Warum sind Sowjetunion und Sozialismus kollabiert?

Hallo,

ich wüßte gern, wann genau und warum die Sowjetunion aufgehört hat zu existieren und wann und warum der Sozialismus in der Sowjetunion und den anderen „Ostblock“-Staaten kollabiert ist. Gelegen hat das ja wohl weniger an der „Republikflucht“ Zehntausender, die nach dem Öffnen der Deutsch-Tschechischen Grenze möglich und real wurde. Liege ich nicht ganz daneben, haben die sozialistischen Staaten sich im Wettrüsten mit dem Westen wirtschaftlich ruiniert. Wäre es den Menschen wirtschaftlich besser gegangen, hätten sie wahrscheinlich keinen so rechten Anlaß gehabt, gegen das undemokratische System aufzubegehren.

Aber wie war das in Rußland? Gorbi wollte mit seiner „Glasnost“- und „Perestroika“-Politik (was bedeuten gleich noch diese russischen Wörter?) Schluß machen mit den teilweise noch stalinistischen Strukturen (damit sind, soweit ich weiß, vor allem die Verfolgungen und Abstrafungen Andersdenkender gemeint). War das ein Versuch, ideologisch das zu lösen, was eigentlich auch wirtschaftlich hätte gelöst werden müßte? Warum konnte sich der Sozialismus nicht retten? Gorbi allein kann daran ja wohl nicht „schuld sein“.

Gruß
Uwe

Erklärungsversuch - Kurzform
Hallo Uwe,

ich wüßte gern, wann genau

Am 31.12.1991

und warum die Sowjetunion aufgehört
hat zu existieren

  • verheerende Versorgungslage, Fehlen nötiger Lebensmittel
  • Streikwellen in den Kohlerevieren
  • Nationalitätenkonflikte im Kaukasus
  • Unabhängigkeitsbestreben der baltischen Staaten und in Folge vieler anderer
  • Personalisierung der demoraktischen Bewegung in Boris Jelzin
  • Gewinn der ersten freien Wahlen im Juni 91
  • Unionsvertrag durch Jelzin/Gorbatschow
  • Zerschlagung des Putschversuches der Roten Armee am 19.08.91
  • Umwandlung der UDSSR in die GUS am 05.09.91
  • Absetzung Gorbatchows am 25.12.91

und wann und warum der Sozialismus in der
Sowjetunion und den anderen „Ostblock“-Staaten kollabiert ist.

  • schlechte Versorgungslage
  • Unabhängigkeitsbestrebungen vieler Staaten des Ostblocks
    Es war ein Prozess, ausgelöst durch Gorbatchow, der sich verselbständigte, die Demokratisierung erfolgte Zug um Zug und zu unterschiedlichen Zeitpunkten bei den Staaten des Ostblocks.

Gelegen hat das ja wohl weniger an der „Republikflucht“
Zehntausender, die nach dem Öffnen der Deutsch-Tschechischen
Grenze möglich und real wurde. Liege ich nicht ganz daneben,
haben die sozialistischen Staaten sich im Wettrüsten mit dem
Westen wirtschaftlich ruiniert. Wäre es den Menschen
wirtschaftlich besser gegangen, hätten sie wahrscheinlich
keinen so rechten Anlaß gehabt, gegen das undemokratische
System aufzubegehren.

Der Ostblock stand immer mit den westlichen Staaten im Wettbewerb. Ich denke tatsächlich, dass die Gründe in einer schlechten Versorgung der Bevölkerung bestanden haben, zudem kommt noch die Unfreiheit, ein nicht zu unterschätzender Fakt in diesen Staaten.

Aber wie war das in Rußland? Gorbi wollte mit seiner
„Glasnost“- und „Perestroika“-Politik (was bedeuten gleich
noch diese russischen Wörter?)

Glasnost = Offenheit (i.e.S. Öffnung zur westlichen Welt)
Perestroika = Umgestaltung (i.e.S. der Wirtschaftsordnung)

Schluß machen mit den teilweise
noch stalinistischen Strukturen (damit sind, soweit ich weiß,
vor allem die Verfolgungen und Abstrafungen Andersdenkender
gemeint). War das ein Versuch, ideologisch das zu lösen, was
eigentlich auch wirtschaftlich hätte gelöst werden müßte?

Nein, es fehlten die Devisen und man konnte nicht mit der technologischen Entwicklung der Weststaaten mithalten (Stichwort SDI). Es musste eine wirtschaftliche Verquickung mit dem Westen erfolgen. Ein solch riesiges Land mit sovielen Völkergruppen konnte man aber nicht wirklich reformieren, ohne dass das alte System zusammen brach.

Warum konnte sich der Sozialismus nicht retten? Gorbi allein
kann daran ja wohl nicht „schuld sein“.

Nein, er markierte die Sollbruchstelle, der Rest hat sich dann verselbständigt. Eine wichtige Figur bleibt aber Boris Jelzin, den du nicht erwähnt hast. Tja, das nur ein sehr kurzer Abriss, vielleicht hilft dir der eine oder andere Aspekt.

Gruss,
Klaus

Hallo,

http://www.mlwerke.de/me/me19/me19_177.htm

Deshalb haben Marx und engels auch imho recht deutlich zwischen altem Sozialismus und Kommunismus als wissenschaftlichen Sozialismus unterschieden. Dieser Sozialismus war letztlich nichts andere als ein bürgerlicher Nationalstaat mit vielerlei Elemten, die aus marxscher Kritik entnommen wurden. Letztlich aber eine Verdrehung dessen. Planwirtschaften sind zu effizient und nur Futterlieferanten für die Kapitalverwertung. Du kannst die Wirtschaft in den Ostblockstaaten nicht separat betrachten, da es auch internationalen Handel gab. Planwirtschaften sind nicht lebensfähig, solange es in großem Maße noch Kapitalismus gibt.
Hier meine Sicht dazu und Begriffserklärungen:
http://kds-nano.de/physik-live/physik/kapitalismus.htm

Gruß
Frank

Hallo,

ich wüßte gern, wann genau und warum die Sowjetunion aufgehört
hat zu existieren und wann und warum der Sozialismus in der
Sowjetunion und den anderen „Ostblock“-Staaten kollabiert ist.

Da gehen die Meinungen wohl stark auseinander.
Nach meiner ganz persönlichen Meinung ist die eigentliche Ursache, daß so ein zentralistisches, planwirtschaftliches System mit Menschen nicht funktionieren kann.
Menschen sind egoistisch, der Selbsterhaltungstrieb gebietet das.
In einer zentralistischen Planwirtschaft führt das dazu, daß es den wenigen, die das ‚Sagen‘ haben wirtschaftlich sehr gut geht und ‚Aktionismus‘ die Gefahr von Fehlern birgt. Also tun die Leute ‚da oben‘ besser nichts. Dadurch fallen sie nicht weiter auf und der Wohlstand bleibt erhalten. Alle anderen Folgen sind darauf zurück zu führen.

Gelegen hat das ja wohl weniger an der „Republikflucht“
Zehntausender, die nach dem Öffnen der Deutsch-Tschechischen
Grenze möglich und real wurde. Liege ich nicht ganz daneben,
haben die sozialistischen Staaten sich im Wettrüsten mit dem
Westen wirtschaftlich ruiniert. Wäre es den Menschen
wirtschaftlich besser gegangen, hätten sie wahrscheinlich
keinen so rechten Anlaß gehabt, gegen das undemokratische
System aufzubegehren.

Fast. Die Unerhrlichkeit, die das ganze System durchdrungen hat war noch unerträglicher. Das ‚eingesperrt‘ sein ebenso. Allerdings hat beides wirtschaftliche Ursachen. Empunden wird es trotzdem direkt, ohne die Ursachen zu orten.

Aber wie war das in Rußland? Gorbi wollte mit seiner
„Glasnost“- und „Perestroika“-Politik (was bedeuten gleich
noch diese russischen Wörter?)

Neue Offenheit (Durchsichtigkeit), Erneuerung

Schluß machen mit den teilweise
noch stalinistischen Strukturen (damit sind, soweit ich weiß,
vor allem die Verfolgungen und Abstrafungen Andersdenkender
gemeint). War das ein Versuch, ideologisch das zu lösen, was
eigentlich auch wirtschaftlich hätte gelöst werden müßte?

Die verfolgung derer, die nicht mit lügen ist eine Sache für sich. Die Ursache dafür ist aber wirtschaftlicher Natur.
Die Abwanderung von Spitzenkräften war ein Problem und wurde mit ‚der Mauer‘ gelöst. Die Ursache war wirtschaftlicher Natur.
Ein sehr guter Chirurg kann sich in den USA eine riesige Villa, ne Yacht … leisten. In der UdssR hat’s gerade mal für nen Lada gereicht. Kein Wunder, daß der weg wollte. :wink:
Daß es dem Staat nicht gefallen konnte, Spitzenkräfte auszubilden, die dann abwandern, ist vertändlich. Eine wirtschaftliche Alternative konnte man nicht bieten, also hat man die Leute mit Gewalt festgehalten.

Warum konnte sich der Sozialismus nicht retten? Gorbi allein
kann daran ja wohl nicht „schuld sein“.

Nein, er hat es nur möglich gemacht. Das System konnte nicht funktionieren. Gorbi hat nur die Gewalt aus dem System genommen, der Rest ging von allein. Alle haben geglaubt, daß die Marktwirtschaft alles regeln wird. Daß das ohne Startkapital sehr lange dauern wird, hat niemand bedacht.

cu Rainer

Gemeinde
Spielt die Niederlage in Afghanistan an dem zerfall keine Rolle?
gruss

nein, da war alles schon gegessen.
Grüße
Raimund

nein, da war alles schon gegessen.
Grüße
Raimund

hallo Raimund
du sollst dir mal das Datum des Einmarsches und des Rauswurfes aus Afghanistan noch mal in Videos oder Zeitungen anschauen !!!
gruss

glaubst Du nicht, dass da der Absturz der Sowjetunion schon besiegelt war?
Dass es da keiner militärischen Niederlage nicht mehr bedurfte?
M.M.nach war da zu dem Zeitpunkt schon lange das Totenglöckchen am läuten!
Grüße
Raimund

Zusätzlicher Erklärungsversuch, stark vereinfacht
Servus Uwe,

zusätzlich zu den anderen Erklärungen:
ich glaube, daß eine von oben gelenkte Wirtschaft nicht oder nur sehr schwer lenkbar ist. Das sieht man ja bei sehr großen Firmen: Der Verwaltungsapparat wird undurchschaubar und bekommt eine eigene Dynamik.
Z.B. der Traktor eines Bauerns geht kaputt. Schuld ist ein kleines Teil das eigentlich nicht so teuer ist.
Das kapitalistische Modell: Der Bauer weiß, das es ohne Traktor zu einem Ernteausfall und damit Einkommensausfall kommt und kauft das Teil beim Hersteller. Dieser ist daran interessiert, daß seine Traktoren funktionieren (sonst werden sie nicht gekauft) und liefert prompt.
Das sozialistische Modell: Der Bauer füllt ein Formular aus um dieses Teil zu erhalten. Vielleicht erhält er es zwei Jahre später. In der Zwischenzeit verrottet die Ernte, macht ja nix, er kann ja nix dafür…

Naja, irgenwie hat alles so recht und schlecht funktioniert, bis Gorbatschow an die Macht kam. Er war Kommunist aber auch Humanist und Demokrat (meiner Einschätzung nach) eigentlich ein Widerspruch oder?Der Humanismus und die Demokratie waren ihm wohl wichtiger. Meiner Einschätzung nach ist als der eiserne Griff der Partei sich gelockert hat auch der Kommunismus und damit auch die Sowjet Union in sich zusammengebrochen. (Stark vereinfacht, aber da sind ja Büchr geschrieben worden). Gorbatschow hat dabei als echter Demokrat reagiert und es geschehen lassen.

Und der Kapitalismus? Zuweilen findet man Weisheit, wo man sie niemals vermutet: Z.B. beim Bullen vom Tölz ein Dialog aus dem Gedächtnis:
Warum funktioniert Kapitalismus?
1 % profitiert tatsächlich an ihm.
19 % glauben sie haben eine Chance daran zu profitieren.
80 % wissen daß es so ist.
‚Und zu welchen gehören wir?‘
‚Zu den 80 % die das wissen‘.

Vielleicht gibt es ja einen 3. Weg? Einen sozialen Kapitalismus? Oder ist das schon wieder ein Widerspruch in sich?

Servus
Herbert

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Morgen,

einige stellen in deiner antwort finde ich ja schon ein wenig arrogant:

Glasnost = Offenheit (i.e.S. Öffnung zur westlichen Welt)

fuer gorbatschow war es sicher nicht (nur) eine oeffnung zum westen (schliesslich sprach man in dieser zeit sehr viel von der koexistenz beider systeme), sondern mehr eine offenheit fuer neue ideen, fuer andere, abweichende meinungen

Nein, es fehlten die Devisen und man konnte nicht mit der
technologischen Entwicklung der Weststaaten mithalten
(Stichwort SDI).

es fehlten sicher devisen (wozu brauchte man diese eigentlich?? ich glaube im wesentlichen fuer lebensmittel, technologietransfer war ja wohl verboten, bin mir da aber nicht so sicher), aber sdi: hat das jemals funktioniert (nicht mal die heutige version, dieses komische raketenabwehrprogramm, funktioniert auch nur halbwegs)?
und so im hintertreffen waren die technologischen entwicklungen nicht, es war halt wie in sehr sehr grossen unternehmen, die entscheidungen etwas neues zu entwickeln dauerten einfach viel zu lang…

der jan

Hallo Jan,

einige stellen in deiner antwort finde ich ja schon ein wenig
arrogant:

Ach?

Glasnost = Offenheit (i.e.S. Öffnung zur westlichen Welt)

fuer gorbatschow war es sicher nicht (nur) eine oeffnung zum
westen (schliesslich sprach man in dieser zeit sehr viel von
der koexistenz beider systeme), sondern mehr eine offenheit
fuer neue ideen, fuer andere, abweichende meinungen

i.e.S. = im engeren Sinne, Glasnost im engeren Sinne war die Öffnung zum Westen, man kann das gerne nachlesen:

http://www.dhm.de/lemo/html/DieDeutscheEinheit/Wande…

Nein, es fehlten die Devisen und man konnte nicht mit der
technologischen Entwicklung der Weststaaten mithalten
(Stichwort SDI).

es fehlten sicher devisen (wozu brauchte man diese
eigentlich?? ich glaube im wesentlichen fuer lebensmittel,

Nein, nicht nur. Es war eine Krux. Man brauchte Lebensmittel und Rohstoffe für die eigene Bevölkerung und gleichzeitig war es Mittel zur Devisienbeschaffung.

technologietransfer war ja wohl verboten, bin mir da aber
nicht so sicher), aber sdi: hat das jemals funktioniert (nicht
mal die heutige version, dieses komische
raketenabwehrprogramm, funktioniert auch nur halbwegs)?

Der Technologietransfer war natürlich nicht verboten. Aber Hardeware oder Software konnte nur gegen Devisen oder als Kompensationsgeschäft (Rohstoffe gegen Waren) gekauft werden. Es gab aber einen Mangel an Devisen und Rohstofflieferungen waren auch nicht unbegrenzt möglich. An spezialisierte Bauguppen, Computertechnologie (Hardware und Software), Lasertechnik, etc. kam man aber nur mit Devisen.

und so im hintertreffen waren die technologischen
entwicklungen nicht, es war halt wie in sehr sehr grossen
unternehmen, die entscheidungen etwas neues zu entwickeln
dauerten einfach viel zu lang…

Doch, das Problem war tatsächlich in seiner Wirkung zunächst ein technologisches. Die Unterhaltungselektronik, der Maschinenbau, die Automobilindustrie, die chemische Industrie war zu dem Zeitpunkt schon so vernetzt, dass ohne spezialisierte Baugruppen eine Produktion und ein Absatz im Westen nicht mehr möglich war. Wenn also die Entwicklungstendenzen noch 10 Jahre fortgeschritten wären, wären die Unterschiede noch viel drastischer gewesen. Der ganze Ostblock hatte keine vergleichbare Computertechnologie. Ob SDI damals funktioniert hat, ist nicht die Frage. In ein paar weiteren Jahren hätte das System aber sicher funktioniert. Der Ostblock wäre wirtschaftlich ausgeblutet und militärisch in die Bedeutungslosigkeit geraten. Es ist wichtig diese Zusammenhänge zu verstehen. Auch, um in der Argumentation mit heutigen Linken bestehen zu können, für die Technologie ganz allgemein für Zerstörung und dem baldigen Ende des „Kapitalismus“ steht.

Gruss,
Klaus