Warenkreditversicherung Erfahrungen

Hallo,

wer kann über gute/schlechte Erfahrungen mit Warenkreditversicherern berichten (speziell auch während der Finanzkrise). Ein Unternehmen beabsichtigt eine solche Versicherung seiner Forderungen gegen Firmenkunden abzuschliessen und hat einige Angebote vorliegen, kann aber die „Qualität“ der Versicherungsgesellschaften nicht einschätzen.

Danke für Eure Hilfe.

EisIQ

Hallo EislQ,

der Markt der Warenkredit- oder auch Forderungsausfallversicherer ist relativ übersichtlich. Im Prinzip sind es nur 4 Versicherer, die mit eigenständigen Produkten auftreten: Allianz, R+V, Euler Hermes und AK Coface (wobei - wenn ich richtig informiert bin - nur die R+V ihren Sitz in Deutschland hat. Selbst bei der Allianz macht es eine französische Tochter.). Alle anderen decken sich im Prinzip bei den genannten ein, kleben ihr Etikett drauf - fertig.

Die Aufgabe der WKV gliedert sich in zwei wesentliche Teilbereiche: die Liquiditätsprüfung der Kunden ihrer VN und die Ausfallleistung, wenn ein solcher Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt.

Mit der ersten Teil-Leistung erhält der Versicherungsnehmer eine Unterstützung bei der Auswahl seiner Kunden sowie bei der Einschätzung deren Zahlungsfähigkeit (und -bereitschaft). Dazu prüft die Versicherung (ähnlich wie Creditreform, etc.) die Solvenz der angefragten Unternehmen und teilt dies in Form einer Deckungszusage oder -ablehnung dem Versicherungsnehmer mit.
Dies entbindet den VN NICHT von seiner unternehmerischen Verantwortung. Ebenso wenig bedeutet eine Ablehnung der Deckung oder ein geringes Limit, dass der Versicherungsnehmer mit dem angefragten Kunden keine Geschäfte machen DARF. Er hat halt nur keinen Versicherungsschutz, wenn dann Rechnungen unbezahlt bleiben.

In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, darauf zu achten, wie die einzelnen Versicherer den Umgang mit ihren Limiten handhaben.
So sollte ein guter Versicherer ein einmal eingeräumtes Limit nicht einfach zurücknehmen können - schon gar nicht rückwirkend.

Man stelle sich nur einmal folgendes Szenario vor:
Der Versicherer prüft für seinen Versicherungsnehmer Meier GmbH die Solvenz des Kunden Schneider OHG und räumt der Meier GmbH ein Limit von 50.000,- € für Leistungen und Lieferungen ein.
Die Meier GmbH geht eine Geschäftsbeziehung mit der Schneider OHG ein und liefert Waren. Aufgrund des Zahlungsziels laufen Rechnungen im Wert von 45.000 € auf.
Infolge der regelmäßigen Überprüfung der Kunden stellt der Versicherer fest, dass die Zahlungsmoral der Schneider OHG gesunken ist. Sie teilt daraufhin der Meier GmbH mit, dass das Limit mit sofortiger Wirkung auf 30.000 € gekürzt wird.
Im schlimmsten Fall stehen jetzt 15.000 € in der Schwebe, auf denen die Meier GmbH trotz anfänglicher Deckungszusage sitzen bleibt.

OK wäre es in diesem Szenario übrigens, wenn der Versicherer hinginge und sagen würde: „In Ordnung, wir kürzen das Limit. Aber erst für zukünftige Aufträge.“ So könnte die Meier GmbH noch ihrerseits reagieren, mit der Schneider OHG entsprechende Maßnahmen (Vorkasse, kürzeres Zahlungsziel, etc.) vereinbaren und somit ihrerseits ihre Vertragsverpflichtungen (Lieferung der Ware) einhalten.

Der zweite Teil des Leistungsumfangs der Warenkreditversicherer besteht in dem Ausgleich unbezahlter Forderungen. Meist ist diese Leistung auf 70 - 80 % des Rechnungsbetrages begrenzt (plus eine Grenze für die Jahreshöchstentschädigung).
Hier ist darauf zu achten, ob der Versicherer vom Brutto- oder vom Nettorechnungsbetrag ausgeht (70% vom Brutto ist mehr als 80% vom Netto, logisch).
Übrigens: Der Versicherer übernimmt nach seiner Leistung die Forderung vom VN und versucht diese weiterhin geltend zu machen. Gelingt ihm dies, erhält der Versicherungsnehmer nach Abzug der Kosten den eingetriebenen Restbetrag.

Ebenfalls wichtig: das Thema der „strittigen Forderungen“.
Grundsätzlich leisten die Versicherer nur, wenn die Forderung auch zu Recht besteht, klar. Mittlerweile gibt es aber auch einen Versicherungsschutz für strittige Forderungen in der Form, dass die Rechtsverfolgungskosten für die Klärung ebendieser Forderungen im Rahmen der o.g. Leistungsgrenzen (sprich z.B. zu 70 %) übernommen werden.

Nächster Punkt: Ein guter Versicherer sollte natürlich nicht erst im Fall einer Insolvenz des Kunden zahlen, sondern bereits bei entsprechendem Zahlungsverzug.

Für Versicherungsnehmer, die häufig mit ausländischen Kunden arbeiten, sollte besonderen Wert auf " protected default" gelegt werden. D.h. die Frage, wie der Versicherer Fälle im Ausland abwickelt. Tipp: klare Aussagen schaffen Sicherheit! (Bsp.: ein ausländischer Kunde ist im Zahlungsverzug. Der Versicherer wird informiert und schaltet eine entsprechendes Inkassounternehmen ein. Üblicherweise nach drei (erfolglosen) Monaten sollte dann die Leistung erfolgen.

Last but not least: für produzierendes Gewerbe sollte das sog. " Fabrikationsrisiko" mitversichert sein. Das bedeutet, dass Teile, die für einen z.B. insolventen Kunden noch hergestellt, aber nicht mehr geliefert wurden, mitversichert sind. Dies betrifft u.a. zum Beispiel Maschinenbauer, die individuelle Maschinen herstellen, die ansonsten anderweitig nicht mehr zu verkaufen sind.

Fazit: die Forderungsausfall- oder Warenkreditversicherung ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Sie schützt Unternehmen infolge von Zahlungsschwierigkeit ihrer Kunden ihrerseits in die Insolvenz zu geraten.
Aber: Sie ist keine „eierlegende Wollmilchsau“. Sie hat vielmehr ihre Grenzen und Spielregeln, die zu beachten und einzuhalten sind.
Und wer glaubt, mit Abschluss einr WKV auf der Insel der Glückseeligen angekommen zu sein und zukünftig auch noch mit dem windigsten Halbwelt-Unternehmen gefahrlos Geschäfte machen zu können, der wird sich schwer wundern… :wink:

Viele Grüße
Loroth