Hallo Namenloser
Was mich aber so verwundert ist die Tatsache dass Bleirohre noch in der 2. Hälfte des 20. Jh. verbaut wurden.
Stimmt.
Betrachten wir doch mal die Alternativen:
Altertum und Mittelalter:
Blei versus Ton:
Blei reagiert auf die immer wieder vorkommenden Verformungen im Inneren von Fachwerk- und Holzhäusern sowie im Erdreich toleranter als Ton, außerdem war es schwerig, zwei aneinanderstoßende Tonrohre dauerhaft dicht zu bekommen, während man Blei verlöten konnte.
Blei versus Holz:
Holzrohre waren als Wasserleitungsrohre größeren Querschnitts durchaus gebräuchlich, hatten aber den Nachteil, dass sie verrotteten und relativ häufig ersetzt werden mussten.
Blei gegen Kupfer:
Kupfer war ein sehr kostbares Metall, es war ja bis ins späte Mittelalter noch als Münzmetall gebräuchlich. Kupfer wurde zwar für Gefäße für den gehobenen Haushalt verwendet und gelegentlich - vor allem als Legierundbestandteil der Bronze - für Armaturen. Aber profane Wasserleitungsrohre daraus zu fertigen hätte wohl als Gipfel der Verschwendungssucht gegolten.
Übrigens wurde die Gefahr des Bleis für die Gesundheit gewaltig unterschätzt. Wurden doch bis ins späte Mittelalter Schminken - vor Allem „Lippenrot“ - unter großzügiger Verwendung von Mennige (Bleioxyd) hergestellt. Nicht umsonst galt die „Auszehrung“ als „die“ Krankhei der gefeierten Schönen dieser Zeit - da wird manche Bleivergiftung im Spiel gewesen sein.
Neuzeit bis Mitte des 20. Jahrhunderts:
Mitt dem Aufkommen der Rohre aus Schmiedeeisen stand endlich ein billiger Werkstoff für Rohrleitungen zur Verfügung, Allerdings waren die noch nicht wirklich für Trinkwasser geeignet, da sie rosteten. Dieses Problem wurde erst mit dem Aufkommen verzinkter Rohre gelöst. Auch mehrten sich Mitte des vorigen Jahrhunderts die „Gerüchte“, dass Blei vielleicht doch gesundheitsgefährdend sein könnte. Dem wurdejedoch entgegengehalten - und so habe ich es noch in der Berufsschule gelernt - dass Blei sich unter der Einwirkung von Wasser mit einer wasserunlöslichen Oxydschicht überzieht und dadurch völlig ungefährlich ist. Es hat dann noch einige Zeit gedauert, bis Blei aus der Trinkwasserinstallation verbannt wurde.
Übrigens - nur zum Vergleich - ein ähnlicher Prozess ist ja die Verbannung des quecksilberhaltigen Amalgams aus der Zahnmedizin. Es wird - mit den gleichen fadenscheinigen Argumenten wie seinerzeit beim Blei - aus Kostengründen immer noch daran festgehaltgen.
Also kein Grund zur Verwunderung, schließlich weden ja im Rayon Tschernobil - direkt neben dem Meiler - schon wieder Tomaten und anderes Gemüse geerntet und angeblich soll der Verzehr gar nicht schädlich sein. Wie heißt es so schön im Schlager?: „Wunder gibt es immer wieder…“
Gruß merimies