Was ist antiautoritäre Erziehung?

Sehr geehrte Experten,
mein Mann und ich wünschen uns seit langer Zeit ein Kind und beschäftigen uns seitdem viel mit Kindererziehung.
Wir hören immer viel von der antiautoritären Erziehung von kindern. Was aber verbirgt sich dahinter?
Es wäre toll eine Antwort zu bekommen!
Erika

Hallo Erika, ich hab kein Fachbuch über antiautoritäre Erziehung gelesen, sag aber mal, was ich drunter verstehe: Wahrscheinlich war es im Zusammenhang mit der 68er Bewegung, wo jede Autorität als böse galt und bekämpft werden musste, dass ein Erziehungsstil aufkam, der auf jede Machtausübung verzichten wollte. Was ja erst mal gut klingt. Keine Schläge, Drohungen, Strafen, Bevormundung, statt dessen Freiheit, Selbstverwirklichung, Partnerschaft, Gleichwertigkeit und so weiter. Das klingt echt gut und mancher Ansatz ist nachdenkenswert. Nur leider sind viele mit dieser Erziehungsmethode auf der anderen Seite vom Pferd gefallen…
Ich kenne etliche Beispiele, wo das überhaupt nicht gut ausging, deshalb löst das Stichwort antiautoritäre Erziehung bei mir ziemlichen Widerspruch aus. Oft sieht das in der Praxis eben so aus, dass Erziehung faktisch nicht stattfindet. Das Kind setzt immer seinen Willen durch, man will die kleine Seele nicht verletzen und bedrängen, das Kind weiß schon selber, was gut ist. Und wenn es soweit ist, wird es all die guten Eigenschaften schon von selber entwickeln. Oft steckt aber bei Eltern einfach die Angst dahinter - wenn ich meinem Kind widerspreche oder ihm Grenzen setze, liebt es mich nicht mehr. Dabei ist es eine unserer schwersten und wichtigsten Aufgaben, als Eltern stark und berechenbar standhaft zu sein, gerade, wenn sie trotzen, motzen, schimpfen bei dem, was wir sagen bzw. verlangen. Man kann Kindern damit so sehr schaden, wenn man ihnen keine Grenzen setzt, keine Regeln mitgibt, als Eltern nicht zuverlässig und berechenbar fest steht.
Ich bin sehr für eine positive Autorität in der Erziehung: Die Kinder brauchen bedingunslose Liebe und Annahme, sie brauchen unser ehrliches Interesse und unsre Zeit und Aufmerksamkeit. Sie brauchen Wertschätzung und dass wir ihnen was zutrauen.
Und sie brauchen dringend dazu klare Strukturen, Regeln, Grenzen, auch wenn es ihnen nicht passt. Ein Kind, dass feste Werte vermittelt bekommt, hat die Chance, charakterstark zu werden. Ein Kind, das immer seinen Willen bekommt, wird ein egoistisches Weichei.
Ein Kind, das Aufgaben hat und altersgerecht Verantwortung übernehmen muss - egal, ob es grade Lust hat, wird lebensfähiger und reifer im Sozialverhalten, als ein Kind, dass keine Pflichten bekommt.
Wir haben drei Kinder (10, 8 und 5)
und wir machen gute Erfahrungen damit, dass die Kinder wissen, was Mama und Papa sagen, wird gemacht. Punkt. Wir haben ein fröhliches und gesundes Familienklima. Alle sind geborgen zu Hause, die Kinder können gut mit anderen umgehen, lernen gut, es geht insgesamt relativ harmonisch zu. Das heißt nicht, dass es keinen Zoff gibt, kein Gemotze, keinen Streit. Das gibt es in jeder Familie. Aber ich habe den direkten Vergleich zu Familien, wo die Erziehung deutlich weniger konsequent ist - dort ist der Alltag wesentlich anstrengender - es gibt deutlich mehr Kämpfe, nervenaufreibende Quengeleien, es geht viel lauter und chaotischer zu.
Bei vielen Sachen ist es einfach gut, wenn die Kinder einmal wissen - so wird es gemacht, da hilft kein Trotzen - dann muss die selbe Sache nicht jedes Mal neu durchgekämpft werden.
Die besten Anregungen zu Erziehung haben wir letztes Jahr in Vorträgen von Dieter Leicht bekommen. Z.B. „Konsequenz in der Erziehung“ u.a. (die gibt es auch auf DVD - einfach mal googeln)
Und im Buch von Rudolf Dreikurs: „Kinder lernen aus den Folgen“ (liest sich am Anfang bissel zäh - ist aber dann super, zumindest wenn man mittendrin steht in der Erziehung)
Na ja, ich weiß nicht, ob euch mein Geschreibsel was nützt - falls ihr bald Eltern werdet - ein wichtiger Tipp: Oft machen einen ja die vielen Erziehungsbücher und Meinungen ganz verrückt und dabei will man es doch so gern richtig machen - wichtiger Merksatz:
Meistens gibt es mehrere richtige Möglichkeiten. Sehr oft reicht es schon, auf sein Bauchgefühl zu hören. Ein bisschen Gelassenheit ist oft mehr wert, als Perfektion.
Und wichtig finde ich, dass die Muttis sich nicht dauernd die Supermutter vorspielen und ihre Kinder dauernd fördern und so, sondern dass sie die Kinder mehr in Ruhe lassen und annehmen und liebhaben, wie sie sind. Und als Eltern immer lernwillig bleiben, die eigne Erziehungsarbeit reflektieren und verbessern wollen…
So, das wärs für heute.
Viele Grüße
Uta

Hallo Erika,

ich hab jetzt nur flüchtig den Text meiner Vorrednerin gelesen und will dir mal eine kurze und knappe Antwort zu deiner Frage geben, wobei ich nicht ausschließen will das die Antwort bereits im langen Text vor mir steckt.

Unter der antiautoriräten Erziehung verstehe ich eine Erziehung OHNE Regeln, ohne Grenzen, ohne Bevormundung. Kurz gesagt, dass Kind darf tun und lassen was es will, wann es will, wie es das will. In den 70iger Jahren war dies ein sehr beliebter Erziehungsstil, vermutlich auch weils anfangs auch ein bequemer war. Jedoch sieht man noch heute die Auswirkungen der damailigen Zeit. Die Kinder von damals erziehen JETZT WIEDER ihre Kinder so wie sie erzogen wurden. Ergo, die Kinder haben kaum Anstand, kaum Benehmen und der Respekt gegenüber anderen geht gegen Null.

Eine rein antiautoritäre Erziehung ist schwachsinn und absolut überflüssig.

Ich hoffe, dass ich dir weiterhelfen konnte.

LG
Mario

Hallo Erika,
meinen Vorrednerinnen kann ich nur zustimmen.
Ursprünglich war die antiautoritäre Erziehung als Experiment gedacht, indem Kinder selbst die Regeln des Zusammenlebens aushandeln, also diese nicht von außen autoritär vorgegeben werden „weil es schon immer so war“. Das wurde dann aber gründlich missverstanden und man ließ die Kinder im „laisser faire“ Stil ohne Regeln aufwachsen, was zu den oben genannten Missständen führte.
Ich kann noch ein Buch sehr empfehlen auch von Dreikurs und … mit Namen „Kinder fordern uns heraus“.
Das war praktisch meine Bibel. Unsere Kinder machen uns viel Freude und die 5 Enkelkinder von 15 - 3 Jahren auch.
Kinder werden schon klug geboren, können sich nur nicht ausdrücken, das soll man nie vergessen, und sie sind unsere Begleiter für eine kurze Zeit. Sie sind sehr verschieden, auch von uns. Sie können sich fast an alles anpassen, leider auch an schlechte Vorbilder. Sie haben ihren eigenen Wert und man sollte den Respekt auf Gegenseitigkeit nicht vergessen.
Ganz herzliche Grüße,
Sigrid