Warum darf eine Urkunde nicht beschädigt werden?

Hallo,
da ich bald eine praktische Prüfung für den AdA-Schein mache möchte ich mich darauf fachlich etwas vorbereiten, welche Fragen mich treffen könnten.

Mein Thema: Posteingangsbearbeitung

In meiner Ausbildung habe ich gelernt und auch der logische Menschenverstand sagt einem, dass Urkunden nicht beschädigt oder verfälscht werden dürfen.
Aber, wo steht es gesetzlich festgeschrieben, dass sie nicht beschädigt werden dürfen???
Im Bereich Posteingangsbearbeitung darf der Posteingangsstempel aus dem Grund nicht auf einen Vertrag, Zeugnis oder andere Urkunden gestempelt werden, weil der Stempel eine Beschädigung darstellt. Das hat man in der Ausbildung hingenommen und danach wendet man jahrelang diese Anweisung auch an. - ist halt so und is ja auch logisch. Das WARUM aber wurde von mir nie gestellt *g*.

Ich finde kein Gesetz, Norm usw. in dem drin steht, dass eine Urkunde nicht beschädigt werden darf! Da ich in meiner bevorstehenden Prüfung aber darauf hinweisen muss benötige ich den § oder DIN, …

Kann mir da einer helfen? Danke!

§ 274 Urkundenunterdrückung, Veränderung einer Grenzbezeichnung

"(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.eine Urkunde oder eine technische Aufzeichnung, welche ihm entweder überhaupt nicht oder nicht ausschließlich gehört, in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt,[…]"

Soll heißen: Auf Urkunden die einem gehören kann man so viele Stempel draufmachen, wie man will, bei Urkunden, die jemand anderem gehören nicht, da hier wohl ein Nachteil für den Eigentümer billigend in Kauf genommen werden würde.

Gruß Andreas

Nein, das kann man so nicht stehen lassen.

Zunächst mal ist die eigentliche Urkundenfälschung in § 267 StGB geregelt.

Dann muss man betonen, dass „gehören“ i.S.d. von dir genannten Norm gerade nicht die Eigentumsverhältnisse meint. Darauf ist dringend hinzuweisen, wenn man sich dazu äußert. Man darf auch Urkunden, an denen man das Eigentum hat, nicht beliebig verändern.

Außerdem ist natürlich nicht jede Verunstaltung einer Urkunde eine Urkundenfälschung.

Darum ist es auch nicht per se verboten, Urkunden zu verändern. Wenn der Fragesteller meint, das Gesetz sehe das so vor, irrt er. Es muss ja nicht alles gesetzlich geregelt oder gar mit Strafe bedroht sein, was sich aus welchen Gründen auch immer nicht gehört.

Levay

Danke für die fixe Antwort!

Ich hätte nicht gedacht, dass im Strafgesetzbuch … jetzt im nachhinein auch wieder logisch - klar! … dass man da fündig wird!
Ich habe mich auf DINs und Sekretariatsverordnungen fixiert…

Jedoch wird es so formuliert, wenn man jemanden benachteiligen möchte durch die Beschädigung dann ist es verboten.
Wenn es aber ausversehen passiert, weil man nicht darauf geachtet hat, ist es ja nicht mit Absicht geschehen…

mh…

Außerdem ist natürlich nicht jede Verunstaltung einer Urkunde
eine Urkundenfälschung.

Darum ist es auch nicht per se verboten, Urkunden zu
verändern. Wenn der Fragesteller meint, das Gesetz sehe das so
vor, irrt er. Es muss ja nicht alles gesetzlich geregelt oder
gar mit Strafe bedroht sein, was sich aus welchen Gründen auch
immer nicht gehört.

ojeh…

als ich mein thema eingereicht habe hat meine Dozentin mich darauf aufmerksam gemacht auf gesetzliche Regelungen hinsichtlich Urkunden zu schauen. Sie sagte selbst, dass das Stempeln von Verträgen usw. gesetzlich verboten ist weil es eine Beschädigung darstellt. Sie sagte ich solle im Internet recherchieren…
Also, ich muss aus diesem Grund davon ausgehen, dass es tatsächlich ein Gesetz hierfür gibt, wenn sie mich schon darauf aufmerksam gemacht hat.
Da ich durch googeln nix gefunden habe hab ich mich an wer-weiß-was gewandt :smile:

Also ist der § 274 Strafgesetzbuch nicht dafür gedacht?

Sie sagte selbst, dass das
Stempeln von Verträgen usw. gesetzlich verboten ist weil es
eine Beschädigung darstellt.

Nein, das ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Da müsste man sich schon den Einzelfall ansehen. Wenn ich jetzt meinen Mietvertrag aus der Schublade krame und da einen lustigen Stempel drauf mache, ist das natürlich erlaubt. Urkundenfälschung ist ein Delikt, das auf Beweisrichtungen abzielt, es schützt nicht per se vor „Beschädigungen“.

Also, ich muss aus diesem Grund davon ausgehen, dass es
tatsächlich ein Gesetz hierfür gibt, wenn sie mich schon
darauf aufmerksam gemacht hat.

In dieser Allgemeinheit dürfte es dafür kein Gesetz geben. Ich bin jedenfalls im Jurastudium und im Referendariat noch keinem begegnet.

Also ist der § 274 Strafgesetzbuch nicht dafür gedacht?

Wie gesagt: Es kommt auf den Einzelfall an. Natürlich kann die Beschädigung einer Urkunde auch nach § 274 StGB strafbar sein. Muss aber nicht.

Levay

Hallo Swesy,

Mir fallen zu Deiner Frage nur die §§267 ff. StGB ein.
Dabei geht es jedoch um Urkundensdelikte, wie etwa die Urkundenfälschung, die Urkundenunterdrückung.

Eine Urkunde trägt die Perpetuierungsfunktion. D.h., dass sie ihren Aussteller erkennen lässt und damit verbunden eine körperliche Gedankenerklärung beherbergt.
Inwieweit nun ein Eingangsstempel und oder ähnliches diese Perpetuierung aufhebt ist fraglich. M.e. verfälscht man damit die Urkunde nicht, weder wird sie unterdrückt oder sonstiges.
Deshalb kann ich Dir auch keine konkrete Antwort auf Deine Frage geben.
Vielleicht hilft Dir das ja ein wenig weiter…

Beste Grüße !

Hallo,

ich möchte Dir ganz profan anworten - ohne Hinweise auf strafrechtliche Delikte.

Eine Ur-Kunde ist etwas Einmaliges. Sie wird vom Standesamt oder dazu berechtigten Staatsbediensteten ausgestellt. Die Urkunde gibt es nur 1 x.

Wenn eine solche Urkunde später mit irgendwelchen Stempeln, Vermerken oder sonst irgendwie „verändert“ werden, dann kann man das als Fälschung werten. Auch wenn diese Stempel/Vermerke gutgläubig oder irrtümlich angebracht wurden.

Den Urkundeninhabern empfiehlt es sich, nur Kopien bzw. Abschriften in Umlauf zu brigen. Staatsbedienstete sollten jedoch wissen, dass Urkunden einmalig und unveränderlich sind und schon ein einziger versehentlicher Eingangsstempel darauf diese „kaputt“ macht.

Stelle Dir Dein Schul-Abschlusszeugnis vor, welches Du einem Betrieb überlassen hast, bei dem Du Dich um eine Ausbildungsstelle beworben hast. Der Betrieb hat bei der Eingangsbearbeitung versehentlich die Zuständigkeitsbereiche im Hause und weitere handschriftliche Bearbeitungshinweise daraufgeschrieben. Auf Dein Schulzeugnis. So. Und jetzt versuche mal, von dieser Urkunde Kopien zu fertigen…

Nicht prickelnd, diese Vorstellung, gell.

Freundliche Grüße
Maralena