Warum ist der Begriff Quotenschwarzer rassistisch?

Aber warum sollte das denn problematisch sein, wenn es doch eine Regel (eine Quotenregelung) gibt, die genau das tut: Menschen einen Posten aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts geben. Es ist doch diese Regelung, die Menschen auf diese Eigenschaft „reduziert“. Und wenn man diese Regelung oder ihre Auswirkungen kritisieren will, dann kann man doch gar nicht anders, als darauf abzustellen.

Dein Beispiel in anderen Worten: Du bist eigentlich besser als die Kollegin, aber weil sie eine Frau ist, bekommt sie die Beförderung und du nicht.

Das heißt mit anderen Worten, dass jeder, der einen anderen kritisiert, sich überhöht. Gut, das kann man so bezeichnen, wenn man will, aber ist das ein Problem? Darf niemand mehr der Meinung sei, dass jemand anders schlechte Arbeit mache? Darf niemand mehr über einen Kollegen lästern?

Und ich verstehe wirklich nicht, warum ich einen Menschen wegen seines Geschlechts abwerte, wenn ich der Meinung bin, dass dieser Mensch seinen Job nur aufgrund einer Quotenregelung bekommen hat. Das „wegen des Geschlechts“ steckt doch in der Quotenregelung, nicht in der Kritik an der Arbeit.

Hälst du es denn für unmöglich, dass ein Mensch aufgrund einer Quote einen Posten kriegt, für den er eigentlich nicht geeignet ist oder die er aufgrund seiner Leistungen nie bekommen hätte?

Und wenn das mal passieren sollte, und du nimmst es wahr, wie würdest du denn darüber reden? Hast du irgendeine Geheimsprache, in der derjenige nicht auf irgendwas „reduziert“ würde oder „aufgrund seines Merkmals abgewertet“ würde oder du dich „überhöhen“ würdest?

Oder sollte man überhaupt nicht über so etwas reden, weil jeder Zusammenhang von Kritik und Merkmalen wie Geschlecht, Herkunft oder Hautfarbe deiner Meinung nach per se rassistisch, sexistisch oder ausländerfeindlich ist?

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Herr Vorsitzender, ich bitte um Erlaubnis, sprechen zu dürfen und gleichzeitig Widerrede zu führen, wie folgt:

Gruß

Wenn ich richtig sehe, fehlt hier in der Diskussion eine wichtige Information:

Es. gibt. bei. deutschen. Bundesligavereinen. keine. „Schwarzenquote“!

Warum sollte es so etwas auch geben? Bundesligavereine sind keine Wohltätigkeitsveranstaltungen, sondern müssen knallhart kalkulieren und sich im Markt bewähren, für möglichst „wenig“ Geld möglichst gute Spieler einkaufen, alle Positionen so gut wie möglich besetzen, im Auge haben, dass die Spieler möglichst zueinander, zum Trainier, passen, sich verletzen können…
Dass so viele schwarze Spieler für die Vereine spielen, liegt einzig und allein daran, dass diese sich mit ihrer hohen Qualität am Markt durchsetzen (Boateng z. B. war halt bis vor einigen Jahren einer der besten Innenverteidiger der Welt, was ja Gauland nicht davon abhielt, ihn rassistisch in aller Öffentlichkeit zu beleidigen - ok, als AfD-Politiker darf man das halt…).

Von daher schrieb Lehmann nicht von einem Fakt (einer vorhandenen Quote), sondern ironisch von etwas, was man verstehen muss als „Aogo ist so schlecht, warum spielt der denn trotzdem für unseren Verein, das sieht ja so aus, als ob er nur eingestellt wurde, weil man halt in jeder Mannschaft einen Schwarzen einstellen muss“ (Lehmann setze einen lachenden Simley am Ende der Nachricht)

Das ist nun zum ersten beleidigend, wie wir uns alle hier einig sind.

Zum zweiten klingt dies aber natürlich auch nach:
„Schwarze spielen so schlecht Fußball, dass sie nur eine Chance haben, wenn man sie gezielt schützt“ (was großer Unsinn ist, siehe oben).

Wie gesagt, es geht hier nicht um eine tatsächlich vorhandene „Schwarzenquote“, über die man sachlich reden könnte, sondern um eine (ach so witzige) Erfindung Jens Lehmanns.

Gerade von einem Menschen, der wie Lehmann in der Öffentlichkeit steht, kann man das verlangen, was eigentlich von allen Menschen zu fordern ist, nämlich angesichts des massiven Rassismus in den USA, der in letzter Zeit öffentlich gemacht wurde, ein bisschen sensibel mit diesem Thema umzugehen. Auch in sms an einzelne Menschen.

Im übrigen sollte man nicht so tun, als ob eine Quote so etwas ganz unproblematisches sei. Die Frauenquote, die es ja nur an ganz wenigen Stellen gibt, ist auch unter Frauen sehr umstritten. Denn natürlich besteht immer die Gefahr, dass Männer nicht nur denken, „Diese Frau ist unfähig und hat ihren Posten nur bekommen, weil es die Quote gibt“, sondern auch „Frauen sind grundsätzlich weniger kompetent als Männer, darum werden sie künstlich bevorteilt“.

Von daher sehe auch ich hier Rassismus, auch wenn dies nicht wortwörtlich konkret festgemacht werden kann, da wir in den Kopf von Lehmann nicht reingucken können. Ganz sicher wird aber so eine Äußerung rassistisch verstanden und findet Beifall von ganz bestimmter Seite.

Lehmanns erste „Erklärung“ sprach ja übrigens Bände, sein Versuch, das Wort „Quote“ mit Aogos Fernseh-Engagement zu erklären, war so peinlich, dass es eigentlich schon einem Geständnis gleichkommt.

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Aogo ist kein aktiver Profi mehr sondern war zum Zeitpunkt der Nachricht TV Experte bei Sky. Darauf dürfte sich Lehmann bezogen haben.

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Ok, aber dass er zunächst behauptete, er habe gemeint, durch die excellente Arbeit von Aogo steigere der Sender seine Zuschauerquote, ist doch weit hergeholt, oder sehe ich das falsch?
Karl

Nö, da liegst du goldrichtig und leider hat Lehmann da gleich den nächsten Bock geschossen. Ich halte ihn nicht für einen Rassisten, aber er hat natürlich selber sofort erkannt, dass er mit diesem rassistischen Spruch großen Mist gebaut hat. Ich hätte gerne gesehen, dass er sich einfach aufrichtig entschuldigt und nicht irgendwelche an den Haaren herbeigezogenen Ausflüchte sucht.

Herr Verteidiger, würden Sie dem Gericht auch mitteilen, worauf Sie hinaus wollen. Ist „Vergasen“ statthaft, „Quotenschwarzer“ aber trotzdem nicht oder was?

Ich will auf die Herkunft der Redensart „…bis zur Vergasung“ hinweisen, die nicht aus dem Sprachgebrauch des Ersten Weltkrieges stammt, wie Sie es behaupteten.

Das ist für den Gesamtzusammenhang auf den ersten Blick nicht relevant, dennoch kann man mit ungeprüft verbreiteten Informationen auch allerhand Rufschaden anrichten.

Ja. Genau so verstehe ich seine Nachricht (mal abgesehen davon, dass es vielleicht nicht um eine Tätigkeit als Fußballspieler, sondern Fußballkommentator geht, aber das ist ja vollkommen egal, ebenso wie die Frage, ob es wirklich eine Quote gibt oder nicht).

Nein. Das hat er nicht gesagt. Das interpretierst du vielleicht rein, aber das kann man ihm nicht unterstellen. „klingt nach“ ist eine völlig subjektive Interpretation. Ich sehe hier (genauso wie bei Penegrin, der mir anscheinend nicht antworten will) den krampfhaften Versuch, bei einer Äußerung, bei der es einerseits um Abwertung und andererseits um die Hautfarbe ging, irgendwie herzuleiten, dass die Abwertung aufgrund der Hautfarbe geschah. Es gibt aber keinen zwingenden Grund für diese Annahme bzw. Verknüpfung, ich habe es nicht so empfunden und andere auch nicht. Ergo sollte man nicht von einer rassistischen Aussage sprechen, sondern von einer von manchen als rassistisch empfundenen. Man kann ja sensibel sein, aber man kann nicht, weil einem der Tonfall nicht gefällt oder weil man selber solche Lästereien nicht machen würde, etwas Derartiges unterstellen.

Nein, was man Menschen in der Öffentlichkeit raten muss, ist: Äußere dich bloß nicht irgendwie zu irgendwas, das mit dem Geschlecht, der Hautfarbe oder der deutschen Geschichte zu tun hat, denn sonst bist du ganz schnell deinen Posten los, auch wenn du überhaupt nicht rassistisch, sexistisch o.ä. bist.

Auch nicht im privaten Umfeld, denn dann bist du deinen Job genauso schnell los. Sag aber auch nie, man dürfe in Deutschland nicht mehr sagen, was man denkt, denn auch das wird man gegen dich auslegen und dich in eine bestimmte Ecke stellen.

Wenn das so ist, ab wann redet man denn dann sexistisch? Wenn man die Quote befürwortet? Wenn man davon ausgeht, dass wirklich mal irgendeine Frau nur aufgrund der Quote, aber nicht aufgrund ihrer Leistung an eine Position kommen könnte? Oder wenn man dem Kollegen X sagt, dass man der Meinung sei, bei Kollegin Y sei das der Fall?

Also es ist rassistisch, nicht weil es an sich rassistisch ist, sondern weil es irgendjemand auf rassistische Gedanken bringen könnte? Dann könntest du auch sagen, eine Feministin, die sich für oder gegen die Quote ausspricht, handele sexistisch, weil sie Männer auf den Gedanken bringen könnte, dass Frauen weniger drauf hätten und nur durch die Quote auf höhere Positionen kämen.

Sorry, das ist mir alles zu weit hergeholt, zu weit abgeleitet. Man ist m.E. für das verantwortlich, was man sagt, und nicht dafür, was irgendjemand irgendwo reininterpretieren bzw. fehlinterpretieren könnte oder welche Folgegedanken bei finsteren Charakteren daraus noch entstehen könnten.

Ich habe sie nicht so verstanden, und ich gehe davon aus, dass Menschen Dinge, die sie sagen, so verstehen, wie sie sie meinen (und nicht gleichzeitig wissen, wie andere das fehl-interpretieren). Und wenn ich eine private Chatnachricht verschicke, frage ich nicht vorher meinen PR-Berater.

Womit man natürlich rechnen muss, wenn man in privaten Chatnachrichten so was schreibt.

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Da stimme ich dir zu.

Ist es nicht eher so, dass Lehman dem Sender sky unterstellt, dass für den Sender sky nur die Hautfarbe von Aogo eine Rolle spielt? Er fragt ja, ob Aogo jetzt der „Quotenschwarze“ sei. Mit anderen Worten: " Hab ihr Aogo nur wegen seiner Hautfarbe eingestellt", oder - etwas zugespitzter - „Ihr habt Aogo doch nur wegen seiner Hautfarbe eingestellt, ne?“

Auch, aber ändert das etwas an der Sache? Die Frage hier im Thread dreht sich ja darum, ob der Begriff ‚Quotenschwarzer‘ rassistisch ist. Dass er beleidigend ist, stellt hier ja kaum jemand in Abrede. Bleibt also nur noch die Frage, ob eine Beleidigung, die auf eine bestimmte Hautfarbe abzielt, nicht rassistisch sein kann. Ich sage ganz klar ‚nein‘, aber wie man sieht, sehen das einige ganz anders.

Ok, das stimmt natürlich, an der Kernfrage, ob der Begriff „Quotenschwarzer“ rassistisch sei, ändert das natürlich nichts. Und ich sehe das wie du: Eine Beleidigung, die auf eine bestimmte Hautfarbe abzielt, ist rassistisch.

Nur stelle ich mir im vorliegenden Fall die folgende Frage unter den folgenden, rein hypothetischen Annahmen:

Angenommen, sky hatte mehrere Experten zur Auswahl, die von ihrer Kompetenz alle vergleichbar sind. Außerdem möchte sky gerne diverser werden und hat entsprechende interne Richtlinien erarbeitet.

(Vergleiche dazu auch z. B. den Hinweis bei Ausschreibungen des öffentlichen Dienstes:
„Bewerbungen von Frauen ausdrücklich erwünscht sind und Frauen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt werden, sofern nicht in der Person des Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen“)

Im Zuge dessen wurde Aogo eingestellt. Nicht weil er kompetenter als alle anderen waren - wie gesagt, nehmen wir an alle Kandidaten waren in ihrer Fachkompetenz vergleichbar - sondern weil er gemäß Richtlinie zu bevorzugen war. Dann kann man sich doch durchaus auf den Standpunkt stellen, dass er den Job wegen einer Quote bekommen hat. Überspitzt und unangemessen formuliert: „Quotenschwarzer“. Ist das dann immer noch rassistisch? Er wird ja in seiner Person in diesem Fall nicht abgewertet, weder wegen seiner Hautfarbe noch aus anderen Gründen.

Falls das doch rassistisch sein sollte: Wäre dann der obige Hinweis bei Ausschreibungen des öffentlichen Dienstes (bzw. die Beweggründe hinter diesem Hinweis) nicht sexistisch?

Mir ist schon klar, dass man für so ziemlich alles eine hypothetische Rechtfertigung finden könnte, nur ist damit imho keinem geholfen. Hätte Lehmann so wie du argumentiert, wäre das eine andere Sache. Er hat aber so getan, als hätte er nur die Zuseherquote gemeint. Damit hat er imho jede Möglichkeit der konstruktiven Aufarbeitung zunichte gemacht.

Ich sehe es übrigens wie Aogo und finde die Konsequenzen für Lehmann übertrieben. Leider leben wir in einer Zeit, in der schnelle Reaktionen oft als einzig gängiges Mittel erachtet werden.

Es ging mir hier nicht um eine hypothetische Rechtfertigung. Ich habe einen hypothetischen Fall beschrieben, den ich mir im Zuge der Diskussion um Aogo und Lehmann ausgedacht habe und wollte dazu ein Meinungsbild.

Das ist mir schon klar. Ich persönlich finde den Begriff in jedem Fall unangebracht. In den allermeisten Fällen sind diese ‚Quotenxyz‘ Begriffe gegen die Person und nicht die Firma gerichtet. Als Kritik an einem System empfinde ich sie somit als völlig ungeeignet.

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Verstehe. Danke für die nachvollziehbare und differenzierte Antwort!

Der Begriff ist auch in meinen Augen ungeeignet für Kritik an „Quoten“ bzw. entsprechenden Richtlinien.