Nicht verzweifeln, lieber Desperado!
Es hat schon alles seine Richtigkeit.
Wenn wir das Wort Kultur anschauen, so finden wir dahinter das lateinische Verb „colere“, was „bebauen (landwirtschaftlich), bewohnen (durch Menschen), pflegen und (religiös) verehren“ bedeutet. Also den Eingriff des Menschen in die Natur.
Wenn wir die Welt heute anschauen, so muss man wohl zugeben, dass es auf dieser Erde keine Natur mehr gibt, denn überall hat der Mensch inzwischen reingepfuscht. Zuletzt auch noch ins Klima!
Wenn also Christo mit seinen spektakulären Aktionen irgendwo an irgend etwas rumpfuscht, ist er ein Kulturschöpfer.
- Den Kalauer: KUNST kommt von KÖNNEN, nicht von WOLLEN, sonst hieße es WUNST, erspare ich mir hier. -
Wenn Christo bei seinen Aktionen technisches KÖNNEN aufwendet, ist er dazu noch ein Künstler. Und wenn du den technischen Aufwand anschaust, der bei der Reichstagsverhüllung betrieben wurde anschaust, wirst du zugeben müssen, dass da sehr viel KUNST aufgewendet wurde.
Ich zum Beispiel habe in der Wüste zwischen Assuan und Abu Simpel während einer Pinkelpause der Reisegesellschaft einige Steine, die da rumlagen, aufeinander gestellt. Damit habe ich die Natur verändert und Kultur geschaffen. Da es einige Kunstfertigkeit bedurfte, um die unbehauenen Steine aufeinander zu stellen, war ich zugleich auch Künstler.
Vielleicht waren auch die Verrichtungen meiner Reisegefährten Kulturschöpfungen; ob sie Kunst waren, will ich nicht behaupten.
Zugegeben: Das ist ein sehr minimalistischer Kultur- und Kunstbegriff. Aber so weit sind wir heute! Durch unsere eigen Schuld, wie ich meine, weil seit hundert Jahren etwa die Begriffe systematisch ausgehöhlt und verderbt wurden. Vor allem durch die allumfassende Kommerzialisierung.
Ich stelle mir oft vor, wie Picasso sich kringelig lachte, wenn er wieder einmal ein Blatt, auf dem er die Farbe von seinem Pinsel abstrich, signierte und als Kunstwerk verkaufte.
Also nicht verzweifeln! Einfach nicht hinsehen und bloß nicht hingehen!
Gruß Fritz Ruppricht