Was ist Geschichte?

Hallo,
ich habe demnächst meine erste Stunde Geschichte in einer 5. Klasse und wollte mit der Frage: Was ist Geschichte eigentlich bzw. womit beschäftigt sich Geschichte? starten. Dann wollte ich die Antworten an der Tafel in einer Art MindMap sammeln. Meint Ihr diese Möglichkeit eignet sich gut als Einstieg in das Fach? Mit welchen Antworten kann ich denn so rechnen.
Habe mir folgende Antworten überlegt:

  • überall findet Geschichte statt
  • jeder Mensch hat eine eigene Geschichte
  • Wir erfahren wann/warum bestimmte Ereignisse (z.B. Kriege) passiert sind und welche Folgen diese hatten
  • man unterteilt die Geschichte in Epochen (z.B. Antike, Mittelalter)
  • Geschichte beschäftigt sich damit wie die Menschen früher lebten
  • wie sie aussahen
  • wie/wo sie gelebt haben
  • was sie entdeckt/erfunden haben
  • woran sie geglaubt haben
  • wie sie sich fortbewegt haben
  • als was sie gearbeitet haben
  • wir erfahren etwas über das Leben der einfachen Leute, aber auch über das Leben von Königen, Kaisern, Feldherren und Pharaonen
  • Geschichte beschäftigt sich mit Entwicklungen/ Veränderungen
  • Geschichte beschäftigt sich mit verschiedenen Kulturen (wie z.B. Rom, Griechenland u. Ägypten)

Fehlen noch wichtige Punkte?

Vielen Dank im Voraus,
Ramona

Liebe Ramona

Du hast natürlich schon fast alles aufgezählt, was zur Geschichte gehört. Gewisse Punkte gehören meines Erachtens in Spezialgebiete der Geschichte (wie genau die Menschen lebten, an was genau sie glaubten). Auch bezüglich Entstehung und Folge von Kriegen wird in der Geschichte selten genau analysiert. Meistens geht es um Macht und Vorherrschaft, Kampf um Ressourcen (fruchtbares Land, Bodenschätze, Verkehrswege). Machtpolitik wird häufig durch religiöse Argumentation getarnt. Zwei Punkte als Ergänzung zu Deiner Liste:

Geschichte ist häufig auch die Geschichte von Dynastien
Geschichte berichtet auch vom Handel, den Handelswegen und den Transportmitteln

Mit den besten Grüssen
Claude

Liebe Ramona

Halte Dich auch auf die Frage gefasst, wozu Geschichte überhaupt nützlich sein soll! Lohnt es sich, soviele Namen von Herrschern, Helden und Schlachtorten mit den zugehörigen Daten auswendig zu lernen? Kann man mit Geschichte Brot kaufen, falls man nicht zufällig Geschichtslehrer ist?

Ich persönlich finde Geschichte interessant. Wahrscheinlich die meisten Mitmenschen auch. Aber welchen nachweisbaren Nutzen bringt die Geschichte?

Gruss
Claude

Hallo Ramona,

ich habe demnächst meine erste Stunde Geschichte in einer 5.
Klasse und wollte mit der Frage: Was ist Geschichte eigentlich
bzw. womit beschäftigt sich Geschichte? starten.

nun bin ich nicht vom Fach, aber vielleicht ist auch der folgende Gedanke hilfreich: Analog zu den Naturwissenschaften könnte man auch fordern, dass Geschichte nach folgenden Dingen fragt:

  • Erscheinungen
  • Kräfte
  • Gesetze

Zunächst einmal schaut sich Geschichte an, welche Erscheinungen es gibt: Organisationsformen von Herrschaft und Wirtschaft, Dynastien, Kriege etc. Diese Erscheinungen kann man zeitlich ordnen und erhält dann ein Kalendarium. Man kann sie auch räumlich oder inhaltlich ordnen, z.B. nach der Frage, welche Organisationsformen Menschen unter welchen Bedingungen ausprobiert haben und wie erfolgreich sie waren.

Sodann muss Geschichte aufklären, welche Kräfte zu diesen Erscheinungen geführt haben (z.B. Wirtschaftsform, daraus resultierender Platzbedarf, vorhandener Platz, Bevölkerungsentwicklung oder auch technische Entwicklungen: Ich habe mal gelesen, dass England zur Zeit der Religionskriege über eine führende Kanonengusstechnik verfügt haben soll, die es den englischen Schiffen ermöglicht habe, sich die Schiffe der spanischen Armada vom Leib zu halten, so dass die Invasion Englands - in Verbindung mit den Stürmen - vermieden werden konnte. Das war insofern wichtig, als dass England als nichtkatholisches Land Schutzmacht für die protestantischen Lande auf dem Festland war).

Dann kann Geschichte ableiten, ob es geschichtliche Gesetzmäßigkeiten gibt, die uns auch in unserer heutigen Zeit ein Leitfaden sein können. So bin ich überzeugt, dass der Untergang des römischen Reiches darin begründet lag, dass es damals keine Faxgeräte gab. Andererseits scheint mir heute die Fähigkeit zu planen verloren zu gehen, weil sich junge Leute nach meinem Dafürhalten just-in-time organisieren, was nicht jeder Problemstellung gerecht wird. Früher haben wir uns in der Schule für die Zeit danach verabredet. Das hat auch Verbindlichkeiten geschaffen. Heute kann man jederzeit alles über den Haufen werfen und sich neu organisieren. Was macht das mit uns? Du kannst Deinen SchülerInnen ja mal die Frage stellen, was sie ohne Handy täten.

Grüße, Thomas

Zu umgangreich… Du hast schon in deinen Vorüberlegungen zu viele Begriffe drin, die die Kinder nicht kennen können. Die dann kommenden Fragen würden dich in arge Bedrängnis bringen und neue Fragen würden auftauchen. Das wird eine Stunde für die Überflieger. Ich mache meine ersten STunden im Fach Geschichte für jede Klasse so: Ich habe ein Arbeitsblatt erarbeitet, auf dem Bilder, Diagramme und solche Sachen aus dem Lehrbuch abgebildet sind. Die Schüler suchen diese Bilder im Buch und schreiben dahinter, was es ist und auf welcher Seite das zu finden ist. Besonders in der ersten Stunde solltest du handlungsorientierten Unterricht achten, damit mit einer Defintions- bzw. Frage Antwort Stunde den Kindern nicht der Spaß am Geschichtsunterricht genommen wird. Gehe mit den Kindern in deinem Ortsteil rum, zeige ihnen Geschichte, gehe in eine Bibliothek, aber möglichst in der ersten Zeit nicht in ein Museum. Oder zeige ihnen Modelle aus der Geschichte. (Pyramiden, Obelisken, Tempel, Limes, Götterstatuen, Burgen) Dann kannst du in den nächsten Stunden die Schüler nach ihrer privaten Geschichte fragen - Eltern, Großeltern, Urgroßeltern… Woher wissen wir etwas über unsere Vorfahren? Dann allgemein dazu übergehen, woher wir etwas über Geschichte und Vergangens wissen. Aber: DU kennst deine Klasse - DU musst wissen, wie du ihr Interesse an Geschichte wach hälst. Du entscheidest in den ersten Geschichtsstunden über das Interesse der Schüler an diesem Fach. Deshalb bitte: Keine bloße Theoriestunden.

Gruß Micha
(Geschichtsleher)

Hallo!

Ich halte die Methode für grundlegend falsch.

Ich bin kein Geschichtelehrer, aber ich kenne Schüler der 5. Klasse und kann mir in etwa vorstellen, wie die ticken. Ich vermute, dass kein einziger der Punkte genannt werden wird, die Du aufgeführt hast.

Kinder in dieser Altersklasse denken sehr konkret. Wenn Du sie fragst, was „Geschichte“ ist, dann werden sie vermutlich folgende Begriffe nennen:

Ritter, Burgen, Mittelalter, Römer, Kriege, Hitler, Könige, Steinzeit, …

Was Du damit dann anfängst, weiß ich nicht. Vor allem: Wie wird dann die Mindmap aussehen?

Nun sollte ich eigentlich einen Gegenvorschlag bringen. Das ist aber mir Vorsicht zu genießen, da ich nicht vom Fach bin. Ich würde exemplarisch darstellen, wie Geschichte funktioniert. Vielleicht gibt es in Deiner Gegend eine alte Sage mit wahrem Kern? Ein altes Gemäuer, dessen Ursprung man wissen will? Ein seltener Nachname, der ausländisch klingt? … irgend so etwas, was neugierig macht. Im optimalen Fall kann man daran gleich mehrere Methoden (Quellenarbeit, Archäologie, Chronologie, …) demonstrieren.

Michael

Hallo

Ich würde auf jeden Fall auch auf das Wort ‚Geschichte‘ zu sprechen kommen. Ich vermute mal, dass sich diese Wissenschaft irgendwann aus den Geschichten entwickelte, die man sich so erzählte. Und dass das Wort ‚Geschichte‘ von ‚geschehen‘ kommt. Und dass Geschichte eben das ist, was geschehen ist.

Ich glaube übrigens, dass man früher auch in der Schule eher Geschichten aus der Geschichte gelehrt hat, und dass sie deswegen für viele Schüler wesentlich spannender war als heute (meine Eltern fanden Geschichte in der Schule jedenfalls spannend), wo man nicht einzelne Geschichten, sondern nach Möglichkeit direkt den ganzen Überblick beizubringen versucht, für den viele Kinder noch keinen Verständnis haben. Denn: zuerst wenigstens ein paar Einzelheiten, dann erst der Überblick, sonst zu unkonkret. Aber nun ja, Lehrplan.

Ich kann nur sagen, dass meine beiden Kinder Geschichte wahnsinnig langweilig finden, und ich empfand es damals in der Schule auch nicht anders. Das meiste war so stark zusammengefasst, dass man es sich nicht mehr vorstellen konnte. Das kann man doch erst, wenn man auch ein paar konkrete ‚Geschichten‘ gehört hat, z. B. in Form von Geschichtsromanen.

Ich persönlich fände es sinnvoller, Geschichte lieber unvollständig zu lehren, als vollständig, aber so, dass man sie sofort wieder vergisst.

Viele Grüße

Hallo,

ich halte die Fragestellung aus mehreren Gründen für wenig geeignet, um damit die SuS in ein neues Fach einzuführen:
-„Geschichte“ ist an sich ein sehr komplexes und abstraktes Konstrukt. Das würde die allermeisten Fünftklässer gnadenlos überfordern. Die denken eher praktisch-konkret (zb. Thema „Eroberung der Neuen Welt“ anhand der Biographie von Kolumbus druchnehmen, anstatt die „makroökonomischen Strukturen im Europa des ausgehenden Mittelalters“ zu untersuchen.)
-Um eine Vorstellung davon zu haben, was Geschichte ist, muss man über historisches Wissen verfügen. Die meisten Fünftklässer werden auf diesem Gebiet aber wohl nur sehr wenig wissen. Wer hat eine Vorstellung davon, was Physik ist, wenn er nicht weiß, was der Inhalt des Faches ist? Man kann zwar eine Definition reinhauen, was Geschichte ist. Aber was bringts den Schülern?

Ich würde mir diesen Ansatz für die Mittel- oder Oberstufe aufheben.

Hol die Schüler doch lieber in ihrer eigenen Lebenswelt ab, indem Du zb. als Hausaufgabe aufgibst, einen Familienstammbaum zu basteln. Damit leisten sie automatisch, ohne es zu wissen, bereits einige Aufgaben, die Arbeiten mit historischem Stoff mit sich bringen, und sie kommen bereits mit „Quellen“ (Eltern, Großeltern -> „Oral History“) in Kontakt.

Muss man ja nich zwangsläufig thematisieren. Wäre aber recht sinnvoll um langsam ein Geschichtsbewusstsein aufzubauen.

Gruß
Betasator

Hallo Noni,
Vermutlich ist es schon zu spät aber ich würde unbedingt ein Punkt daraus machen (oder zumindet nennen), die Wichtigkeit die der Religion überhaupt in der Geschichte gehabt und noch heute hat. Und natürlich die Konsequenzen davon. Allerdings alles ALTERSGERECHT.

ZB.

  • Amerika würde im Namen Christus erobert
  • Für Kommunismus war Religion „das Opium des Volkes“
  • Im Mittelalter alles (oder von mir geschätzten zumindest 97%) was mit Bildung und Kultur zu tun hatte, fand hinter Kloster- oder Domgemäuer statt.
  • Wie sehr beeinflusste Religion das Leben der Griechen und Römer. Und damit meine ich der Alltag für den Durchschnittsrömer bzw. -grieche oder -ägypter
  • Damals, im XVIII Jh. bei der Sklaverei in den heutigen USA, Menschen waren von Tier nur zu unterscheiden, weil die Weissen an einen Gott glaubten und die Schwarzen (aus Sicht der Weissen) an niemand
  • Das ganze heutige Fundamentalismus basiert im Prinzip einzig und allein auf Religion und wie die sog. „Heilige Schrift“ verstanden und bedeutet wird.
  • usw, usf.

Ich finde gerade jetzt, bei 9-, 10- oder gar 11-jährigen genau das passende Alter, um sie diese Tatsache bewußt zu machen. Aber, ich wiederhole, alles altersgerecht erklärt.

Und noch was: Diese Liste habe ich so aus dem Kopf. Von daher ist es ganz sicher unvollständig.

Viel Spaß und Glück und alles Gute,
Helena

Also all das ist nicht geschichte für mich:

  • Geschichte beschäftigt sich damit wie die Menschen früher lebten
  • wie sie aussahen
  • wie/wo sie gelebt haben
  • was sie entdeckt/erfunden haben
  • woran sie geglaubt haben

und auch deine angeführten Kulturen(rom Ägypten usw. unterscheiden sich ja nun kaum,und sind wohl eher eine kultur). Vielleicht kann man ja mit der These vorweggehen. Geschichte und geschichtsschreibung ist letztlich nur das reflektieren in der Vergangenheit über die eigene Gesellschaft. Warum sollten 5. Klässler nicht von beginn an lernen, das Geschcihte eben nicht all das ist was du oben aufgezählt hast, sondern immer Interpretaionssache von historikern/innen