Warum lüge ich so oft?

Hallo,
ich habe ein Problem, und zwar kein kleines.
Erstmal zum Hintergrund: Ich bin sehr gläubig. Meine ganze Familie geht jeden Sonntag zum Gottesdienst, mein Vater ist Prediger und ich fühle mich wohl in meinem Glauben. Allerdings habe ich seit einiger Zeit ein Problem mit dem aufgreifen der Gottesdienste, ich glaube, das liegt an unserem Prediger (nicht mein Vater :wink: ). Fakt ist, dass ich nicht mehr ganz so gerne gehe, und alleine schon gar nicht.
Letzten Sonntag ist meine Mutter mit meinem Vater mitgefahren, und ich sollte alleine gehen. Hab ich aber nicht gemacht. Ich hatte ganz einfach Stress mit meinem Freund und keine Nerv, mir Fragen anzuhören. Meinen Eltern habe ich aber nicht erzählt, dass ich nicht da war. Als Nachfragen kamen, habe ich Sachen erfunden, zum Beispiel wer den Gottesdienst gehalten hat, wer da war und wer nicht. Mir war klar, dass das sehr gewagt war, schließlich wäre durch einfache Kontrollen alles rausgekommen. Meine Mutter hat es dann rausgefunden. Ich hab die Autositze unverstellt gelassen… Sie ist natürlich stocksauer, nicht, weil ich nicht zur Kirche gegangen bin, sondern weil ich sie angelogen habe.

Wenn ich so drüber nachdenke, fällt mir auf, dass ich ziemlich häufig lüge.
Aus meinem Pädagogik-LK weiß ich von vielen verschiedenen Theorien, warum das so sein könnte…
Zum Beispiel Selbstschutz, oder Angst vor der Wahrheit?
Was könnt ihr mir dazu sagen? Wie schlimm schätzt ihr das ein?
Danke schonmal für die Antworten!

Hallo,

ich denke es ist nur wichtig, ob du dich Gott gegenüber schlecht fühlst. Natürlich kann dir das Richtig und Falsch-Verständnis deiner Eltern am Anfang den Weg weisen, aber letztlich muss man sich persönlich im Gebet oder in Gedanken bei einer meditativen Arbeit mit solchen Fragen auseinandersetzen.

Ich denke du hattest Angst, dass deine Unlust in den Gottesdienst zu gehen etwas schlechtes wäre. Das ist es natürlich nicht, denn deine Zweifel an dem Pastor haben auf jeden Fall ihre Berechtigung.

Scheue dich nicht davor, deine Kritik zu äußern. Mach es am besten konkret: merke dir bestimmte Predigtstellen oder schreib sie dir gar auf. Und dann kannst du dich mit deinen Eltern über diese konkreten Dinge unterhalten und entfernst dich damit von der vagen Regel: „Du sollst nicht lügen“ - und machst daraus eine aufrichtige Suche nach deinem persönlichen Glauben. Die du an dieser Stelle eben mal nicht mit Gottesdienst bestreitest sondern mit einer Diskrepanz in deinem persönlichen Leben: Ist es wichtig/richtig in den zweifelhaften Gottesdienst zu gehen oder nicht?

Es ist gut, wenig zu lügen. Hauptsächlich für einen selbst, weil man sich dann nämlich nicht die Lügengeschichten merken muss, die man erfindet - aber das hast du glaube ich schon gemerkt.

Ich würde mir übrigens auch noch eine Bemerkung erlauben, bitte nicht falsch verstehen:

Es ist gar nicht so wichtig, ob du dich bei deinem Glauben unmittelbar wohl fühlst. Es gibt etwas tieferes, ein Bestreben vor den Augen Gottes ein gutes Bild abzugeben. Ein Bild dass nicht verfälscht wurde.

Dieses eine Streben gilt es in den Mittelpunkt zu stellen. Manchmal ist das anstrengend, das muss so sein. Das ist einem glaube ich sogar wichtiger als die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse.

Nun denn, gerade fällt mir nicht mehr dazu ein, außer dass ich deine Frage sehr aufrichtig und wichtig fand. :smile:

Ganz liebe Grüße,
Thomas

Entscheidend für die Beurteilung einer Lüge ist nicht die Tatsache, DASS gelogen wurde, sondern aus welcher MOTIVATION, aus / mit welchem Bewußtsein.

Es gibt „Notlügen“ oder „fromme Lügen“, die man benutzt, um Menschen vor Schaden zu bewahren - vor allem Kinder oder kranke Menschen.

Mit „Bewußtsein“ meine ich hauptsächlich, ob ein Mensch sich bereits zum „Höheren / wahren Selbst“ („Christus-Bewußtsein“) entwickelt / entschieden hat ODER ob er noch vom „Niederen Selbst“ / „Ego“ dominiert ist.

Der Übergang vom Niederen zum Höheren Selbst soll in der Pubertät stattfinden. Denn wenn man körperlich fähig ist, Kinder zu zeugen / zu bekommen, sollte man auch im typischen Erwachsenen-Bewußtsein leben, um auch die eigenen Kinder zu wahren Erwachsenen erziehen zu können.

Leider findet dieser Übergang vom Niederen zum Höheren Selbst in der zivilisierten Gesellschaft kaum noch statt; weder in der Pubertät noch später.

Zu lügen, so wie du beschrieben hast, ist eine typische Lüge des „Niederen Selbst“ / „Ego“. Das Ego verfügt nicht über die höhere Dimension von Liebe wie das „Höhere Selbst“.
Das Höhere Selbst kann zu Schwächen / Fehlern und Überzeugungen, die zu „Reibung“ führen, stehen. Das Ego nicht. Das Ego erliegt der Angst. Das Höhere Selbst nicht.

Mehr dazu bzw. zum wahren Erwachsenwerden findest du im Salutogenese-Forum.

Vertiefende Fragen beantworte ich gern.

Hallo Problemchen,
aus meiner Perspektive sind Lügen doch eigendliche nichts anderes als erfundene Geschichten.
Da scheinst du einfach ein Kompetenz zu haben, die dir hilft dich über familiäre Regeln, welche nicht zu deinem Lebensentwurf passen, hinwegzusetzen.
Leider verstehen das die Menschen welchen man die Geschichten erzählt nicht so. Sie fühlen sich verletzt und eben belogen.
Sicher wäre es gut wenn du auch die motive für deine Geschichten erzählen kannst. Damit wirst du bestimmt besser verstanden.
Und natürlichen werden auch Geschichten erfunden um von der Realität, meist aus Angst, abzulenken.
Stelle dich den Dingen die dich hindern dein Leben nach deinen Bedürfnissen zu leben.
Viel Erfolg

Hallo Problemchen

Also ich glaube eine Einschätzung wie schlimm es ist, kann man nicht treffen, da ja nicht klar hervorgeht in welchen Situationen sie lügen, oder welche Konsequenzen diese Lügen haben.

Die von Ihnen angeführte Lüge was den Gottesdienst betrifft finde ich harmlos. Sie schreiben ja selbst das sie wegen dem Prediger nicht gerne hingehen. Dei Frage ist nun, was hat es mit dem Prediger auf sich, warum liegt es an ihm, können sie das konkret an etwas festmachen? Möglicherweise wäre es sinnvoll für sie mit ihren Eltern darüber zu sprechen, wenn derartige Gesprächsinhalte zwischen ihnen möglich sind.

So gewisse Notlügen sind sehr wichtig für ein soziales Zusammenleben. Vieles von dem was man sich denkt, oder am liebsten auch aussprechen würde, was man über eine andere Person denkt, oder über die Meinung einer anderen Person kann schon mal derartig kränkend o.ä. sein, das es sinnvoll ist, es nicht zu sagen, oder eine Notlüge zu erfinden.
Natürlich kommt es nun auf die Inhalte dieser Lügen an?

Oftmals lügt man aus Angst die Wahrheit zu sagen, wie der andere darauf reagieren könnte, das die Freundschaft o.ä. dann zu Ende sein könnte, das man den anderen verletzen könnte, auch der Harmonie wegen, um Streits zu vermeiden. den Selbstschutz haben sie ja selbst auch erwähnt, es kann aber auch der Schutz eines anderen sein, der einen zum Lügen bringt.
Ursachen können auch sein: Aufmerksamkeit erregen, beachtet werden, gelobt werden, geliebt werden, umsorgt zu werden, bedauert zu werden, bewundert zu werden.

Meiner Ansicht nach ist es aufgrund dieser einen Lüge von Ihnen schwer zu sagen, was bei Ihnen der Grund fürs Lügen sein könnte.

Lügen ist allzu menschlich und gehört zum Leben dazu (wenn man damit niemanden massiv schadet - aber das versteht sich von selbst)

lg
Josef