Was bitte ist die ‚Anderswelt‘??/Klipp+klar hier.
Hello Fritze!
Dann schau mal hier die allerdings lange Ausfuehrung zu deiner Frage aus berufenem Munde:
Über den grundsätzlich sektiererischen Charakter des Sektenvorwurfs
Auszüge aus: Lorenzo Ravagli, Pädagogik und Erkenntnistheorie, Stuttgart 1993
(Die Anmerkungen und Nachweise finden sich in der Buchausgabe)
- Einleitung oder die Überwindbarkeit von Standorten
In vierter, kaum veränderter Auflage liegt seit 1992 die wohl umfassendste Kartierung geistiger Abweichungen, nicht-konfessioneller Minderheiten und alternativer Zugangsweisen zur religiösen oder pseudoreligiösen Lebensgestaltung in Lexikonform vor: das Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen des Herder-Verlags.
Das Lexikon zeigt, zu welchen bedauerlichen Ergebnissen es führt, wenn eine Auseinandersetzung mit der Anthroposophie und der Waldorfpädagogik versäumt, sich ernsthaft auf deren erkenntniswissenschaftliche und philosophische Grundlagen einzulassen.
Es zeigt ebenso, daß die gegenwärtige katholische Konfession sich in vielerlei Beziehung von ihrem eigenen geistigen Ursprung entfernt hat. Dies wird insbesondere dann sichtbar, wenn sich Vertreter dieser Konfession gegen Ansichten wenden, die sie für anthroposophisch halten, denen sie aber auch in ihren eigenen vergessenen oder verdrängten Traditionen begegnen könnten. Es ist besonders reizvoll, gegenwärtige Repräsentanten eines entmythologisierten, „aufgeklärten“ Christentums mit den Traditionen zu konfrontieren, von denen sie sich aus zu großer Rücksicht auf neuzeitliche Denkgewohnheiten verabschiedet haben. Es zeigt sich bei dieser Konfrontation nicht selten, daß die Kritik der Konfessionen an der Anthroposophie dann gegenstandslos wird, wenn der spirituelle Gehalt dieser Konfessionen in seiner ganzen Tiefe berücksichtigt wird.
Es mutet sonderbar an, daß in der Gegenwart religiöse Strömungen von seiten der Anthroposophie an ihr eigenes spirituelles Erbe erinnert werden müssen. In dieser Situation drückt sich aber nur die Erosion des religiösen Lebens und die Notwendigkeit aus, dieses aus einer spiritualisierten Erkenntnis zu erneuern.
Die folgenden Ausführungen werden am Beispiel einer Reihe von theologisch-philosophischen Grundfragen diese Besinnung des gegenwärtigen theologischen Denkens auf seine eigenen spirituellen Voraussetzungen einfordern. Sie zeigen damit auch, daß durchaus ein Dialog zwischen der Anthroposophie und den Konfessionen möglich wäre. Er müßte darin bestehen, daß die Konfessionen der lebendigen Spiritualität, die sie aus ihrem Lebensbereich ausgeschlossen haben, wieder ein Existenzrecht zubilligen. Das wäre aber nur möglich, wenn der fortströmende Quell des geistigen Lebens als ein auch in unserer Gegenwart noch fließender betrachtet würde, der fähig ist, die Menschheit mit neuer Erkenntnis zu speisen.
Das Lexikon wird von drei Weltanschauungsreferenten bzw. Sektenbeauftragten der katholischen Kirchen der Schweiz, Deutschlands und Österreichs herausgegeben. Für die Herausgabe verantwortlich zeichnen: Hans Gasper, theologischer Grundsatzreferent bei der Deutschen Bischofskonferenz in der Zentralstelle Pastoral, Joachim Müller, der Sektenbeauftragte der Schweizerischen Bischofskonferenz und Präsident des Schweizer Katechetenvereins, sowie Friederike Valentin, die Leiterin des Referats für Weltanschauungsfragen beim Pastoralamt der Erzdiözese Wien. Nicht erfaßt sind in dem Nachschlagewerk die spezifisch katholischen und evangelischen Sekten, von denen es eine Vielzahl gibt.
Eine Darstellung dieser spezifisch katholischen und evangelischen bzw. schlechthin kirchlichen Sekten findet sich in Eggenbergers Handbuch Die Kirchen, Sondergruppen und religiösen Vereinigungen. Umfangreichere Ausführungen zu diesen vielen Kirchen bieten konfessionskundliche Werke, wie das handliche Buch von Erwin Fahlbusch Kirchenkunde der Gegenwart oder das umfangreiche Werk von Friedrich Heyer mit dem Titel Konfessionskunde, das auf nahezu neunhundert Seiten die orthodoxen Kirchen des Ostens, die nonchalcedonensischen Kirchen, einige katholische und evangelische Kirchen sowie „abgetrennte Gemeinschaften“ (Sekten) behandelt. Schließlich darf auch Kurt Hutten, der langjährige Leiter der evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Stuttgart, mit seinem Monumentalwerk Seher, Grübler, Enthusiasten nicht unerwähnt bleiben.
Die Herausgeber und Autoren des Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen verhehlen nicht ihre „Standortgebundenheit“ (S. VI), die darin besteht, daß sie seit Jahren in den Kirchen ihrer Länder die Verantwortung für die umfassende Kartierung von geistigen Abweichungen tragen. Die mit dieser Stellung verbundene „Standortgebundenheit“ findet ihren Niederschlag in „Urteilen und Urteilskriterien“ (S. VI). Die Herausgeber sprechen aber zugleich ihre Überzeugung aus, daß diese Standortgebundenheit einer „sachorientierten, objektiven Darstellung nicht im Wege“ stehe. Vielmehr glauben sie, daß sie diese „objektive“ Darstellung geradezu herausfordere.
Hierin liegt allerdings eine gewisse Schwierigkeit. Die Standortgebundenheit eines Menschen oder Denkers besteht in der Regel darin, daß er bei seiner Beurteilung der Welt von gewissen, mehr oder weniger klar umschriebenen, unumstößlichen Grundüberzeugungen ausgeht. Diese Grundüberzeugungen können inhaltlicher oder formaler Art sein. Zu unterscheiden sind außerdem eine explizite und eine implizite Standortgebundenheit.
a) Implizite Standorte
Die implizite Standortgebundenheit besteht darin, daß ein Denker von Voraussetzungen ausgeht, die er sich nicht zum Bewußtsein bringt. Diese Voraussetzungsbehaftetheit seines Denkens hat schwerwiegende Einschränkungen seiner Verständnismöglichkeiten zur Folge. Es ist durchaus möglich, daß ein Denker eine bestimmte Schicht von begrifflichen oder methodischen Voraussetzungen zum Bewußtsein gebracht hat, daß aber diese Schicht von einer anderen unterlagert ist, die sich der Beobachtung des jeweiligen Denkers oder Forschers entzieht.
Machen wir uns solche Verständigungsschwierigkeiten an einem Beispiel klar: Ein Ethnologe erforscht die Weltsicht und Lebensweise von Indios. Auf seine im abendländischen Verständnis rationale Frage nach den Ursachen oder Gründen der Verhaltensweise des Indios erwartet er möglicherweise eine rationale Antwort, die diese Ursachen oder Gründe angibt. Die Fragehaltung des Ethnologen setzt beim Befragten ein Verständnis für den abendländischen Begriff der Rationalität voraus. Wenn der Indio aber über keinerlei Kausalitätsvorstellungen verfügt, die denjenigen seines Interviewers vergleichbar sind, tritt der Ethnologe mit völlig falschen Interpretations-voraussetzungen an die Erzählungen des Indios heran. Er wird dann alles, was der Indio sagt, in sein kausalistisches Weltbild einordnen und selbst Erzählungen, die gar nicht so gemeint sind, so verstehen, als wären sie Erzählungen über rational bestimmbare Ursachen. Solange sich der Ethnologe die impliziten (in diesem Fall kausalistischen) Voraussetzungen seines Denkens nicht zum Bewußtsein bringt, wird er beim Versuch, das Weltbild des Indios richtig zu erfassen, notgedrungen scheitern.
In einem übertragenen, nicht unbedingt eingeschränkten Sinn gelten diese Ausführungen auch für den Dialogversuch zwischen Weltansichten, die den Grundauffassungen des neuzeitlichen Bewußtseins verpflichtet sind.
b) Explizite Standorte
Auch explizite Voraussetzungen haben ihre Schwierigkeiten. Denn es ist keineswegs gesagt, daß sich ein Interpret von den Voraussetzungen seines Denkens zu befreien vermag, indem er diese namhaft macht. So bedeutet die Beteuerung, im katholischen Lebens- und Denkhorizont verankert zu sein, noch lange nicht, daß man sich dadurch von den impliziten Voraussetzungen der katholischen Weltsicht zu befreien vermag. Eine solche implizite oder explizite Voraussetzung der katholischen Weltsicht ist zum Beispiel die von der prinzipiellen Überlegenheit der christlichen Religion gegenüber anderen Religionen.
Denkt man aber von der namhaft gemachten Voraussetzung her, daß der eigene Weltanschauungshorizont allen anderen Weltanschauungen zwingend überlegen ist, dann färbt diese Haltung auf die „Urteile und Urteilskriterien“ ab. Es ist dann verständlich, daß eine fremde, nicht-katholische Weltsicht nicht mit demselben Ernst und demselben gefühlsmäßigen Engagement studiert wird wie die ideellen Inhalte, in denen man wurzelt. Das Bewußtsein von der eigenen Standortgebundenheit schärft dann lediglich den Blick für das jeweils Nicht-Orthodoxe, nicht der eigenen Überzeugung Gemäße, aber es braucht keineswegs eine Garantie für das Verständnis der spezifischen Besonderheiten, der ursprünglichen Originalität einer andersartigen Position zu bieten.
„Objektivität“ im wahrhaft hermeneutischen Sinn setzt eine weitgehende Standortlosigkeit voraus. Sobald ein Standort an festgefügte Überzeugungen gebunden ist, und seien es bloß implizite, schränkt er das Vermögen des vorurteilslosen Verstehens ein. Wirkliche Sachorientierung bedingt die Fähigkeit, eine fremde Auffassung völlig immanent zu entwickeln und zu begründen. Diese Selbstlosigkeit bringt aber ein Interpret, der in einem geschlossenen Weltanschauungsgefüge, wie es das katholische ist, seinen Standort begründet, kaum auf. Zu dieser Selbstlosigkeit ist im Grunde nur jemand fähig, dessen Standort das Denken ist. Denn das Denken ist keine festgefügte Summe von Urteilen, die einen unveränderbaren Charakter haben, sondern ein unbestimmbares und unabschließbares Vermögen der Urteilsbildung aufgrund der Hingabe an die jeweilige Sache. Das einzig wirkliche hermeneutische Kriterion ist demnach das Denken, als der universelle „Dolmetsch“ der Erfahrung. Wer seinen Standort nicht in (Grund-) Überzeugungen, sondern im Denken hat, vermag bei Bedarf stets von neuem die jeweils erforderlichen Standorte und Gesichtspunkte an der Sache zu entwickeln. Er ist insofern standortlos, als er sich in jenem Organon bewegt, dem alle möglichen begrenzten Standorte entspringen, das aber selbst völlig unbegrenzt und von keinem denkbaren Standort begrenzt ist.
c) Formale Grundüberzeugungen
Formale Grundüberzeugungen sind inhaltliche Urteile, die sich auf methodische oder formale Kriterien bei der Festsetzung von Wahrheiten beziehen. Sie setzen beispielsweise voraus, daß die Wahrheitsfindung an bestimmte Methoden der Forschung gebunden ist und von diesen Methoden abhängt. Solche Methoden können die Methode der Sinnesbeobachtung, die Methode des Experiments, der Offenbarung, der Trance und andere sein. Insbesondere in spiritistischen Kreisen wird der Hinweis auf die mediumistische Quelle als Kriterium für die Wahrheit der betreffenden Offenbarung gewertet. In katholischen Kreisen pflegt der Hinweis auf die Offenbarung als letztes nicht hinterfragbares Kriterium der Wahrheit kritische Fragen zum Schweigen zu bringen. In gegenwärtigen akademischen Kreisen gilt die Mitgliedschaft in der und die exzessive Bezugnahme auf die «scientific community» und ihre Rituale oft bereits als hinreichender Ausweis der Wissenschaftlichkeit und damit der Wahrheitsfähigkeit von Überzeugungen. In amerikanischen Jäger- und Sammlerkulturen gilt die Zugehörigkeit zum Clan und die Fähigkeit, die Mythen des Clans zu erzählen, als Bürgschaft für die Glaubwürdigkeit des Erzählers.
Dies alles sind inhaltliche Kriterien, die sich auf formale Aspekte von Grundüberzeugungen beziehen.
Andere formale Voraussetzungen betreffen beispielsweise die Darstellungsart von Wahrheiten. Der Zenbuddhismus pflegt eine bestimmte Darstellungsform seiner Grundüberzeugungen. Was den Rahmen dieser Darstellungsform verläßt, gilt nicht als der Buddhanatur entsprungen. Abendländische wissenschaftliche Disziplinen verlangen umfangreiche, sprachlich entwickelte Untersuchungen mit bibliographischen Apparaten und Anmerkungsteilen zur Dokumentation der Befähigung, die Wahrheit zu erkennen. Oder sie verlangen, insbesondere in den hard sciences, eine gewisse Gewandtheit im Umgang mit technischen Apparaturen, die bestimmte Meßverfahren ermöglichen, und die Fähigkeit zur theoretischen Interpretation der Meßergebnisse in einem vorgegebenen begrifflichen Rahmen. Anthroposophische Kreise erwarten in der Regel den Rückbezug sekundärer Theorien oder Forschungen auf Aussagen Steiners, in denen jene ihre Rechtfertigung finden oder aus denen sie ableitbar sind.
Die transzendentale Einheit all dieser formalen Kriterien ist wiederum die universelle Natur des Denkens, das sich in ihnen regelsetzend manifestiert, ohne sich gewöhnlich als regelsetzendes Organon zu reflektieren. Das ist keineswegs eine rationalistische Behauptung, denn das Denken wird, seiner Wesenheit nach, vom Vorwurf des Rationalismus nicht getroffen. Aus der universellen, regelsetzenden Kraft des Denkens gehen ebenso narrative wie argumentative Begründungsstrukturen hervor. Argumentative Begründungen sind schließlich auch nur eine Form der Narrativität. Und selbst das scheinbar Irrationale ist eine Erscheinungsform der zusammenhangstiftenden Wirksamkeit des Denkens.
d) Inhaltliche Grundüberzeugungen
Zu den inhaltlichen Grundüberzeugungen gehören die bereits charakterisierten formalen Anforderungen an die Wahrheitsfindung oder Darstellung der Wahrheit.
Daneben können auch bestimmte, festumrissene Ansichten, die in Urteilen oder vergleichbaren Aussageformen fixiert sind, die unumstößlichen Voraussetzungen bilden, von denen aus die Beurteilung des Weltinhaltes erfolgt. Für die unbegrenzte Zahl solcher begrifflich fixierten Grundüberzeugungen bietet die Geschichte der Philosophie oder die Religions- und Dogmengeschichte reiches Anschauungsmaterial. In unserem Fall dürfte es sich bei den inhaltlichen Grundüberzeugungen, die die Standortgebundenheit der Herausgeber des Lexikons bestimmen, im wesentlichen um den Inhalt des christlichen Dogmas handeln, auch wenn dies vielleicht die einzelnen Autoren nicht unbedingt auf die gleiche Art interpretieren.
d) Fazit
Die Tatsache der Standortgebundenheit garantiert also längst nicht die „sachorientierte, objektive“ Darstellung. Eine solche wäre vielmehr zunächst durch umfangreiches Studium der jeweiligen Sache und die Aufklärung über den eigenen Interpretationsstandpunkt vorzubereiten. Aus der kritischen Selbstreflexion ergibt sich eine mögliche Elimination störender Vorurteile, aus dem umfassenden, hingebungsvollen Studium die nötige Sachkenntnis, die hinreichende Bedingung einer sachorientierten Darstellung ist. Allerdings ist eine sachorientierte, objektive Darstellung keineswegs eine zwingende Folge der genannten Bedingungen. Zu diesen muß sich der unbedingte Wille gesellen, die dargestellte Sache im Sinne ihres eigenen Selbstverständnisses zur Geltung kommen zu lassen.
- Ist die Anthroposophie sektiererisch?
2.1. Falsche Einordnung der Anthroposophie
Neben vielem anderen, zum Beispiel asiatischen Neureligionen, den Baha’i, dem Candomblé, dem Eckankar, den Freimaurern, den Mormonen und dem Subud, findet sich auch die Anthroposophie in einer Reihe von Artikeln (etwa zwanzig), eingeordnet in die religiösen Sondergemeinschaften.
Der Ausdruck „religiöse Sondergemeinschaften“ ist gemäß dem Lexikon der emotional weniger aufgeladene und inhaltlich weiter gefaßte Ausdruck für „Sekten“ (Sp. 950). Das heißt, wir haben es beim Ausdruck „religiöse Sondergemeinschaften“ lediglich mit einer euphemistischen Umschreibung dessen zu tun, was früher kämpferischer als Sekte bezeichnet wurde.
Demgemäß ist die Anthroposophie als religiöse Sekte zu betrachten. Allerdings scheinen sich die Autoren des Lexikons nicht einig. Die Verfasserin des Artikels über die Sekten (die Leiterin des Referats für Weltanschauungsfragen beim Pastoralamt der Erzdiözese Wien und Mitherausgeberin des Buches, Friederike Valentin) betrachtet die Anthroposophie aufgrund ihres „dreigliedrigen Pfades“ als eine „esoterische Weltanschauung“ (Sp.952), während etwa der Verfasser des Artikels über religiöse Erziehung (August Schönberger) die Anthroposophie als religiöse Sekte bezeichnet und die Waldorfschulen als „die größte Erziehungsinstitution einer religiösen Sondergemeinschaft“ (Sp. 241).
In dieser schwankenden Einordnung der Anthroposophie kommt entweder die Uneinigkeit der konfessionellen Experten zum Ausdruck oder die Mehrdeutigkeit des Erscheinungsbildes der Anthroposophie, die je nach Gesichtspunkt als Pseudoreligion oder als Weltanschauung betrachtet werden kann, wobei im geistigen Horizont des Lexikons die Grenzen zwischen Weltanschauungen und Pseudoreligionen ebenfalls fließend sind. Allerdings hängt, so besehen, die Mehrdeutigkeit des Erscheinungsbildes der Anthroposophie nicht von ihr ab, sondern vom Gesichtspunkt des Betrachters.
Daß die Anthroposophie eine Weltanschauung und keine Religion ist, ergibt sich zur Genüge aus den Bekundungen des Begründers der Anthroposophie. Anthroposophie ist, ihrem Selbstverständnis nach, keine Religion, sondern eine Wissenschaft. Daß es ohne Zweifel Menschen gibt, die die Anthroposophie zu einer Religion machen, ist aber nicht ihrem Begründer oder der Anthroposophie anzulasten. Man kann auch die Kleingartenzucht oder die Ausländerfeindlichkeit zu einer Religion machen.
Die Einordnung der Anthroposophie in die Kategorie der religiösen Sekten hat, wie der Begriff der Sekte überhaupt, etwas Problematisches, weil Sekten im Grunde nur von jener historischen oder sozialen Gemeinschaft her definiert werden können, die sich als die orthodoxe Nichtsekte betrachtet. Die häretische Gemeinschaft oder Sekte entsteht in dem Moment, in welchem sich eine Uneinigkeit in geistigen Fragen in einer sozialen Gruppenbildung fortsetzt, wobei die sich voneinander abgrenzenden Gruppen sich gegenseitig als Sekten oder Häresien bezeichnen können. Historisch gesehen wird jene Sekte zur Orthodoxie, die sich durch ihr quantitatives, administratives, politisches, militärisches oder auch geistiges Potential gegenüber den anderen Gruppierungen durchsetzt und diese auszulöschen oder zumindest in die Marginalität abzudrängen vermag. Das Reden von Sekten setzt stets einen Anspruch auf ausschließliche und ausschließende Katholizität voraus, auch außerhalb des Rahmens der römisch-katholischen Konfession.
Die römisch-katholische Konfession als eine unter vielen Partikularkirchen, in die das Christentum zerfallen ist, erhebt den Anspruch, die einzige und vollgültige Gestalt der wahren Kirche Christi zu sein, insofern sie vom Nachfolger Petri geleitet wird. Sie ist aber nicht die einzige christliche Kirche, die sich als katholisch, das heißt, absolut versteht. Schon dies zeigt die Absurdität des katholischen Absolutheitsanspruchs, da sich auch andere Kirchengemeinschaften mit demselben historisch oder systematisch begründeten Recht als absolut betrachten wie die römisch-katholische. Diese Ansicht wurde jedoch vom zweiten Vatikanischen Konzil in der Dogmatischen Konstitution „Lumen Gentium“ (1964) erneut betont.
Die Verwendung des Sektenbegriffs erscheint von vornherein fragwürdig und entbehrt um so mehr der Legitimität, wenn man die Entstehungsgründe von Orthodoxie durchschaut. Die selbstverständliche Voraussetzung, die Weltreligionen seien keine Sekten, allein weil sie sich historisch etabliert und Massenverbreitung gewonnen haben, ist ein illegitimes Vorurteil. Es setzt die quantitative Verbreitung zum Maßstab für die Orthodoxie.
2.2. Zur Entstehung der römisch-katholischen Orthodoxie
Betrachtet man die Entstehung der römisch-katholischen Orthodoxie, dann zeigt sich ihre allmähliche Entstehung in den ersten Jahrhunderten nach der Zeitenwende in der Auseinandersetzung mit konkurrierenden Kirchen und Interpretationen der christlichen Botschaft.
Der römische Primat war in den ersten zwei Jahrhunderten lediglich ein Ehrenprimat ohne Rechtsverbindlichkeit, der sich von der Annahme herleitete, daß die römische Gemeinde Erbe eines Doppelmartyriums und eines Doppelapostolats sei. Denn sowohl der Felsenapostel als auch der Völkerapostel sollten in Rom als Zeugen für ihren Glauben das Martyrium erlitten haben. Die Anwesenheit und das Martyrium des Petrus in Rom läßt sich mit historischen Mitteln allerdings nicht exakt beweisen, und erst seit der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts bildet sich die Tradition der Berufung auf dessen Märtyrertod in Rom heraus. Diese Tradition war aber nicht mit der Vorstellung einer Cathedra Petri, also eines Bischofssitzes Petri in Rom, verbunden. Noch vor Anbruch des 3. Jahrhunderts wurde selbst in Rom Petrus nicht als Bischof betrachtet.
Doch trat der Gedanke der lückenlosen Sukzession und der geistig und rechtlich verstandene Führungsanspruch sehr früh in Rom hervor, wenn er auch zunächst von den übrigen Kirchen und ihren Bischöfen umgehend zurückgewiesen wurde. Es läßt sich schon Ende des 2. Jahrhunderts beobachten, wie einzelne römische Bischöfe mit äußeren Zwangsmitteln geistige Fragen entscheiden wollen und wie sie das Ehrenprimat zur Stärkung ihrer zentralistischen Macht mißbrauchen wollen. So drohte der Bischof Viktor I. 196 im Streit um den Termin des Osterfestes der gesamten kleinasiatischen Kirche mit Exkommunikation, wenn sie nicht bereit sei, die römischen Gebräuche, die sich erst eine Generation zuvor herausgebildet hatten, zu übernehmen. Die kleinasiatischen Gemeinden pflegten ihr Osterfest nach alter, aus Ephesus stammender Sitte am alttestamentlichen Passahtag zu feiern. In dieser relativ nebensächlichen Frage eines Festtermins war der römische Bischof bereit, alle asiatischen Gemeinden und die benachbarten Kirchen aus der Gemeinschaft der Rechtgläubigen auszuschließen. Damals traten dem überzogenen Anspruch selbst Autoritäten entgegen, die in der Sache mit Viktor I. übereinstimmten, etwa Irenäus, der die katholische Einheit durch eine bunte Vielzahl von Bräuchen nicht gefährdet sah. Der Bischof Polykrates von Ephesus, der die Sache der kleinasiatischen Gemeinden gegenüber Viktor I. vertrat, war keineswegs bereit, die Anmaßung des römischen Bischofs hinzunehmen. Er schrieb an Viktor I.: „Ich nun, der ich 65 Jahre im Herrn gelebt und mit den Brüdern der ganzen Welt Austausch gepflegt und die ganze heilige Schrift studiert habe, erschrecke nicht über die Vorwürfe. Größere als ich haben erklärt: «Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.»“
Viktor I. erlitt damals eine Niederlage und konnte sich mit seiner schroffen Haltung nicht durchsetzen. Sechzig Jahre später griff in der Gestalt Stephanus I. anläßlich des Ketzertaufstreits (255-257) erneut ein römischer Bischof zum Mittel der Exkommunikation. Karthago und der Orient vertraten die Auffassung, formuliert von Tertullian und Clemens von Alexandria, daß die Taufe von Ketzern ungültig sei und bei ihrem Übertritt zur katholischen Kirche erneut vollzogen werden müsse. Rom hingegen nahm die Ketzer oder Schismatiker, wenn sie auf die triadische Formel oder den Namen Jesu getauft waren, durch bloße Handauflegung in die Kirche auf.
Stephanus I. verlangte von der afrikanischen Kirche die Übernahme der römischen Gepflogenheit. Als eine afrikanische Synode diese Forderung im Jahr 256 ablehnte, wurde Stephanus ausfällig, kündigte die Kirchengemeinschaft mit allen Bischöfen, die die nordafrikanische Auffassung vertraten und bezeichnete Cyprian als Pseudochristen und Pseudoapostel. Diese Hybris des römischen Bischofs veranlaßte Firmilian, den Bischof von Cäsarea in Kappadokien, zu einer geharnischten Entgegnung. Er warf dem römischen Bischof Unmenschlichkeit, Vermessenheit, Unverschämtheit und Albernheit vor. Er verwies auf den Osterfeststreit und stellte fest, daß sich durch diesen die Duldung verschiedener Gebräuche als möglich erwiesen habe. Er machte Stephanus I. den Vorwurf, sich selbst von der kirchlichen Gemeinschaft abgetrennt und zum Apostaten und Schismatiker gemacht zu haben. Dieser Vorwurf ist besonders interessant, weil er zeigt, daß die spätere Orthodoxie selbst von anderen als sektiererisch betrachtet wurde. Daß Stephanus sich auf die beiden Apostel Petrus und Paulus und die von ihnen erhaltenen Vollmachten berief, bezeichnete Firmilian als Schmähung der Heiligen. Der Nachfolger des Stephanus, Xystus I., gab im Streit mit der nordafrikanischen Kirche nach und beließ ihr die lokale Tradition. Doch ist zu bemerken, daß seit dem 3. Jahrhundert die Begriffe «katholisch» und «rechtgläubig» zusammenfallen. Seit dem Religionsedikt Theodosius des Großen 380 verbindet sich mit der behaupteten Katholizität ein einklagbarer Rechtstitel. Die Synode von Konstantinopel 381 kann als die Gründungsveranstaltung der „orthodoxen katholischen Staatskirche“ (Heussi) betrachtet werden.
In Viktor I. und Stephanus I. zeigt sich bereits im 2. und 3. Jahrhundert jene Tendenz, die bei Damasus I. (382) schließlich in der Berufung auf die Einsetzungsworte Jesu im Matthäusevangelium (16,18) kulminierte. Die von ihm in Rom, ein Jahr nach Konstantinopel, geleitete Synode verkündete den römischen Exklusivitätsanspruch unüberhörbar:
„Obgleich alle über die Welt hin zerstreuten katholischen Kirchen ein Brautgemach Christi sind, so hat doch die heilige römische Kirche durch keine Konzilsbeschlüsse den Vorrang vor den übrigen Kirchen, sondern sie hat den Primat erhalten durch das Wort des Herrn und Heilands: «Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.» Dazu kommt die Gemeinschaft des seligsten Apostels Paulus, dieses «Gefäßes der Erwählung», der […] zur gleichen Zeit und an einem und demselben Tage mit Petrus unter Kaiser Nero durch einen glorreichen Tod die Märtyrerkrone erlangt hat. In gleicher Weise haben sie die heilige römische Kirche Christo, unserem Herrn, geweiht und ihr vor allen anderen Städten auf der ganzen Welt durch ihre Anwesenheit und ihren verehrungswürdigen Triumph den Vorrang gegeben. So ist also die römische Gemeinde der erste Sitz des Apostels Petrus, sie, die «keine Makel noch Runzel noch dergleichen» hat.“ Für Damasus wurde der römische Bischofssitz zum apostolischen Stuhl schlechthin, der aufgrund der Vorzüge, die ihm die Apostel verliehen, alle anderen Bischofsstühle überrage.
Die Geschichte der Entwicklung des römischen Exklusivitätsanspruchs soll hier nicht weiter en détail verfolgt werden. Das Dargestellte zeigt aber schon zur Genüge, daß sich in diesem Anspruch eine Sekte mitsamt ihren theoretischen und praktischen Traditionen zur allgemeingültigen Norm verabsolutiert hat. Daß die römische Kirche und nicht die marcionitische oder die manichäische oder eine andere gnostische Kirche zur katholischen wurde, ist das Ergebnis eines Jahrhunderte währenden Machtkampfes. Im Verlaufe dieses Machtkampfes wurden immer wieder konkurrierende Interpretationen der Offenbarung, konkurrierende Interpretationen des evangelikalen Lebens und lokale Traditionen im Namen der alleinigen Wahrheit ausgegrenzt. Diese Ausgrenzung im Namen der Wahrheit auf Konzilien und Synoden während der ersten Jahrhunderte fand zum Teil unter derart zweifelhaften Umständen statt, daß die Geschichte der Wahrheitsfindung häufig mehr als eine Räuberklamotte, denn als vom Hl. Geist geleitete Entwicklung anmutet. Immer mehr begannen in dieser Geschichte der Wahrheitsfindung historische und literarische Fiktionen, Lügen und Verleumdungen eine Rolle zu spielen. Der mit der oft rein politisch motivierten Ausgrenzung von mißliebigen Gesinnungsträgern verbundene Absolutheitsanspruch ist ein konstitutives Merkmal der Kirche. Es ist zutiefst vormodern und unchristlich und kennzeichnet zudem alle totalitären, unaufgeklärten Ideologien.
2.3. Die Zweischneidigkeit des Sektenbegriffs
Wenn Friederike Valentin Sekte als „Bezeichnung für sich abschließende, in Lehre und/oder Praxis von der Mehrheit abweichend orientierte, somit dissidierende Minderheiten“ definiert, dann ist dies ein Ausdruck für ein rein quantitatives Verständnis des Sektierertums, das zugleich suggeriert, die Abgrenzungsbewegung ginge meist von den Minderheiten aus. Das ist aber keineswegs selbstverständlich. Gerade in unserer Gegenwart können wir beobachten, daß Abgrenzungsbewegungen nicht von Minderheiten ausgehen, sondern von Mehrheiten, daß es also gar nicht die Minderheiten sind, die sich sektiererisch verhalten, sondern die Mehrheiten. Nicht nur Minderheiten können also Sekten sein, sondern auch Mehrheiten.
Nach der Definition von Frau Valentin ist jede Minderheit automatisch eine Sekte, denn jede Minderheit dissidiert, weil sie eine Minderheitenansicht vertritt, jede Minderheit weicht in der Regel aufgrund ihrer abweichenden Ansichten auch in ihrer Praxis von der Mehrheit ab. Auch schließt sich jede Minderheit ab, weil sie nicht in der Mehrheit aufgeht, sondern ihre Minderheitenansichten jenseits der großen Masse pflegt. In diesem Sinn kann man auch von Politsekten oder Wissenschaftssekten sprechen, sobald sich kleinere Gemeinschaften von Menschen zu einer bestimmten Ansicht bekennen, die nicht die Mehrheit vertritt. In diesem Sinn sind aber auch sogenannte Volksparteien, die nicht die Mehrheit innehaben oder bei Wahlen erreichen, Politsekten, denn sie repräsentieren die jeweilige Minderheit und schließen sich von der Mehrheit ab. Je nach historischen oder geographischen Bedingungen können aber Minderheiten zu Mehrheiten werden und umgekehrt.
Valentin weist selbst darauf hin, daß das Christentum in der Anfangszeit als jüdische Sekte galt. Diese Ansicht war allgemein im römischen Reich verbreitet, nicht nur bei den Juden, sondern auch bei den Römern. Es ist auch nicht zu übersehen, daß das Christentum in seiner konfessionellen Sonderform gegenwärtig dabei ist, wieder zu einer Sekte zu werden, weil sich die Zahl der aktiven Kirchenmitglieder und bekennenden Gläubigen so rapide vermindert, daß Interpolationen dieser Entwicklung eine Situation erwarten lassen, in der die christlichen Gemeinden inmitten einer laizistischen Gesellschaft bald zu den marginalen Gruppierungen gehören werden. Schon heute gehören aber Christen in mehrheitlich islamischen oder hinduistischen Ländern zu den religiösen Sekten, weil sie sich von den religiösen Überzeugungen der Mehrheit absondern.
Auf dem Sektenbegriff, dessen Verwendung durchaus eine abschätzige und diffamierende Nuance einschließt (also von vornherein auch Diskriminierung von Minderheiten impliziert), beruht aber die Möglichkeit, von Pseudoreligionen und Privatoffenbarungen zu sprechen, eine Begrifflichkeit, die das mögliche Fortwirken des lebendigen Geistes in den Verdacht des Verrats und der moralischen Verfehlung bringt.
Nur aus dem Inneren geschlossener Weltanschauungsgemeinschaften, wie sie die konfessionellen Formen des Christentums darstellen, hat es einen Sinn, von Sekten zu sprechen. Damit soll keineswegs jede Absurdität auf dem Jahrmarkt des New Age und der Vulgäresoterik verteidigt werden. Es ist aber ein genereller Unterschied, ob aus dem Bewußtsein des Absolutheitsanspruchs heraus gesprochen wird oder aus einem offenen Bewußtsein, das von der Möglichkeit eines lebendigen Fortwirkens des Geistes in der Geschichte ausgeht.
- Absolutheitsansprüche
In diesem Zusammenhang ist der Artikel „Absolutheitsanspruch“ im Lexikon von außerordentlichem Interesse. Das Lexikon faßt den Absolutheitsanspruch des Christentums wie folgt: Er besagt, daß dieses „nicht nur die faktisch höchste der bestehenden Religionen ist, sondern daß es die endgültige, wesensmäßig nicht mehr überbietbare, exklusive und universale Geltung beanspruchende Selbsterschließung Gottes für alle Menschen aller Zeiten darstellt“ (S. 16).
Dieser Absolutheitsanspruch beruht im wesentlichen auf drei dogmatischen „Grundüberzeugungen“: erstens auf der Überzeugung, daß in Jesus Christus die „schlechthinnige Fülle Gottes“ zur Erscheinung gelangt ist; zweitens auf der Ansicht von der „Endgültigkeit des von Jesus Christus der Welt zugesagten umfassenden Heils“; und drittens auf der Gewißheit von der „Unüberbietbarkeit des in Jesus Christus zugesagten Heilszuspruchs“. Die endgültige Erfüllung des zugesagten Heils wird an hervorragenden Stellen sichtbar: so am Leben und Sterben Jesu Christi und an der Kirche, die ein „universales Heilszeichen für die ganze Welt und ihre Geschichte“ ist. Diese Formulierungen von Waldenfels (Sp. 16) lehnen sich an die schon erwähnte Dogmatische Konstitution Lumen Gentium des 2. Vatikanischen Konzils an.
Der Absolutheitsanspruch der Kirche schließt den Anspruch auf absolute Autorität in der sittlichen Lenkung und im Lehramt ein. Er ist aber auch ein Anspruch auf Universalität und Exklusivität. Er hat eine quantitative und eine qualitative Dimension. Die quantitative Bedeutung umschließt die Gesamtheit aller Kirchen, die Verbreitung über die ganze Erde, die größte Zahl der Gläubigen sowie die historische Katholizität, nach der die Summe der Wahrheit immer und von allen zu allen Zeiten geglaubt worden ist und geglaubt werden wird. Die qualitative Bedeutung beinhaltet die Fülle (Summe) der Wahrheit und der Heilsgüter, die Summe alles Wahren, Schönen und Guten, die Ganzheit und Vollkommenheit, deren Träger die römisch-katholische Kirche sein soll. Im Anschluß an das 2. Vatikanum glaubt man durch die Hervorhebung der qualitativen Aspekte der kirchlichen Absolutheit einen Dialog mit Andersdenkenden fördern und deren Anteil an den Wahrheiten und Heilsgütern der absoluten Religion würdigen zu können. Dieser Glaube ist aber gewiß illusorisch. Denn der qualitative Absolutheitsanspruch läßt sich nur dogmatisch begründen und die dogmatische Begründung schließt die Relativierung dieses Anspruchs, der mit einem historischen Verständnis seiner Entstehung verbunden sein könnte, gerade aus.
Der Absolutheitsanspruch des Christentums, dessen historischer Träger die Kirche und nach ihrem eigenen Selbstverständnis die (römisch-) katholische Kirche ist, hat exklusiven Charakter, das heißt, es kann neben der vom kirchlichen Christentum repräsentierten Heilzusage keine andere, sei es durch andere Religionen oder Weltanschauungen, geben (Sp. 17). Waldenfels behauptet, daß „jede Weltreligion aus ihrem Wesen heraus einen Absolutheitsanspruch im Hinblick auf die ganze Welt“ erhebe (Sp. 17). Doch ist dies mehr als zweifelhaft. Es ist nämlich die Frage, ob sich der Absolutheitsanspruch des konfessionellen Christentums, der an die historische Entwicklung der Institutionen und des Selbstverständnisses der Kirche gebunden ist, überhaupt mit den Auffassungen der anderen Hochreligionen vergleichen läßt. Denn es gibt, abgesehen vom tibetischen Buddhismus, in keiner anderen Weltreligion eine der katholischen Kirche vergleichbare Institution. Da nun aber das absolute Verständnis des konfessionellen Christentums untrennbar an die Existenz der Kirche geknüpft ist, ist beim Wegfall einer vergleichbaren Institution auch die Möglichkeit einer direkten Übertragung des zu vergleichenden Anspruchs nicht mehr gegeben.
Der Islam läßt bekanntlich die Buchreligionen als vorläufige Wege zu Allah gelten und reiht den Propheten Jesus in die Reihe anderer Vorläufer Mohammeds ein, zu denen auch die Gründer der alttestamentlichen Religion gehören. Der Buddhismus und der Hinduismus (das hebt Waldenfels auch hervor) vertreten einen inklusiven Absolutheitsanspruch, das heißt einen solchen, der ausdrücklich die Angehörigen anderer Religionen einschließt. Ein „inklusiver“ Absolutheitsanspruch ist nach meinem Dafürhalten bloß ein relativer Absolutheitsanspruch, ein relativer Absolutheitsanspruch läßt aber das entscheidende Moment des wirklichen vermissen, nämlich seine ausschließliche Unbedingtheit.
Waldenfels weist darauf hin, daß der absolute Heilsanspruch des Christentums innerhalb der Christenheit mittlerweile an verschiedenen Orten in Frage gestellt wird. Es gibt Interpreten des Christentums, die zugunsten einer „Heilszuwendung Gottes auf vielen Wegen“ darauf verzichten, die exklusive Heilsvermittlung durch die Kirche oder die Bindung des Heils an Jesus Christus aufrechtzuerhalten. Ihnen gegenüber betont er, daß die „Überzeugung von einem universalen Heil sich historisch letztlich unter dem Einfluß der christlichen Verkündigung und Mission und somit im Hinblick auf die Gestalt Jesu Christi in der Welt durchgesetzt hat“ (Sp.18). Wenn diese Aussage auf das christliche Abendland beschränkt wird, dann mag sie gelten. Sie widerspricht aber der von Waldenfels selbst im Hinblick auf die Weltreligionen formulierten Auffassung, daß auch diese einen Absolutheitsanspruch erhöben. Dieser kann ja doch nur darin bestehen, daß sie von einer Absolutheit ihrer Heilszuwendung ausgehen. Sie schließen also ebenso, im Sinne Waldenfels‘, Überzeugungen von einem universalen Heil ein, wie die christliche Religion. Dieses Schlupfloch für die katholische Exklusivität wird also zu Unrecht in Aussicht gestellt.
Anstelle der Aufweichung des christlichen Absolutheitsanspruchs geht es nach Waldenfels darum, in Zukunft die christologische Komponente stärker zu berücksichtigen, die Christus als die „volle und damit unwiederholbare und endgültige Selbstmitteilung Gottes an diese Welt“ verstehen lasse.
In diesen Formulierungen kommt der geschlossene Charakter des kirchlichen Christentums in der Tat „unüberbietbar“ zum Ausdruck. Sie legen auch nahe, das Angebot der kirchlichen Apologetik zum „Dialog“ skeptisch zu beurteilen. Der sogenannte Dialog ist im Grunde genommen nur ein Medium, den universalen Heilsanspruch der Kirche kerygmatisch (in der Verkündigung) zu artikulieren, und dient keinem wirklichen Erkenntnisringen oder Verständigungsbemühen, das von der Suche nach dem Wirken jenes Geistes geleitet wäre, der bei uns ist „bis ans Ende aller Tage“.
- Angebliche und wirkliche Quellen der Anthroposophie
Doch werfen wir einige Schlaglichter auf die Behandlung der Anthroposophie. Vorausgeschickt sei, daß manche Kurzdarstellungen bestimmter Teilbereiche der Anthroposophie nicht unzutreffend sind, soweit das im Rahmen eines Lexikonartikels überhaupt möglich ist. Hier seien aber jene Passagen herausgegriffen, die Irrtümer oder Entstellungen enthalten.
Im Artikel über Anthroposophie (verfaßt von Georg Scherer) heißt es, eine Quelle der Anthroposophie sei die Beschäftigung Steiners mit Esoterik, wobei Jakob Böhme und die Rosenkreuzer im Vordergrund gestanden hätten (Sp. 53).
Genaueres Studium der Entstehung der Anthroposophie zeigt aber, daß die Beschäftigung Steiners mit Jakob Böhme (der wohl besser als christlicher Mystiker denn als Esoteriker zu bezeichnen wäre) und mit dem Rosenkreuzertum die bereits entstandene Anthroposophie voraussetzt. Insofern kann weder das Werk Jakob Böhmes noch das historische Rosenkreuzertum als Quelle der Anthroposophie gelten.
Das Grundwerk der Anthroposophie sind bekanntlich die Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung (1886), von denen Steiner 1923 in der Neuauflage sagt, sie seien die „erkenntnistheoretische Grundlegung und Rechtfertigung von alle dem, was“ er „später gesagt und veröffentlicht habe“). Die Grundlinien zeigen ein Wesen des menschlichen Erkennens, das den Weg von der sinnlichen in die geistige Welt freilegt. Und insofern sie dies tun, sind sie die erste anthroposophische Schrift, ohne daß der Name Anthroposophie darin auftaucht. Denn es ist das Wesen der Anthroposophie, den Weg des Erkennens von der sinnlichen in die geistige Welt freizulegen.
In den Grundlinien wird auch deutlich genug auf die einzige, namhafte Quelle der Anthroposophie hingewiesen: die Forschung, die über die Sinnesbeobachtung hinausgeht und mithilfe der „intellektuellen Anschauung“ oder „anschauenden Urteilskraft“ zu einer Erkenntnis des wirkenden Geistes in der Natur und in der Kultur gelangt. Diese wirklich nennenswerte Quelle: Die eigenständige übersinnliche Forschung Steiners, findet bei Scherer gar keine Erwähnung. Erwähnung findet „eine Art von übersinnlichem Wahrnehmungsvermögen“, das sich bei Steiner schon in früher Jugend gezeigt habe. Doch reicht der Hinweis auf dieses übersinnliche Wahrnehmungsvermögen, dessen Möglichkeit Scherer allerdings zuzugestehen scheint, keineswegs aus, um die Beschaffenheit der Quelle der Anthroposophie spezifisch zu kennzeichnen. Der Wahrnehmung allein entspringt bekanntlich keine Erkenntnis. Wahrnehmungen haben auch Visionäre. Steiner war aber kein Visionär, sondern ein „Geistesforscher“, dessen übersinnliches Wahrnehmungsvermögen mit philosophischer Begrifflichkeit reflektiert und von wissenschaftlicher Methodik geleitet war.
Ebenso behauptet Scherer, daß ein „entscheidender Schritt auf die Anthroposophie zu“ die Begegnung Steiners mit der Theosophischen Gesellschaft gewesen sei (Sp. 53), eine Formulierung, die den Eindruck erweckt, als sei mit der Theosophischen Gesellschaft bzw. der Theosophie eine weitere „Quelle“ der Anthroposophie namhaft gemacht; das verzeichnet den historischen Sachverhalt.
Für einen etwas gebildeteren Kenner der Entwicklung Steiners ist klar, daß der Begegnung mit der Theosophie die Entwicklung der Anthroposophie vorangegangen war und daß die Theosophische Gesellschaft lediglich das historisch erste Forum darstellte, auf dem Steiner öffentlich in „aus der Geistwelt geprägten Sprachwendungen“ über die Anthroposophie sprach.
In diesem Bemühen Scherers, nach externen Quellen der Anthroposophie außerhalb der Selbstbegründung der Anthroposophie zu suchen, kommt eine, in den gewöhnlichen Geisteswissenschaften als legitime Methode praktizierte Arbeitsweise, zur pseudowissenschaftlichen Technik pervertiert, zum Ausdruck. Die Methode der Quellenanalyse, als Bestandteil der historisch-kritischen Forschung, geht letztlich auf eine Übertragung der kausal-analytischen Verfahren der Naturwissenschaften auf das mit ihnen inkompatible Gebiet der Geisteswissenschaften zurück. Das Verstehen, als das vorrangige Erkenntnisziel der Geisteswissenschaften, wird bei einer Verabsolutierung dieses Verfahrens durch einen quellengeschichtlichen Reduktionismus ersetzt. Das Erschließen der einmaligen und unverwechselbaren Individualgestalt einer geschichtlichen Erscheinung wird in Wirkungsgeschichte aufgelöst, Wirkungsgeschichte wird zu Begriffsgeschichte und endet schließlich bei einem wortgeschichtlichen Reduktionismus. Dieser löst originäre Aneignung und Neubegründung von Einsichten in wortgeschichtliche, quellendokumentierte Überlieferungsstränge auf. Damit wird Geistesgeschichte zu Aneignungsgeschichte und zuletzt zu einer Geschichte von literarischen Dokumenten. Die Verabsolutierung dieses Verfahrens gründet in der Konkurrenzsituation der Geisteswissenschaften zu den Naturwissenschaften. In ihr kommt das Bemühen der Geisteswissenschaften zum Ausdruck, objektivierbare Gegenstände und Methoden aufzuweisen und so den Standards der Naturwissenschaften zu entsprechen. Sie wird durch den Absturz der Geisteswissenschaften in den Positivismus in der Mitte des letzten Jahrhunderts markiert. Dilthey, der wohl bedeutendste Philosoph der Geisteswissenschaften um die Jahrhundertwende hat diese Anlehnung der geisteswissenschaftlichen Methoden an die Naturwissenschaften 1910 diagnostiziert. In seiner Studie Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften schreibt er: „In der Ausbildung dieser Verfahrungsweisen sind die Geisteswissenschaften überall von den Naturwissenschaften beeinflußt gewesen. Denn da diese ihre Methoden früher entwickelt haben, so hat sich in weitem Umfang eine Anpassung derselben an die Aufgaben der Geisteswissenschaften vollzogen.“ Das 19. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Vergeschichtlichung und zugleich der Verwissenschaftlichung, d.h. Verobjektivierung der Geisteswissenschaften. Das 19. Jahrhundert zeigt, wie der systematische Anspruch der Geisteswissenschaften durch die historisch-kritische Methode erodiert. Das ließe sich an der Theologie, der Rechtswissenschaft, der Altphilologie und der Historik insgesamt zeigen. Mit der Vergeschichtlichung der Geisteswissenschaften vergeschichtlicht sich auch die menschliche Vernunft und ihr Orientierungsanspruch geht im historischen Positivismus unter. Diese Entwicklung wird zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Krise der Geisteswissenschaften erkannt und unter den Stichworten von der Last der Geschichte, und vom Wertrelativismus von Troeltsch und anderen Autoren diskutiert. Daß die wortgeschichtliche Archäologie keine brauchbare Methode zur Reduzierung originärer Forschung auf Plagiate ist, habe ich ausführlich 1990 gegenüber Ullrich gezeigt.
Demgegenüber stünde ein legitimes hermeneutisches Verfahren, das darin besteht, den auszulegenden Autor zunächst nach seinem Selbstverständnis zu befragen, seine Selbstbegründung zu eruieren und ihn, soweit möglich, aus sich selbst heraus zu deuten. Gadamer hat auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Geltungsansprüche, die geschichtliche Überlieferungen oder einzelne Autoren implizieren, ernst zu nehmen. Er hat gegen die objektivistische Einstellung historisch-philologischer Forschung zurecht auf die Bedeutung geistiger Produktionen verwiesen.)Es dürfte kaum einen Autor des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts geben, bei dem das Verfahren der immanenten Auslegung so exzessiv wie bei Steiner angewandt werden könnte und bei dem es so wenig praktiziert wird. Bei ihm bestätigt sich aber auch die hermeneutische Grundregel des Verstehens, die Droysen formulierte besonders schön, daß nämlich „Das Einzelne aus dem Ganzen verstanden wird, aus dem es hervorgeht und das Ganze aus diesem Einzelnen, in dem es sich ausdrückt.“ Bei Steiner liegt ein hoher Grad von Methodenreflexion vor, wie er bei nur wenigen Theoretikern der Geisteswissenschaften (Dilthey, Windelband, Rothacker) in vergleichbarem Maß vorhanden ist. Darüber hinaus aber beeindruckt die weitgehende Kohärenz zwischen der von Steiner vorgelegten Methodenreflexion und der von ihm dokumentierten Forschungspraxis. Da die externen Kritiker Steiners es aber in den seltensten Fällen zu einer ernsthaften Kenntnisnahme seiner methodologischen und epistemologischen Reflexionen bringen, können sie die Kohärenz zwischen Methodenreflexion und Forschungspraxis nicht feststellen, geschweige denn, daß sie zu einem tieferen Verständnis der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft und ihrer Forschungsergebnisse vordringen.
Scherer behauptet, Steiner habe 1912/13 die Anthroposophische Gesellschaft „gegründet“. Diese Behauptung trifft nicht zu. Gegründet wurde die Anthroposophische Gesellschaft von der damals in Berlin versammelten Mitgliedschaft, Steiner übernahm lediglich die Ehrenpräsidentschaft, aber kein Amt im Vorstand.
Ein grober Schnitzer findet sich in Sp.55: Nach der Anthroposophie befände sich die Menschheit gegenwärtig in der „fünften, der griechisch-lateinischen Kulturepoche“. Durch die Verwechslung der vierten mit der fünften, der griechisch-lateinischen mit der angelsächsisch-germanischen, weist sich Scherer als „nicht-anthroposophischer Nichtkenner“ der Anthroposophie aus.
Diese Unkenntnis der Details hindert ihn jedoch nicht, seiner Darstellung eine kritische Stellungnahme anzufügen. (Die Gepflogenheit, an die Darstellungen kritische Würdigungen anzufügen, ist eine für wissenschaftliche Lexika einmalige, aber für die Herausgeber bzw. Verfasser des vorliegenden Werkes typische Besonderheit.) In den folgenden Kapiteln wird auf einzelne dieser kritischen Einwendungen eingegangen.
[Kapitel 5 bis 9 behandeln die Themen „Entstehung und Schöpfung der Welt”, Göttlichkeit und Gottwerdung”, „Reinkarnation und Auferstehung”, „Hierarchienlehre” und „Christologie”. Sie sind hier weggelassen].
- Indoktrinationsvorwurf
10.1. Fortpflanzung von Irrtümern
Im bereits erwähnten Artikel von Schönberger über religiöse Erziehung begegnen wir in subtilerer Form als etwa bei Prange dem Indoktrinationsvorwurf gegenüber der Waldorfpädagogik (Sp. 242). Die Passage zeigt wieder deutlich das Ausmaß und die Qualität der Beschäftigung konfessioneller „Sektenexperten“ mit den von ihnen behandelten Gegenständen. Ich zitiere sie ganz:
«„Man muß sich bemühen, möglichst ohne daß man theoretisch Anthroposophie lehrt, sie so hineinzubringen, daß sie darinnen steckt“ (Rudolf Steiner im Lehrplan der Waldorf-Schulen, zit. nach Krämer 156). Was R. Steiner hier über die Waldorfschule sagt, gilt mehr oder minder für jede weltanschaulich orientierte Schule, zumindest was die Grundausrichtung betrifft.» (Sp. 242)
Der Leser würde jetzt gerne wissen, wo denn die Anthroposophie drinstecken soll: in den Köpfen der Schüler, im Lehrplan, in der Ausstattung der Klassenzimmer…? Der schnelle Information suchende Leser von Lexikonartikeln wird das Zitat gewiß so verstehen, wie es von Schönberger gewollt ist. Dem genannten Leser wird sicherlich nicht auffallen, daß Krämer ein katholischer Autor ist, dessen massiv fehlerhaften Darstellungen von seiten der Waldorfschulen bereits ihre kritische Würdigung erfahren haben; er wird von dem Artikel nicht darüber informiert, daß es kein Buch Steiners über den „Lehrplan“ der Waldorfschulen gibt und der Artikel geht auch nicht darauf ein, daß es prinzipiell keinen Unterricht ohne weltanschauliche Einstellung der Lehrer gibt.
Mit dieser Art der Darstellung stimmt zusammen, daß die „Tochterbewegungen“ im Artikel über Mission als „indirekte Mission“ für die Anthroposophie aufgefaßt werden (Sp. 669); damit sind natürlich auch die Waldorfschulen gemeint.
In diesem Zusammenhang darf ein pikantes Aperçu nicht fehlen. Der erste, der auf seiten der konfessionellen Kritiker jenen oben zitierten Satz von Steiner willkürlich falsch interpretierte, war Jan Badewien, der 1985 in seiner Arbeit Anthroposophie. Eine kritische Darstellung bzw. 1987 in Waldorfpädagogik - eine christliche Erziehung? den Indoktrinationsvorwurf erhob. Tatsächlich findet sich der Satz in längeren Auslassungen, die Steiner anläßlich einer Lehrerkonferenz in Stuttgart, am 23.6.1920, über die methodische Optimierung des Unterrichts vorbrachte. Das von Badewien präparierte Manipulat wurde von konfessionellen Autoren bedenkenlos übernommen, so von Krämer, den seinerseits Schönberger zitiert, aber auch vom Evangelischen Oberkirchenrat in seiner ersten Arbeitshilfe, die im April 1988 in großer Zahl an die Gemeinden und Religionslehrer der Württembergischen Landeskirche verteilt wurde. In der von den Waldorfschulen daraufhin veröffentlichten Erwiderung „Zur kirchlichen Kritik an Anthroposophie und Waldorfpädagogik“, die 1989 erschien, wurde die infame Manipulation bloßgestellt. Mittlerweile hat der Evangelische Oberkirchenrat aus seiner in zweiter Auflage erschienenen Arbeitshilfe jene Passage, die die behauptete Indoktrination belegen sollte, ersatzlos gestrichen.
10.2. Allgegenwärtigkeit von Weltanschauung
Die Frage nach der Indoktrination und nach der subtilen Beeinflussung der Erziehungsbefohlenen durch die Anschauungen des Lehrers an Waldorfschulen zieht natürlich die andere nach dieser Indoktrination an Staatsschulen und an kirchlichen Privatschulen nach sich. Wie bereits angedeutet, ist es illusorisch zu meinen, es gebe einen Menschen, der keine Weltanschauung besitze. Der Mensch unterscheidet sich vom Tier nicht nur dadurch, daß er denkt, sondern auch dadurch, daß er mithilfe seines Denkens eine Weltansicht entwickelt, mag diese noch so schlicht und begrifflich unausformuliert sein. Der einfachste Fabrikarbeiter oder Handlanger, selbst der Stadtstreicher hat eine Weltanschauung. Wer den oft zum Philosophieren neigenden Stadtstreichern bei ihren Rodomontaden zuhört, kann sich vor der Erkenntnis nicht verschließen, daß sich im Hervorbringen von Weltansichten die existentielle Verfassung des Menschen zum Ausdruck bringt.
Allerdings ist eine Frage, ob den betreffenden Menschen die fundamentalen philosophischen Voraussetzungen, von denen aus sie die Welt beurteilen, immer bewußt sind. Das ist sogar in den seltensten Fällen der Fall. Nur bedeutet dies nicht, daß solche Grundvoraussetzungen dem Denken dieser Menschen nicht dennoch immanent sind.
Schon die kritische Theorie hat überzeugend gezeigt, daß es keine interessenfreie oder gar wertfreie Wissenschaft gibt. Habermas hat die erkenntnisleitenden Interessen der Wissenschaften als das praktische, das technische und das emanzipatorische Interesse unterschieden. Seinen Untersuchungen gemäß sind die empirischen Naturwissenschaften und die aus ihnen resultierenden erfahrungswissenschaftlichen Theorien vom leitenden Interesse an der Sicherung und Erweiterung erfolgskontrollierten Handelns orientiert. Ihnen geht es um die technische Verfügung über vergegenständlichte Prozesse. Die historisch-hermeneutischen Wissenschaften streben nach einer Erhaltung und Erweiterung der Intersubjektivität handlungsorientierender Verständigung. Die systematischen Handlungswissenschaften, worunter Habermas Ökonomie, Soziologie und Politik versteht, sind vom emanzipatorischen Interesse der Befreiung des Subjekts aus der Abhängigkeit von hypostasierten Gewalten geleitet. Dieses Leitmotiv teilen sie mit der Philosophie, die allerdings nur als kritische Philosophie dem emanzipatorischen Ziel dient. Ebenso sieht Habermas die Psychoanalyse und die Ideologiekritik mit dieser Aufgabe betreut.
Auch Kurt Hübner hat in seiner Kritik der wissenschaftlichen Vernunft überzeugend dargetan, daß die sogenannten objektiven, wertfreien Naturwissenschaften auf weltanschaulichen Voraussetzungen beruhen. Diese „Festsetzungen“, die der Praxis der empirischen Naturwissenschaften vorausgehen und die sich in verschiedenen geschichtlichen Entwicklungsphasen dieser Wissenschaften erheblich voneinander unterscheiden können, sind: 1. Festsetzungen über Meßweisen, 2. Festsetzungen, die bestimmen, wie man aufgrund von Meßresultaten zu Naturgesetzen gelangt, 3. Festsetzungen, die über die Art der geltenden Axiome entscheiden, 4. Festsetzungen, die bestimmen, wann Theorien als widerlegt gelten, 5. Festsetzungen, die festlegen, welche Eigenschaften eine Theorie haben muß, um als Theorie zu gelten. Das Fazit, das Hübner aus seinen Untersuchungen zieht, besteht darin, daß wissenschaftliche Tatsachen keineswegs von weltanschaulichen Voraussetzungen unabhängig sind, sondern von historisch bedingten Festsetzungen abhängen.
Hübner wäre allerdings dahingehend zu ergänzen, daß es auch Formen der naturwissenschaftlichen Erkenntnis gegeben hat und geben kann, die weder Messungen vornehmen noch Theorien aus Messungen ableiten, sondern mittels anderer Erkenntnismittel zu ihren Theorien gelangen. Dies gilt für weite Teile der griechischen Naturphilosophie, insbesondere die Aristotelische, die allein deswegen, weil sie sich nicht der in der Neuzeit entstandenen Paradigmen bedient, nicht ins vorwissenschaftliche Abseits gedrängt werden kann. Ebenso gilt dies für die Goethesche Form der Naturerkenntnis und den sich an ihn anschließenden Goetheanismus. Zu denken wäre auch an überlieferte Wissensformen von Eingeborenenkulturen, die mitunter über eine intimere Naturerkenntnis verfügen oder verfügten, als experimentellen Verfahren verbundene Wissenschaftler. Insofern bewegt sich Hübner trotz seiner radikalen Kritik am Wissenschaftsglauben unserer Zeit immer noch zu sehr im Rahmen der von den „objektiven“ Erkenntnisdisziplinen vorgegebenen Normen.
10.3. Waldorfpädagogik und Weltanschauung
Es gibt also weder ein vorwissenschaftliches noch ein wissenschaftliches Bewußtsein, das nicht von bestimmten theoretischen Vorannahmen ausgeht, wenn es sich Urteile über die Welt bildet. Das bedeutet allerdings nicht, wie dies heutzutage vielfach vertreten wird, daß das menschliche Bewußtsein in eine Vorurteilsstruktur eingebettet ist, aus der es sich nicht zu befreien vermag oder daß es in historischen Bedingungen befangen ist, aus denen es kein Entrinnen gibt. Die Denker, die die unentrinnbare Verhaftung des Denkens in Voraussetzungen oder die Geschichtlichkeit der Vernunft hervorheben, um damit die Unmöglichkeit allgemeingültiger Maßstäbe zu verdeutlichen, versäumen die kritische Selbstreflexion. Durch diese könnten sie nämlich erkennen, daß Voraussetzungsbehaftetheit nur von einer Vernunft erkannt werden kann, die sich gerade von diesen Voraussetzungen befreit, daß Geschichtlichkeit nur konstatiert werden kann, wenn ein nicht-geschichtlicher Maßstab vorausgesetzt wird. Alle absoluten Relativierungen scheitern zuletzt an der vorausgesetzten Absolutheit desjeneigen, das die Relativierungen vornimmt. Deswegen hat Descartes zurecht darauf hingewiesen, daß an allem gezweifelt werden könne, am Zweifel selbst aber nicht, weil er sich in dem Moment selbst aufhebe. Um diesen Tatbestand des Bewußtseins zu bemerken ist eine Form der Selbstreflexion nötig, die von Steiner in seinen philosophischen Schriften beschrieben worden ist. Die Selbstreflexion im Sinne der Erkenntniswissenschaft Steiners hätte die Aufgabe, das Individuum von seinen eigenen gedanklichen Voraussetzungen, von denen es beherrscht ist, zu emanzipieren. Auf einer solchen Selbstreflexion beruht die Anthroposophie. Sie geht aus einer Selbstaufklärung des menschlichen Erkennens über seine eigenen Voraussetzungen hervor. Insofern sich in dieser Selbstaufklärung das Programm ihrer Verwirklichung als praktizierbar erweist, entspringt die Anthroposophie der endgültigen Befreiung des erkennenden Subjekts aus seiner „selbstverschuldeten“ Unmündigkeit (Kant). Die Anthroposophie als Weltanschauung, die der Waldorfpädagogik zugrunde liegt, geht von dieser erwiesenen Selbstaufklärungsfähigkeit des Menschen aus. Sie sieht den Menschen als Wesen an, das sich aus seiner Unmündigkeit durch Selbstaufklärung, d.h. durch Bewußtwerdung der individuellen Erkenntnisleistungen befreien kann. Auf die Realisation dieser Emanzipationsleistung zielt die gesamte Waldorfpädagogik ab. Die einzelnen didaktischen und inhaltlichen Bestandteile dieses pädagogischen Konzepts sind nur aus dieser Grundüberzeugung verstehbar. Sie sind auf diese der Selbsterziehung entspringende Resultante der schulischen Bildung angelegt, ohne sie allerdings manipulativ zu erzwingen. Denn diese Selbstaufklärung kann gar nicht erzwungen werden, sie kann nur vom einzelnen Individuum in Freiheit selbst geleistet werden. Die der Waldorfpädagogik innewohnende Grundüberzeugung ist insofern eine Vollendung des humanistischen Ideals der Moderne. Sie unterscheidet sich allerdings fundamental von den Grundüberzeugungen, die als weltanschauliche Voraussetzungen der Regelschule innewohnen.
Die Regelschulen sind aus der herrschenden Wissenschaftsgesinnung hervorgegangen, jener Wissenschaftsgesinnung, die die Selbstaufklärungsfähigkeit des Menschen ignoriert. In ihrer Methodik und Didaktik, in ihren Lehrplänen sind sie ein unmittelbares Abbild der herrschenden Ideologie der Kontrolle über vergegenständlichte Prozesse, durch die der Mensch selbst zu einer berechenbaren, kontrollierbaren Größe wird. Auch die Inhalte, die das Vehikel dieser Bildung sind, vermitteln ungefiltert jene Ideologie der Effizienz und der Objektivierung des Nicht-Objektivierbaren. Diesen herrschenden Wissensformen ist eigen, daß sie nihilistisch und irreligiös sind. Sie haben keinerlei sinnstiftende Kraft. Die Folge der Prägung mit diesen reduktionistischen Wissensformen ist das soziale Elend, das die gegenwärtige Gesellschaft als Produkt ihrer Erziehung anschaulich vor Augen führt und das sich in der Ratlosigkeit der Erziehenden spiegelt.
Angesichts dieser Bildungsalternativen stellt sich für Eltern in der Tat die Frage, welcher „Weltanschauung“ sie ihre Kinder anvertrauen wollen.
- Wissenschaftlichkeit
Schließlich lesen wir im Artikel „Wissenschaft“ (Hans Gasper), daß die Anthroposophie sich „wissenschaftlichem Dialog und Kritik durch Behauptung eines durch spirituelle Erfahrung erworbenen Sonderwissens“ entziehe (Sp. 1124).
Genau in diesem Sinn entzieht sich aber auch die Kirche mit ihrem Christentum dem wissenschaftlichen Dialog und der wissenschaftlichen Kritik, denn nicht falsifizierbare Hypothesen sind im Sinne des Popperschen Falsifikationismus wissenschaftlich nicht überprüfbar. Es ist also gar nicht zu sehen, weshalb der in einem katholischen Sektenlexikon erhobene Vorwurf der Nichtwissenschaftlichkeit ein Vorwurf sein sollte.
So, wie sich die Theologie mit ihrem Anspruch, Wissenschaft zu sein, auf klar umrissene Methoden und systematische Voraussetzungen ihrer Wissenschaftlichkeit beruft, kann die Anthroposophie den Begriff der Wissenschaftlichkeit auch in Anspruch nehmen. Wenn Auer in seiner katholischen Dogmatik die Wissenschaftlichkeit der Theologie im Gegenüber zu den empirischen Naturwissenschaften durch den Rekurs auf Offenbarung und Tradition begründet, dann darf sich die Anthroposophie auf übersinnliche Beobachtung und begriffliche Bearbeitung ihrer Beobachtungen berufen. Auer schreibt: „Wie das Wesen der Gegenstände der natürlichen Wissenschaften durch die Summe der möglichen Erfahrungsdaten und denkbaren Beziehungen und Ordnungen festgestellt werden muß, kann in der Theologie das Wesen ihres Gegenstandes jeweils nur durch eine Aussage der Offenbarung und durch einen Blick auf die Interpretation und das Wachsen dieser Offenbarungswahrheit in der Glaubensgeschichte der Kirche (Tradition), die gewissermaßen das ständig wachsende Glaubensgedächtnis der Kirche darstellt, erfaßt werden und diese Offenbarungswahrheit muß dann aus dem Welt- und Selbstverständnis der Gegenwart heraus erneut gläubig hingestellt werden.“
Im Gegensatz zur Theologie beruft sich aber die Anthroposophie nicht auf Offenbarung und Tradition, sondern sie beruft sich, analog zu den Naturwissenschaften, auf originäre erfahrungswissenschaftliche Zugänge zu ihren Gegenständen. Diese werden durch die Methoden und Beobachtungswerkzeuge der anthroposophischen Wissenschaft nicht festgestellt (was eine nominalistische Auffassung wäre), sondern erschlossen. Wollte man eine anthroposophische Erfahrungswissenschaft von einer anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft unterscheiden, dann könnte man den Unterschied wie folgt definieren: Anthroposophische Erfahrungswissenschaft beruht auf der Anwendung systematisch entwickelter nicht-sinnlicher Beobachtungswerkzeuge, die nach Maßgabe der für ihre Handhabung nötigen Methoden verwendet werden. Anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft geht von den begrifflich dargestellten Beobachtungsergebnissen der anthroposophischen Erfahrungswissenschaft aus und verwendet diese als heuristische Prinzipien zur erkennenden Durchdringung der sinnlichen Erfahrungswelt. Anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft geht von durch die anthroposophische Erfahrungswissenschaft erweiterten Begriffssystemen aus und bringt diese nicht nur zur Vermehrung der Erkenntnisse in Anwendung, sondern auch als handlungsleitende Prinzipien.
Von gewöhnlicher Geisteswissenschaft unterscheidet sich die anthroposophisch orientierte dadurch, daß sie die oben angedeutete Selbstaufklärung des erkennenden Bewußtseins zu ihrer Voraussetzung hat und als aufgehobenes Moment fortwährend in sich trägt. Sie ist demnach stets auf dem Wege zur erfahrungsmäßigen Selbsterfassung des erkennenden Geistes durch die Methoden der übersinnlichen Erkenntnis und verfährt mit den von ihr vorausgesetzten Erkenntnisresultaten kritisch aufgeklärt. Anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft unterscheidet sich insofern von Theologie, als sich der anthroposophische Wissenschaftler stets als potentieller Quell der Beobachtungsergebnisse verstehen kann, auf die er sich denkend bezieht, während die Theologie sich auf zwei nicht einholbare Autoritäten beruft: auf die göttliche Offenbarung und auf die Tradition.
Daß der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit gegenüber der Anthroposophie nicht nur von seiten einer theologischen Wissenschaft haltlos ist, sondern auch aus wissenschaftstheoretischer Sicht, habe ich in der Auseinandersetzung mit Heiner Ullrich ausführlich gezeigt.
- Schlußbetrachtung
Die vorliegende Untersuchung hat vor allem eines gezeigt: die Grenzen des Dialogs bzw. die Grenzen der Dialogfähigkeit, die viele konfessionelle Autoren (hier katholische) gegenwärtig der Anthroposophie gegenüber aufbringen. Diese Grenzen sind nicht durch die Anthroposophie bestimmt, weil die Anthroposophie bereits längst über die von den behandelten Autoren, die für die katholische Kirche sprechen, gesetzten Grenzen hinausgegangen ist. Es sind die Grenzen, die gegenwärtige Theologen ihrer eigenen Dialogfähigkeit und damit dem Dialog mit der Anthroposophie setzen.
Gegenwärtig kokettieren die Kirchen mit dem zweifelhaften Begriff eines kritischen Dialoges, der, recht besehen, darauf hinausläuft, dem Dialogpartner zu zeigen, wo man anderer Ansicht ist. Das ist aber kein wirklicher Dialog. Ein wirklicher Dialog ist erst dort möglich, wo die Dialogpartner über die Grenzen hinausgehen, die sie sich selbst setzen könnten, um einen Dialog zu verhindern. Der Dialogos ist der Logos, der sich zwischen den Sprechenden ereignet. Es ist jener Logos der mitten unter den zweien ist, die in seinem Namen versammelt sind. Er kann sich aber nur ereignen, wenn die zwei sich wirklich in seinem Namen versammeln, das heißt im Namen der Selbstverleugnung, der Nachfolge und der mystischen unio. Wo ein Dialoggeschehen mit der Intention eingeleitet wird, den anderen darauf hinzuweisen, wo er nicht mit der eigenen Ansicht übereinstimmt, hat man es mit einem Belehrungsversuch zu tun, aber nicht mit einem Dialog. Dabei zeigt sich die Anthroposophie schon längst über die Grenzen der gegenwärtigen Interpreten der katholischen Dogmatik aufgeklärt. Sie zeigt sogar diesen Interpreten auf, wo ihre Grenzen liegen und daß sie von diesen Grenzen kein deutliches Bewußtsein haben. Die Aufgabe der Anthroposophie kann gegenüber diesen Grenzsetzungen nur darin bestehen, darauf hinzuweisen, daß sie ein Hinderungsgrund für ein wirkliches Gespräch sind.
Andererseits kann die vorliegende Untersuchung auch zeigen, daß die von den gegenwärtigen Theologen aufgezeigten Grenzen des Christentums weder die Grenzen des Christentums überhaupt noch die Grenzen des historischen Christentums sind, in dessen Traditionsstrom sie vorgeblich stehen. Ich glaube gezeigt zu haben, daß in jenem Quell, der, gebettet in die Kanäle der Konfessionen, durch die Jahrtausende strömt, viel mehr verborgen liegt, als seine gegenwärtigen Ausschöpfer für möglich halten. Deswegen kann man durchaus behaupten, daß die Grenzen der Kirche nicht identisch sind mit den Grenzen der Menschen, die gegenwärtig die Kirche repräsentieren. Und wiederum ist offensichtlich, daß die Grenzen des Christentums nicht identisch sind mit den Grenzen der gegenwärtigen Kirchen. die behaupten christlich zu sein.
Ekklesia bedeutet ursprünglich nicht Hierarchie und Papsttum, bedeutet nicht Gegensatz von Klerus und Laien, bedeutet nicht gegenseitige Ausgrenzung und Anathematisierung, sondern Ekklesia bedeutet die Versammlung jener Menschen, die im Namen Christi zusammengerufen worden sind. Der Name Christi ist Logos. Der Logos schreitet heute wieder durch die Länder und ruft jene, die sich ihm angehörig fühlen, aus den Häusern heraus. Er nimmt keine Rücksicht darauf, ob die Menschen arm oder reich sind, ob sie klug sind oder einfältig, weiß oder schwarz, ob sie einer Kirche oder Glaubensgemeinschaft angehören oder nicht.
Er erkennt die seinen, die schon vor ihrer Geburt für ihn bestimmt waren. Denn vor ihrer Geburt standen sie ihm gegenüber, und jetzt kommt es darauf an, ob sie sich an ihn erinnern. Diese Erinnerungsfähigkeit kann man aber verschütten oder man kann sie pflegen. Die Erinnerungsfähigkeit an den lebendigen Christus zu pflegen, ist Aufgabe einer Erziehung, die sich auf die Anthroposophie beruft.
Denn Anthroposophie ist nichts anderes als Teil jener fortströmenden Inspiration, die aus dem Quell hervorfließt, aus dem sich alle wahre Weisheit speist.
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Herzl. Gruesse
Zapriano
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