Was drängt Ärzte, Diazepam zu entziehen?

Zur Erläuterung:
Ich beziehe mich auf ältere Menschen, bei denen folgende Merkmale seit der Kindheit/Jugend gegeben sind:

  • Vegetative Übererregbarkeit (sympatikoton mit Neigung zu Extrasystolen und beschleunigtem Ruhepuls bis hin zu Tachykardien in bzw. vor und nach Stresssituationen).

  • Überausgeprägte Ängstlichkeit in Verbindung mit reger Fantasie hinsichtlich potenzieller Risiken und Gefahren.

  • Sehr vulnerabler Schlaf, der bereits durch geringe Geräusch-, Licht- oder Wärmereize gestört und unterbrochen wird und absolute Ruhe, Dunkelheit und Kühle im Schlafzimmer erfordert, um erholsam zu sein.

  • Auch entfernt wahrgenommene Bedrohungen, zwischenmenschliche Gewalthandlungen (im Kleinen wie im Großen) und der im globalen Maßstab alltäglich praktizierte Irrsinn werden als sehr belastend bis unerträglich erlebt.

Um trotz alledem hinreichend ruhig und entspannt zu bleiben, am Weltgetriebe teilnehmen zu können und die Arbeitsfähigkeit zu erhalten, dämpft man sich über Jahrzehnte mit Hilfe allabendlicher Niedrigdosis*-Diazepameinnahme (2 bis 5 mg) etwas ab.
*) Im Gegensatz zu hohen Dosen erfolgt hier sehr oft auch über Jahrzehnte keine nennenswerte Toleranzentwicklung, so dass keine Dosissteigerung erforderlich wird und die erwünschte anxiolytische, sedierende und entspannende Wirkung erhalten bleibt.

Die Umstände ändern sich:
Nachdem der langjährig behandelnde (und verschreibende) Psychiater in Rente gegangen ist, trifft man auf seinen (jüngeren) Nachfolger und sieht sich schon nach wenigen Minuten - ohne weitere Klärung der eigenen Leidenshistorie - mit der Aussage konfrontiert: „Das Diazepam muss abgesetzt werden!“

1. Frage:
Was im Detail ist der mögliche Grund dafür, dass ein Gesundheits-Dienstleister (Arzt), es lieber in Kauf nimmt, dass ein langjähriger Patient sich von seiner Praxis abwendet, statt zu akzeptieren, dass man „einen alten Baum im letzten Lebensfünftel nicht mehr verpflanzt“ bzw. ihm die das Leben erträglich machende, gewohnte Krücke weiter verschreibt?

Wovor muss sich ein Arzt fürchten, wenn er Diazepam bis zum Lebensende verschreibt? Von der KV wird er ganz sicher nicht in Regress genommen, bei einem Medikament, das für ein ganzes Quartal nur etwa 12 Euro kostet (Diazepam 10 mg N3).
Zum Vergleich: Um in etwa denselben dauerhaft dämpfenden Effekt - aber mit auch für die Gesellschaft sehr viel schädlicheren Nebenwirkungen - zu erzielen, müsste man selbst für billigsten Alkohol etwa das Hundertfache investieren.

Gibt es andere Kontrollgremien, die dem Arzt das Leben schwer machen könnten?

Die medizinischen Einwände allein, wie z. B. Verlängerung der Halbwertszeit bei älteren Menschen mit der Gefahr von Stürzen (bei zu entspannter Muskulatur), mögliche Atemdepression bei zu hoher Dosierung, scheinbare Demenz durch reduziertes Interesse an Mensch und Welt („Pseudodemenz“), sollten m. E. nicht voreilig und unhinterfragt dazu führen, einem älteren Menschen, der seit vielen Jahrzehnten an seine Krücken gewöhnt ist, ihm diese - ohne adäquaten Ersatz - wegzunehmen.

2. Frage:
Gibt es andere Argumente, die als Indiz dafür gelten können, dass der betreffende neue Gesundheits-Dienstleister trotzdem beibehalten werden sollte, weil er sich - wenn auch von seinem Gesundheitskunden anderes empfunden - in seinem unerwarteten Handeln doch sehr aufmerksam und umsichtig im Sinn des Kundeninteresses verhält?

Viele Grüße,
FatzManiac

Unterschiedliche Ärzte…
…haben unterschiedliche Beweggründe, die eine oder andere Maßnahme zu ergreifen oder auch nicht. So ein Arzt macht ja auch eigenen Erfahrungen (nur als Beispiel) und die fließen ja auch in seine Entscheidungen mit ein.

Was den Einzelnen angeht: Frag ihn selber nach seinen Argumenten und unterbreite ihm Deine.

Grüße
kernig

Ja, habe ich vor und wollte vorher hier mögliche Pro- und Kontra-Argumente sammeln…

LG, FM

Es hat ein erhebliches Suchtpotential. http://de.wikipedia.org/wiki/Diazepam
Udo Becker

Beruhigungsmittel als Dauerlösung

Ja, habe ich vor und wollte vorher hier mögliche Pro- und
Kontra-Argumente sammeln…

Es klang in Deinem Posting so, als hättest Du Deinen Standpunkt dazu schon gefunden.

Vielleicht hält der Arzt ein Beruhigungsmittel mit Suchtpotential einfach nicht für geeignet als Dauerlösung?

Wie schon gesagt, es geht ja nicht unbedingt darum, dem Arzt mal die Meinung zu geigen. Es soll ja die beste Lösung für den Patienten gefunden werden.
Und da würde ich mir zuerst die Argumente des Arztes anhören und darüber nachdenken, was an denen dran ist. Und nicht gleich alles vorbereiten, nur um dagegen zu halten…

Was auch nicht klar wird: Wer möchte denn das Mittel weiterhin? Der Patient? Oder Angehörige?

Grüße
kernig

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Es hat ein erhebliches Suchtpotential.

Ja. Aber der Begriff „Suchtpotenzial“ ist offenbar eines der Signalworte, das bewirken soll, jede weitere Diskussion darüber sofort im Keim zu ersticken - im Sinn von: „Sucht hat einfach keine Daseinsberechtigung und gehört vollständig ausgemerzt!“

Damit wird der Begriff „Sucht“ auf dieselbe Tabu-Ebene gehoben wie z. B. „Mord“ oder „Vergewaltigung“. Für mich ist - wie für viele andere Menschen - völlig klar, dass Mord oder Vergewaltigung absolut inakzeptable Verhaltensweisen sind, die mit allen Mitteln unterbunden, geahndet und bestraft werden müssen. Dennoch werden diese Verhaltensweisen immer wieder auf aller Welt sogar von oberster Regierungsebene angeordnet bzw. befohlen: Zum Beispiel zur Zerstörung/Auslöschung von Menschen in Kriegen, in Geheimdiensaktionen und ähnlichem. Also dort, wo die eigenen (Macht- oder Besitz-)Interessen völlig selbstverständlich über die der Anderen gestellt werden.

Aber nüchtern betrachtet, gibt es vermutlich keinen Menschen, der NICHT süchtig ist. Um beispielhaft nur einige wenige Dinge des alltäglichen Lebens mit Suchtpotenzial aufzuzählen:

  • Sucht danach, geliebt zu werden

  • Sucht nach sexueller Befriedigung

  • Gewinnsucht, bzw. die Sucht, mehr zu besitzen als die Mitmenschen

  • Sucht nach Anerkennung, Lob, Belohnung in Beruf und Privatleben

  • Sucht nach Adrenalinkicks durch risikoreiches Verhalten

  • Sucht nach Unterhaltung, Ablenkung von den Alltagspflichten

Sobald ich - wie hier - das Wörtchen " Sucht" voranstelle, etikettiere ich das Folgende als etwas Minderwertiges, unbedingt zu Vermeidendes, ja sogar zu Verachtendes.
Ich könnte aber genau so gut den Begriff " Bedürfnis" an Stelle von „Sucht“ setzen, und sofort ist jedem klar, dass es sich um selbstverständliche Dinge handelt.
Nichtsdestotrotz handelt es sich bei alledem um dasselbe Phänomen wie bei den „Süchten“: Die meisten Menschen würden in sehr kurzer Zeit seelisch und oft auch körperlich sterben, wenn ihnen die Befriedigung o.g. Bedürfnisse verunmöglicht würde.

Genau genommen ist jedes Bedürfnis eine „abgemilderte Form“ von Sucht, während man jede Sucht auch als „ausgeprägtes oder unbedingtes Bedürfnis“ bezeichnen könnte. Hier kommen Bigotterie und Gewinninteressen ins Spiel: Bestimmte Süchte werden á priori kulturkreisabhängig gesellschaftlich toleriert und kommunikativ umdeklariert um sich nicht ständig damit konfrontieren zu müssen, dass die Gesellschaft in vielen Fällen inkonsequent und unlogisch denkt und handelt.

Aber genug der Grundsatzdiskussion. Eine einfache Frage:
Mit welcher Begründung wird Menschen das Recht abgesprochen, sich chemisch in einen dauerhaften leicht abgedämpften Zustand zu versetzen, um die Belastungen, das Leid und den Lärm der Welt ertragen zu können, indem sie bewusst ihre vegetative Erregbarkeit vermindern?

Gut, ein Grund springt mir sofort ins Auge: Diejenigen, die ich ausbeuten bzw. zu Sklavenarbeit missbrauchen will (nichts anderes ist Lohndumping), müssen bis zum letzten Atemzug zu Wachheit und Leistungsfähigkeit gezwungen werden. Sie sollen schließlich idealerweise in Ausübung ihrer Tätigkeit tot umfallen und mir bzw. der Gesellschaft keine unnötigen weiteren Kosten (Rente, Krankheit, Pflege etc.) verursachen.

Menschen, die es trainiert haben, sich autosuggestiv in tiefe Meditation zu versetzen (das müssen nicht unbedingt buddhistische Mönche & Co sein), erreichen diese Herabsetzung vegetativer Erregbarkeit gefolgt von absoluter Gelassenheit auch ganz ohne Chemie weil durch Autosuggestion endogene Drogen freigesetzt werden, die dieselben Wirkungen hervorrufen können.
Diese „Meditationskünstler“ nennen wir zwar nicht „endogene Junkies“, aber in der alltäglichen Lebenspraxis gehen wir mit ihnen genau so um - es sei denn, es handelt sich um den „Dalai Lama“; der darf das.
Tatsächlich kann unsere Leistungsgesellschaft nur sehr wenige gelassen in sich selbst ruhenden Menschen gebrauchen. Denn diese würden sich selbst genügen. Konsum würde ihnen genau so wenig bedeuten, wie Karriere und Anerkennung, die von außen kommt. Sie würden sich nicht zur Ausbeutung oder anderen unnatürlichen Verhaltensweisen zwingen lassen. Damit wären sie für die Gewinnsüchtigen nutzlos und sogar schädlich.

Was aber ist eigentlich mit Menschen, die aus dem Arbeitsleben (und auch aus den meisten gesellschaftlichen Verpflichtungen) bereits ausgeschieden sind? Könnte man denen nicht ihre wohlverdiente (Seelen-)Ruhe per Sedativum lassen? Muss man die auch noch bis zum letzten Atemzug zu größtmöglicher Wachheit und Arbeitsbereitschaft zwingen?

Das Problem bestünde gar nicht, wenn jeder Mensch wirklich tiefgehende Meditationstechniken (bis hin zur Trance) erlernen könnte. Dummerweise können dies gerade diejenigen nicht, die es am meisten benötigen: Die vegetativ Übererregbaren. Bei ihnen hat es systemimmanente Gründe, so dass Meditation/Tiefenentspannung von außen (chemisch) induziert werden muss.

Ich möchte im Detail verstehen, ob der Grund für die Diazepamrestriktion wirklich nur die kapitalistisch-gesellschaftliche Sucht ist, ihren Individuen lebenslang größtmögliche Leistung gegen geringstmögliche Entlohnung abzufordern oder ob es darüber hinaus auch noch andere (möglicherweise sogar humanistische) Gründe gibt.

Viele Grüße,
FatzManiac

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Es klang in Deinem Posting so, als hättest Du Deinen Standpunkt dazu schon gefunden.

Ich denke, dass jeder, der in irgendeine Diskussion tritt, zunächst einen „Anfangs-“ Standpunkt hat und auch haben sollte. Andernfalls würde derjenige unter den Diskutierenden, der bereits einen (für ihn gültigen) Standpunkt vertritt, es sehr leicht haben, die anderen von diesem zu überzeugen und dafür einzunehmen.

Ja, auch ich habe einen Anfangsstandpunkt, räume aber ein, dass mir möglicherweise bedeutende Hintergrundinformationen fehlen, so dass mein Anfangsstandpunkt zu einseitig ist.
Wenn ich wirklich verstehen und einsehen kann, dass mein Standpunkt suboptimal oder zu eng ist, bemühe ich mich, ihn zu verändern.
Da ich kein Freund von hierarchischem Gefälle bzw. autoritärem Verhalten bin („So wird’s gemacht - und damit basta!“), sondern begreifen will, was genau mit bestimmten Vorschriften bezweckt wird, um mich damit einverstanden zu erklären, suche ich das Gespräch.

Im Lauf meines Lebens habe ich aber immer wieder erfahren, dass man mit Fachleuten bzw. Experten nur dann auf derselben Augenhöhe diskutieren kann, wenn man nicht nur ein grundlegendes Sachverständnis sondern auch bereits einen (noch nicht endgültigen) Anfangsstandpunkt hat.

Was auch nicht klar wird: Wer möchte denn das Mittel weiterhin? Der Patient? Oder Angehörige?

In diesem Fall gibt es keine Angehörigen. Der Patient (ich nenne ihn bevorzugt den „Medizinendkunden“) steht mit der Vertretung seiner Interessen allein da und muss deshalb genau unterscheiden zwischen den Interessen des medizinischen Dienstleisters (Arztes), den Interessen der Pharmaindustrie, denen der Krankenversicherung und den politisch-gesellschaftlichen Interessen. Es wäre blauäugig, davon auszugehen, dass irgendeine andere Instanz als der Medizinendkunde selbst, primär dessen Interessen im Blickfeld hätte.

Vielleicht gibt es ja tatsächlich noch seltene Exemplare von Medizinern und Pharmazeuten, denen der hippokratische Eid mehr als nur Werbewirksamkeit bedeutet. Aber wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, so jemandem zu begegnen, vermag ich nicht abzuschätzen.

Erschwerend kommt bei mir hinzu, dass ich für die Datenpflege medizinischer / therapeutischer Webseiten diverser Praxen und Institute zuständig bin und auf diesem Weg viele Ärzte bzw. Therapeuten von der anderen Seite, also vom wirtschaftlichen Interesse her kennengelernt habe. Dabei hat sich meine eigene Einstellung zu medizinischen Berufen im Lauf der Jahre vollständig gewandelt, hin zu der Haltung: „Nur ich selbst vertrete ausschließlich meine Interessen. Alle anderen Beteiligten können ‚meine Interessen‘ zwangsläufig nur bedingt vertreten, da sie primär dem eigenen wirtschaftlichen Überleben und sekundär gesetzlichen und anderen Vorgaben (auch Regressandrohungen) gehorchen müssen. Als Medizin-Endkunde komme ich naturgemäß frühestens erst an dritter Stelle.“

Dass es auch heute noch einige wenige medizinische Idealisten gibt, die das „Patientenwohl“ deutlich höher ansiedeln, will ich damit nicht in Abrede stellen. Aber es wäre nicht besonders klug, dies von vornherein zu unterstellen, wenn man gerade erst - ungefragt - einen neuen Medizindienstleister kennengelernt hat, der sich zudem auch noch diametral anders verhält, wie sein Vorgänger, mit dem man 1½ Jahrzehnte völlig zufrieden war.
Klüger ist es wahrscheinlich, sich insbesondere in der Anfangszeit alle Optionen - zu einem Praxiswechsel - offen und nach größtmöglicher Kundenfreundlichkeit Ausschau zu halten.

Viele Grüße, FM

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Moin,

langsam kriege ich ein wenig den Eindruck, daß Dein Arzt Dir kein Valium mehr verschreiben will und Du jetzt krampfhaft versuchst, Argumente zu sammeln, daß er es gefälligst doch zu tun hat.

Valium ist eine sehr potente Substanz, allerdings auch mit potenten Nebenwirkungen und einem erheblichen Suchtpotential. Für eine Dauermedikamentation ungeeignet.
Jedem Arzt, der außerhalb einer seeehr strengen Indikation so etwas tut (Dauergabe) gehört die Aprobation entzogen.

Gandalf

langsam kriege ich ein wenig den Eindruck, daß Dein Arzt Dir kein Valium mehr verschreiben will und Du jetzt krampfhaft versuchst, Argumente zu sammeln, daß er es gefälligst doch zu tun hat.

Das ist nicht ganz richtig. Es ist der Nachfolger des Arztes, der hier andere Saiten aufziehen will. Und selbstverständlich stelle ich hier meine Frage ganz allgemein.

Jedem Arzt, der außerhalb einer seeehr strengen Indikation so etwas tut (Dauergabe) gehört die Aprobation entzogen.

Ein hartes aus der Hüfte geschossenes Urteil, das weder die Frage nach dem bisherigen Verlauf von Einnahme und Wirkungserfolg stellt, noch ein adäquates Angebot eines Ersatzmittels macht. Aber genau so hat der o. g. Nachfolger reagiert. Offenbar wird es jüngeren Ärzten heute so verkauft, dass Diazepam irgendwie weg muss vom Markt. Es ist einfach viel zu billig für seine Potenz. Und es macht Menschen so ruhig, dass sie einfach nicht mehr wegen „jedem Pups“ zum Doktor laufen. Das aber ist ganz schlecht für’s Geschäft!

Es mag ja auch heute noch Menschen geben, die Ärzte nicht als Medizindienstleister, sondern als „Autoritäten in Weiss“ bzw. als eine Art Hoheitsträger betrachten, die ihren Kunden Vorschriften machen dürfen.

Ich sehe keinen nennenswerten Unterschied zwischen meinem Hausgerätetechniker, meinem Lebensmittelhändler und meinem Medizindienstleister: Ich bin der Kunde und kaufe dort ein, wo meine Wünsche Gehör finden. Als mein „Stamm-Supermarkt“ meine Lieblingswürstchen „Gut & Günstig - Delikatess-Schinkenbockwürstchen im Saitling“ einfach frech aus dem Programm nahm, fragte ich die Geschäftsleitung, warum sie das mache. Antwort: „Es war kein ‚starkes‘ Produkt!“ Zu deutsch: Die Nachfrage war zu gering. Das hab’ ich verstanden - und kaufe seither in einem anderen Supermarkt, der diese Würstchen immer noch im Programm hat.

Bezogen auf Medizindienstleister: Wenn die halbwegs therapeutischen Erfolg haben wollen, sind sie auf die Compliance ihrer Endkunden angewiesen. (Sofern die Diagnose zutreffend und die verordnete Therapie überhaupt zielführend ist). Sehr vielen Medizin-Endkunden scheint aber noch nicht bewusst zu sein, dass einseitige Compliance ein Relikt aus Kolonialzeiten ist. Wenn der Endkunde compliant sein und das Medikament planmäßig einnehmen soll, dann muss der Endkunde eben diese Compliance auch von seinem Dienstleister erwarten können. Das heißt, er muss sich darauf verlassen können, dass der Arzt das Medikament (oder das Therapiehilfsmittel) auch in Zukunft zuverlässig verordnen wird.

Falls das Medi nicht gut laufen sollte, falls die Pharmahersteller (nicht mehr) genug daran verdienen, bzw. falls es den beteiligten das Geschäft mit sehr viel teureren Medikamenten bzw. Therapien durchkreuzen sollte, muss der Arzt ein adäquates Ersatzmittel verschreiben und nicht - wie früher in den „neuen Bundesländern“ üblich - einfach verkünden: „Ham’ wer nich mehr. Is alle!“ Zu irgendwas muss unser Kapitalismus und sein vielgepriesener „Wettbewerb“ doch wohl gut sein. Oder täusche ich mich?

Wer sich entschieden hat, das lärmende Tohuwabohu der Welt nur noch in gedämpfter Form zu ertragen, braucht ein geeignetes Mittel bis zu seinem Lebensende (wenigstens aber bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Bewusstsein freiwillig in einen mehr oder weniger dahindämmernden Zustand gleitet). Natürlich muss das Mittel kein Benzodiazepin sein. Aber kennt irgendwer ein ebenso potentes Mittel, das Anxiolyse, Sedierung und Entspannung in niedriger Dauerdosis auch über viele Jahrzehnte zuverlässig ermöglicht und dabei nicht sehr ähnliche (überschaubare) Nebenwirkungen hat, wie Diazepam?

Wenn man das z. B. mit irgendwelchen XYZ-Wiederaufnahmehemmern (halbwegs) zu substituieren versucht, handelt man sich erheblich unangenehmere Nebenwirkungen ein. Und ob die erwünschte Wirkung annähernd vergleichbar ist, darf sehr in Frage gestellt werden. Aber wenigstens ist es dem Pharmamarketing gelungen, den Begriff „Suchtpotenzial“ von den Wiederaufnahmehemmern fernzuhalten.

Ich finde es schon bemerkenswert, wie wenig echte Fortschritte die Pharmaindustrie in den letzten 50 Jahren gemacht hat - außer bei dem Effekt, neue Medikamente zu immer höheren Preisen auf den Markt zu werfen und dabei die Lobby und Marketing immer virtuoser einzusetzen. Dafür gebührt ihr durchaus Anerkennung.

Viele Grüße, FM

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Ich finde es schon bemerkenswert, wie wenig echte Fortschritte
die Pharmaindustrie in den letzten 50 Jahren gemacht hat -
außer bei dem Effekt, neue Medikamente zu immer höheren
Preisen auf den Markt zu werfen und dabei die Lobby und
Marketing immer virtuoser einzusetzen. Dafür gebührt ihr
durchaus Anerkennung.

Deine vorangehenden Ergüsse -abgesehen davon, dass sie an der ursprünglich gestellten Frage vorbei gehen-, kann ich nicht unterstützen. Aber mit dieser letzten Beobachtung hast Du schon ein wenig recht. Aber das gilt für viele andere Dinge auch. Wieviele Arten von Zahnpasten und Haarshampoos gibt es. Die Frage ist, wieviel es uns wert ist, pharmazeutische Forschung mit kleinen aber erkennbaren Schritten zu finanzieren.
Udo Becker

Hallo,

Es klang in Deinem Posting so, als hättest Du Deinen Standpunkt dazu schon gefunden.

Ich denke, dass jeder, der in irgendeine Diskussion tritt,
zunächst einen „Anfangs-“ Standpunkt hat und auch haben
sollte.

von größtem Vorteil ist es, wenn man einen „Standpunkt“ durch „Wissen“ ersetzen kann!

Andernfalls würde derjenige unter den Diskutierenden,
der bereits einen (für ihn gültigen) Standpunkt vertritt, es
sehr leicht haben, die anderen von diesem zu überzeugen und
dafür einzunehmen.

In diesem Fall geht es dann darum, zu glauben oder auch nicht. Zweifel sind zwar grundsätzlich gut und erlaubt, manchmal aber auch hinderlich auf dem Weg der Erkenntnis.

Ja, auch ich habe einen Anfangsstandpunkt, räume aber ein,
dass mir möglicherweise bedeutende Hintergrundinformationen
fehlen, so dass mein Anfangsstandpunkt zu einseitig ist.

Man könnte auch von Vorurteilen sprechen…

Wenn ich wirklich verstehen und einsehen kann, dass mein
Standpunkt suboptimal oder zu eng ist, bemühe ich mich, ihn zu
verändern.

Wenn du zu dem Ergebnis kommst einen Standpunkt zu ändern, bracht es keine Mühen mehr dieses auch zu tun! Ist das logisch?

Da ich kein Freund von hierarchischem Gefälle bzw. autoritärem
Verhalten bin („So wird’s gemacht - und damit basta!“),

Eine Hierarchie ist etwas anderes als eine Autorität. In der Befehlswelt der Militärs gibt es strenge Hierarchien. Eine anerkannte Kompetenz mit Wissen/Erfahrung auf seinem Fachgebiet braucht nicht zu überreden, sondern er - aufgund seiner Autorität - überzeugt direkt…solange, bis andere gegenteilige Erfahrungen machen. Genau darin liegen nämlich (u.a.) die ständigen Innovationen begründet.

sondern begreifen will, was genau mit bestimmten Vorschriften
bezweckt wird, um mich damit einverstanden zu erklären, suche
ich das Gespräch.

Das Gespräch suchen ist immer die beste Möglichkeite zu anderen Alternativen.
Wie schon gesagt, Vorschriften gibt es in der Legislativen und bezogen auf mein Bsp., beim Militär. Das andere nennt sich Regelung und ist - des Wortes Ursprung zu entnehmen - eine Regulation, meistens auf Sachzwängen beruhend, der logische Umgang mit diesen.

Im Lauf meines Lebens habe ich aber immer wieder erfahren,
dass man mit Fachleuten bzw. Experten nur dann auf derselben
Augenhöhe diskutieren kann, wenn man nicht nur ein
grundlegendes Sachverständnis sondern auch bereits einen (noch
nicht endgültigen) Anfangsstandpunkt hat.

Standpunkt oder Meinung? Entstanden durch betroffene Erfahrung?
Ich muss immer schmunzeln bei den Fragen wo denn ein guter Arzt für irgendwas zu fnden ist. Kompetenz kann ich nur beurteilen, wenn - wie du richtig bemerkst - selbst kompetent bist. Aber da ja die Frage nach dem „besten“ Arzt nicht an Ärzte, sondern i. d. R. an Patienten bzw. Forumsteilnehmer gerichtet ist, können diese immer nur ihre eigene Erfahrung (schlimmer noch, die vom Hörensagen) wiedergeben.
Den für dich „besten“ Arzt, wirst du auf jeden Fall so nicht zwingend finden.

Was auch nicht klar wird: Wer möchte denn das Mittel weiterhin? Der Patient? Oder Angehörige?

In diesem Fall gibt es keine Angehörigen. Der Patient (ich
nenne ihn bevorzugt den „Medizinendkunden“) steht mit der
Vertretung seiner Interessen allein da und muss deshalb genau
unterscheiden zwischen den Interessen des medizinischen
Dienstleisters (Arztes), den Interessen der Pharmaindustrie,
denen der Krankenversicherung und den
politisch-gesellschaftlichen Interessen. Es wäre blauäugig,
davon auszugehen, dass irgendeine andere Instanz als der
Medizinendkunde selbst, primär dessen Interessen im Blickfeld
hätte.

und sich mit Dingen belastet, die eigentlich unwichtig für ihn sind. Auch wenn sich da jemand ermächtigt, interessierende Dinge des „Medizinendkunden“ für unwichtig zu erklären; es gibt keinen praktischen Nutzen jenseits des reinen Wissen für ihn, wenn er weiß, dass Benzodiazepine eine gewisse Grundstruktur hat. Und dabei das für ihn Unangenehme in Zweifel stellt, um es dann zu hinterfragen und Interessenwiderig nennen zu können.
Wirklich wichtig wäre für ihn dass, was hier schon hinreichend publiziert wurde:
ein Diazepam ist ein Medikament zur temporären Aplikation, weil mit hohem Abhängigkeitspotential sowol physischer als auch psychischer Art, versehen. Die Indikation ist sehr begrenzt, auch wenn die „verbrieften“ Nebenwirkungen im „Waschzettel“ einem etwas anders weißmachen wollen. Darum wird es zur Akuttherapie wie z.B. einer Sedierung (heute auch schon nicht mehr in dem Maße) eingesetzt und nicht zur Muskelrelaxation. … Und genau aus dem Grund des Suchtpotentials, werden Benzodiazepine wenn möglich, durch andere Medikamente des Bedarfs ersetzt. In der Psychiatrie ist es meines Wissens noch ziemlich verbreitet, was für ein breites Behandlungsspektrum spricht und dafür, entsprechend lang (wie dessen Aufenthalte dort) verordnet zu werden. Was Benzodiazepine auch nicht davon abhält, das am meisten verbreitete Missbrauchsmedikament zu sein.

Vielleicht gibt es ja tatsächlich noch seltene Exemplare von
Medizinern und Pharmazeuten, denen der hippokratische Eid mehr
als nur Werbewirksamkeit bedeutet. Aber wie groß die
Wahrscheinlichkeit ist, so jemandem zu begegnen, vermag ich
nicht abzuschätzen.

Es ist dummes Zeug, den hippokratischen Eid - den kein Mediziner und auch kein Pharmakologe leisten muss - als Ehtikgrundsatz in Zweifel zu ziehen und schon gar nicht, dort die Betroffenen bei der Ehre zu packen, nur weil andersdenkende ihn gerne aus Eigennützigkeit zum Selbstzweck, in Zweifel ziehen.

Erschwerend kommt bei mir hinzu, dass ich für die Datenpflege
medizinischer / therapeutischer Webseiten diverser Praxen und
Institute zuständig bin und auf diesem Weg viele Ärzte bzw.
Therapeuten

Wie du selbst schreibst, viele…
Mache dir die Mühe Zahlen zu eruieren und Relativiere dann bitte.

von der anderen Seite, also vom wirtschaftlichen
Interesse
her kennengelernt habe.

Was hast du gegen wirtschaftliche Interessen? Arbeitest du mit viel Idealismus und ohne Geld, also ohne wirtschaftliche Interessen? Wie ernährst du dich und diene Familie?

Dabei hat sich meine eigene
Einstellung zu medizinischen Berufen im Lauf der Jahre
vollständig gewandelt, hin zu der Haltung: "Nur ich selbst
vertrete ausschließlich meine Interessen.

Ja, ja, alle denken nur an sich, nur ich nicht, ich denke an mich!

Alle anderen
Beteiligten können ‚meine Interessen‘ zwangsläufig nur bedingt
vertreten, da sie primär dem eigenen wirtschaftlichen
Überleben und sekundär gesetzlichen und anderen Vorgaben (auch
Regressandrohungen) gehorchen müssen. Als Medizin-Endkunde
komme ich naturgemäß frühestens erst an dritter Stelle."

Unterstellt dass es so wäre: du kommst nicht an dritter Stelle weil du Medizin-Endkunde bist. Sondern alle unterliegen gewissen Sachzwängen. Wenn du an erster Stelle stehen würdest, könnten dann nicht die anderen mit deinen Argumenten genau so gegen dich lamentieren?

Dass es auch heute noch einige wenige medizinische Idealisten
gibt, die das „Patientenwohl“ deutlich höher ansiedeln, will
ich damit nicht in Abrede stellen. Aber es wäre nicht
besonders klug, dies von vornherein zu unterstellen, wenn man
gerade erst - ungefragt - einen neuen Medizindienstleister
kennengelernt hat, der sich zudem auch noch diametral anders
verhält, wie sein Vorgänger, mit dem man 1½ Jahrzehnte völlig
zufrieden war.

Du wunderst dich wenn sich jemand beschwert, weil du versuchst diese idealisten zur Ausnahme zu erklären und die anderen Bösewichte zur Regel?

Klüger ist es wahrscheinlich, sich insbesondere in der
Anfangszeit alle Optionen - zu einem Praxiswechsel - offen und
nach größtmöglicher Kundenfreundlichkeit Ausschau zu halten.

Viel Glück bei der Suche. Aber sei nicht enttäuscht wenn dir der nächste Arzt bezüglich Diazepame genau das gleich sagt, wie der vorherige. Wenn du dann endlich jemanden findest der deine Ansicht teilt, bist du - für dich selbst - bei dem Richtigen.

Viele Grüße, FM

Gruß
rolli

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von größtem Vorteil ist es, wenn man einen „Standpunkt“ durch „Wissen“ ersetzen kann!

Zum Teil zustimm! Aber man sollte nicht glauben, die Welt würde bereits erträglicher , bloß weil man möglichst viel von ihr weiß. Um Welt und Leben ertragen zu können, ist es häufig sogar von Vorteil, nicht zu viel zu wissen und stattdessen einen starken Glauben zu haben - worin auch immer.

Ja, auch ich belächele oft die Glaubenden und Gläubigen. Aber noch häufiger beneide ich sie um ihr (Gott-) oder was-auch-immer Vertrauen und das Fehlen von Angst vor dem Leben und dem Tod.

Und neben dem Glauben gibt es auch noch die persönlichen Wünsche/Bedürfnisse , die ebenfalls gar nichts mit Wissen zu tun haben. Sie sind einfach da und werden auf irgendeine Art und Weise psychisch und somatisch empfunden. Die befriedigt man auch nicht durch Wissen, sondern nur durch Taten - z. B. durch die Wohl-Tat einer angenehm leichten Sediertheit, bei der das Herz ruhig und gleichmäßig vor sich hinschlägt, was auch immer gerade mit einem geschieht.

Ich möchte daher ein wenig relativieren: Wissen ist nicht unter allen Umständen von größtem Vorteil, aber es hat im allgemeinen ein gewisses Vorteils potenzial und ist daher mit einem überzeugten Glauben (ich könnte auch sagen: mit einem stabilen Wahngebäude) und einer gelingenden Befriedigung seiner basalen Bedürfnisse durchaus auf eine Stufe zu stellen.

Man könnte auch von Vorurteilen sprechen…

Ja, das könnte man in der Tat. Diesbezüglich halte ich fest, dass es nur eine Frage der Kommunikation ist, ob man seine Vorurteile lieber als „Anfangsstandpunkte“ bezeichnet. Tatsächlich gibt es da keinen signifikanten Unterschied - wie zwischen so vielen sehr verschieden klingenden Begriffen, die aber doch alle dasselbe meinen, aber im einen Fall einen wissenschaftlich voreingenommenen Geist sehr viel mehr umschmeicheln und ihn von sich einnehmen, während sie im anderen Fall innerhalb von Sekunden größte Abscheu hervorzaubern können.

Wenn du zu dem Ergebnis kommst einen Standpunkt zu ändern, braucht es keine Mühen mehr dieses auch zu tun! Ist das logisch?

Das ist zwar logisch, aber leider nur selten auch psycho-logisch!

Ich habe es schon sehr oft erlebt, dass ich den Standpunkt eines anderen Menschen für den „vernünftigeren“ halte und mir wünsche, ebenfalls diesen Standpunkt einnehmen zu können. Da aber meine (basalen) Bedürfnisse meistens sehr viel mehr Durchsetzungskraft haben, als ein bloß „vernünftiger Standpunkt“, setzen sie sich in der Regel auch gegen diese „Vernunft“ durch. Das bisschen sapientia in mir bemüht sich dann zwar nach Kräften, muss aber schließlich angesichts der sehr viel mächtigeren Bedürfnisse klein beigeben.

Ich bekenne: Ich bin zwar vernunft begabt , aber ich nutze diese Begabung nur sehr selten. Deshalb bin ich heilfroh, dass mir manchmal meine halbwegs funktionierende Intuition den Ars** da gerettet hat, wo meine Vernunftbegabung grandios gescheitert ist. Leider ist auf die Intuition ebenso wenig Verlass wie auch Vernunft und Wissen …

Eine Hierarchie ist etwas anderes als eine Autorität. In der Befehlswelt der Militärs gibt es strenge Hierarchien. Eine anerkannte Kompetenz mit Wissen/Erfahrung auf seinem Fachgebiet braucht nicht zu überreden, sondern … überzeugt direkt …

Im Idealfall trifft das zu. Das ist dann „natürliche Autorität“, die sich nichts auf dieselbe einbildet, eben weil sie sie wirklich hat und das auch weiß und fühlt. Auf solche Menschen und ihre Expertise kann man sich sogar dann verlassen, wenn man sie nicht für ihre Expertise bezahlt hat.

Mir wurden dagegen häufig lediglich " Schein- Autoritäten" vorgesetzt. Die hatten dann zwar nicht unbedingt Ahnung von dem, was sie schwätzten, gaben sich dafür aber umso autoritärer, indem sie kein Hinterfragen und keinen Zweifel zuließen. Meistens war ich aber nicht sehr lange ihr „follower“.
Dass es solche Typen (die nichts als befehlen können) überhaupt gibt, liegt daran, dass wir ausgesprochen oder unausgesprochen so ziemlich alles - nicht nur das Militär - in Form von Hierarchien (zu deutsch „heilige Ordnungen“) aufgebaut haben, wahrscheinlich, weil wir nicht anders können.

Vor kurzem sah ich eine TV-Sendung, in der etliche CERN-MitarbeiterInnen mit unterschiedlichsten Ausbildungen und Funktionen zu Wort kamen. Mir prägte sich ein, dass viele von ihnen ihr gutes Gefühl zum Ausdruck brachten und sagten, am CERN gäbe es so gut wie keine Hierarchien. A) Das wäre m. E. tatsächlich ein Indiz dafür, dass dort ein großer Haufen echter Autoritäten kumuliert ist. B) Sorry, ich zweifele daran, dass das auch dann noch gilt, wenn eines Tages das Interesse der Geldgeber an diesem Projekt versiegen sollte.

Standpunkt oder Meinung? Entstanden durch betroffene Erfahrung?

Eher Standpunkt als Meinung. Entstanden durch basale Bedürfnisse, Wünsche und der Absicht, diese irgendwie befriedigen zu wollen.

Den für dich „besten“ Arzt, wirst du auf jeden Fall so nicht zwingend finden.

Hm … Aber wenn ich die Frage ein wenig umformuliere, kann ich die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhen. Ich muss mir nur genau überlegen, unter welchen Umständen ein beliebiger Arzt für mich der beste Arzt ist, z. B., indem ich die Frage stelle: „Kennt jemand einen Arzt, der sich - aufgrund eigener leidvoller Erfahrungen - bemüht, die Wünsche seiner Patienten (oder Kunden) zu erfüllen?“
Es mag sein, dass dieser Arzt dann von Anderen gerade nicht als „der beste“ bezeichnet wird. Aber ich bin ja nicht die Anderen. Ich bin ich. Und damit hab’ ich schon genug zu tun!

Was Benzodiazepine auch nicht davon abhält, das am meisten verbreitete Missbrauchsmedikament zu sein.

Der Begriff „Missbrauch“ wird aber auch sehr oft missbraucht - je nachdem, was man damit bezweckt. Für mich ist Missbrauch entweder der Gebrauch gegen den Willen des Missbrauchten (ich glaube aber nicht, dass Diazepam sich ernsthaft dagegen wehrt, gebraucht zu werden) oder man gebraucht es nicht bestimmungsgemäß, z. B. indem man es sich in die Ohren oder sonstwohin stopft. Ehrlich gesagt, habe ich von solch einem Missbrauch aber noch nicht gehört.

Was hast du gegen wirtschaftliche Interessen? Arbeitest du mit viel Idealismus und ohne Geld, also ohne wirtschaftliche Interessen? Wie ernährst du dich und diene Familie?

Letztere ernähre ich gar nicht, weil es sie nicht gibt.
Nein, ich habe nichts gegen ausgewogene wirtschaftliche Interessen. Auch ich bin schon lange kein Idealist mehr. Aber bei mir kommt auch niemand auf die Idee, zu glauben, er sei bei mir unter allen Umständen gut aufgehoben, weil ich stets primär in seinem Interesse handele. Nein, ich handele immer zuerst in MEINEM und erst in zweiter Linie im Kundeninteresse. Das sage ich aber auch ganz offen - meist gleich zu Beginn einer Kundenbeziehung.

Aber ich kenne (ohne Zahlenangaben zu machen) Mediziner, die ernsthaft von sich behaupten, das Wohl des Patienten immer an oberste Stelle zu stellen. Sie glauben das sogar selbst. Aber wenn ich dann meine technischen Dienstleistungen - wirklich human! - kalkuliere, so dass ich von ca. 1 Stunde Arbeitseinsatz lediglich ungefähr 8 Stunden leben, wohnen und mich ernähren kann (also keine Anhäufung von Reichtum), erlebe ich oft, wie die Kinnlade des in der Regel wesentlich besser verdienenden Mediziners herunterfällt. Manchmal kommen dann auch so Bemerkungen wie: „Da stelle ich aber lieber eine 1-Euro-Kraft ein!“ Wenn das ein Psychotherapeut zu mir sagt, frage ich mich immer, was er denn seinen Schwerstdepressiven sagt, die ihren Job verloren haben und dazu genötigt werden, sich für 1 Euro zu verdingen! Aber die Antwort kann ich mir selbst geben: Auch Psychotherapeuten sind bigott und häufig erschreckend unbewusst über ihren eigenen Schatten - was sie natürlich so nie zugeben würden.

Ja, ja, alle denken nur an sich, nur ich nicht, ich denke an mich!

Genau so ist es! Ein jeder denkt immer zuerst an sich. So hat uns die Evolution gebastelt. Und unsere kapitalistische Wirtschaft trägt ein weiteres dazu bei: „Du bist nur dann erfolgreich, wenn Du mit geringstmöglichem Aufwand ein Maximum an Profit erwirtschaftest und dabei nach und nach möglichst zum globalen Monopolisten wirst.“
Das ist zwar nicht sehr menschenfreundlich, aber so ist es. Wir sollten es nur alle zugeben; auch die Mediziner!

Wenn du an erster Stelle stehen würdest, könnten dann nicht die anderen mit deinen Argumenten genau so gegen dich lamentieren?

Ja, unbedingt! Aber ich bin weder Mediziner, noch verbreite ich eine Aura des unbedingten Vertrauens um mich und fordere dieses auch nicht ein.

Du wunderst dich wenn sich jemand beschwert, weil du versuchst diese idealisten zur Ausnahme zu erklären und die anderen Bösewichte zur Regel?

Nein, ich wundere mich nicht.

Aber sei nicht enttäuscht wenn dir der nächste Arzt bezüglich Diazepame genau das gleich sagt, wie der vorherige. Wenn du dann endlich jemanden findest der deine Ansicht teilt, bist du - für dich selbst - bei dem Richtigen.

Hier denkst Du genau wie ich! Ich bemühe mich, meine Enttäuschung irgendwie in Grenzen zu halten. Aber leicht ist es nicht, wie Du Dir vorstellen kannst!

Resümee : Das Leben ist verdammt schwer - und außerdem endet es meistens tödlich! (Dagegen richtet auch ärztliche Kunst nichts aus.) Ist es da nicht geradezu unverschämt, dass seit vielen hunderttausend Jahren geschlechtsreife Menschen einfach immer und immer wieder Kinder zeugen, ohne diese vorher zu fragen, ob sie überhaupt in diese Welt hineingeboren werden wollen … ?

Viele Grüße,
FatzManiac