Warschauer ghetto

Hallo,

ich möchte mit der folgenden Frage niemandem zu nahe treten oder auch nur irgendwie den Verdacht äußern, dass die Aussage unter Umständen nicht der Wahrheit entspräche. Ich suche lediglich zusätzliche Belege zu den behaupteten Tatsachen.

Marcel Reich-Ranicki hat in einem Interview (leider weiß ich nicht, wo) davon berichtet, dass im Warschauer Ghetto Opfer - insbesondere solche, bei denen ein beträchtlicher Alterunterschied bestand - zum Geschlechtsverkehr (vor größerem Publikum? und dabei gefilmt?) gezwungen worden wären.

Ist diese Aussage zusätzlich (durch mündliche oder schriftliche Berichte oder gar noch sicherer) belegbar, etwa durch andere Zeitzeugen oder ähnliches?

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo !

Wenn er das gesagt hat, wird es schon stimmen.
Man hat viel Schlimmeres dokumentiert. Man hat kleine Kinder auf der Strasse sterben lassen und davon Filmaufnahmen gemacht.

Dann - der eigenliche Sinn dieser Aufnahmen, hat man die vorbeigehenden Passanten dazu gefilmt. Es sah so aus, als wenn diese gedankenlos an den sterbenden Kindern vorbeigingen. Vielleicht war es so. Vielleicht waren die Einwohner des Gehttos so abgestumpft, dass sie nichts mehr wahrnahmen. Vielleicht auch nicht. Aber, die deutsche Bevölkerung hat diese Filme als Wochenschauausschnitte gesehen und man wollte ihnen damit zeigen, wie degeneriert und verkommen der Jude doch ist. Nicht lebenswert!

Ich habe oft mit ehemaligen deutschen Soldaten gesprochen, die man in einen Bus gesteckt hatte und durch das Ghetto gekarrt hat. Damit sie selbst sehen, wie es bei den Juden zugeht. Und die meisten haben diese Szenen, die sie sahen, verallgemeinert. Man erzählte ihnen, so lebt der Jude, so ist er. Das Elend war echt, nichts war bei diesen Sightseeingtouren durch das Ghetto gestellt. Nach so einem erlebnisreichen und interessantem Tag im Ghetto zurück an die Front und es machte wieder richtigen Spaß, Juden zu jagen.
Nicht alle deutschen Soldaten fielen darauf herein, aber die meisten. Sie hatten oft monatelang an der vordersten Front gestanden. Hatten nichts anderes erlebt, als Kämpfe und Schmutz, Dreck und Tod. Da prägte sich eine Besichtigung des Ghettos so richtig schön ein.

Ich habe es schon mal geschrieben, auch in der „Heimat“ wurden die Deutschen dazu veranlaßt, in den Juden nur Dreck zu sehen.
Wenn die Kinder heute in der Nase bohren und dann den „Popel“ herausholen, so sagten wir dazu Jude". Das war ganz normal und wir Kinder wußten natürlich nicht, was ein Jude ist. Aber der heutige „Popel“ war in ganz Deutschland ein „Jude“.
Uns Kindern wurde gesagt, einen Juden erkennt ihr an den angewachsenen Ohrläppchen. Da machte das Judensuchen echt Spaß und viele Arier wurden von uns Kindern erstmal zum Juden gemacht.
Als dann nach dem Krieg die Vertriebenen aus dem Osten in Massen zu uns kamen, sahen wir uns erstmal die Ohren an.
Oder - man beobachtete Fahrradfahrer. Ein Jude setzte seinen Fuß nämlich nicht so edel auf die Pedale, wie ein Ariere, nämlich mit den zehen, dem Vorderfuß. Nein, der Jude war faul und hatte seine Plattfüße einfach mittig auf der Pedale ruhen. Die Hacke an der Pedale.
Kindern treibt man solche Dinge, die man ihnen jahrelang anerzogen hatte, nicht vom 7. bis zum 8.Mai aus. Und so schwebten unsere Eltern noch monatelang in Angst und Schrecken. Vor allem, wenn wir einen englischen Soldaten mit erhobener Hand und Hitlergruß „Heil Htler“ begrüßten. Da kamen schon einige Eltern für ein paar Tage in den Knast.

mfgConrad

Hallo Conrad,

Wenn er das gesagt hat, wird es schon stimmen.
Man hat viel Schlimmeres dokumentiert. Man hat kleine Kinder
auf der Strasse sterben lassen und davon Filmaufnahmen gemacht.

das weiß ich schon, und ich glaube ihm auch seine Aussage. Ich bin nur aus Gründen, die ich hier jetzt nicht ausbreiten möchte, gerade an diesem einen Detail im Moment interessiert. Ich kenne auch die Aufnahmen der sterbenden Kinder, und mir lag es selbstverständlich fern, hier irgendwie schreckliche Dinge vergleichen oder gar verharmlosen zu wollen.

Wenn die Kinder heute in der Nase bohren und dann den „Popel“
herausholen, so sagten wir dazu Jude". Das war ganz normal und
wir Kinder wußten natürlich nicht, was ein Jude ist. Aber der
heutige „Popel“ war in ganz Deutschland ein „Jude“.

Das ist interessant, weil ich dieselbe Erfahrung noch in den sechziger und sogar in den siebziger Jahren bei Mitgliedern der Generation festgestellt habe, die ihre Kindheit im Dritten Reich erlebten. Es ist schon erschreckend, wie lange so etwas prägen kann.

Ich danke dir für deine Antwort, die zwar meine Frage nicht beantwortet, aber trotzdem hilfreich war. Allerdings würde ich mich freuen, wenn jemand gerade zu dem von mir genannten Detail noch etwas weiß.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

beantwortet, aber trotzdem hilfreich war. Allerdings würde ich
mich freuen, wenn jemand gerade zu dem von mir genannten
Detail noch etwas weiß.

Ich denke, dazu kann hier keiner etwas sagen, da diese Filmaufnahmen, die Du suchst, sicher nicht im TV gezeigt wurden/werden. Sie liegen im Archiv und sind sicher nur Wissenschaftlern zugänglich.
Oder auch Herrn Knoop?

mfgConrad

Hallo Conrad,

Ich denke, dazu kann hier keiner etwas sagen, da diese
Filmaufnahmen, die Du suchst, sicher nicht im TV gezeigt
wurden/werden. Sie liegen im Archiv und sind sicher nur
Wissenschaftlern zugänglich.

nein, nein, ich suche nicht die Filmaufnahmen selbst (einmal abgesehen davon, dass ich wissenschaftlich tätig bin), das muss ich mir nicht antun, denke ich. Ich suche nur einen weiteren oder weitere Belege. Ich finde es schon merkwürdig, was du mir da anscheinend unterstellen möchtest. Falls die Äußerung von Reich-Ranicki die einzige Erwähnung dieses Sachverhaltes sein sollte, würde mir sogar schon der Hinweis genügen, wo und wann er dies geäußert hat.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Unterstellen klingt ganz schön hart!!!

Aber, was ist ein besserer Beweis, als die Aufnahmen selbst?

mfgConrad

Hallo Conrad,

Unterstellen klingt ganz schön hart!!!
Aber, was ist ein besserer Beweis, als die Aufnahmen selbst?

das stimmt natürlich, aber wie man ja sieht, ist es leicht so, dass die bloße Frage noch nicht einmal nach der Existenz dieser Aufnahmen, sondern bloß nach den behaupteten Vorkommnissen anscheinend nahelegt, dass wer danach fragt, entweder einer Aufgeilungstendenz erliegt oder den Holocaust leugnen möchte. Denn nur so kann ich deine Worte deuten. Ich jedenfalls habe an keiner Stelle meines Postings eine dieser Alternativen durchscheinen lassen, vielmehr mich sogar bemüht, deutlich zu machen, dass ich niemandem etwas unterstellen möchte, sondern nur Quellen suche.

Im Prinzip ist es natürlich verständlich, dass sich bei so einem delikaten Thema leicht Emotionen zeigen, aber ich fühle mich gründlich missverstanden durch das, was du geantwortet hattest. Ich war einzig und allein an einer Bestätigung der Fakten interessiert, weil ich gerade eben dieses Detail meines Wissens so noch nirgends behauptet wurde. Der Kontext meiner Suche ist übrigens ein ethischer, aber das ist ja eigentlich uninteressant. Ich wollte nicht für eine Detailfrage den ganzen Kontext ausbreiten. Naja, vielleicht ist es ja ganz gut, dass wir das jetzt geklärt haben, damit das Ganze nicht so einen faden Beigeschmack behält.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

1 Like

Wo? In seinem Buch!!!
Du arbeitest also wissenschaftlich!

Warum liest Du nicht das Buch „Mein Leben“ von Reich Ranicki und schlägst Seite 214 auf!!

Dort steht alles, was Du suchst!

mfgConrad

1 Like

Hallo Conrad,

Du arbeitest also wissenschaftlich!

es scheint nicht ohne Bissigkeit zu gehen … :frowning: Ich bin kein Historiker und arbeite nicht wissenschaftlich über Reich-Ranicki, sondern ich suche den Text als ein Beispiel für eine moralphilosophische Thematik.

Warum liest Du nicht das Buch „Mein Leben“ von Reich Ranicki
und schlägst Seite 214 auf!!
Dort steht alles, was Du suchst!

Danke schön, das hilft mir weiter, denn wie ich schon sagte, wusste ich nicht genau, wo ich nach dieser Äußerung suchen sollte. Jetzt weiß ich zwar immer noch nicht, ob es auch andere Quellen dazu gibt, aber ich habe immerhin die Ausgangsquelle.

Herzlichen Dank und schöne Grüße

Thomas Miller

1 Like

Ich kann mir niemanden vorstellen, der sich an Sexszenen as dem Warschauer Ghetto aufgeilt!!!
Da gibt es wohl bessere Möglichkeiten im Internet!

mfgConrad

Hallo Conrad,

Ich kann mir niemanden vorstellen, der sich an Sexszenen as
dem Warschauer Ghetto aufgeilt!!!
Da gibt es wohl bessere Möglichkeiten im Internet!

eben. Und dann bliebe nur noch der Vorwurf der Holocaustleugnung - und das möchte ich ebensowenig auf mir sitzen lassen, wie du sicher verstehst.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Thomas,

Ist diese Aussage zusätzlich (durch mündliche oder schriftliche Berichte oder gar noch sicherer) belegbar, etwa durch andere Zeitzeugen oder ähnliches?

ich kenne Belegstellen für die von Dir geschilderten Taten aus Konzentrationslagern, allerdings nicht speziell aus dem Warschauer Ghetto. Könnte das trotzdem hilfreich sein?

Viele Grüße
Diana

Hallo Thomas,

man hat sich in Gettos, KZs und Forts so einige Entsetzlichkeit einfallen lassen, wobei ich den erzwungenen Geschlechtsverkehr zwar für möglich aber dennoch für nicht realisierbar halte (dazu komme ich gleich).

Aus anderen Quellen weiß ich, daß solche Demütigungsaktionen regelrecht nach einem ‚Drehbuch‘ inszeniert wurden. Hier aus Auszug aus dem Bericht von Mordechaj Ciechanower, der in Fort Różanów einsaß (die Übersetzung stammt von mir): Sonntag war Ruhetag, aber für die in den Forts gefangenen Juden war es der Alptraum. Die Deutschen luden die Bewohner des Ortes ein. Alle saßen oben, wie im Amphitheater auf Stühlen und unten auf dem Platz sollten wir - als Schauspieler - sie unterhalten. Der Kommandant, ein besonders zynischer und sadistischer Mensch, führte bei diesem Spektakel Regie. […]

Soweit paßt es; es hätte auch durchaus sein können, daß jemand auf die Idee kam, eine solche ‚Vorstellung‘ zu filmen. Auf der anderen Seite melden sich bei mir - wie gesagt - Bedenken… Die Menschen in den Gettos waren krank, völlig entkräftet und litten Hunger (die Tagesration an Kalorien betrug im Getto um die 180 kcal, sofern es überhaupt etwas zu Essen gab). Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß - Du erwähntest beachtlichen Altersunterschied - ein alter, völlig ausgezehrter Mann überhaupt in der Lage ist, eine Erektion zu bekommen und ohne die geht es bekanntlich schlecht… Soviel an meinen Gedanken dazu.

Vielleicht solltest Du mal in den Aufzeichnungen von Emanuel Ringelblum stöbern; er hat das Leben im Warschauer Ghetto von seiner Entstehung bis zur Vernichtung sehr exakt dokumentiert. Weitere Infos dazu findest Du unter: http://www.judentum.net/kultur/oneg-shabbat.htm.

Beste Grüße

Renee

Hallo Diana,

ich kenne Belegstellen für die von Dir geschilderten Taten aus
Konzentrationslagern, allerdings nicht speziell aus dem
Warschauer Ghetto. Könnte das trotzdem hilfreich sein?

ja, unbedingt. Es müssen nicht viele Stellen sein, eine oder zwei würden schon genügen. Danke für die sachliche Antwort.

Herzliche Grüße

Thomas

Hallo Renee,

man hat sich in Gettos, KZs und Forts so einige
Entsetzlichkeit einfallen lassen,

mich interessieren hier vor allem die Abstufungen der Handlungen, also die Kriterien, nach denen diese Handlungen angewendet wurden (bzw. ob es überhaupt solche Kriterien gab).

wobei ich den erzwungenen
Geschlechtsverkehr zwar für möglich aber dennoch für nicht
realisierbar halte (dazu komme ich gleich).

Ja, das stimmt natürlich, aber dagegen kann man natürlich argumentieren, dass es bei vertauschten Rollen (alte Frau/junger Mann) sehr wohl möglich wäre, dass evt. auch bloße Andeutungen zur Erniedrigung schon ausreichen würden oder dass auch andere sexuelle Handlungen denkbar wären, die den gleichen Effekt hätten.

_Sonntag war Ruhetag, aber für die in den Forts gefangenen
Juden war es der Alptraum. Die Deutschen luden die Bewohner
des Ortes ein. Alle saßen oben, wie im Amphitheater auf
Stühlen und unten auf dem Platz sollten wir - als Schauspieler

  • sie unterhalten. Der Kommandant, ein besonders zynischer und
    sadistischer Mensch, führte bei diesem Spektakel Regie.
    […]_

Und sind jetzt in der Folge Einzelheiten genannt oder nicht? Gibt es den Text nur auf polnisch?

Soweit paßt es; es hätte auch durchaus sein können, daß jemand
auf die Idee kam, eine solche ‚Vorstellung‘ zu filmen.

Naja, zum Filmen musste man wohl in der Zeit noch recht wohlhabend sein, oder? Das Filmen selbst ist mir vielleicht gar nicht so wichtig, aber man könnte vielleicht auch auf die Idee kommen, dass das Filmen die ohnehin schon schlimme Situation noch schlimmer macht – wenn das überhaupt möglich ist.

http://www.judentum.net/kultur/oneg-shabbat.htm.

Danke für den Hinweis, das klingt interessant.

Herzliche Grüße

Thomas

Hallo noch einmal,

mich interessieren hier vor allem die Abstufungen der
Handlungen, also die Kriterien, nach denen diese Handlungen
angewendet wurden (bzw. ob es überhaupt solche Kriterien gab).

Kritierien in dem Sinne sind mir nicht bekannt und die mir zugänglichen Quellen besagten in puncto Erniedrigung - sorry für den zynischen Ausdruck, aber er trifft es sehr genau - ‚Erlaubt ist, was gefällt‘. Ob nun Eingriffe in den Bereich der sexuellen Selbstbestimmung/Überschreiten der Schamgrenze; das Lächerlichmachen der Religion (Beispiele solcher ‚Hach, was ist das luuuustig‘-Aktionen: 1. orthodoxen Juden wurden der Bart und die Locken abgeschnitten; 2. die Juden wurden zur Bestattung eines Pferdes nach allen religiösen Regeln gezwungen) oder ‚nur‘ eine ‚normale‘ Demütigung.

Und sind jetzt in der Folge Einzelheiten genannt oder nicht?
Gibt es den Text nur auf polnisch?

Ja, anschließend wird der Ablauf einer solchen ‚Vorstellung‘ beschrieben. Der Bericht stammt aus einer polnischen Regionalzeitung, deswegen gibt es ihn nur auf Polnisch. Es ist knapp eine DIN A4-Seite, die Übersetzung kriegst Du bis, na sagen wir 16:30, spätestens ca. 17:00 Uhr per Mail.

Naja, zum Filmen musste man wohl in der Zeit noch recht
wohlhabend sein, oder? Das Filmen selbst ist mir vielleicht
gar nicht so wichtig, aber man könnte vielleicht auch auf die
Idee kommen, dass das Filmen die ohnehin schon schlimme
Situation noch schlimmer macht – wenn das überhaupt möglich
ist.

Stimmt… Ciechanower berichtet sogar, daß die Zuschauer mitmachen durften…

Bis denne

R.

1 Like

eben. Und dann bliebe nur noch der Vorwurf der
Holocaustleugnung - und das möchte ich ebensowenig auf mir
sitzen lassen, wie du sicher verstehst.

Was meinst Du da denn mit???

Danke, das ist sehr nett von dir. owt.

Hallo Conrad,

Was meinst Du da denn mit???

lass gut sein, wir wollen die Sache nicht noch mehr aufrollen.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Jungs, Ihr redet aneinander vorbei (mG & owT)
.