Warum Staatsschulden zum BIP?

Hallo,

kann mir nicht erklären, warum die Höhe der Staatschulden (Schulden von Bund, Ländern und Kommunen) ins Verhältnis zum BIP gesetzt wird.

Das BIP ist eine volkswirtschaftliche Größe, auf die der Staat ja gar nicht zugreifen kann. Nur indirekt über die Steuereinnahmen. Die meisten erwirtschafteten Güter und Dienstleistungen sind doch in der Hand von privaten Haushalten oder Unternehmen und haben mit den Staatschulden gar nichts zu tun.

Außerdem ist das BIP ja eine Jahresgröße. Es gibt jedes Jahr wieder ein neues BIP, die Staatsschulden sind aber über Jahrzehnte aufgelaufen.

Es wäre doch viel logischer, die Höhe der Staatsschulden mit der Höhe des Staatsvermögens,also mit dem Vermögen der öffentlichen Hand, wie z. B. Wälder, Infrastruktur, Immobilien, etc. ins Verhältnis zu setzen.

Warum wird das nicht gemacht? Kann mir da jemand weiterhelfen?

Vielen Dank!

LG Hilde

Hi,

ohne jetzt volkswirtschaftlich gebildet zu sein…

rate mal, wovon der Staat seine Schulden abbezahlt?
a) er nimmt Steuergelder
b) er nimmt dir dein Haus, dein Auto, deine Jacht weg und verscherbelt die, notfalls auch deinen Kühlschrank, deine Schrankwand, wenn du nix anderes hast.

Staatsvermögens,also mit dem Vermögen der öffentlichen Hand, wie z. B. Wälder, Infrastruktur, Immobilien, etc. ins Verhältnis zu setzen.

Schulden werden ja abbezahlt. Um das mit den Staatswäldern zu machen, dann müßtedie Bundesrepublik die Bäume und den Grund veräußern, und das wäreirgendwann alle, undder Bayerische Wald französisch… oder schwedisch. Vielleicht auch arabisch oder russisch. Falls letztere überhaupt Wald haben wollen.

Außerdem ist das BIP ja eine Jahresgröße. Es gibt jedes Jahr wieder ein neues BIP, die Staatsschulden sind aber über Jahrzehnte aufgelaufen.

Du hast ja auch jedes Jahr einen neuen Kontostand, und trotzdem kannst du deine Stromrechnung bezahlen… glaube ich jedenfalls.

Ernsthafter: Das BIP ist sozusagen das Bruttoeinkommen der Bundesrepublik (ich entschuldige mich bei den anwesenden Volkswirtschaftlern). Das sagt uns, wie viel die Bundesrepublik so einnimmt, und wie viele Schulden sie sich leisten kann. Wenn Du bei einer Bank einen Kredit willst, ist ja auch eine der wichtigsten Größen dein Nettoeinkommen - und nciht dein Auto.
Aus dem BIP kann man ableiten, wie viel Steueereinnahmen zu erwarten sind, und wie es mit der Abbezahlung der Schulden vorwärtsgehen könnte.

die Franzi

Hallo,

Das BIP ist eine volkswirtschaftliche Größe, auf die der Staat
ja gar nicht zugreifen kann. Nur indirekt über die
Steuereinnahmen. Die meisten erwirtschafteten Güter und
Dienstleistungen sind doch in der Hand von privaten Haushalten
oder Unternehmen und haben mit den Staatschulden gar nichts zu
tun.

Franzis Erklärung ist schon mal gar nicht so schlecht. Ein paar ergänzende Worte will ich aber doch noch anbringen.

Bei der Beurteilung der Bonität bzw. maximalen Verschuldung eines Unternehmen, werden häufig Ertragsgrößen bzw. Liquiditätsströme (=cashflows) betrachtet. Verschuldungsgrad und Konsorten sagen aus, wie lange das Unternehmen zur Schuldentilgung braucht, wenn es den gesamten freien cashflow dafür verwendet. Je nach Jahreszeit und Stimmung an den Märkten liegt die Obergrenze bei 4-6 (Jahren).

Das BIP ist eine denkbare Bezugsgröße für die Beurteilung der Zahlungskraft eines Staates. Sinnvoller wäre natürlich, den freien cashflow zu verwenden (also Steuereinnahmen abzgl. nicht freiwilliger Ausgaben), nur ist der in den allermeisten Fällen negativ.

D.h. es ist schon bei Kreditvergabe absehbar, daß der Staat nur mithilfe der Aufnahme neuer Kredite wird tilgen können. Das erklärt dann auch, daß ganze Staaten wackeln, wenn auf einmal allgemein Zweifel daran aufkommen, daß der Kapitalmarkt ihnen unbegrenzt Mittel zur Verfügung stellen wird.

Auf der Suche nach einer passenderen Kennzahl (im Sinne von „dann paßts schon“) stieß man auf das BIP. Man würzte das ganze mit der Überlegung, daß der Staat ja im Ernstfalle im Prinzip auf 100% des BIP würde zugreifen können, da er ja theoretisch die Steuersätze auf alle Einkommen auf 100% erhöhen könnte.

Es wäre doch viel logischer, die Höhe der Staatsschulden mit
der Höhe des Staatsvermögens,also mit dem Vermögen der
öffentlichen Hand, wie z. B. Wälder, Infrastruktur,
Immobilien, etc. ins Verhältnis zu setzen.

Das kann man machen, aber wie sollte man den richtigen Wert ermitteln? Wie entwickelt sich der Wert eines Hektars deutschen Waldes, wenn auf einmal zwecks Sicherheitenverwertung einige hundert Quadratmeter auf den Markt geworfen werden?

Gruß
Christian

Hi,

Franzis Erklärung ist schon mal gar nicht so schlecht.

*erröt*

Und das, obwohl ich das BIP mit dem Gehalt und die deutschen Wälder mit dem Haus als Sicherheit hinter der Hypothek hätte müssen…

die Franzi

Hallo und vielen Dank!

noch ein paar Anmerkungen:

D.h. es ist schon bei Kreditvergabe absehbar, daß der Staat
nur mithilfe der Aufnahme neuer Kredite wird tilgen können.
Das erklärt dann auch, daß ganze Staaten wackeln, wenn auf
einmal allgemein Zweifel daran aufkommen, daß der Kapitalmarkt
ihnen unbegrenzt Mittel zur Verfügung stellen wird.

Das habe ich mir auch schon oft gedacht. Praktisch noch nie wurde eine Anleihe, also Staatsschulden, aus dem laufenden Haushalt getilgt, sondern nur durch Aufnahme neuer Schulden, die später dann wieder nur durch Aufnahme neuer Schulden zurückgezahlt werden können.

Einfach unglaublich, dass das geht. Es ist eine Frage der Zeit, bis das ganze Kartenhaus in sich zusammenfällt, siehe Griechenland. Wenn die Refinanzierung ins Stocken gerät, gehen die Lichter aus. Ist so ähnlich, wie bei einem Schneeballsystem. Den Letzten beißen die Hunde.

Auf der Suche nach einer passenderen Kennzahl (im Sinne von
„dann paßts schon“) stieß man auf das BIP. Man würzte das
ganze mit der Überlegung, daß der Staat ja im Ernstfalle im
Prinzip auf 100% des BIP würde zugreifen können, da er ja
theoretisch die Steuersätze auf alle Einkommen auf 100%
erhöhen könnte.

Ja, das leuchtet mir ein. Hab ich so noch gar nicht gesehen.

Es wäre doch viel logischer, die Höhe der Staatsschulden mit
der Höhe des Staatsvermögens,also mit dem Vermögen der
öffentlichen Hand, wie z. B. Wälder, Infrastruktur,
Immobilien, etc. ins Verhältnis zu setzen.

Das kann man machen, aber wie sollte man den richtigen Wert
ermitteln? Wie entwickelt sich der Wert eines Hektars
deutschen Waldes, wenn auf einmal zwecks
Sicherheitenverwertung einige hundert Quadratmeter auf den
Markt geworfen werden?

Doch, es gibt Zahlen über die Höhe des öffentlichen Vermögens. Das statistische Bundesamt hat die ermittelt.
Es wurde auch schon vieles an Staatsvermögen versilbert. Stichwort Privatisierung. Aber es wäre sicherlich ein praktisches Problem, den deutschen Wald zu verkaufen. Für die Bundesautobahnen hat man sich aber tatsächlich schon Gedanken in diese Richtung gemacht. Man hat darüber nachgedacht, diese an private Betreiber zu verkaufen oder zu verleasen.

Danke nochmal.

LG Hilde

Hi,

ja, das leuchtet mir schon irgendwie ein.

Allerdings: Wenn man als Privatperson auf ein Haus, das 300.000 Euro wert ist eine Hypothek i. H. v. 1 Million aufnehmen wollte, würde die Bank nicht mitspielen, weil die Schulden i. H. v. 1 Mio nicht durch entsprechendes Vermögen gedeckt sind.

Selbst wenn man ein monatliches Nettoeinkommen von sagen wir 30.000 Euro hätte und den Kapitaldienst leisten könnte, würde man den Kredit wahrscheinlich nicht bekommen.

Danke für Deine Beiträge.

LG Hilde

Hallo,

Das habe ich mir auch schon oft gedacht. Praktisch noch nie
wurde eine Anleihe, also Staatsschulden, aus dem laufenden
Haushalt getilgt, sondern nur durch Aufnahme neuer Schulden,
die später dann wieder nur durch Aufnahme neuer Schulden
zurückgezahlt werden können.

naja, das ist ja an sich nichts besonderes, denn die meisten Unternehmen haben einen Finanzierungssockel, der immer wieder umgeschlagen wird. Allerdings wird bei der Vergabe in der Regel immerhin darauf geachtet, daß das Unternehmen zumindest theoretisch in der Lage wäre, seine Schulden in maximal 4-7 Jahren zu tilgen.

Gruß
Christian

Hi,

ja aber die von dir genannten Ressourcen sind endlich. Was, wenn der ganze Wald, alle Staatsautobahen etc verkauft sind? das sind alles endliche Dinge, die noch dazu in überschaubarer Zahl vorhanden sind.

Außerdem ist deren Preis veränderlich, und zwar nicht nur durch Faktoren wie zB Schädlingsbefall beim Wald oder Fahrbahnschäden bei den Autobahnen.

Stell dir mal vor, Du willst deinen Schreibtisch verkaufen ( jetzt ist ja Schuljahresbeginn). Version A: Du bist die einzige, die im Moment einen gebrauchten Schreibtisch verkauft. In ganz Deutschland. Wieviel kanst du verlangen? Version B: Jeder in deinem Ort verkauft einen gebrauchten Schreibtisch. Und jeder im Umkreis von 50km ebenfalls. Wiviel kannst Du jetzt für deinen gebrauchten Schreibtisch verlangen?

Und bei Wäldern, Autobahnen etc. ist dass nicht anders. Wie würdest Du denn Wladimir Putin überzugen, den Bayerischen Wald / die Nordseeinseln / die A8 als Zahlung für Öl zu akzeptieren? Oder vielleicht etwas Braunkohle?

die Franzi