Warum macht man sich ein Bild?

Hallo Wissende,

meine Frage hätte ich auch im Malereiforum stellen können, aber ich denke, die Antworten sind eher im philosophischer als künstlerischer Natur.

Warum machen sich Menschen ein Bild? Ich meine hier keine Erinnerungsfotos, Porträts auf Leinwand, Bilder zur Dokumentation, Propaganda u.ä., sondern Bilder über Gott / Götter /Heilige, abstrakte Begriffe wie Tod, Trauer, Schönheit, die Tugenden usw.

Dieses Bedürnis scheint wohl in allen Kulturen zu allen Epochen vorhanden zu sein, trotzdem bei manchen bildliche Darstellungen meist aus religiösen Gründen verboten waren bzw. sind (auch bei den als bilderlos geltenden Moslems gibt es Miniaturen über Allah und Mohamed).

Danke für Eure Meinungen.

Wolfgang D.

Hallo Wolfgang,

Warum machen sich Menschen ein Bild? Ich meine hier keine
Erinnerungsfotos, Porträts auf Leinwand, Bilder zur
Dokumentation, Propaganda u.ä., sondern Bilder über Gott /
Götter /Heilige, abstrakte Begriffe wie Tod, Trauer,
Schönheit, die Tugenden usw.

wohl deshalb, weil „Bilder“ unsere natürliche innere Sprache sind, und wir haben bei „Bildern“ sofort das Gefühl, sie zu verstehen.

Diese Bilder sind das, was in der Gestaltpsychologie die Gestalten sind: Dinge, die aus zwar aus Teilen zusammengesetzt sind, aber sofort als Ganzes wahrgenommen werden: Gegenstände z. B., Melodien, logische Strukturen und Zusammenhänge… Eine Teekanne nimmst Du sofort als solche wahr, weil Du so etwas schon oft gesehen und verwendet hast, und mußt nicht erst denken: aha, ein kugelförmiges Gefäß, ein Henkel daran, ein schnabelförmiger Ausguß, also eine Teekanne.

Abstrakte Begriffe können wir nicht vornherein verstehen, sondern müssen sie erst in uns geläufige Sprache übersetzen: „Bilder“ eben!

Dieses Bedürnis scheint wohl in allen Kulturen zu allen
Epochen vorhanden zu sein, trotzdem bei manchen bildliche
Darstellungen meist aus religiösen Gründen verboten waren bzw.
sind (auch bei den als bilderlos geltenden Moslems gibt es
Miniaturen über Allah und Mohamed).

a.) Wahrscheinlich, weil die Menschen in allen Kulturen und zu allen Epochen ungefähr gleich funktionieren.

b.) Vielleicht ist das Machen von Bildern deshalb manchmal verboten, weil man zwar das Gefühl hat, dadurch zu verstehen, aber dieses Gefühl anscheinend sehr täuschen kann.

Grüße,

I.

Hallo

Das liegt in der Natur des Verstandes, nicht des Geistes.

Der Mensch hat eine natürliche Neigung, die Dinge verstehen zu wollen und benutzt dazu erstmal seinen, wenn auch begrenzten Verstand.

Nur sollte man nicht dabei stehenbleiben, da dieser - wie sich im Leben zeigt - nicht dazu in der Lage ist, zu einer absoluten Wahrheit zu gelangen.

Hierzu benötigt er andere Fakultäten, wie z.B. die Intuition.

…und Intuition erkennt, der Verstand vermutet.

gruß
rolf

b.) Vielleicht ist das Machen von Bildern deshalb manchmal
verboten, weil man zwar das Gefühl hat, dadurch zu
verstehen, aber dieses Gefühl anscheinend sehr täuschen kann.

Hm, das ist interessant. Ich habe bei Jacques Ellul einmal gelesen, das Gebot Gottes, sich kein Bild machen zu sollen, sei auch auf Photografie und Film auszudehnen. Obgleich ich das nicht so streng sehe, muss ich sagen, unter Berücksichtigung Deiner Vermutung könnte da was dran sein. Gott gibt ja kein Gebot aus reiner Willkür, sondern hat sich dabei schon was gedacht.

mfg
Schandor

Hi Schandor

Ich habe bei Jacques Ellul einmal
gelesen, das Gebot Gottes, sich kein Bild machen zu sollen,
sei auch auf Photografie und Film auszudehnen.

Man darf Gott nicht fotografieren?
Und wenn ich das schon getan habe, darf ich dann den Film nicht zum Entwickeln bringen?

Und wenn ich das schon getan habe, darf ich dann den Film
nicht zum Entwickeln bringen?

Doch, dann hast du dich ja erst jetzt bekehrt. Ich hoffe, Dh hast einen Kodak genommen; der Fuji überzeichnet ja das Blau und das Grün so. Lass ruhig entwickeln. Vielleicht entwickelst du dich ja selbst auch noch dabei… lol

mfg
Schandor

Hallo Wissende,

Warum machen sich Menschen ein Bild?
Dieses Bedürnis scheint wohl in allen Kulturen zu allen
Epochen vorhanden zu sein, trotzdem bei manchen bildliche
Darstellungen meist aus religiösen Gründen verboten waren bzw.
sind (auch bei den als bilderlos geltenden Moslems gibt es
Miniaturen über Allah und Mohamed).

Danke für Eure Meinungen.

Wolfgang D.

Hallo Wolfgang
Du sprichst über das 2. Gebot: Du sollst dir kein Bildnis machen und es anbeten, als sei es ein Abbild oder gar das Abgebildete selbst. Beides wäre natürlich unhaltbar, falsch, irreführend.
Beispiel 1.
http://www.friedhelm-schulz.de/Man(n)siehtFrau.jpg

Beispiel 2
http://www.friedhelm-schulz.de/sehen.htm
schau dort vier Minuten lang auf die vier kleinen Punkte in der Mitte und dann auf irgend eine weiße Wand: und Du wirst ein Bild Jesu sehen, das nur von Deinem Hirn - also also praktisch ohne Deinen Willen in Dir entsteht. (Es ist keine Zauberei!! und nichts Heiliges!)

Deine Frage ist keineswegs trivial und etwa nur ein kunsttheoretisches Problem. Die Philosophen sind sich noch keineswegs einig, was das eigentlich ist „ein Bild“. Sei es Photo oder Gemälde, und ich fürchte, daß Du mit Deiner Frage sogar dieses Forum überforderst.
Um Dich an die eigentliche Problematik heranzuarbeiten, lies vielleicht den kleinen Aufsatz von dem Briten (oder Amerikaner?) Max Black. Er lehrte wenigstens in den USA.
http://www.friedhelm-schulz.de/Max Black.htm
oder
http://www.friedhelm-schulz.de/Max%20Black.htm

Das 2. Gebot richtete sich ursprünglich gegen Götzen und Gottesabbildungen, die z.B. in Ägypten als Malerei oder Skulpturen von Gottesvorstellungen (Schlange, Adler, Pillendreher usw.) regelrecht unreflektiert als heilig angebetet wurden.
Was dabei im Kopf eines Anbeters vor sich geht, kann man durchaus vergleichen mit dem Vorgang, der im Kopf eines alten Mannes vor sich gehen kann, der eine nakte junge Frau oder auch nur ein Bild einer solchen anschaut.
Ich selbst bin 73 Jahre alt und weiß wovon ich spreche. Sei es nun ein reales Modell oder auch nur ein Bild, in beiden Fällen versündige ich mich gegen diese Frau, wenn ich sie nur in der Personifizierung des Erotischen oder Sexuellen oder des Schönen sehe, und dabei ihr Wesentliches und Eigentliches, nämlich sie als Mensch übersehe oder auf das Erotische und Sexuelle reduziere. Bzw. auf meinem ersten Beispiel die alten Männer auf ihre Geilheit.

Und Gott gegenüber ist dies nicht anders.

In der westlichen Welt - aber auch weltweit - sind Bilder und Abbildungen inzwischen durch Gewohnheit nicht mehr derartig stark verführerisch und zum größtenteils Informationsträger, deren Information zunehmend nur funktioneller Art ist. In der Kirche in hinduistischen Tempeln sind sie mehr Konzentrationshilfen.

Die ständige Besinnung auf das 2. Gebot ist dennoch eine tagtäglich notwendige.

So weit erstmal
ganz herzlich
Friedhelm

Lieber Wolfgang Digame
Richtig gute Fragen.

Hallo Wissende,

meine Frage hätte ich auch im Malereiforum stellen können,
aber ich denke, die Antworten sind eher im philosophischer als
künstlerischer Natur.

Oder ab damit ins Psychologen-Brett.

Warum machen sich Menschen ein Bild? Ich meine hier keine
Erinnerungsfotos, Porträts auf Leinwand, Bilder zur
Dokumentation, Propaganda u.ä., sondern Bilder über Gott /
Götter /Heilige, abstrakte Begriffe wie Tod, Trauer,
Schönheit, die Tugenden usw.

Menschen sind fehlerhafte Wesen, mit vielen Wahrnehmungsmängeln behaftet. Alles, was Menschen schaffen, ist daher in irgendeiner Form mangelhaft, im Sinne von unvollkommen. Die Unvollkommenheit einer Abbildung bedeutet eine Einschränkung eines Gottes. Zumindest scheint mir das bei jeder monotheistischen Religion so zu sein.

Die anderen Begriffe (Tod, Trauer, Schönheit etc.) sollen vielleicht den hohen Abstraktionsgrad solcher Begriffe bannen, sie sollen visualisieren, was nicht dingfest gemacht werden kann. Ich zum Beispiel finde, dass ein Begriff wie „Trauer“ furchtbar schwer in den Griff zu kriegen ist. Ein Bild von Käthe Kollwitz über Trauer drückt genau aus, was ich meine, ohne dass ich benennen kann, warum.

Dieses Bedürnis scheint wohl in allen Kulturen zu allen
Epochen vorhanden zu sein, trotzdem bei manchen bildliche
Darstellungen meist aus religiösen Gründen verboten waren bzw.
sind (auch bei den als bilderlos geltenden Moslems gibt es
Miniaturen über Allah und Mohamed).

Es erstaunt mich, dass es Miniaturen über Allah geben soll. Gibt’s da Näheres zu wissen?

Danke für Eure Meinungen.

Wolfgang D.

Danke für die Fragen
Viele Grüße
Voltaire

Bilder im Islam
(auch bei den als bilderlos geltenden Moslems gibt es

Miniaturen über Allah und Mohamed).

Hallo Wolfgang,

von Gott (Allâh) nicht, von Muhammad schon einige wenige, aber (fast?) immer mit verdecktem Gesicht.

Ich halte es allerdings für eine psychologische Frage.

Viele Grüße,

Mohamed.

Das 2. Gebot richtete sich ursprünglich gegen Götzen und
Gottesabbildungen,

Hallo Friedhelm,

diese Aussage interessiert mich. Kannst Du hierzu näheres sagen? Hast Du eine Quelle dazu?

Schöne Grüsse

Uli

Hallo,
und auch im Christentum ist mir nicht bekannt, dass es ein Bildnis von
Gott geben soll (Lichterscheinungen mal ausgenommen).

Viele Grüße
Chili

Das 2. Gebot richtete sich ursprünglich gegen Götzen und
Gottesabbildungen,

Hallo Friedhelm,

diese Aussage interessiert mich. Kannst Du hierzu näheres
sagen? Hast Du eine Quelle dazu?

Hallo Uli,

Jedes Geschichtsbuch über das alte Ägypten und über die Sumerer und das nachfolgende Babylon, der Heimat Abrahams, schildert deren Gottesvorstellungen und Bilder.
Die Entstehung des 2. Gebots wird superanschaulich in der Bibel geschildert. Während Moses, der das urisraelische Volk aus Ägypten weggeführt hatte, die 10 Gebote zu seinen Leuten brachte, waren diese bereits wieder in den Götzenglauben zurückgefallen, einer Schilderung, durch die gerade das 2. Gebot hervorgehoben wird. 2. Mose Kap. 32. bis 34.
Dies ist eine über Jahrtausende mündlich weitergegebene Erzählung - von einfachen Nomaden für einfache Nomaden, ehe sie etwa 600 v.Chr. in der heutigen Bibelfassung aufgeschrieben wurde.
Wie man den Entwicklungsschritt vom Animismus über den Polytheismus zum Monotheismus bewußtseinstheoretisch und erkenntnistheoretisch zu verstehen hat, habe ich mit meinem Beitrag allerdings nur andeuten können.
Ich weiß nicht, ob sich bereits ein Theologe oder Soziologe bzw. ein Psychologe intensiver mit diesem Thema befaßt hat. Kunsttheoretisch wurde die Problematik mit dem Impressionismus/Expressionismus thematisiert. Die Wahrheit liegt nicht in dem Bild, das uns unsere fünf Sinne von der Außenwelt vermitteln. Es ist nur Impression. Die wahre Darstellung ist Expression und nicht das Abbild. Der Philosoph Martin Heidegger nannte ein Kunstwerk ein Geschehen von Wahrheit. Aber das führt jetzt hier wohl zu weit.

Ganz herzlich
Friedhelm

Nur das bekannteste Beispiel:
http://www.odysseetheater.com/goethe/bilder/Michelan…
… immerhin in der Privatkapelle des Papstes und an dem Ort, wo das Konklave das Oberhaupt der katholischen Christen wählt …

MfG
Ralf

Das 2. Gebot richtete sich ursprünglich gegen Götzen und
Gottesabbildungen,

Hallo Friedhelm,

diese Aussage interessiert mich. Kannst Du hierzu näheres
sagen? Hast Du eine Quelle dazu?

Max Black zeigt die grundsätzliche Problematik auf, die (als mögliche Fehlerquelle für Einschätzung und Verhalten) hinter jedem Bild lauert.
Der schon genannte Martin Heidegger geht eher von der positiven Möglichkeit des Bildes und des Bildens aus, nämlich als Medium der Kunst.
In einem kleinen Aufsatz macht sich der schon genannte Philosoph
Heidegger Gedanken über den Künstler, über das Ding als Kunstwerk wie
auch über das Ding als Gegenstand der künstlerischen Darstellung. Als
Reclamausgabe wahrscheinlich recht günstig zu kaufen.

Heideggers Sprache ist allerdings gewöhnungsbedürftig. Das Eigentliche des Gemeinten mußt Du dabei ohnehin selbst denken. - Kann ja nicht schaden! :wink:Er beansprucht bei allem so eine Art Urbedeutung der Wörter, die er allerdings in einem (seinem) besonderen Sinne festlegt. Im gewissen Sinne ist seine Sprache Dichtung.
Die Kapitel sind:
INHALT
Vorwort …-•••
Der Ursprung des Kunstwerkes .
Das Ding und das Werk . .
Das Werk und die Wahrheit.
Die Wahrheit und die Kunst, Nachwort …

Eine seiner wichtigen Aussagen ist, daß die Wahrheit eines Bildes nicht in der Übereinstimmung mit irgendeiner gegenständlichen Wirklichkeit liegt. Impressionismus und Expressionismus sind auch als Objekt immer Subjektives.

Vielleicht liest Du vorher zu diesem Aufsatz eine Rezension von Arne König
http://www.rossleben2001.werner-knoben.de/doku/kurs7…

Im Original bekommst Du den Aufsatz für 3,40€ bei Amazon, wie
ich sehe
http://www.amazon.de/Ursprung-Kunstwerkes-Martin-Hei…

Womöglich suchst Du aber eine ganz andere Antwort, - vielleicht derart, ob wir Christen uns nicht versündigen, wenn die eigentlichen Tempel unserer Kultur nicht mehr Gott sondern der Kunst zu Ehren gebaut werden.
Dazu geben die großartigen sorgfältigst gemachten Aussagen bei Max Black und Martin Heidegger nur indirekt eine Antwort. Die Ehrfurcht oder überhaupt die thematisierte Sicht auf das Subjektive, das eigentliche des Menschen bei beiden, - im Unterschied etwa zu den berüchtigten „Körperwelten“ - zu dem visuell und empirisch Meßbaren und Instrumentalisierbaren des Menschen, entspricht durchaus dem christlichen Menschenverständnis, bei dem es eben nicht auf das Äußere ankommt, Größe, Hautfarbe, Schönheit, Kleidung, Geschlecht und Alter usw., sondern auf das Innere.

Ganz herzlich
Friedhelm

Hallo Ralf,
da bin ich platt!
Ich bin immer davon ausgegangen, dass es keiner gewagt hat Gott in
realistischer Form darzustellen - schon gar nicht in einem menschlichen
Körper!
Viele Grüße
Chili