Warum werden Regelstäbe nicht radioaktiv?

Hallo,
in einem Atomkraftwerk werden ja bei Gefahr oder zur Drosselung der Leistung Regelstäbe meist aus Cadmium eingesetzt.
Diese nehmen dann die Neutronen auf. Wenn dies Uran machen würde, dann würde es unter Abspaltung von Neutronen zerfallen. Das macht aber Cadmium nicht. Warum aber zerfällt da Cadmium nicht bei Neutronenaufnahme und warum nimmt er nicht so viele Neutronen auf bis er auch radioaktiv zerfällt? Gibt es dafür eine anschauliche Erklärung?

Und warum sollte der Moderator im Reaktor, nämlich Wasser, nicht mehr mit der Umwelt in Berührung kommen. Was verändert sich da am Wasser, dass es für die Umwelt gefährlich wird.
Aber komisch finde ich, dass Wasser die Neutronen nur abbremst, aber nicht aufnimmt. Gibt es dafür auch eine schöne Erklärung?

Ich weiß, sind ein paar viele Fragen auf einmal, aber ich denke sie passen gut unter diese Überschrift.

Danke für die Antworten
Tim

Hi Tim,

du musst dir erst mal klarmachen, dass es bei den Kernen ein Optimum der Stabilität (bzw. Maximum der Bindungsenergie) bei mittelschweren Kernen gibt, ungefähr beim Eisen. Leichte Kerne setzen daher beim Fusionieren Energie frei, schwere beim Zerfall. Daher können mittelschere Kerne (u.a. Cadmium) nicht zerfallen, weil dies Energie erfordern würde. Kuxdu das Bild bei http://de.wikipedia.org/wiki/Bindungsenergie#Kernphysik

Unter http://de.wikipedia.org/wiki/Steuerstab wird erklärt, dass Cadmium Neutronen aufnimmt, aber:
„Durch die Absorption von Neutronen wird das neutronenabsorbierende Material mit der Zeit verbraucht.“

Zu den weiteren Fragen: Moderatorwasser sollte wohl auch deswegen nicht in die Umwelt gelangen, weil es verunreinigt ist. Die Frage, ob Wasser durch Neutronen verändert, wird, muss man aufspalten, denn die Neutronen reagieren mit Atomkernen, da ist es egal, in welchem Molekül sie gebunden sind. Bleiben also 1H, 2H, 3H, 16O, 18O. Da weiterzuforschen habe ich im Moment keine Lust, hoffe aber, dir erst mal einen Denkanstoß gegeben zu haben.

Zoelomat

Hi Tim,

du musst dir erst mal klarmachen, dass es bei den Kernen ein
Optimum der Stabilität (bzw. Maximum der Bindungsenergie) bei
mittelschweren Kernen gibt, ungefähr beim Eisen. Leichte Kerne
setzen daher beim Fusionieren Energie frei, schwere beim
Zerfall. Daher können mittelschere Kerne (u.a. Cadmium) nicht
zerfallen, weil dies Energie erfordern würde. Kuxdu das Bild
bei http://de.wikipedia.org/wiki/Bindungsenergie#Kernphysik

Also ich würde sagen, dass Cadmium, wenn es Neutronen aufnimmt auch Energie aufnimmt. Von daher wäre es kein Problem, dass Cadmium zerfällt, Energie ist ja im Reaktor reichlich vorhanden.

Unter http://de.wikipedia.org/wiki/Steuerstab wird erklärt,
dass Cadmium Neutronen aufnimmt, aber:
„Durch die Absorption von Neutronen wird das
neutronenabsorbierende Material mit der Zeit verbraucht.“

Das kann ja heißen, dass die Kerne immer größer werden, wenn Cadmium die Neutronen einfängt und wenn man die Regelstäbe nicht rechtzeitig wieder auswechselt, dann kann es passieren, dass die Regelstäbe auch radioaktiv zerfallen, oder? Das ist wahrscheinlich mit „verbrauchen“ gemeint.

Bleibt nur noch die Frage, ob sich jemand vorstellen kann, warum jetzt Cadmium die Neutronen aufnimmt, aber Wasser nicht, sondern nur abbremst.
Müsste dafür das Neutron schneller sein, damit es vom Sauerstoff bzw. vom Wasserstoff aufgenommen werden könnte?

Hallo!

in einem Atomkraftwerk werden ja bei Gefahr oder zur
Drosselung der Leistung Regelstäbe meist aus Cadmium
eingesetzt.

Aufgabe der Steuerstäbe in einem Reaktor ist die Absorption von Neutronen zur Leistungsregelung (und ggf. zur Abschaltung des Reaktors). Als Neutronenfänger dient hierbei meist Bor (in Form von Borkarbid) oder Cadmium.

Diese nehmen dann die Neutronen auf. Wenn dies Uran machen
würde, dann würde es unter Abspaltung von Neutronen zerfallen.
Das macht aber Cadmium nicht. Warum aber zerfällt da Cadmium
nicht bei Neutronenaufnahme und warum nimmt er nicht so viele
Neutronen auf bis er auch radioaktiv zerfällt? Gibt es dafür
eine anschauliche Erklärung?

Bor zerfällt sehr wohl nach Neutroneneinfang, nämlich in Lithium und
Helium. Cadmium-113 nimmt ein Neutron auf und wird dadurch wieder in ein stabiles Cadmium-Isotop (114-Cd) überführt. Bei beiden Prozessen werden keine weiteren Neutronen frei, so dass die Kettenreaktion unterbrochen wird. - Wichtig: Entscheidend ist nicht, ob die Aktivierungsprodukte radioaktiv zerfallen, das dürfen sie ruhig; es kommt nur darauf an, dass keine Kernspaltung mit Neutronenemission stattfindet.

Und warum sollte der Moderator im Reaktor, nämlich Wasser,
nicht mehr mit der Umwelt in Berührung kommen. Was verändert
sich da am Wasser, dass es für die Umwelt gefährlich wird.

Das Wasser selbst ist hier nicht das Problem (wenn man mal Tritium als Aktivierungsprodukt ignoriert). Aber das Wasser transportiert auch Abrieb der (teilweise aktivierten) Bauteile im Reaktorkern und sonstigen „Dreck“, der durchaus radioaktiv sein kann. Deshalb wird das Hauptkühlmittel (aka Reaktorwasser) regelmäßig gereinigt.

Aber komisch finde ich, dass Wasser die Neutronen nur
abbremst, aber nicht aufnimmt. Gibt es dafür auch eine schöne
Erklärung?

Neutronen lassen sich am besten durch Teilchen ähnlicher Masse abbremsen. Bei so einem Stoß wird ein Teil der kinetichen Energie des Neutrons auf den Stoßpartner übertragen (anschaulich: Stoß einer Billardkugel gegen eine andere ruhende Kugel). Trifft ein Neutron auf ein deutlich schwereres Teilchen (also aus sicht des Neutrons auf eine Wand :wink:), wird es „reflektiert“ oder absorbiert.

Die Abbremsung im Wasser (H2O) erfolg im Wesentlichen durch Stöße von Neutronen mit dem nahezu gleich schweren H-Atom.

Ich weiß, sind ein paar viele Fragen auf einmal, aber ich
denke sie passen gut unter diese Überschrift.

Die passen nicht nur gut unter die Überschrift, sondern gehören auch thematisch durchaus zusammen.

Gruß,
die Nebelkrähe

Aber komisch finde ich, dass Wasser die Neutronen nur
abbremst, aber nicht aufnimmt. Gibt es dafür auch eine schöne
Erklärung?

Ja gibt es. Das ist nämlich kein normales Wasser, sondern D2O, d.h. der Wasserstoffkern enthält bereits ein Neutron zusätzlich und kann damit keine weiteren Neutronen einfangen.

Gruß
Oliver

Neutronen lassen sich am besten durch Teilchen ähnlicher Masse
abbremsen. Bei so einem Stoß wird ein Teil der kinetichen
Energie des Neutrons auf den Stoßpartner übertragen
(anschaulich: Stoß einer Billardkugel gegen eine andere
ruhende Kugel). Trifft ein Neutron auf ein deutlich schwereres
Teilchen (also aus sicht des Neutrons auf eine Wand :wink:), wird
es „reflektiert“ oder absorbiert.

Ok, mit dem Abbremsen ähnlicher Masse ist mir klar, wegen Impulserhaltung.
Aber welche Eigenschaft des Kerns beeinflusst, ob das Neutron jetzt absorbiert oder reflektiert wird?
Ich meine wie könnte man dem Sauerstoff im Wasser ein Neutron aufzwingen?
Was ist denn die Bedingung dafür, dass der Sauerstoffkern das Neutron reflektiert und nicht adsorbiert?

Noch eine kleine Frage zum schweren Wasser. Da besteht ja der Wasserstoffkern aus einem Neutron und einem Proton.
Stellt man das schwere Wasser im Reaktor her?
Weil auf Wikipedia hab ich gelesen, dass man durch Elektrolyse das normale Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt und dann das schwere Wasser übrig bleibt.
Beieinflusst das Neutron das chemische Verhalten so stark, oder ist das schwere Wasser vielleicht dichter, aber man muss erst das andere Wasser wegbringen?

Hallo!

Ja gibt es. Das ist nämlich kein normales Wasser, sondern
D2O, d.h. der Wasserstoffkern enthält bereits ein
Neutron zusätzlich und kann damit keine weiteren Neutronen
einfangen.

Diese Erklärung ist irreführend.

Die Kernkraftwerke in Deutschland arbeiten alle mit normalem, sprich leichtem, Wasser als Moderator. Daher auch die Sammelbezeichnung Leichtwasserreaktoren. Im Ausland gibt es teilweise auch Reaktoren, die schweres Wasser als Moderator verwenden, speziell z.B. die CANDU Reaktoren.

Vorteil ist, dass schweres Wasser weniger Neutronen absorbiert als leichtes Wasser - mehr oder minder aus dem von Dir genannten Grund - und deshalb mit geringeren Urananreicherungsgraden gearbeitet werden kann.

Übrigens gibt es auch überschweres Wasser, sprich Wasser, das einen Tritium (3H) Kern enthält.

Gruß,
die Nebelkrähe

Hallo!

Aber welche Eigenschaft des Kerns beeinflusst, ob das Neutron
jetzt absorbiert oder reflektiert wird?
Ich meine wie könnte man dem Sauerstoff im Wasser ein Neutron
aufzwingen?
Was ist denn die Bedingung dafür, dass der Sauerstoffkern das
Neutron reflektiert und nicht adsorbiert?

Das kommt wohl auf die speziellen (Kräfte-)Verhältnisse im jeweiligen Kern an. Leider bin ich etwas überfragt, wie das genau aussieht. Vielleicht kann ein(e) Kernphysikexperte/in hier weiter helfen.

Noch eine kleine Frage zum schweren Wasser. Da besteht ja der
Wasserstoffkern aus einem Neutron und einem Proton.

Korrekt.
Bzw. noch etwas genauer: einer der Wasserstoffkerne.

Stellt man das schwere Wasser im Reaktor her?

Hergestellt wird es meines Wissens nicht durch Neutronenbeschuss (sprich in einem Reaktor). Die Einfangquerschnitte sind wohl zu gering. Aber es entsteht natürlich während des Betriebs in geringen Mengen Deuterium im Reaktor.

Weil auf Wikipedia hab ich gelesen, dass man durch Elektrolyse
das normale Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt und
dann das schwere Wasser übrig bleibt.
Beieinflusst das Neutron das chemische Verhalten so stark,
oder ist das schwere Wasser vielleicht dichter, aber man muss
erst das andere Wasser wegbringen?

Ich vermute letzteres. Aber da ich hirzu nichts qualifiziertes sagen kann, alte ich mal lieber die Klappe und hoffe, dass jemand anderes diese Frage beantworten kann.

Sorry, dass ich Dir hinsichtlich dieser Fragen nicht wirklich helfen kann.

Gruß,
die Nebelkrähe

Diese Erklärung ist irreführend.
Die Kernkraftwerke in Deutschland arbeiten alle mit normalem,
sprich leichtem, Wasser als Moderator.

In der Ausgangsfrage war die Rede von einem Moderator, bei dem die Neutronenabsorption zumindest vernachlässigbar ist. Normales Wasser kann also ausgeschlossen werden.

Gruß
Oliver

Hallo!

Wenn man die Frage so interpretiert und die weltweit gängigsten Reaktortypen, also die Leichtwasserreaktoren, von vornherien ausschließt, okay.
Aber ich unterstelle bei Fragen von Nich-Experten lieber eine ungeschickte Formulierung als eine „sinnlose“ Voraussetzung, die eine wenig hilfreiche Antwort nach sich ziehen würde.
Kann natürlich sein, dass das hier nicht angebracht war. Aber das müsste der Fragesteller klären.

Gruß,
die Nebelkrähe

Aber ich unterstelle bei Fragen von Nich-Experten lieber eine
ungeschickte Formulierung als eine „sinnlose“ Voraussetzung,
die eine wenig hilfreiche Antwort nach sich ziehen würde.

Und ich unterlasse legliche Unterstellung und beantworte einfach die Frage.
Aber ok hast ja recht, der Hinweis auf die Leichtwasserreaktoren ist durchaus berechtigt.

Viele Grüße
Oliver

Hallo Oliver!

Und ich unterlasse legliche Unterstellung und beantworte
einfach die Frage.
Aber ok hast ja recht, der Hinweis auf die
Leichtwasserreaktoren ist durchaus berechtigt.

Na, dann ergänzen sich unsere Ansätze doch hervorragend. :smile:
Habe ja auch nicht behauptet, dass Deine Antwort falsch sei, ich sprach bewußt von „irreführend“. :wink:

Grüßle von der Nebelkrähe

Na, dann ergänzen sich unsere Ansätze doch hervorragend. :smile:

Schön, dann können wir ja jetzt endlich ein Bier trinken gehen! :smile:

Grüße
Oliver