Servus,
in der katholischen Volksfrömmigkeit gibt es bei stark auf die Muttergottes orientierten Mystikern teilweise die Neigung, dem (materiellen) Rosenkranz stellvertretend für den gebeteten Rosenkranz quasi magische Wirkung zuzusprechen. Diese Art von Magiegläubigkeit wird von der rk Kirche nicht unterstützt oder gefördert, aber auch nicht explizit gemaßregelt oder bekämpft.
Der Rosenkranz ist eng mit der Jungfrau von Lourdes verbunden, die fünfzehn Altäre in Lourdes stehen in Beziehung zu den (damals) fünfzehn Geheimnissen, die beim Rosenkranz betrachtet werden. Der in den „marianischen“ und zur Mystifizierung allzeit bereiten 1880er Jahren im Amt befindliche Papst Leo XIII. hat sich viel mit dem Rosenkranz beschäftigt und in einer ganzen Reihe von Enzykliken seine Bedeutung unterstrichen, u.a. auch betreffend Schutz vor/gegen Häresien und Wiedervereinigung des Christentums (natürlich unter den Fittichen der Una Sancta) - mit Bezug auf den Hl. Dominikus, der den Rosenkranz von der Muttergottes persönlich als Waffe im (blutrünstig und gnadenlos geführten) Kampf gegen die Albigenser geschenkt bekam, wohl nicht nur Schutz gegen Häresien, sondern auch Hilfe beim Dreinschlagen mit gepanzerter Faust, wenn deren Vertreter sich nicht freiwillig unter den Mantel der Madonna bzw. der Una Sancta zurück begeben.
Reichskonkordatspapst und Kommunistenfresser Pius XI. empfiehlt den Rosenkranz als Mittel gegen den Zerfall des Glaubens.
Sein Nachfolger Pius XII. propagiert aber immerhin auch am Vorabend des Vietnamkrieges, als der kalte Krieg heiß wird, Rosenkranzbeten - am besten daheim in der Familie - statt Phosphor und Napalm, um den vielbösen Feind mit der bereits bei Lepanto bewährten Hilfe Mariä gewaltlos niederzuwerfen.
Und noch ein ganz anderer Aspekt: Anlässlich eines Besuches in Lourdes, zufällig an einem Abend, an dem eine größere Abteilung kroatischer Neo-Ustaschen angereist war, die ihr „Avéée - Avéée“ so zackig brüllten, wie er es (mit anderem Text) zuletzt in Rundfunkübertragungen aus dem Sportpalast gehört hatte, hat mein Vater, altgedienter Psychiater in einer sehr konservativ katholisch ausgerichteten Gegend auf dem Land, mir erzählt, das die Top Three unter den Psychosen mit religiösen Motiven bei seinen Patientinnen waren: (1) Jungfrau von Lourdes (2) Hildegard von Bingen (3) Juliane von Lüttich.
Und damit es nicht gar so tendenziös wird: Ein paar Kilometer von der Psychiatrie weg, in der er gedient hat, steht in dem kleinen Dorf Sattenbeuren eine wundervolle Schutzmantelmadonna, bei der alle, ohne Ansehen von Herkunft und Stand, Unterschlupf bekommen.
Und nach all diesen Bögen zurück zu Deinem Nachbarn:
- Es kann sein, dass er mit dieser Geste empfiehlt, den Rosenkranz zu beten, sei es als Mittel gegen Häresie, sei es als Mittel zum Zusammenhalt der Familie, sei es als Mittel gegen die Not der Zeitläufte.
- Es kann genausogut sein, dass er Rosenkränze statt Napalmkanister wirft, um mit der gnädigen Unterstützung der Hl. Muttergottes welchen Ungeist auch immer zu bekämpfen und zu zerschmettern, den er bei Dir wittert.
- Es kann auch sein, dass die Rosenkränze (aus seiner Sicht) wohlwollende Einladungen sind, unter die Fittiche der Una Sancta zurückzukehren.
Du kannst ihn danach fragen, wenn Du magst. Wenn er Dich mit einem glühenden „Apage, Satanas!“ empfängt, ists vielleicht nützlich, mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst Kontakt aufzunehmen. Wenn nicht, wird vielleicht ein interessantes Gespräch daraus: Wenn man mit den Leuten redet, lässt sich so manche Causa Belli auflösen, und das ist unter Nachbarn auch nicht grad verkehrt.
Schöne Grüße
MM