Was genau ist eine Anzeige?

Aus einem aktuellen SPIEGEL Online - Artikel über die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Wikileaks-Gründer Assange:

„Dass Assange dann einen HIV-Test abgelehnt haben soll, soll der entscheidende Grund für den gemeinsamen Gang von A. und W. zur Polizei gewesen sein. Keine der beiden zeigte ihn aber an. Das Ermittlungsverfahren wurde allein von der zuständigen Staatsanwältin in Gang gesetzt.“
(Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,735533,…)

Ich dachte, wenn einer zur Polizei geht und dort etwas mitteilt, was evtl. strafbar ist, dann ist das schon eine Anzeige. Gibt es einen Unterschied zwischen der Meldung einer (möglichen) Straftat und einer Anzeige, und wenn ja, worin besteht dieser Unterschied? Kommt es vielleicht darauf an, ob man was unterschreibt? Oder gibt es diesen Unterschied vielleicht nur in Schweden, nicht in Deutschland?

(Wie Wikipedia zu entnehmen ist, ist Vergewaltigung bei uns ein Offizialdelikt, d.h. die Polizei/Staatsanwalt MUSS ermitteln, wenn sie Kenntnis davon erhält, egal ob das Opfer das will. Das heißt, sobald jemand zur Polizei geht und aussagt, wird sowieso ermittelt. Was für einen Unterschied sollte es da noch geben zwischen „Anzeige“ und „Aussage/Meldung“?)

Hallo,

es gibt keinen Unterschied.
Eine Strafanzeige ist die Mitteilung eines (Straftat-)Verdachtes an die zuständigen Behörden, nichts weiter.
Zweitrangig ist zunächst, ob es sich um ein Antrags- oder Offizialdelikt handelt.
Sollte es sich um ein Antragsdelikt handeln, weisen die aufnehmenden Beamten den Geschädigten in der Regel auf das Erfordernis des Strafantrags hin.
Allerdings ist es ratsam und unschädlich, immer einen Strafantrag zu stellen.

Erhält eine Polizeibehörde, aus welchen Gründen auch immer, Kenntnis von einer Straftat, dann MUSS sie ermitteln. Es gibt keine Wahlmöglichkeit. Nichtbeachten dieser zwingenden Vorschrift führt zur Strafbarkeit der Beamten. Erst ab Ebene Staatsanwalt darf beurteilt werden, ob das Verfahren weiterverfolgt wird oder nicht, er ist der Herr des Verfahrens.

Gruss

Iru

Gemäß §163 STPO haben Polizei und Staatsanwaltschaft die uneingeschränkte Pflicht Straftaten zu verfolgen. Sobald eine Straftat erkannt wird, muss diese also verfolgt werden. Dabei ist es völlig egal, um was für eine Straftat es sich handelt oder wie diese auf den ersten Blick zu beurteilen ist. Die Einleitung der Ermittlungen (der sog. erste Angriff) wird in der Regel durch die Polizei geführt. D.h. sie fertigen einen schriftlichen Vorgang (Anzeige) zu dem Straftatverdacht und ermitteln. Die Staatsanwaltschaft ist die Herrin des Verfahrens und beurteilt am Ende die getätigten Ermittlungen und die Umstände der Tat. Die Staatsanwaltschaft entscheidet auch, was dann aufgrund der Ermittlungsergebnisse geschieht (z.B. Erhebung einer Klage, also eine Gerichtsverhandlung). Im Rahmen dieser Beurteilung ist es also erst wichtig ob es sich um ein Antragsdelikt oder um eine Offizialdelikt handelte, ob Strafantrag gestellt wurde bzw. ob öffentliches Interesse bekundet ist usw… Es spielen also für die Beurteilung eine menge Faktoren eine Rolle. Erst der Richter entscheidet letztlich am Ende ob jemand dann die Straftat begangen hat bzw. wie oder ob er dafür zu bestrafen ist. Allerdings kann die Staatsanwaltschaft bei kleinen Straftaten das allg. Verfahren beschleunigen und ohne einen Richter selbst entscheiden (z.B. sofortige Einstellung oder einen Strafbefehl erlassen)

(der sog. erste Angriff)

Meines Erachtens ist das der erste _Zu_griff.

Die Staatsanwaltschaft ist die Herrin des
Verfahrens

Die Herrin des Vor- bzw. Ermittlungsverfahrens.

und beurteilt am Ende die getätigten Ermittlungen
und die Umstände der Tat.

Wieso erst am Ende? Wie kommst du auf so was?

Die Staatsanwaltschaft entscheidet
auch, was dann aufgrund der Ermittlungsergebnisse geschieht
(z.B. Erhebung einer Klage

Öffentliche Klage, auch Anklage genannt, aber keine Klage in dem Sinn, wie das Wort eigentlich gebraucht wird.

also eine Gerichtsverhandlung

Das kann man so nicht stehen lassen. Die Anklage führt nicht zur Gerichtsverhandlung, wenn das Gericht das Hauptverfahren nicht eröffnet, darum kann man nicht sagen, dass die StA das (allein) entscheidet.

Im
Rahmen dieser Beurteilung ist es also erst wichtig ob es sich
um ein Antragsdelikt oder um eine Offizialdelikt handelte, ob
Strafantrag gestellt wurde bzw. ob öffentliches Interesse
bekundet ist usw.

Nein, man ermittelt doch einen Sachverhalt nicht aus, wenn man z.B. weiß, dass ein erforderlicher Antrag nicht gestellt wurde.

Erst der Richter entscheidet
letztlich am Ende ob jemand dann die Straftat begangen hat

Nein, das kann man nicht entscheiden. Entweder hat der Angeklagte sie begangen oder nicht. Man kann das nur „erkennen“.

bzw. wie oder ob er dafür zu bestrafen ist.

Richtig :smile:

Allerdings kann
die Staatsanwaltschaft bei kleinen Straftaten das allg.
Verfahren beschleunigen und ohne einen Richter selbst
entscheiden (z.B. sofortige Einstellung oder einen Strafbefehl
erlassen)

Kein Staatsanwalt kann einen Strafbefehl erlassen. Dafür ist ebenfalls das Gericht zuständig.

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Hallo,

es gibt keinen Unterschied.
Eine Strafanzeige ist die Mitteilung eines
(Straftat-)Verdachtes an die zuständigen Behörden, nichts
weiter.

Das heisst, was in dem Artikel von Spiegel Online steht, ist entweder Quatsch oder macht nur für Schweden Sinn?