Hallo Tim,
ich denke, dass an der Empfindlichkeit gegenüber Bitterstoffen schon was dran ist. Weiterhin glaube ich aber auch, dass soziale und psychische Aspekte eine weitaus größere Rolle spielen.
Einerseits lernt man als Kind, dass Bier irgendwie schon schmecken muss, wird es doch von den Erwachsenen bei jeder Gelegenheit - meist im Rahmen von Familienfeiern oder des allabendlichen Feierabends des werten Herrn Papas - genossen. Offenbar ist es auch mit heiterer Stimmung verbunden. Darum wollen viele Kinder es probieren, woraufhin der Papa oder die Mama sagt: „Nein, mein Schatz, dafür bist du noch zu klein.“
Und da wären wir gleich auch schon beim nächsten Aspekt. Für viele Jugendliche, ganz besonders die Männlichen, bedeutet die endlich erteilte Erlaubnis zum Bierkonsum, dass sie vom Umfeld als (fast) Erwachsener akzeptiert werden. Der Stellenwert dieser sozialen Anerkennung kann so hoch sein, dass Jugendliche eben diese Akzeptanz unter ihresgleichen durch verfrühten/gesteigerten Alkohol(Bier)konsum sozusagen erzwingen, auch wenn Bier gar nicht wirklich schmeckt. Sie treten quasi ihren Männlichkeitsbeweis an. (Die weiblichen Jugendlichen scheinen da gerade aufzuholen.) Es gilt bloß die Tatsache, dass es überhaupt getrunken wird und nicht, ob’s schmeckt.
Gleichzeitig kommt in diesem frühen Stadium auch noch die Faszination des Verbotenen zum Greifen. Der Mechanismus beim Rauchen ist ganz ählich. Es kann mir niemand erzählen, dass die erste Zigarette geschmeckt und keinen Bronchialkrampf hervorgerufen hat. Dennoch behaupten Raucher später, dass die und die Marke fein ist. Viele Ex-Raucher können aber auch bestätigen, dass nach durchstandenem Entzug Zigarettenqualm auch für sie letztendlich doch ziemlich ekelig ist.
Weiterhin vermag Bier (Alkohol) die Stimmung und das Selbstvertrauen zu verbessern, was sich in gesteigerter Kommunikation und Euphorie äußert. Diese Anregung des Belohnungssystems, welche in erheblichem Maß an der Suchtentstehung beteiligt ist, merkt sich der Mensch: Bier = gut.
Schließlich „schmeckt“ Bier dann irgendwann doch oder es kommt so weit, dass Leute, die Bier bis dahin immer noch nicht wegen des Geschmacks mögen, damit anfangen, Saft, Limo oder Cola etc. ins Bier hineinzukippen, damit es für sie überhaupt genießbar ist. Es mag viele Ausnahmen geben, aber ich persönlich bin der Ansicht, dass die „Liebe“ zum Bier noch viel eher auf diese psychischen und soziokulturellen Einflüsse zu schieben ist. Dass Erwachsene unempfindlcher gegen Bitterstoffe sind, spielt da IMHO nur geringfügig mit hinein.
Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.
LG
Huttatta