Warum Protestantismus für Fürsten attraktiv?

Hallo Historiker!

Ich schreibe meine Frage bewusst hier und nicht im Religionsbrett.

Denn ich gehe ketzerisch davon aus, dass die deutschen Fürsten im 16. Jahrhundert in erster Linie nicht aus persönlichen Glaubensnöten zum Protestantismus übergingen (das mag es da und dort gegeben haben).

Bestimmt waren es machtpolitsche/ psychologische Gründe, sich Luthers Lehre anzuschließen, aber welche?

Interessierte Grüße!
Karl

Hallo Historiker!

Hallo,

Bestimmt waren es machtpolitsche/ psychologische Gründe, sich
Luthers Lehre anzuschließen, aber welche?

ZB die Möglichkeit zur Sanierung der Finanzen durch Einsacken des Kirchenbesitzes (vulgo: Säkularisation) und die damit sich ergebende Möglichkeit, die Kirche als landesherrliches Kontroll- und Herrschaftsinstrument zu installieren.
Oder auch nur die simple Logik des „der Feind meines Feindes ist mein Freund“

In Württemberg und vielen Reichsstädten allerdings war die Einführung allerdings auch zumindest in Teilen Ergebnis einer Art Volksbewegung.

Interessierte Grüße!

&Tschüß

Karl

Wolfgang

Hallo,
Machtpolitisch mit Sicherheit!
Wie Wolfgang schon sagte: Der feind meinses Feindes ist mein Freund!
Die Katholische Kirche regierte auch in weltlichen Bereichen. Das konnte man durch den Protestantismus umgehen.

Gruß dudde

Hallo Wolfgang!

damit sich
ergebende Möglichkeit, die Kirche als landesherrliches
Kontroll- und Herrschaftsinstrument zu installieren.

Meinst du „zu deinstallieren“ oder wie?

Oder auch nur die simple Logik des „der Feind meines Feindes
ist mein Freund“

Wer war da z. B. der Feind des Feindes?

Karl

Hallo!

ergebende Möglichkeit, die Kirche als landesherrliches
Kontroll- und Herrschaftsinstrument zu installieren.

Meinst du „zu deinstallieren“ oder wie?

Er meint vermutlich schon, die NEUE Kirche als Herrschaftssystem zu INstallieren. Als es auf eine Trennung von der katholischen Kirche hinauslief, etablierten sich die lutherischen Landeskirchen mit dem Landesherrn als sogenanntem „Notbischof“ an der Spitze - eigentlich nur als Notlösung.
Das heißt, letztlich unterstand also der örtliche Pfarrer mit der ganzen Organisation dem Landesherrn und wurde überwacht. Dadurch konnte der Landesherr die Bürger zu erwünschtem Verhalten „erziehen“ lassen durch Schulen, Gottesdienste etc. bzw. unerwünschtes Verhalten (Ehebruch, Saufen usw.) durch Kontrolle erkennen und bestrafen/anprangern lassen, statt diesen Aspekt der Herrschaftsausübung der „katholischen“ Kirchenorganisation überlassen zu müssen.
Schau mal bei Wikipedia nach „Landesherrliches Kirchenregiment“.
Gruß
mitzisch

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ergebende Möglichkeit, die Kirche als landesherrliches
Kontroll- und Herrschaftsinstrument zu installieren.

Meinst du „zu deinstallieren“ oder wie?

Eher nein. Ich weiß zwar nicht, was Wolfgang meint, aber das Installieren macht Sinn.
Die christliche Kirche war eine große, recht gut funktionierende Organisation. Und das auch im wirtschaftlichen Bereich.
Der Missbrauch in den höheren Rängen war zwar allgegenwärtig, jedoch durch das Kirchenrecht beschränkt. Bischöfe konnten zwar Mätresen und Kinder haben, aber sie konnten keine Dynastien aufbauen. Ihre Macht war nicht erblich.
Was wiederum einen erheblichen Anreiz zur Abspaltung vom römischen Kirchenrecht bot, denn ohne Zölibat hätte dieser Weg offen gestanden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Gebhard_I._von_Waldburg

Ciao, Allesquatsch

Hallo.

Diese einfache Theorie erklärt aber nicht warum viele Fürsten bei dem Katholiziusmus blieben.

Tatsache ist auch, das die endgültige Teilung von Deutschland in zwei Kirchen erst nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555 erfolgte. Bis dann konnten die protestantischen Landesfürsten nicht sicher sein, dass sie die Macht über ihre Landeskirchen behalten würden. Dass war vierzig Jahre nach dem Ausbruch der Reformation.

Beste Grüsse,
TR

Hi!

Diese einfache Theorie erklärt aber nicht warum viele Fürsten
bei dem Katholiziusmus blieben.

EINE Erklärung wird es nicht geben. Eine weitere Erklärung für beide Seiten ist natürlich echte Überzeugung, die man, finde ich, nicht voreilig abtun sollte. Fürs Nicht-Konvertieren zudem auch allgemein Menschliches wie „Was der Bauer nicht kennt, das frißt er nicht“, Traditionsbewußtsein usw.

Bis dann konnten die protestantischen Landesfürsten
nicht sicher sein, dass sie die Macht über ihre Landeskirchen
behalten würden. Dass war vierzig Jahre nach dem Ausbruch der
Reformation.

Yepp, das mit dem landesherrlichen Kirchenregiment war ja auch als Notlösung gedacht. Aber es gab wohl schon vor Luther ein Eingreifen vieler Landesherren in Kirchenangelegenheiten, so dass es auch Gründe gab, anzunehmen, dass das weiter so bleiben könnte. Zudem begannen sie schon um 1530 mit einer Organisation der Kirchen, was zeigt, dass die Reformierten von ihrem Weg recht überzeugt waren. Sie riskierten immerhin Kriege, um ihre Lösung durchzusetzen bzw. ihren Weg gehen zu können.
Ein weiterer Punkt, der die Reformation interessant machte für Landesherren, war die Hoffnung, weniger Abgaben nach Rom zahlen zu müssen. Zudem konnten sie hoffen, noch selbständiger zu werden.
Gruß
m

Hallo Karl,

das Argument der Macht bedarf der Erläuterung.

Der Kaiser war katholisch. Wenn ich nun als Reichsfürst oder als Reichsstadt protestantisch werde, löse ich mich ein Stück aus dem „sacrosancten“ Verhältnis und gewinne Machtspielräume. Damit ist überhaupt nicht gesagt, dass ich mich ganz vom Kaiser löse!

Gerade die Reichsstädte waren bis zuletzt kaisertreu. Und selbst protestantische Landesherren waren durchaus nicht automatisch gegen die Habsburger. Die Deutung des 30jährigen Krieges als Religionskrieg (Katholisch gegen Protestantisch) geht m.E. völlig ins Leere.

Gruß,
Andreas

Geld
anstelle der Kirche nahmen die Fursten das Geld ein.

Hallo.

Eben - die Reformation kann man nicht als eine rein religiöse Angelegenheit verstehen, sondern man muss auch die politischen und kulturellen Spannungen in der damaligen Welt, für deutsche Verhältnisse nicht zuletzt die Spannungen zwischen Landesfürsten und Kaiser, mit einbeziehen.

Beste Grüsse,
TR

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Hallo Songbird,

anstelle der Kirche nahmen die Fursten das Geld ein.

Das stimmt so verkürzt garnicht. Größere Säkularisationen sind
erst unter Napoleon erfolgt und Einnnahmen aus Pilgerströmen
waren kaum noch vorhanden. In den allermeisten Fällen blieben
die Kirchen so reich wie vorher … auch dort, wo man Prunk
und Pracht von Kirchen und Zeremonien abschaffte.

Richtig ist eher das der Grund in der damaligen ‚Volkswirt-
schaftslehre‘ lag. Man bemass den Reichtum eines Landes nach
der Menge der im Geldumlauf des Landes zirkulierenden Münzen.
Diesen Reichtum wollten alle durch Förderung der Exporte und
Besteuerung der Importe vermehren. Aus dieser Sicht ist der
ständige bedeutende Abfluss von Geld nach Rom durch den Ab-
lasshandel und den Peterspfennig ein erstklassiges Ärgerniss,
dass es zu beseitigen gilt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Merkantilismus

Viele Grüße

Jake

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Hallo,

anstelle der Kirche nahmen die Fursten das Geld ein.

Das stimmt so verkürzt garnicht.

Da gebe ich dir definitiv Recht.

Größere Säkularisationen sind erst unter Napoleon erfolgt

Größer im insgesamten Maßstab ganz bestimmt. Für die einzelne Reichsstadt/ den einzelnen Territorialherrn, der die KLöster einteignen ließ, mag es allerdings durchaus ein beträchtlicher Zuwachs an Vermögen gewesen sein, wenn Klöster aufgelöst wurden, allerdings übernahm man gewissermaßen auch (soziale) Verpflichtungen. Städte schlugen z.B. Kirchenvermögen u. Stiftungen usw. dem allgemeinen „Kässle“ zu, so dass die Stadt als Ganzes davon profitierte.

Grüße
m.