Warum nicht die Heilige Kuh 'Verfassung' ändern?

Hallo.

Eines versteh ich bei der ganzen Diskussion, ob die Vertrauensfrage zwecks Herbeiführen von Neuwahlen, verfassungsgemäß sei oder nicht:

Wenn so viele Zweifel bestehen, ob ein Vorgehen in Übereinstimmung mit der Verfassung steht, warum ändert man nicht einfach die Verfassung??

Bekanntermaßen kann das Parlament die Verfassung mit einer 2/3 Mehrheit ändern.
Wenn also alle, die bei der Abstimmung vom 1.7. nicht mit ‚Ja‘ gestimmt hatten (also im Prinzip die, die Neuwahlen wollen), stattdessen erst einmal die Verfassung geändert hätten, in dem Sinne dass z.B. Artikel 68 auch für Neuwahlen herbeigezogen werden kann (oder einen Zusatzartikel aufnehmen, der dies auf eine ähnliche Art zulässt), dann wäre alles eindeutig verfassungsgemäß und alle (die Mehrheit) hätte das erreicht, was sie erreichen wollten.

Gruß
☼ Markuss ☼

Hi,

Eines versteh ich bei der ganzen Diskussion, ob die
Vertrauensfrage zwecks Herbeiführen von Neuwahlen,
verfassungsgemäß sei oder nicht:

Das ist aus dem verfassungstext selbst auch nicht ersichtlich, sondern beruhte '82 auf der auslegung durch das BVG.

Wenn so viele Zweifel bestehen, ob ein Vorgehen in
Übereinstimmung mit der Verfassung steht, warum ändert man
nicht einfach die Verfassung??

Ja, genau. Vorallem wird das grundgesetz „einfach“ geändert.

Bekanntermaßen kann das Parlament die Verfassung mit einer 2/3
Mehrheit ändern.
Wenn also alle, die bei der Abstimmung vom 1.7. nicht mit ‚Ja‘
gestimmt hatten (also im Prinzip die, die Neuwahlen wollen),
stattdessen erst einmal die Verfassung geändert hätten, in dem
Sinne dass z.B. Artikel 68 auch für Neuwahlen herbeigezogen
werden kann (oder einen Zusatzartikel aufnehmen, der dies auf
eine ähnliche Art zulässt), dann wäre alles eindeutig
verfassungsgemäß und alle (die Mehrheit) hätte das erreicht,
was sie erreichen wollten.

Nun, ein gesetz erlassen oder gar die verfassung ändern ist halt doch nicht ganz so einfach. Da hätte man auch die regulären wahlen abwarten müssen. Da gibts dann erstmal die ausschussarbeit, die ganzen lesungen die abstimmungen etc…
Es gab über 100 abgeordnete, die dem kanzler das vertrauen ausgesprochen haben, größtenteils aus prinzipientreue.
Da wäre eine änderung der einschlägigen artikel niemals durchgekommen.

Außerdem sollte man sich fragen, ob man eine solche änderung überhaupt will und vor allem in welchen ausmaß.
Nach dem WWI hatten wir auch die möglichkeiten der „unkomplizierten“ auflösung, was u.a. zu den präsidialkabinetten geführt hat.
Die entscheidung zu neuwahlen sollte mE immer die ultima ratio bleiben und nicht von lust und laune abhängen…

LG Alex:smile:

nachtrag
Hi nochmal,

was außerdem verstehst du unter dem begriff „heilige kuh“.
In solch einer überschrift scheint mir das zumind. ansatzweise negativ belegt zu sein.
Es handelt sich schließlich nicht um irgendein gesetz, sondern um den grundstein unseres demokratiesystems.
Wenn man das so einfach ändern könnte/sollte, da könnte ja jeder kommen; und schnell kommen dann auch die falschen…

LG Alex:smile:

Heilige Kuh

Hi nochmal,

was außerdem verstehst du unter dem begriff „heilige kuh“.
In solch einer überschrift scheint mir das zumind. ansatzweise
negativ belegt zu sein.
Es handelt sich schließlich nicht um irgendein gesetz, sondern
um den grundstein unseres demokratiesystems.
Wenn man das so einfach ändern könnte/sollte, da könnte ja
jeder kommen; und schnell kommen dann auch die falschen…

Hi.

Vorgegeben ist die Möglichkeit, es mit einer 2/3-Mehrheit
ändern zu können. Dies ist Fakt.
Wenn deiner Ansicht nach die Gefahr besteht, dass es „jeder“
bzw, die „falschen“ ändern könnten, warum hat man dann nicht
gleich festgelegt, dass man es z.B. nur mit einer 80%-Mehrheit
ändern kann??

Wenn es diese Möglichkeit (mit 2/3) also gibt, sollte man auch
dazu stehen, und nicht hinter vorgehaltener Hand ein „Ja, aber
eigentlich soll man da trotzdem nicht rangehen, auch
nicht mit einer 2/3 Mehrheit…“.
Deswegen auch meine Bezeichnung „Heilige Kuh“.

☼ Markuss ☼

Hi,

Vorgegeben ist die Möglichkeit, es mit einer 2/3-Mehrheit
ändern zu können. Dies ist Fakt.

Dann such mal 2/3 rechtschaffender abgeordnete, die so mir-nichts-dir-nichts einen der wichtigsten artikel in unserem grundgesetz ändern.

Es geht nicht um theoretische machbarkeit sondern um sinn und zweck dieses artikels…

Wenn deiner Ansicht nach die Gefahr besteht, dass es „jeder“
bzw, die „falschen“ ändern könnten, warum hat man dann nicht
gleich festgelegt, dass man es z.B. nur mit einer 80%-Mehrheit
ändern kann??

QUATSCH!!!

LG Alex:smile:

Das währe wie bei eien Fussballspiel in der Halbzeit einfach die Abseitsregel abzuschaffen oder den Scheidsrichter auszuwechseln.

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo.

Eines versteh ich bei der ganzen Diskussion, ob die
Vertrauensfrage zwecks Herbeiführen von Neuwahlen,
verfassungsgemäß sei oder nicht:

Wenn so viele Zweifel bestehen, ob ein Vorgehen in
Übereinstimmung mit der Verfassung steht, warum ändert man
nicht einfach die Verfassung??

Bekanntermaßen kann das Parlament die Verfassung mit einer 2/3
Mehrheit ändern.
Wenn also alle, die bei der Abstimmung vom 1.7. nicht mit ‚Ja‘
gestimmt hatten (also im Prinzip die, die Neuwahlen wollen),
stattdessen erst einmal die Verfassung geändert hätten, in dem
Sinne dass z.B. Artikel 68 auch für Neuwahlen herbeigezogen
werden kann (oder einen Zusatzartikel aufnehmen, der dies auf
eine ähnliche Art zulässt), dann wäre alles eindeutig
verfassungsgemäß und alle (die Mehrheit) hätte das erreicht,
was sie erreichen wollten.

Hallo Markus,

der Art. 68 GG ist durchaus berechtigt. Einer Grundgesetzänderung bedarf es aus meiner Sicht nicht. Gerade Schröder und Münte haben uns gezeigt, dass ein einfacheres Recht zur Auflösung des Bundestages noch dreister missbraucht werden könnte. Wie führt Münte gegenüber Merkel aus „Beantragen Sie die Vertrauensfrage und sie werden sehen, dass sie keine Mehrheit haben“ oder „die SPD vertraut Schörder“.

Die Väter und Mütter des GG haben nicht gewollt, dass nach Gutdünken regierende Parteien zur Durchsetzung ihrer Ziele mit Manipulationen Mehrheit sich verschaffen wollen. Wie Schröder ausführte, er sucht eine stabilere Mehrheit. Ob er sich dieser Mehrheit sicher sein kann, ist eine völlig andere Frage.

Bis zum Misstrauensvotum hat zumindest rot-grün den Beweis erbracht - ein Tag zuvor wurden noch 70 Abstimmungen gewonnen - dass eine parteipolitische Mehrheit im Bundestag besteht.

Und wären nur zwei Abgeordnete - von den bei der Abstmmung fehlenden - anwesend gewesen und hätte sie auch nur sich der Stimme enthalten, wäre gestern keine Mehrheit für das Vertrauensvotum vorhanden gewesen und die Seifenblase wäre geplatzt.

Jedoch, sollte man hier einen Art. einfügen wollen, der die Selbstauflösung wie zu Weimarer Zeiten erlaubt, wäre ich schon auf der Seite jener, die nicht eine 2/3 sondern eine 3/4 Mehrheit aller Stimmberechtigten im Bundestag verlangen.

Grüsse Günter

Ich denke, der Artikel 68 ist so, wie er ist, durchaus i. O. und hat seine Berechtigung. Was aber vielleicht schon geändert werden sollte, ist der Aufbau des Bundesrats. Schließlich ist es in schwierigen Zeiten immer so, dass die aktuelle Bundesregierung bei den Landtagswahlen ihren Denkzettel bekommen soll, was dann zu der Blockade im Bundesrat führt. Nun weiß ich nicht, wie die Alternativen aussehen können, aber die derzeitigen Probleme bestehen ja größtenteils nur deshalb, weil im Bundesrat die Oppositionsparteien die Mehrheit stellen und die Regierungsentscheidungen blockieren.

Bis denne
Schnoof

Ich denke, der Artikel 68 ist so, wie er ist, durchaus i. O.
und hat seine Berechtigung. Was aber vielleicht schon geändert
werden sollte, ist der Aufbau des Bundesrats. Schließlich ist
es in schwierigen Zeiten immer so, dass die aktuelle
Bundesregierung bei den Landtagswahlen ihren Denkzettel
bekommen soll, was dann zu der Blockade im Bundesrat führt.
Nun weiß ich nicht, wie die Alternativen aussehen können, aber
die derzeitigen Probleme bestehen ja größtenteils nur deshalb,
weil im Bundesrat die Oppositionsparteien die Mehrheit stellen
und die Regierungsentscheidungen blockieren.

Hallo,

wir sollten hier schon einmal objektiv sehen, dass die Förderalismuskommission unter Münte und Stoiber letztlich schon klar gewesen ist, dann jedoch an der Frage der Zuständigkeit des Schulsystems scheiterte, weil die SPD zwar die Hoheit über das Schulsystem wollte, aber die Länder die finanzielle Verantwortung tragen sollten. Der Dunstkreis um Buhlman hat die Refom zum Scheitern gebracht, sonst hätten wir mit Sicherheit bereits an der neuen Legislatur den Bundesrat weitgehend aus der Gesetzgebung ausgeschaltet. Man muss sich schon fragen, weshalb die SPD die komplette Reform an der Bildung scheitern liess, wenn man sonst alle anderen Punkte geklärt hatte. Hat man vielelicht mit eienr vorzeitigen Wahl gespielt und sich zurückgezogen, weil man weiss, dass wenn die CDU ans Ruder kommt, in etwa drei Jahren sich die Bundesratsmehrheiten verändern zu Gunsten der SPD ?

Diese Frage muss man sich angesichts der Gesamtumstände der letzten sechs Monate wirklich stellen.

Grüsse Günter

Hi.

Wenn deiner Ansicht nach die Gefahr besteht, dass es „jeder“
bzw, die „falschen“ ändern könnten, warum hat man dann nicht
gleich festgelegt, dass man es z.B. nur mit einer 80%-Mehrheit
ändern kann??

QUATSCH!!!

Wieso ‚Quatsch‘?
Einfach ‚Quatsch‘ sagen ist sinnlos und argumentationsleer.

(Siehe dazu auch den Beitrag von GünterW.)

Gruß
☼ Markuss ☼

Zustimmung
Hi.

Jedoch, sollte man hier einen Art. einfügen wollen, der die
Selbstauflösung wie zu Weimarer Zeiten erlaubt, wäre ich schon
auf der Seite jener, die nicht eine 2/3 sondern eine 3/4
Mehrheit aller Stimmberechtigten im Bundestag verlangen.

Dem kann ich nur zustimmen.

Gruß
☼ Markuss ☼

Kein Vergleich
Hi.

Wenn also alle, die bei der Abstimmung vom 1.7. nicht mit ‚Ja‘
gestimmt hatten (also im Prinzip die, die Neuwahlen wollen),
stattdessen erst einmal die Verfassung geändert hätten, in dem
Sinne dass z.B. Artikel 68 auch für Neuwahlen herbeigezogen
werden kann (oder einen Zusatzartikel aufnehmen, der dies auf
eine ähnliche Art zulässt), dann wäre alles eindeutig
verfassungsgemäß und alle (die Mehrheit) hätte das erreicht,
was sie erreichen wollten.

Das währe wie bei eien Fussballspiel in der Halbzeit einfach
die Abseitsregel abzuschaffen oder den Scheidsrichter
auszuwechseln.

Der Vergleich hinkt nicht nur, sondern er ist unsinnig.
In Politik und Sport gibt es völlig andere Regeln.

Aber selbst wenn man deinen Vergleich zuließe:
Wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind, und auch andere Regeln dadurch nicht verletzt werden, warum sollte man nicht einen Schiedsricher auswechseln…?
Oder anders gesagt:
Wenn alle (besser: die nötige Mehrheit der) Parlamentarier einverstanden sind und keine andere Gesetze bzw. Artikel verletzt werden, warum sollte man nicht eine Gesetzesänderung/Artikeländerung machen…? Das Parlament hat dazu das Recht!
(Im Übrigen wäre es nicht die erste Änderung, die mit einer 2/3-Mehrheit zustande käme!)

Gruß
☼ Markuss ☼

Hallo Markus.

Der relevante Artikel unseres Grundgesetztes wurde genau so angelegt, um den Problemfall der WR auszuschließen.
Das Parlament soll nicht Spielball einer (inzwischen von Medien bestimmten) kurztemporären Stimmungsschwankung werden.
Aus gutem Grund: Ein Großteil der inkraft getretenden Gesetzte zeigen ihre Wirkung erst mittelfristig - z. T. mit einer Negativwirkung zu Beginn.
Das bedeutet aber, dass richtige Gesetzte vor ihrer Wirkung in der Wählerschaft negativ betrachtet werden. Wird dann das Parlament auf Grund der Stimmungslage aufgelöst, wird das Gesetz revidiert und somit die positive Wirkung unterdrückt.
Soviel ersteinmal zum Thema Selbstauflösungsrecht.

Zum Punkt Grundgesetzänderung:

Das Grundgesetz zeigt vielen parlamentarischen Bemühungen die Grenzen auf - und zeigt somit, dass es berechtigt ist.
Das Grundgesetz stellt gleichzeitig eine Art „Grundkodex“ dar, nach dem unsere Gesellschaftsordnung funktioniert.
Stellt sich also die Frage, welchen Zweck eine Änderung hätte.
Bequemlichkeit (wie nun bei dem Versuch, diese Legislaturperiode zu verkürzen) ist wohl keine zwingende Begründung.
Sollten sich allerdings Probleme im System als solches zeigen, dann ist eine Änderung des Grundgesetzes notwendig und legitim.

Übrigens: Das Grundgesetz stellt mit all seinen Artikeln die Grundlage unseres gesamten Rechtssytems dar. Daraus folgt, dass bei einer Änderung auch etliche Gesetze neu definiert und ausgelegt werden müssten.

Soviel fürs erste.

Liebe Grüße

Dirk Andreas