürlich seine historischen Schriften, aber heute denke ich mal, wäre das gar nicht möglich. Und dass er kein Gehalt bekam erst recht nicht. Aber das lag eben am absoluten Adel.

Hoffentlich kann mir jemand weiterhelfen. Danke im voraus.

VG
Ayla

http://de.wikipedia.org/wiki/Schiller#Wirtschaftlich…

Hallo Ayla,

laut der deutschen wikipedia war Schiller Professor für
Philosophie

das ist nur eines der üblichen Wikipedia-Märchen. Am 15.12.1788 wurde Schiller auf Vorschlag des Weimarer Hofes und nach Zustimmung von Coburg, Gotha und Meiningen auf den Lehrstuhl für Geschichte an der Universität Jena berufen (die vier genannten Staaten waren gemeinsam Träger der Universität). Es handelte sich um eine unbesoldete Professur - damals durchaus nicht ungewöhnlich. Unbesoldete Professoren (besoldete allerdings auch) mussten ein Einkommen durch Privatunterricht erzielen. Ansonsten war das natürlich für den Professor eine Ehre und in diesem speziellen Fall natürlich auch für die Universität Jena, die deren Finanziers nichts kostete.

Im Oktober desselben Jahres hatte Schiller den ersten Teil seiner ‚Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der Spanischen Regierung‘ veröffentlicht, an der er seit 1786 arbeitete. Insbesondere durch diese Arbeit hatte sich Schiller für die Professur qualifiziert, aber auch durch seine gründlichen Quellenstudien zu seinen historischen Dramen (insbesondere Don Karlos, Fiesko, Maria Stuart - der Wallenstein kam erst später).

Seine Antrittsvorlesung ‚Was heisst und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte‘ hielt er am 26.05.1789; sie wurde zu einer begeisterten Huldigungsfeier der Studenten. Im Wintersemester 1789 hielt Schiller ein Kolleg über ‚Universalgeschichte von der fränkischen Monarchie bis Friedrich II.‘. Im Januar 1790 begann Schiller mit dem Quellenstudium zu seiner ‚Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs‘, deren erster Teil bereits im Herbst veröffentlicht wurde (der zweite Teil folgte zwei Jahre später). Im Sommersemester hielt er ein Hauptkolleg ‚Universalgeschichte bis zur Gründung der fränkischen Monarchie‘; im Wintersemester hielt er Vorlesungen zum Thema ‚Europäische Staatengeschichte‘ und ‚Geschichte der Kreuzzüge‘, wo zu seinen Hörern Friedrich von Hardenberg (Novalis) gehörte. Im November veröffentlichte er im 11. Heft der Thalia neben dem dramatischen Fragment ‚Der versöhnte Menschenfeind‘ die Arbeiten ‚Die Gesetzgebung des Lykurgus‘ und ‚Etwas über die erste Menschengesellschaft nach dem Leitfaden der Mosaischen Urkunde‘.

Im Januar 1791 folgte eine schwere Erkrankung mit einem Rückfall im Mai, die Grund seiner Befreiung von Vorlesungen war. Eine dreijährige Pension des dänischen Erbprinzen Friedrich Christian von Augustenburg und des Grafen Ernst von Schimmelmann ermöglichten Schiller intensive philosophisch-ästhetische Studien und die intensive Auseinandersetzung mit Kants Philosophie. Im Wintersemester 1792 und Sommersemester 1793 hielt dann Schiller Vorlesungen über Ästhetik, insbesondere auf der Grundlage von Kants ‚Kritik der Urteilskraft‘. 1793 entstanden auch die Abhandlungen ‚Über Anmut und Würde‘ sowie ‚Vom Erhabenen‘. Der zweite Teil der letztgenannten Schrift wurde später unter dem Titel ‚Über das Pathetische‘ in die ‚Kleineren prosaischen Schriften‘ aufgenommen. Außerdem begann Schiller mit den Briefen ‚Über die Philosophie des Schönen‘ an seinen Förderer Prinz von Augustenburg. Das Sommersemester 1793 war Schillers letztes Kolleg.

Einen Lehrstuhl für Philosophie hatte Schiller nicht - er nahm sich jedoch die Freiheit, ab 1792 Vorlesungen über Ästhetik statt zu geschichtlichen Themen zu halten. Da auch diese Vorlesungen großen Zulauf hatten, hatte niemand etwas daran auszusetzen. Die Doktorwürde der philosophischen Fakultät Jena wurde Schiller übrigens bereits im April 1789 (also noch vor seiner Antrittsvorlesung) verliehen. Veranlassung dafür war neben der Berufung auf den Lehrstuhl für Geschichte die Disputation über Kant, die Schiller anlässlich eines Besuchs in Jena im August 1787 mit Carl Leonhard Reinhold geführt hatte. Reinhold - der bedeutendste österreichische Aufklärer und Vertreter der Philosophie Kants - hatte 1787 an der Universität Jena eine außerordentliche Professur für Philosophie erhalten, 1791 wurde er dort Professor ordinarius supernumerarius. Jena war zu dieser Zeit Zentrum der deutschen Philosophie.

Übrigens hatte schon Schillers medizinische Dissertation 1780 deutlich philosophischen Charakter - sie trug den Titel ‚Über den großen Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen‘ und war einer Überarbeitung seiner ersten, 1789 abgelehnten Dissertation ‚Philosophie der Physiologie‘. In praktischer Hinsicht soll Schiller ein miserabler Arzt gewesen sein - es war für ihn eine ‚Brotwissenschaft‘, an der sein Herz nicht im Geringsten hing und die er ohne Bedauern aufgab. Philosophische Studien (insbesondere Lektüre Rousseaus) betrieb Schiller auf Anregung des Philosophieprofessors Jakob Friedrich Abel bereits 1776 als junger Medizinstudent.

Als Historiker wie auch als akademischer Philosoph war Schiller Autodidakt - studiert hatte er zunächst Jura und dann Medizin, während sein eigentliches Wunschfach Theologie war. Letzteres wohl nur, weil Philosophie als ‚brotlose Kunst‘ überhaupt nicht in Frage kam. Durch die herzogliche Abordnung des Hauptmannssohnes auf die Karlsschule wurde dieser Wunsch jedoch durchkreuzt.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hi danke für deine ausführliche und schnelle Antwort. Ok, bei der Wikipedia muss man immer vorsichtig sein. Früher war das eben noch alles einfacher einen Doktortitel bzw. Lehrstuhl zu bekommen, das geht heute denke ich nur noch alles Ehrentitel. Aber Schiller war schon ein Universalgenie dass er sich das alles selbst beigebracht hat, na ja gut mehr Geistes als Naturwissenschaftler aber trotzdem. Gut vielen Dank nochmal, dann schreib ich das mal in die Diskussion vom wikipedia Artikel. Kann es leider nicht bearbeiten, der Quelltext ist geschützt.

VG
Ayla

Hallo Ayla,

Vorsicht mit dem „mehr Geistes- als Naturwissenschaftler“: Schiller war Absolvent der Hohen Karlsschule, die als Militärische Hochschule stärker naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtet war als die evangelisch-theologischen Seminare und Stifte, aus denen „normalerweise“ der intellektuelle Nachwuchs in Württemberg hervorging, und an denen man viel besser Hebräisch als Geometrie lernen konnte.

Ganz nebenbei und unabhängig von Schiller: Professuren ohne Besoldung gibt es in Baden-Württemberg heute wieder, durchaus ein Anlass, in die Kurpfalz und dann über den Rhein zu fliehen: Die BASF zahlt besser als die Landesregierung - sic transit gloria mundi!

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Ja, ohne Besoldung heute noch, da frag ich aber mal nach, kenne ein paar Studenten aus Baden Würtemberg? Wer würde sich denn darauf heute noch einlassen?

Ja, gut er war natürlich auch ein guter Naturwissenschaftler, nur eben mehr in der Theorie als in der Praxis, wie Ralf schon schrieb.

VG
Ayla

War Schiller denn jetzt auch Dr. der Medizin oder nur der Philosophie?

Unbesoldete Professuren
Servus,

Wer würde sich denn darauf heute noch einlassen?

jeder, der aus einem Fach kommt, in dem Drittmittel rar sind und das auch sonst nicht so leicht zu verwerten ist - der kann nämlich schon allein mit dem Titel punkten, wenn um den Zuschlag für ein Gutachten gerauft wird, das ihn für ein paar Wochen aus dem ALG II rausbringt.

Kannsch ja mol ein paar Leute fragen, die ein „apl“ hinter dem Professor führen, in welchen Besoldungsgruppen sie sich so aufhalten.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Schillers medizinische Dissertationen
Servus,

War Schiller denn jetzt auch Dr. der Medizin oder nur der Philosophie?

In der Medizin wurde ihm keine Doktorwürde verliehen. Die Dissertation gehörte zum Abschluss des Medizinstudiums; er hat gleich drei davon gemacht, von denen zwei abgelehnt wurden:

1779 „Philosophie der Physiologie“
1780 „Über die Unterscheidung von entzündungsartigen und fauligen Fiebern“
1780 „Versuch über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen“

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Hallo,

oder hat das
irgendetwas mit der Philosophischen Fakultät zu tun

Das kann schon sein, denn in den sogenannten „Artistenfächern“, zu der auch die Geschichte als geisteswissenschaftliches Fach gehört, wurde teilweise noch bis ins 20. Jahrhundert mit dem Dr.phil. promoviert. So kann das Missverständnis zustande kommen, Schiller habe eine Philosophieprofessur inne gehabt.
Auch ist grundsätzlich eine Promotion oder eine Professur nicht unbedingt an das gebunden, was man studiert hat, es sei denn, eine Promotionsordnung setzt das voraus.

Gruß
hps

Hi,

dachte dass man heute noch immer mit dem Dr. phil. in Geschichte, Germanistik usw. promoviert zumindest laut der wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Dr._phil.#Unterscheidun…)

Wieso ist die Promotion/Professur nicht ans Studienfach gebunden, kannst du da mal ein Beispiel geben?

VG
Ayla

Hi,

danke für die Infos. Echt übel, dachte alle Professoren würden ein ordentliches Gehalt bekommen, aber vor allem die beamteten. Obwohl laut der wikipedia sind außerplanmäßige Professoren meistens Mediziner in leitenden Positionen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Professur#Au.C3.9Ferpla…

Die Dissertation war also früher nur so eine Art Staatsexamen?

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VG Ayla

Hier noch ein Kommentar in der wikipedia:

Man muss hier unterscheiden zwischen Philosophie als Fach und der philosophischen Fakultät. Die Universitäten des 18. Jahrhunderts waren ausschließlich in Fakultäten organisiert, Fachbereiche im heutigen Sinn gab es noch nicht. Als Professor für Geschichte gehörte Schiller der philosophischen Fakultät an. Zudem war es damals durchaus üblich, dass Professoren auch Vorlesungen über Themen hielten, die nicht zu ihrem engeren Fachgebiet gehörten. Immanuel Kant z. B. war Professor für Logik und Metaphysik, hielt aber auch Vorlesungen über EthikAnthropologie, Geographie, Mathematik, Pädagogik und Mechanik.

VG
Ayla

Hallo,

dachte dass man heute noch immer mit dem Dr. phil. in
Geschichte, Germanistik usw. promoviert zumindest laut der
wikipedia
(http://de.wikipedia.org/wiki/Dr._phil.#Unterscheidun…)

Klar, in diesen Fächern ist das noch so, nicht aber z.B. bei den Naturwissenschaften. Ich hatte in meinem letzten Posting vergessen, den Hinweis auf Wikipedia zu den „Artistenfächern“ zu geben. http://de.wikipedia.org/wiki/Artistenfakult%C3%A4t

Wieso ist die Promotion/Professur nicht ans Studienfach
gebunden, kannst du da mal ein Beispiel geben?

Wieso das so ist, kann ich Dir nicht beantworten, aber z.B. gibt es in Stuttgart das Fach „Geschichte der Naturwissenschaft und Technik“. Dort lässt die Promotionsordnung auch Ingenieure zur Promotion zu, die aber dann natürlich nicht als Dr. ing. sondern als Dr. phil. promoviert werden. Auch war ein früherer Professor des Lehrstuhls nicht „von Haus aus“ Historiker (.phil) sondern studierter und promovierter Chemiker (rer.nat.).

Gruß
hps

Hallo,

ja - es gibt zu jeder Mehrzahl auch eine Minderzahl, und es gibt zu jedem Wiki-Artikel auch eine Wirklichkeit. Das wird Dir im Studium noch hie und da auffallen.

Die Dissertation war also früher nur so eine Art Staatsexamen?

Die Dissertation war (und ist) im Unterschied zu Examensklausuren eine wissenschaftliche Arbeit, die selbständig angefertigt und mündlich verteidigt werden muss. Die heutigen Formen der Diplom- / Magisterarbeit sind eigentlich „Dissertationen light“, aus dem Massenbetrieb entstanden, die eben nur noch zeigen müssen, dass jemand grundsätzlich weiß, wies geht, und keine neue These bringen muss. Daher - und auch wegen Nachvollziehbarkeit und Gleichbehandlung - sind auch die Examina keine „Verteidigung der Magisterarbeit“ mehr, sondern davon unabhängige mündliche Prüfungen.

Die Dissertationen von Friedrich Schiller lassen sich mit heutigen Dissertationen in der Medizin vergleichen.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

na ja gut mehr Geistes als

Naturwissenschaftler aber trotzdem.

Seiner Ausbildung nach war Schiller ja eigentlich Arzt, arbeitete als Regimentsmedicus, also durchaus Naturwissenschaftler

Schiller Naturwissenschaftler
Servus,

seine zweite Dissertation steht im Zusammenhang mit der Autopsie, die er an einem siebzehnjährig verstorbenen Kommilitonen durchführte - authentischer lässt sich naturwissenschaftliche Arbeit kaum betreiben.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Ich meinte auch das Staatsexamen, mit dem man heute das Medizinstudium abschließt, da gibt es ja (noch) keinen Bachelor/Master. Wann hat man denn dann den Doktor in Medizin gemacht und wie genau hieß die Abschlussarbeit, ich meine eine Dissertation ist doch heute eine Doktorarbeit, nur damals eben vom Wert her, wie das heutige medizinische Staasexamen?

VG
Ayla

Hi,

ja klar die Naturwissenschaften gehören nicht zu philosophischen Fakultät, sondern zur Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät.

Ja gut in so einem speziellen Fall kommt dann ein Professor aus einer anderen Fachrichtung. Bei Lehramt halten auch alle möglichen Akademiker in den entsprechenden Fächern Vorlesungen denke ich mal, also Germanisten in Deutsch, Mathematiker in Mathe usw. aber eben nicht alles Bildungswissenschaftler?

VG
Ayla

Vier Fakultäten
Hallo Ayla,

die heutige Organisationsform der Universitäten und die heutigen Prüfungsordnungen lassen sich nicht 1:1 auf das Ende des 18. Jahrhunderts übertragen.

Naturwissenschaften und Mathematik haben sich erst im Lauf des 19. und 20. Jahrhunderts als eigenständige Fakultäten differenziert, sowas wie einen „Dr. sc. nat.“ gab es 1780 nicht.

Im Rahmen der klassischen vier Fakultäten Theologie, Jurisprudenz, Medizin und Künste („Artes“) bildet die letztgenannte Fakultät eine Art „Pool“ für alle Wissenschaften, die nicht unmittelbar berufsbezogen gelehrt wurden.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder