Warum war Bernhard von Bülow für Kolonien

Ich muss in der Schule etwas über Bernhard von Bülow wissen und da ist mir die Frage aufgekommen: Warum war Bernhard von Bülow für Kolonien. Ich danke euch für die sicherlich nutzvollen Antworten

Eine eigenartige Fragestellung liebe antonia. War Fürst von Bülow für die Kolonien ? Ist der Automechaniker für Autos ? Ist der Lehrer für seinen Lehrauftrag ?
Reichskanzler von Bülow war ein Kolonialpolitiker, der viele Dinge in bewegung gesetzt hat, zuerst als Außenminister und dann als Regierungschef des kaiserlichen Bundesstaates. Er hat die Verhandlungen in der Samoa-Frage geführt, wo Deutschland einige Inselgruppen im Pazific zugesprochen erhielt, er hat vor allem, als Außenminister, die Verhandlungen mit der kaiserlich-chinesischen Regierung geführt, durch welche das Reich das Land um die Fischerlände in der Bucht von Tsing-tao für 99 Jahre gepachtet hat, so wie Portugal Macau gepachtet hatte und Großbritannien Hong-Kong, die beide vertragsgemäß in China, in die VR China eingegliedert wurden. Tsing-tao wurde 1914 von den Japanern erobert und 1920 an China übergeben. In 15 Jahren war dort eine deutsche Musterkolonie aufgebaut worden, eine ganz kleine deutsch-chinesische Universität und wenn Sie heute in China-Restaurant chinesisches Bier bestellen, kommt es aus der ehemals deutschen Brauerei (aber nicht mehr nach dem bayrischen Reinheitsgesetz.
Doch zu Bülow.
Die ersten deutschen Kolonien der Neuzeit entstanden 1884 an der Atlantikküste, Namibia, Togo, Kamerun. Reichskanzler Fürst Bismarck war nach dem Deutsch-Französischen Krieg sehr um politischen Ausgleich in europa bemüht,wollte die Großmacht Großbritannien nicht beunruhigen, Frankreich nicht provozieren, wo vielfach noch Hass auf das Reich herrschte, u.a. wegen des „Raubes“ der deutschsprachigen Provinzen alsace und Lorraine. Ein Dutzend Hamburger und Bremer Kaufherren und Reeder bestürmten ihn aber, ihre Faktoreien in Westafrika zu „schützen“, dazu hatten die Häutplinge der Douala (15.000 Menschen, 6 Dörfer) seit Jahren die englische Königin, Kaiserin von Indien, bestürmt, die Oberhoheit über ihr Ländle zu übernehmen, der Premier-Minister antwortete natürlich nicht auf die Anfrage von sechs Doorfgemeinschaften. Da boten sich die Hamburger als Ersatz an, und Bismarck beauftragte einen Reichskommissar, die Schutzherrschaft des Deutschen Kaisers über die drei genannten Landschaften zu erklären, wörtlich, das Protektorat. Ausdrücklich wies er darauf hin, dass keine Verwaltungsbeamten und keine militärischen Garnisonen dorthin ausgesandt werden sollte.
Erst in der Berliner Kongo-Konferenz von November 1884-bis26.2.1885 wurden die provisorischen Grenzen des Hinterlandes, in Kamerun von der Küste bis zum Tschadsee, festgelegt, und das ganze bekam einen Namen“Schutzgebiet Kamerun“, aus dem 1960 die Republik Kamerun und die Kameruner Nation wurde, so wie Napoléon I 1806 das Kaisertum nach Österreich übertragen hatte und die politischen Flickenteppich der deutschsprachigen Fürstentümer und Stadtrepubliken auf drei Dutzend reduziert hatte und Bismarck schließlich 1871 das deutsche Kaiserreich, einen Bundesstaat mit22 Fürstentümer und drei Stadtrepubliken gegründet hatte, die deutsche Einheit. Deutschland existiert erst seit 1871.
In den Kolonien geschah erstmals nichts. Der karge import-Export-Handel ging weiter, Patrouillen und „Forscher“ versuchten ins Hinterland vorzudringen.
1888 war Kaiser Wilhelm II an die Macht gekommen und wollte selbst regieren. Bismarcks Friedens-und Ausgleichspolitik gefiel ihm nicht. Er war etwas überspannt und eitel, ein Uniformnarr. So musste Bismarck nach immer größeren Verstimmungen 1890 gehen. Nun wurde an den Aufbau, uzögerlich, von bewaffneten einheitn, „Schutztruppen“ in den Kolonien organisiert, mit söldnern aus Sierra Leone und Liberia, die schon seit zwei Jahrhunderten mit Europäern zusammenarbeiteten, Aufstände wurden niedergeschlagen, nach Kamerun kam ein ttüchtiger Gouverneur, der einen rebellischen Stamm umsiedelte, um weißen Pflanzern fruchtbares Land am Kamerunberg zu übergeben (heute eine staatliche Gesellschaft, die CDC, der größte Arbeitgeber des Landes : Kautschuk, Kakao, Bananen)
Inzwischen baute Wilhelm II die Großmacht, die Weltmacht Deutschland auf, das Kolonialreich wurde erweitert, die Flottenpolitik. Als fürst Bülow 1900 bis 1909 Reichskanzler wurde und damit direkten Einfluss auf die Kolonialpolitik, begannen die Investitionen in die Kolonien. Es gab kein Kolonial- und Entwicklungsministerium, nur eine abteilung im Auswärtigen amt, direkt im Blickfeld des preußischen Ministerpräsidenten, der das Amt des Reichskanzlers ausübte. Die Finanzen wurden aber vom Reichstag bestimmt, und da waren die Kolonialgegner, insbesondere die Sozialdemokraten, nahe an der Überzahl. Dem Willen des Kaisers und dem politischen Jongliergeschick des Kanzlers aber gelang es, die Investitionen zu finanzieren. In Kamerun wurde eine zweite Eisenbahn gebaut, 160 km nach N’Kongsamba, wo ich lange Jahre unterrichtet habe, eine private Aktiengesellschaft: 16,62 Millionen Goldmark, finanziert auf 30 Jahre zu 4%, mit Reichsgarantie, im zweiten Jahr bereits rentabel. Daraufhin baute das Reich die zweite Bahn nach Yaoundé, in deren verlauf die Sanagabrücke, damals die längste freitragende Gitterbogenbrücke Afrikas mit 180 Metern.
Im Verlauf der Ära Bülow wurden langsam die Kameruner in die Wirtschaft einbezogen und die sogenannten Eingeborenenkulturen, also bäuerliche Kakao- und Kaautschukpflanzungen durch ein Netz von landwirtschaftlichen Versuchsstationen gefördert, die verteilten an interessierte Häuptlinge Sämereien und Pflänzlinge.
Man muss die deutsche Verwaltung verstehen (wir sind in einer Monarchie): Eigentlich wollte das Reich nichts ausgeben und über Protektorate herrschen. Protektorat bedeutet aber, Oberhoheit eines Staates über einen anderen, durchorganisierten Staat mit Justiz, finanzen, öffentliche Diensten und einem Monarchen. Das konnten die Stammesgesellschaften aber weder strukturell noch organisatorisch noch finanziell bietenAlso direkte Zivilverwaltung über Bezirksamtmänner, deren Amtsbereich den heutigen Départements (in Ttogo und Kamerun) entspricht. Die Kolonien hatten keine Legislative, auch die Weißen kein Wahlrecht (1890 hatten im Königreich Preußen nur 20% der Erwachsenen das Wahlrecht: keine Frauen, Minderjährige unter 25, Steuerbefreite Personen). Dafür herrschte consensus: der Bezirksamtmann besprach sich mit den Häuptlingen, welche auch die Kopfsteuer. Also direkte Zivilverwaltung mit einsammelten (10 Goldmark pro Jahr und arbeitsfähigem Mann bzw. ersatzweise 25 Tage öffentliche Arbeiten, Wege- und Brückenbau). Das Budget von Togo war 1914 ausgeglichen, das von Kamerun sollte es 1918 sein, 1916 aber war es zu Ende, und die Französische Republik führte daas Land zur Unabhängigkeit 1960.
Die Verwaltung sah aber auch, dass sie ohne die Mithilfe der eingeborenen nicht weiterkam. Weiße Plantagenaufseher, Lokomotivführer, Verwaltungssekretär waren teuer (mit Tropenzulage und Heimaturlaub alle drei Jahre), wo gebildete eingeborene die gleich Leistung zu weniger Kosten erbringen konnten.
Die Kolonialverwaltung hatte, im Gegensatz zu unseren Regierungen, keine Kulturpolitik, mit den Eingeborenen verkehrte man mit Pidgin, vom Pazific bis Togo, ein gebrochenes Coast English. Die Missionen hattten anfangs das gesamte Schulwesen unter sich und unterrichteten, gemäß dem Auftrag Jesu und dem Pfingswunder, in den einheimischen Sprachen. In der Ära Bülow wurden nun die katholischen und evangelischen Mittelschulen gefördert, 5 Jahre in deutscher Sprache, und das Ergebnis war ausgezeichnet, wie ich 1965 noch feststellen konnte. Dazu kamen vier Regierungsschulen. Die konfessionellen Mittelschulen hielten sich an den Lehrplan des Gouvernements und bezogen dafür Subventionen. Bald war die gesamte untere Beamtenschaft in Togo, Kamerun und in geringerem Maße deutsch-Ostafrika, von einheimischen gefördert. Ausnahme: in Deutsch-Ostafrika, heute Tanzania, Ruanda und Burundi, wurde das Suaheli als amtsprache eingeführt, das auch die Weißen schnell und gerne erlernten, es gilt bis heute als Amtssprache.
Bülow war also ein tüchtiger Kolonial- und Entwicklungspolitiker.
Ich nehme an, Sie besuchen eine Schule in der Bundesrepublik. Da wird es sehr schwer, über Kolonien zu sprechen. Sie müssen sich unbedingt dessen bewusst sein, dass Fürst Bülow, der Kolonial- und Entwicklungspolitiker, kein Zeitgenosse ist sondern vor über hundert Jahren, in einer ganz anderen Denk-, Gefühls- und Werte-Welt gelebt hat. Er hatte nicht einmal eine elektrische Zahnbürste, wenn Sie mich verstehen. Aus der DDR und der Drittweeltbewegung der 68er Jahre, der Ihrer Großeltern (gewaltfreie Erziehung, freier Sex) kommt eine allgemeine Kolonialhetze in deutschland, die von der Universität ausgeht. Zunächst verwechseln die deutschen Professoren und die Medien immer Kolonisation und Kolonialismus. Die Kolonisation ist die Modernisierung archaischer und anarchischer Stammesgesellschaft und fand vor Ort, in Afrika und in der Südsee statt, der Kolonialismus istt die Propaganda, die Projektemacherei, das ganze Geschwätz und fand in den Berliner Redaktionsstuben und Vortragssälen statt. Der Kolonialismus ist zur Kolonisation das, was der Floh zum Hunde ist, schreibt M.F. Dippold. Es klingt eben ähnlich wie Homophonie und Homophobie.
Sodann herrscht von seiten der DDr und der 68er Generation die Auffassung, alle Kolonien seien gleich. Dabei ist es nur ein gemeinsamer Nenner für Fremdherrschaft. Aber jede Regierung ist Fremdherrschaft, und in einem fall auf zwei haben Sie eine Regierung, die sie nicht gewählt haben. Und jede Regierung hat Zwangsmaßnahmem, unterdrückt die freie Fahrt freier Bürger durch verbrecherische Radarfallen, als Beispiel.
Kolonien sind auch grundsätzlich nicht böse oder schlecht. Böse und schlecht, oder aber tüchtig und aufopfernd sind die Menschen, Beamten und Offiziere, die im Kolonialen Statut Privilegien haben, Rassismus ausüben. Äußerungen von Rassismus sind heute bei uns in Frankreich ein schweres und teueres Vergehen, in der kolonialen Gesellschaft, wo vielfach die Menschen noch nackert herumliefen, verständlich oder gar selbstverständlich.
Zur Zeit der Kolonien waren diese von Eingeborenen, von Negern und Schwarzen bewohnt. Wie sollte man sie anders nennen. Wenn Sie heute nach cotonou zB. Fliegen, sehen Sie keine eingeborenen mehr, keine Neger, alle Schwarzen sind verschwunden, es gibt nur noch Leute, freundliche Zollbeamte, brüllende Taxifahrer, überfordeerte Stewardessen, kleine Mädchen mit einer Schüssel voll Mangos auf dem Köpfchen… Verstehen Sie mich ?
Zusammenfassend: Haltn Sie sich an die Fakten. Kanzler Bülow hat in seiner Zeit gelebt und die Expansionspolitik seines Herrn tatkräftig unterstützt.

Zur Dokumentation:
Gehen sie auf de.wikipedia.org/Bernhard von Bülow. Ausnahmsweise ist der Artikel gut, also neutral.
Zu seiner Politik lesen Sie im Deutschen Kolonial-Lexikon, 1920 erschienen auf dem Stand von 1914. Es ist natürlich, mit größtmöglicher Sachlichkeit, der Blickpunkt der deutschen Kolonialverwaltung.
http://www.ub.bildarchiv-dkg.uni-frankfurt.de/Bildpr…
Cliquen sie auf B, dann auf Bülow.

In eigener Sache:

Wir haben gerade die Neuausgabeeines Buches von 1967 fertig, die Erinnerungen des letzten deutschen Bezirksamtmannes von Edéa, Kamerun, das im Geiste der freiheitlich—demokratischen Grundordnung und ohne kolonialistisches Geschwätz geschrieben wurde: Geheimrat alfred Priester (Aschaffenburg): Kamerun als deutsches Schutzgebiet. Wenn Sie es wünschen, kann ich Ihnen gerne einen Probedruck zusenden.
Wir arbeiten gerade an der Fertigstellung von „Kameruner Lesestücke aus der deutschen Kolonial- und Missionsliteratur, die vermehrte zweite Auflage nach der von 1973 (die Vergangenheit verändert sich ja nicht).

Zum Abschluss: Fakten. Geschichte sind Fakten. Der professionelle Historiker hat für Devise: Comprendre. Sans juger – Verstehen. Ohne zu urteilen (oder verurteilen)

Verzeihen Sie mir, wenn ich die Stunde erspare, um meinen Text zu korrigieren. Mit heißer Nadel gestrickt, weil sie eine Antwort auf eine höfliche Frage verdienen, ich aber überlastet bin.

Alles Gute und bleiben Sie aufrecht

Max f. Dippold, F-79140 Combrand