Warum wiederholt man das verhalten der eltern?

Hallo,

ich überlege grade, warum man das Verhalten der eigenen Eltern oft wiederholt, und warum man das - grade wenn es etwas nicht so schönes ist - so schlecht abstellen kann?
Mit Schrecken habe ich festgestellt, das ich viele Verhaltensweisen meines Vaters übernommen habe. Dieselben Verhaltensweisen , die ich als Kind ganz furchtbar fand. Nicht in aller Deutlichkeit wie bei meinem Vater, aber tendenziell in dieselbe Richtung.
Ich arbeite an mir, und es wird immer besser, aber grade in stressigen Situationen kommt das immer wieder durch.

Mein Vater war ein extrem ungeduldiger, jähzorniger und unberechenbarer Mensch, der nie loben konnte und uns Kinder eigentlich immer „kleingemacht“ hat. So hat er zB richtiges Verhalten nie gelobt, und Fehler immer angesprochen, mir sind Bemerkungen wie " du kannst aber auch gar nichts", „du bist so dumm“, „kannst du auch was richtig“ und diverse Beschimpfungen im Gedächtnis, sowie diverse körperliche Übergriffe.

Derart extrem bin ich nicht, aber ich merke , das ich auch immer eher in die negative Schiene gehe. Mehr meckere als zu loben, sehr schnell laut werde und manchmal auch für kleinigkeiten ausflippe und dann auch sehr niedermachend mecker.

Mir tut das sehr leid, und seit einiger Zeit versuche ich das auch zu umgehen, und meistens gelingt mir das auch. aber halt nicht immer.

Ich frage mich, warum ist das so schwer, „besser“ zu sein, als die eigenen Eltern? Und hat da jemand vll tips für mich? Ich komme mir oft so schlecht vor, und will doch eigentlich nur, das mein Kind weiß, das ich es liebe,… und es selbstbewusst erziehen… und scheiter da immer wieder dran… was sagt ihr dazu? kennt ihr das? habt ihr ähnliches erlebt???

liebe grüße

Brenna

Hallo,

erst mal völlig unabhängig vom Thema Erziehung:

Mit Schrecken habe ich festgestellt, das ich viele
Verhaltensweisen meines Vaters übernommen habe.

Ich anfangs auch. Und nicht nur Verhaltensweisen, z.B. auch die eine oder andere Neigung zu diversen Erkrankungen oder deren Symptome.

Ich arbeite an mir

Habe ich auch und mache ich nach wie vor.

und es wird immer besser

Entspannter würde ich es nennen. Manche Dinge sind bis dato nicht beherrschbar, andere schon.

aber grade in stressigen Situationen kommt das immer wieder durch.

Yep. Stress ist auch ein sehr treffender Punkt, wo man ansetzen kann (und muss).
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Mir tut das sehr leid

Mir manches auch. Aber ich habe mittlerweile auch Ein- und Nachsicht mit mir. Mit meinen „Fehlern“ und, nicht zu vergessen, den gegenteiligen Dingen :smile:

Ich frage mich, warum ist das so schwer, „besser“ zu sein, als
die eigenen Eltern?

Wir sind zumindest anders. Davon bin ich überzeugt. Ob besser, werden die Kids uns wieder sagen.

… und will doch eigentlich nur, das mein Kind weiß, das ich es liebe,… Das kann es jetzt nicht wissen. Vielleicht in 20 oder 30 oder 40 Jahren.

Ich zumindest weiß, dass ich aus meiner, meiner heutigen Sicht der Dinge „wesentlich weniger Fehler (in der Erziehung) gemacht habe“ als meine Eltern.

Oder eher doch: Ich habe vieles anders gemacht als meine Eltern. Aber mit mehr oder weniger Liebe? Keine Ahnung. Nur mein Bestes versucht und gegeben. Soweit es in meiner Macht und Liebe gestanden hat.

Das kann ich übrigens besten Gewissens auch für meine Frau sagen.

Aber die Kids frage ich jetzt lieber mal nicht … :wink:

Franz

Hallo Brenna,

wie war das? Es gibt drei Arten von lernen:
durch denken/überlegen: das ist die edelste, aber als Kind fast nicht zu erreichen
durch Erfahrung: das ist die schmerzhafteste, das versucht jedes Kind zu vermeiden
durch kopieren: das ist die einfachste, und das macht man schon als Baby, wenn es denn das erste mal lächelt.

Du bist geprägt von Deinen Eltern. Sicher auch von Deiner Mutter, wo es Dir vielleicht nicht (selbst) auffällt - erst recht, wenn Du damit keinen Konflikt hast.

Überlege mal, wie kompliziert nur alleine das Laufen ist: Wie den Fuß aufsetzen, wann das Knie krumm machen, wie die Zehen halten… (das aus der Kiste „Lernen aus Erfahrungen“ und versuche mal einem Hobbyjogger beizubringen, dass er falsch läuft!)

Ähnlich ist das auch bei den Kommunikationsabläufen: Papa hat es seinerzeit so hinbekommen, dass ich entsprechend funktioniert habe. Du hast es in der Schule hinbekommen, dass andere Kinder funktioniert haben.
Halt! Da steht plötzlich ein Paradoxon im Weg: Manche sind ja ganz anders, als die Eltern. Richtig: Die Erfahrung lehrte dann überlagernd, dass es so (z.B. in der Schule) grad gar nicht funktionierte.

Nun bist Du an dem Punkt, da denken/überlegen Dein Handeln und auftreten bestimmen soll… funktioniert ja sogar! Glückwunsch… die Niederschläge durch die Situation „Stress“ ist aber erklärbar: Der lernprozess ist noch im Gange und das zuerstegelernte muss erst ganz verdrängt werden.
Hier nochmal der Läufer: wenn er locker im Wald dahintrottet, hat er den richtigen Schritt drauf. Kommt ein bellender Hund geht es zurück in die Reflexhaftigkeit und er wird falsch laufen…

Meine Gedanken

LG
Ce

Hallo,

das Kopieren der Eltern ist schlicht evolutionär für alle lernfähigen Geschöpfe sinnvoll - immerhin sind die Eltern groß geworden und haben es offensichtlich geschafft sich zu vermehren. Also muss ihr Verhalten dem evolutionären Hauptauswahlkriterium, der Vermehrung, zuträglich sein.

Der Mensch ist länger und auch über das Elternhaus hinaus lernfähig (Kindergarten, Schule etc.), aber das zuhause Gelernte ist eben das Erste und meist Intensivste und ist daher teils sehr tief verwurzelt.

Trotzdem kann man versuchen daran zu arbeiten, man sollte es nie aufgeben. Aber alles wird man nicht oder nicht großartig ändern können (z.B. grundsätzliche Ähnlichkeiten im Verhalten und in der Körperhaltung, der Sprachmodulation, Mimik etc.).
Wenn Du etwas ändern willst, kannst Du nur dein Möglichstes tun.

Gruß, Hovke

Hallo Brenna,

kurz und knapp:

man verhält sich so, wie man es in der Kindheit gelernt hat.
Lernen duch Vorleben und duch eigene Erfahrung.

Wenn Dein Vater eher kritisch und launisch war und Dich nie gelobt hat, so hast Du dennoch vermutlich versucht, ihm zu gefallen, alles richtig zu machen, ein Lob zu ernten und vor allem einen Hinweis, dass er Dich liebt.

Für ihn hatte sein Verhalten ‚Erfolg‘. Ein ruhiges, angepasstes Kind.
Du warst vermutlich - aus Angst vor seinen Launen - meistens brav, unauffällig und er hatte keine größeren Probleme mit Dir.

Auf ein Lob hast Du vergeblich gewartet. Wieso und wofür hätte er Dich loben sollen? Du warst so, wie er es erwartet hat. Was gibt es da zu loben?

Man kann sich zwar vornehmen, bei den eigenen Kindern SO nicht zu handeln, aber wenn eine bestimmte Situation da ist und man schnell reagieren muss, greift man automatisch auf das Gelernte zurück.

Ich finde es jedenfalls gut, dass Du Dir Gedanken machst und manche Verhaltensweisen Deinen Kindern gegenüber ändern möchtest!

Liebe Grüße
Maralena