Warum wurde die Prädestination nicht verworfen?

Liebe Theologinnen und Theologen

Warum haben die christlichen Kirchen die antiken Prädestinationslehren
nicht verworfen sondern nur modifiziert? Weil man die Vorgaben aus der
Antike, wie sie die Bibel tradiert, nicht in Frage stellen wollte?

Es ist doch meine Aufgabe, mein Leben in die Hand zu nehmen! Der nicht
hinterfragte Glaube an die Prädestination hatte immer wieder Fatalismus
und Ablehnung von Personen oder Ethnien zur Folge.

Mit Gruss & Dank

Rolf

Ich weiß ehrlich gesagt nicht welche Modifizierten Prädestinationslehren du meinst.

Die Prädestination ergibt sich aber praktisch zwingend aus der Vorstellung eines allmächtigen und allwissenden Gottes (ganz unabhängig davon welcher Gott es ist).

Ein solcher Gott hat schon vor seinem Schöfungsakt alles wissen müssen was daraus folgt.
Wenn er also irgend etwas anders gewollt hätte, hätte er die Schöpfung anders machen können, darum muss alles so wie es geschieht von ihm gewollt sein.
Von daher kann die Theologie die Prädestination gar nicht verwerfen, ohne Gott seine Allmacht abzusprechen.

Diese bietet aber auch den Ausweg aus dem Dilemma.
Da er Allmächtig ist kann er uns eine wirklich freie Entscheidung ermöglichen, obwohl alles von Anfang an von ihm so gewollt ist.
Das ist nicht mehr wirklich logisch, aber irgendwo darf Gott ja unser kognitives Fassungsvermögen auch noch übersteigen.

Andere Ansätze wenden sich von solchen Logeleien auch ab, und betonen die Liebe Gottes, sein Wahres Mitleiden, Mitgehen mit uns. Dies sei das Wesensmerkmal Gottes und nicht seine Allmacht. Daher seien alle logischen Paradoxien nur Scheinprobleme.

Gruß
Werner

Hallo,

Warum haben die christlichen Kirchen die antiken
Prädestinationslehren
nicht verworfen sondern nur modifiziert? Weil man die Vorgaben
aus der
Antike, wie sie die Bibel tradiert, nicht in Frage stellen
wollte?

Die entsprechenden antiken Vorgaben hat die antike christliche Kirche verworfen, indem sie klar den in der christlichen Gnosis, von dieser wiederum aus dem Platonismus übernommen, vertretenen „Prädestinationsgedanken“ verworfen hat.
Hier geht es um den Gedanken, der soteriologische Wert eines Menschen ist (in irgendeiner Form) im diesseitigen Leben abzulesen.
Die Bibel wiederum (Jakon und Esau) hat eine völlig anderen, zudem unbegreiflichen Prädestinationsgedanken.
Bis Augustin war es dagegen vielmehr die geistesgeschichtliche Leistung des Christentums, den Prädestinationsgedanken hintan zu stellen für den Gedanken, dass alle Menschen vor Gott gleich sind.
Bei Augustin ist der Prädestinationgedanke wiederum als konsequenter GEdanke der Souveränität Gottes aufgenommen worden.

Es ist doch meine Aufgabe, mein Leben in die Hand zu nehmen!

Es geht auch in keiner Weise um die Frage, wie Du Dein diesseitiges Leben gestaltest - jeder christliche Prädestinationsgedanke (auch Calvins) besagt letztlich, dass Gott sich nicht davon abhängig macht, wie Du Dein Leben gestaltest, ob es „gelingt“ oder nicht. Sondern: Wenn Gott Dich erwählt hat, dann hat er Dich erwählt.

Der nicht
hinterfragte Glaube an die Prädestination hatte immer wieder
Fatalismus
und Ablehnung von Personen oder Ethnien zur Folge.

SIcher nicht.
Vielmehr ist der unbiblische (!) Glaube an die Prädestination, in der der Mensch sich selbst und nicht Gott die Macht lässt, zu erwählen, vielleicht der Grund für die Ablehnung anderer.
Konsequente Prädestinationslehre bedeutet nämlich nur eines: Ich kann über den Wert eines Menschen vor Gott überhaupt nicht urteilen.

Lektüreempfehlung: Augustin, De spiritu et littera und Ad Simplicianum I2 (von Kurt Flasch herausragend kommentiert unter der Überschrift „Logik des SChreckens“); Erasmus, De libero arbitrio; Luther, De servo arbitrio.

Grüße
Taju

Den Prädestinationsgedanken hintanstellen; DANK

Guten Tag, Theologen

Ich danke euch allen für eure Beiträge. Mit der aufschlussreichen
Antwort von Taju scheint mir die Frage gut beantwortet. Von mir aus
können wir diese Diskussion schliessen.

Mit freundlichen Grüssen

Rolf