Hallo Ayla,
laut der deutschen wikipedia war Schiller Professor für
Philosophie
das ist nur eines der üblichen Wikipedia-Märchen. Am 15.12.1788 wurde Schiller auf Vorschlag des Weimarer Hofes und nach Zustimmung von Coburg, Gotha und Meiningen auf den Lehrstuhl für Geschichte an der Universität Jena berufen (die vier genannten Staaten waren gemeinsam Träger der Universität). Es handelte sich um eine unbesoldete Professur - damals durchaus nicht ungewöhnlich. Unbesoldete Professoren (besoldete allerdings auch) mussten ein Einkommen durch Privatunterricht erzielen. Ansonsten war das natürlich für den Professor eine Ehre und in diesem speziellen Fall natürlich auch für die Universität Jena, die deren Finanziers nichts kostete.
Im Oktober desselben Jahres hatte Schiller den ersten Teil seiner ‚Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der Spanischen Regierung‘ veröffentlicht, an der er seit 1786 arbeitete. Insbesondere durch diese Arbeit hatte sich Schiller für die Professur qualifiziert, aber auch durch seine gründlichen Quellenstudien zu seinen historischen Dramen (insbesondere Don Karlos, Fiesko, Maria Stuart - der Wallenstein kam erst später).
Seine Antrittsvorlesung ‚Was heisst und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte‘ hielt er am 26.05.1789; sie wurde zu einer begeisterten Huldigungsfeier der Studenten. Im Wintersemester 1789 hielt Schiller ein Kolleg über ‚Universalgeschichte von der fränkischen Monarchie bis Friedrich II.‘. Im Januar 1790 begann Schiller mit dem Quellenstudium zu seiner ‚Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs‘, deren erster Teil bereits im Herbst veröffentlicht wurde (der zweite Teil folgte zwei Jahre später). Im Sommersemester hielt er ein Hauptkolleg ‚Universalgeschichte bis zur Gründung der fränkischen Monarchie‘; im Wintersemester hielt er Vorlesungen zum Thema ‚Europäische Staatengeschichte‘ und ‚Geschichte der Kreuzzüge‘, wo zu seinen Hörern Friedrich von Hardenberg (Novalis) gehörte. Im November veröffentlichte er im 11. Heft der Thalia neben dem dramatischen Fragment ‚Der versöhnte Menschenfeind‘ die Arbeiten ‚Die Gesetzgebung des Lykurgus‘ und ‚Etwas über die erste Menschengesellschaft nach dem Leitfaden der Mosaischen Urkunde‘.
Im Januar 1791 folgte eine schwere Erkrankung mit einem Rückfall im Mai, die Grund seiner Befreiung von Vorlesungen war. Eine dreijährige Pension des dänischen Erbprinzen Friedrich Christian von Augustenburg und des Grafen Ernst von Schimmelmann ermöglichten Schiller intensive philosophisch-ästhetische Studien und die intensive Auseinandersetzung mit Kants Philosophie. Im Wintersemester 1792 und Sommersemester 1793 hielt dann Schiller Vorlesungen über Ästhetik, insbesondere auf der Grundlage von Kants ‚Kritik der Urteilskraft‘. 1793 entstanden auch die Abhandlungen ‚Über Anmut und Würde‘ sowie ‚Vom Erhabenen‘. Der zweite Teil der letztgenannten Schrift wurde später unter dem Titel ‚Über das Pathetische‘ in die ‚Kleineren prosaischen Schriften‘ aufgenommen. Außerdem begann Schiller mit den Briefen ‚Über die Philosophie des Schönen‘ an seinen Förderer Prinz von Augustenburg. Das Sommersemester 1793 war Schillers letztes Kolleg.
Einen Lehrstuhl für Philosophie hatte Schiller nicht - er nahm sich jedoch die Freiheit, ab 1792 Vorlesungen über Ästhetik statt zu geschichtlichen Themen zu halten. Da auch diese Vorlesungen großen Zulauf hatten, hatte niemand etwas daran auszusetzen. Die Doktorwürde der philosophischen Fakultät Jena wurde Schiller übrigens bereits im April 1789 (also noch vor seiner Antrittsvorlesung) verliehen. Veranlassung dafür war neben der Berufung auf den Lehrstuhl für Geschichte die Disputation über Kant, die Schiller anlässlich eines Besuchs in Jena im August 1787 mit Carl Leonhard Reinhold geführt hatte. Reinhold - der bedeutendste österreichische Aufklärer und Vertreter der Philosophie Kants - hatte 1787 an der Universität Jena eine außerordentliche Professur für Philosophie erhalten, 1791 wurde er dort Professor ordinarius supernumerarius. Jena war zu dieser Zeit Zentrum der deutschen Philosophie.
Übrigens hatte schon Schillers medizinische Dissertation 1780 deutlich philosophischen Charakter - sie trug den Titel ‚Über den großen Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen‘ und war einer Überarbeitung seiner ersten, 1789 abgelehnten Dissertation ‚Philosophie der Physiologie‘. In praktischer Hinsicht soll Schiller ein miserabler Arzt gewesen sein - es war für ihn eine ‚Brotwissenschaft‘, an der sein Herz nicht im Geringsten hing und die er ohne Bedauern aufgab. Philosophische Studien (insbesondere Lektüre Rousseaus) betrieb Schiller auf Anregung des Philosophieprofessors Jakob Friedrich Abel bereits 1776 als junger Medizinstudent.
Als Historiker wie auch als akademischer Philosoph war Schiller Autodidakt - studiert hatte er zunächst Jura und dann Medizin, während sein eigentliches Wunschfach Theologie war. Letzteres wohl nur, weil Philosophie als ‚brotlose Kunst‘ überhaupt nicht in Frage kam. Durch die herzogliche Abordnung des Hauptmannssohnes auf die Karlsschule wurde dieser Wunsch jedoch durchkreuzt.
Freundliche Grüße,
Ralf