Was ist der 'lyrische Moment'?

Hallo,
ich arbeite mich gerade durch ein Abitur-Wissen Buch zum Thema Lyrik.
Dabei wird bei der Gliederung einer Gedichtsinterpretation unter „Textbeschreibung“ erwähnt man solle auf das „lyrische Moment“ eingehen.
Ich weiss was ein lyrisches Ich ist aber ein lyrischer Moment??
Der wurde leider nicht beschrieben und ich kann mir einfach nichts darunter vorstellen. Zudem muss ich zugeben, dass sich die Lyrik bis jetzt nicht erschlossen hat.
Es würde mich freuen, wenn mir jemand diesen lyrischen Moment erklären könnte.

Danke im Voraus

Hi Windbeutel!

zunächst: es heißt das lyrische Moment, nicht der lyrische Moment.

Das lyrische Moment ist das, was ein Gedicht zu einem Gedicht macht, bzw. was uns Lyrik oder lyrische Andeutungen erkennen lässt. Wie so oft ist es ein schwammiger Begriff, der meiner Meinung nach auch nicht einheitlich genutzt wird.
Ganz grob gesagt: Lyrik benutzt eine ganz besondere (verdichtete, gehobene und symbolische) Sprache, eine besondere Form (Strophen z.B.), hat besondere Themen und Motive, die sich mit den Jahrhunderten immer wieder wiederholen. Was nun ein Gedicht z.B. von einem Liedtext unterscheidet (der ja durchaus auch in Strophenform steht), ist, dass das Gedicht auf diese formalen, sprachlichen und inhaltlichen Besonderheiten zurückgreift (wobei eben auch das Transportieren von Stimmungen und Gefühlen mit reinspielt). Und wenn man diese erkannt hat, spricht man vom lyrischen Moment des Gedichts.

Gemein ist jetzt halt, dass durchaus auch Prosa ein solch lyrisches Moment aufweisen kann, nämlich dann, wenn sie die oben genannten lyrischen Züge trägt.

Allerdings lasse ich mich von kundigen Menschen auch gerne in meinem Verständnis des lyrischen Moments verbessern:wink:

Gruß
Dine

Hallo Windbeutel,

Dein Problem hier ist einfach, dass Du nicht weißt, was „das Moment“ bedeutet. Du denkst wahrscheinlich immer an „den Moment“, also den Augenblick, einen bestimmten Zeitpunkt.
Das Moment“ hat mit der Zeit aber gar nichts zu tun, es bedeutet vielmehr „Aspekt“, „Eigenschaft“, „Merkmal“. Das „lyrische Moment“ meint also lyrische Eigenschaften eines (im Allgemeinen Prosa-)Textes, Merkmale, die man eher einem Gedicht zuordnen würde.
Das kann z.B. ein überaus bildhafter Vergleich sein oder die Wahl außergewöhnlicher Wörter. Im Alltag würde man vielleicht nicht sagen: „Das klingt ja sehr lyrisch“, sondern eher: „Das klingt sehr romantisch“.
Womit das Wort „lyrisch“ auch geklärt wäre, denn nicht alles, was lyrisch ist, ist ein Gedicht (vgl. z.B. den ersten Satz in Eichendorffs „Marmorbild“ [http://de.wikisource.org/wiki/Das_Marmorbild] mit seinen sich „fröhlichschwärmend“ ergehenden „zierlichen“ Damen und Herren); noch ist alles, was ein Gedicht ist, lyrisch (vgl. Benns „Kleine Aster“ mit dem „ersoffenen Bierfahrer“; kann ich hier leider nicht verlinken, weil es noch dem Urheberrecht unterliegt – aber Google findet’s trotzdem).

Hoffe, geholfen zu haben.

Liebe Grüße
Immo