Warum mehr Akademiker?

Hallo Interessierte,

warum gilt es eigentlich als so erstrebenswert, die Zahl der Akademiker zu erhöhen? Wenn man die normale Intelligenzverteilung zu Grunde legt (Gaußsche Kurve), dann muss eine Erhöhung der Zahl notwendigerweise mit einer Veminderung der Qualität einhergehen.
Und gibt die Geschichte dieser Hypothese nicht recht? Die größte Zeit des „Wissensstandortes“ Deutschland war, als nicht einmal 5% der Schüler das Gymnasium absolvierten. Gleichzeitig konnte aber jeder Volksschüler anständig schreiben, lesen und rechnen - was man von den heutige Akademikern nicht behaupten kann.

Ist dieser Ansatz reaktionär?
Andreas

Hallo,

warum gilt es eigentlich als so erstrebenswert, die Zahl der
Akademiker zu erhöhen? Wenn man die normale
Intelligenzverteilung zu Grunde legt (Gaußsche Kurve), dann
muss eine Erhöhung der Zahl notwendigerweise mit einer
Veminderung der Qualität einhergehen.

Es geht weniger darum, unbedingt die Zahl der Akademiker zu erhöhen, ohne auf Qualität zu achten. Das wäre ja leicht erreichbar, indem man einfach jedem einen Titel gibt. Es geht vielmehr darum, dass die Qualifikationshürde für Arbeitsplätze sich – auch bei den „einfacheren Berufen“ – seit 1920 doch gewaltig geändert hat. Es werden immer mehr hervorragend ausgebildete junge Menschen benötigt. Wir leisten uns aber den Luxus

  1. eine möglichst kinderfeindliche Gesellschaft zu konstruieren,
  2. keine Einwanderer hereinzulassen und
  3. die jungen Menschen, die da sind, in einem katastrophalen Bildungssystem zu verheizen.

Und gibt die Geschichte dieser Hypothese nicht recht?

Nein.

Die
größte Zeit des „Wissensstandortes“ Deutschland war, als nicht
einmal 5% der Schüler das Gymnasium absolvierten.

Abgesehen davon, dass es in der „guten alten Zeit“ breiten Teilen der Bevölkerung so richtig elend ging, sind die Anforderungen heute wie gesagt auch ganz andere.

Gleichzeitig
konnte aber jeder Volksschüler anständig schreiben, lesen und
rechnen

Ja, damals besuchten aber nicht einmal alle Menschen eine Volksschule. Mir liegt gerade keine Statistik vor, aber ich glaube nicht, dass die Analphabetenquote in Deutschland heute höher liegt, als 1920.

  • was man von den heutige Akademikern nicht behaupten
    kann.

Und dann bringst Du noch so einen Knaller. Wenn man schon die vermeintliche Schreibschwäche heutiger Akademiker(!) aufs Korn nimmt, dann sollte man sich wenigstens die Mühe machen und eigene Grammatikfehler vermeiden.

Ist dieser Ansatz reaktionär?

Ja.

Es ist nicht die große Dummheit der Kinder und Jugendlichen, sondern der fast verbrecherische Umgang mit ihnen, der uns PISA & Co. beschert. Solange nur etwas wert ist, was sich auch mit Geld bemessen lässt, so lange wird sich daran auch nichts ändern.

Im übrigen hat Deutschland im EU Vergleich eine äußerst bescheidene Akademikerquote. Du musst Dir also keine Sorgen machen, dass es bis zu Deinem Abitur zu einer „Inflation“ kommen könnte.

Gruß

Fritze

Hallo Andreas,

ein höherer Abschluß steigert die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote der Akademiker liegt seit Jahren bei ca. 4 %. Zudem: die Hochschulausbildung führt i.d.R. zu höheren Gehältern.

Aber:
ich habe gelesen, dass 33 % der Studenten nicht studierfähig sind und dass die Abbrecherquote mittlerweile bei knapp 50 % liegen soll. Beide Zahlen habe ich nicht überprüft.

Der heutige akademische Abschluß entspricht - so meine Vermutung - dem Abiturniveau der von Dir zitierten Zeiten.

Die Frage könnte also präzisiert werden? Warum studieren immer mehr Menschen, die dafür gar nicht vorgebildet sind? Und: Was ist am Bildungssystem „schief“ (PISA, dass ein Drittel der Studenten als „nicht studierfähig“ bezeichnet werden?

Fazit: Unser gesamtes Bildungssystem (ich meine das staatliche) muss dringen reformiert werden!
Dazu einige Facts:

  1. In Finnland existiert kein privatwirtschaftlich organisierter Nachhilfemarkt, während in Deutschland die Schulen überwiegend miserabel ausbilden und den Eltern die Kosten für die Nachhilfe aufgebürdet werden. Finnland hat in der PISA Studie wesentlich besser abgeschnitten als Deutschland.
  2. Die unterschiedliche Besoldung für Lehrer verschiedener Schulformen sollte endlich abgeschafft werden. Warum soll eine Gymnasiallehrer mehr Geld verdienen als ein Grundschullehrer?
  3. Etwa eine halbe Millionen junger Menschen (bis 25 Jahre) ist ohne Berufsausbildung.
    Diese Liste ließe sich seitenlang fortsetzen - leider.

Grüsse aus Lüneburg
Heiner Gierling

Hallo Andreas,

warum gilt es eigentlich als so erstrebenswert, die Zahl der
Akademiker zu erhöhen? Wenn man die normale
Intelligenzverteilung zu Grunde legt (Gaußsche Kurve), dann
muss eine Erhöhung der Zahl notwendigerweise mit einer
Veminderung der Qualität einhergehen.

Die Zielsetzung ist heute eine Andere, als vor 100 Jahren. Früher stellten Akademiker die geistige und kreative Führung dar, eine Elite eben. Heute sind sie ein nennenswerter Bestandteil der normalen Angestellten und Selbstständigen. Der Bedarf an angelernten Kräften und einfachen Arbeiter ist stark geschrumpft.

Es mag ja sein, dass sich die durchschnittliche Qualität der Akademiker mindert, aber die Zahl absoluter Spitzenkräfte nicht. Im gegenteil, es werden Potentiale bei Menschen erschlossen, die früher aufgrund ihrer Herkunft keine Chance hatten.
Die kognitiven Fähigkeiten und die Bildung der gesamten Bevölkerung sind im Vergleich zu frühren Zeiten gestiegen. (Vergleiche einen Fabrikarbeiter vor 100 Jahren mit einem kaufmännischen Angestellten von heute.)

In der Arbeiterbewegung gab es mal das Ideal, dass die Arbeiter, durch kürzere Arbeitszeiten die Zeit zur Weiterbildung gewinnen. Und gab es nicht auch das humanistische Ideal. Für den einzelnen Menschen ist akademische Bildung eine Bereicherung.
Hey,… wir sind diesem Ideal deutlich näher gekommen.

Gruß
Carlos

Hi,

warum gilt es eigentlich als so erstrebenswert, die Zahl der
Akademiker zu erhöhen? Wenn man die normale
Intelligenzverteilung zu Grunde legt (Gaußsche Kurve), dann
muss eine Erhöhung der Zahl notwendigerweise mit einer
Veminderung der Qualität einhergehen.

Der durchschnittlichen Qualität schon, aber die absolute gesamte Qualität steigt, da man mehr Menschen mit mehr Wissen ausstattet.

Und gibt die Geschichte dieser Hypothese nicht recht? Die
größte Zeit des „Wissensstandortes“ Deutschland war, als nicht
einmal 5% der Schüler das Gymnasium absolvierten. Gleichzeitig
konnte aber jeder Volksschüler anständig schreiben, lesen und
rechnen - was man von den heutige Akademikern nicht behaupten
kann.

Da sehe ich einiges durcheinandergeworfen.

  1. kann heute im Gegensatz zu damals fast Jeder irgendwie schreiben und rechnen.
  2. Sind die Anforderungen ans schreiben +rechnen astronomisch gestiegen.
  3. Gibt es mittlerweile das Internet und andere Medien, die schon immer da gewesene Schreib- und Rechenschwächen eines Jeden transparent machen.
  4. 2 Weltkriege und die Hitlerpolitik waren dem Wissensstandort Deutschland äusserst abträglich („deutsche“ Wissenschaft)
  5. Die ohnehin Besten leiden wohl kaum darunter, dass auch weniger Gute mit mehr Wissen ausgestattet werden, es sei denn, man erniedrigt allgemein die Anforderungen.

Ist dieser Ansatz reaktionär?

Nein,
du bringst lediglich Dinge zusammen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben.
Wenn du geschrieben hättest, dass eine Lockerung der Anforderungen schadet, dann würde es anders klingen.
Stattdessen verstehe ich dich so, dass es nicht gut ist, auch weniger Gute mit mehr Wissen auszustatten.
Gruss,

Präzisierung
Besten Dank zunächst für die Antworten.

Ich persönlich meine allerdings, dass alle dafür Geeigneten studieren sollten. Punkt.

Und genau hier setzte meine Frage an. Ich glaube eben nicht, dass unser Glück bzw. das Glück der Betroffenen am Studienabschluss an sich hängt. Die rein quantitative Erhöhung der Quote bringt doch nichts!

Einige haben eingewandt, früher sei es ja wohl insgesamt nicht so toll gewesen. Das trifft sicher zu. Aber der Vergleich mit der Gegenwart hinkt natürlich, verglichen werden muss mit zweitgenössischen Vergleichsgruppen. Und da schneidet das deutsche Bildungssystem sicher sehr gut, wenn nicht überragend ab. Was sich heute weltweit als Eliteuniversität präsentiert, ist ja nichts anderes als die preußische Uni à la Humboldt. Und was machen die Nachfolger des Originals? Sie glauben, mit der Übernahme amerikanischer Abschlusstitel eine Reform gemacht zu haben.

Ich sehe aber noch ein anderes Problem: dadurch, dass alles zum Abi/Studium strebt, werden die anderen Bildungsgabschlüsse entwertet. Der Meistertitel hat ja immer noch einen gewissen Klang. Und viele Ausbildungsberufe führten früher in Schlüsselstellungen. Die Ironie: von hinten kommt dieses System wieder, indem die Universität berufsausbildender formiert wird. (Von Re-Form kann hier ja nicht die Rede sein.) Aber ohne Studium wird man heute nichts mehr.

Und wir brauchen ja gar nicht in längst vergangene Zeiten zurückzublicken. Die von mir behauptete Abiquote galt noch bis in die 50er/60er Jahre. Ich glaube auch nicht, dass die heutige Analphabetenquote besser ist. Eher umgekehrt. Immerhin galt in Preußen bereits im 18. Jh die allgemeine Schulpflicht.

Noch zwei Antworten zu den anderen Beiträgen:
Dass man zu seinem persönlichen Vergnügen (besser: zur eigenen Bildung im Unterschied zur Ausbildung) studiert, finde ich als Humboldtianer gut. Aber welcher Student handelt heute danach?

Und dass die weltweit führende Universitätslandschaft 1933 aus bekannten Gründen den Bach 'runter ging, ist mir bekannt. Ist halt bescheuert, wenn man seine führenden Köpfe vertreibt. Aber das erklärt nicht den gegenwärtigen Verfall. Hier würde ich mir in der Tat weniger Masse und mehr Klasse wünschen.

Andreas

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Hallo,

Noch zwei Antworten zu den anderen Beiträgen:
Dass man zu seinem persönlichen Vergnügen (besser: zur eigenen
Bildung im Unterschied zur Ausbildung) studiert, finde ich als
Humboldtianer gut. Aber welcher Student handelt heute danach?

Wer handelt denn heute überhaupt noch aus irgend welchen Gründen, ausser um Geld zu verdienen?

Hier würde
ich mir in der Tat weniger Masse und mehr Klasse wünschen.

Nochmal: Wir haben sowohl im Vergleich zu anderen Industrienationen als auch absolut auf Deutschland bezogen zu wenig Absolventen, nicht zu viele. Es müsste also Mehr Masse UND Klasse heissen. Dazu müsste man aber die Studienbedingungen im breiten Maße verbessern. Das wiederum würde auch Geld kosten. Und bei Geld hört der Spaß auf.

Merke: Um die Bahn attraktiv zu machen, verteuert man das Autofahren, um Universitäten zu „Eliteunis“ zu machen, streicht man einfach allen anderen die Mittel zusammen. Schon passt das :smile:

Gruß

Fritze

Hallo Andreas,

Ich persönlich meine allerdings, dass alle dafür Geeigneten
studieren sollten. Punkt.

Das sollte selbstverständlich sein…

Und genau hier setzte meine Frage an. Ich glaube eben nicht,
dass unser Glück bzw. das Glück der Betroffenen am
Studienabschluss an sich hängt. Die rein quantitative Erhöhung
der Quote bringt doch nichts!

Fakt ist, dass wir immer weniger Arbeitsplätze für schlecht oder vor allem handwerklich ausgebildete Menschen haben und weiterhin einen Bedarf an sehr gut ausgebildeten Spezialisten. Mittlerweile brauchst Du für die Reparatur eines Autos sehr viel mehr als rein mechanische Kenntnisse wie früher, für die Bedienung von vollautomatischen CNC-Maschinen kannst Du keinen „normalen“ Arbeiter mehr einsetzen, selbst die Landwirte gehen mittlerweile regelmäßig mit Maschinen um, da staunt der Laie…

Was ich meine: Unsere Welt ist komplizierter geworden und erfordert in vielen Feldern einfach eine sehr gute Ausbildung. Wenn Du Akademiker etwas abmilderst, indem Du nicht unbedingt Universitätsabschlüsse voraussetzt, sondern vielleicht Bachelor o.ä., dann kommst Du meines Erachtens der Sache näher…

Und was klar ist: Ein Hauptschulabgänger oder gar Schulabrecher wird es in unserer Gesellschaft immer schwer haben, denn dessen Fertigkeiten werden immer weniger gebraucht, solange die Arbeitskosten so hoch sind. Und sind sie niedriger, werden diese Menschen Gefahr laufen, zu „working poor“ zu verkommen. Ein extrem schwieriges Thema…

Grüße
Jürgen

Hallo Andreas,

Ich persönlich meine allerdings, dass alle dafür Geeigneten
studieren sollten. Punkt.

bereits hier hakt es: Ich kenne persönlich zwei Menschen mit ausreichendem Intelligenzpotential, daran gemessen, dass sie - eine Freundin meiner Tochter sowie der Sohn einer entfernten Bekannten - mit unseren Kindern im Kindergartenalter wie auch im frühen Grundschulalter gerne Aufgaben lösten, seien es Rechenaufgaben, seien es Spiele mit erhöhtem Denkaufwand, wie „Wortkette“ etc. Leider wurden beide zu Hause nicht so gefördert wie meine Tochter. Fazit: Meine Tochter steht vor dem Staatsexamen als Gymnasiallehrerin Bio und Chemie, die Freundin ist Floristin und jobbt rum, weil sie in ihrem Beruf nicht ausreichend verdient.

Nennst Du das Chancengleichheit? Und so nebenbei: Das Berufsgrundschuljahr des Mädchens kam meiner Tochter, damals gymnasiale Oberstufe, durchaus auch als Herausforderung vor.

Und da schneidet das deutsche Bildungssystem sicher sehr gut, wenn nicht
überragend ab. Was sich heute weltweit als Eliteuniversität präsentiert,
ist ja nichts anderes als die preußische Uni à la Humboldt.

Tja, dann sturdiere doch erst mal einschlägige internationale Studien, bevor Du hier das deutsche Bidlungssystem in alle Höhen hebst.

Ich sehe aber noch ein anderes Problem: dadurch, dass alles
zum Abi/Studium strebt, werden die anderen Bildungsgabschlüsse
entwertet.

Du kannst ja selber mal anfangen, und Handwerker besser verdienen lassen, indem Du z.B. nicht im Möbelhaus, sondern beim Schreiner Deine Möbel kaufst.

Noch zwei Antworten zu den anderen Beiträgen:
Dass man zu seinem persönlichen Vergnügen (besser: zur eigenen
Bildung im Unterschied zur Ausbildung) studiert, finde ich als
Humboldtianer gut. Aber welcher Student handelt heute danach?

Frage eher: Welche Schule bildet noch danach aus. Heutzutage wird ja schon gescholten, wer sein Kind Altgriechisch lernen lässt.

Gruß, Karin

Missverständnisse
Hallo Karin,

mir scheint, wir sind einer Meinung. Das Beispiel Deiner Bekannten widerspricht ja nicht meiner Forderung, alle (aber eben auch nur die) Geeigneten sollten studieren können. Aber es muss doch auch möglich sein, ohne Abitur/Studium Karriere (wleche auch immer) machen zu können, bzw. sich mit Abitur ohen Gewissnesbisse gegen ein Studium entscheiden zu können.

Tja, dann sturdiere doch erst mal einschlägige internationale
Studien, bevor Du hier das deutsche Bidlungssystem in alle
Höhen hebst.

Ich schrieb über die preußisch-deutsche Universität vor 1933.

Du kannst ja selber mal anfangen, und Handwerker besser
verdienen lassen, indem Du z.B. nicht im Möbelhaus, sondern
beim Schreiner Deine Möbel kaufst.

Auch ich bin durchaus ein Gegner der Geiz-ist-geil-Ideologie. Du brauchst mich also nicht anzufahren.

Frage eher: Welche Schule bildet noch danach aus. Heutzutage
wird ja schon gescholten, wer sein Kind Altgriechisch lernen
lässt.

Und wieder den Falschen angegriffen, o phila. Zu dem Thema findest Du in mir sogar einen Aktivisten.

Andreas