Was ist nur mit meiner Bekannten los?

Hat es was mit dem Kiffen zu tun?
Hallo,

Es geht um eine gute Freundin,bei der ich langsam nicht mehr weiter weiss.

Wir lernten uns letztes Jahr kennen.
Sie ist ansich eine gute Seele und wirklich nicht doof.
Da wir bei im Studiwohheim wohnten haben wir so gut wie jeden Tag zusammen verbracht.
Mir ging es damals nicht so gut und sie hat mir da sehr geholfen.

Sie hat mir erzählt,dass sie ab und an kifft,so wirklich mitbekommen habe ich das aber nie.

Was mir aber auffiel war,dass sie fast immer nur zu Hause saß.
Bei gemeinsamen Aktivitäten war sie zwar ab und an dabei,aber nicht sehr oft.

Mittlerweile wohnen ich,sie und ein drittes Mädel zusammen,ansich ist es wirklich nett.
Es gab aber in der letzen Zeit mehrfach Streit,unter anderem weil einfach noch viel zu tun war in der Wohnung und sie einen Bekannten bei uns wohnen liess der nun unseren Keller komplett vollgestellt hat und sich im Moment nicht mehr meldet (Handy hat er bei uns liegenlassen).

Gut,das nur so am Rande.

Mittlerweile mach ich mir aber doch ein wenig Sorgen.
Meine Freundin ist 30, belegt 2 Kurse pro Semester an der Uni und geht 3-4 mal die Woche 2 Std.pro Tag arbeiten.

Sie ist also meistens zu Hause und liegt im Bett.
Dennoch sagt sie,dass sie furchtbar fertig ist von allem und nicht mehr soviel machen kann.
Hm,und das wo sie eigentlich kaum was macht.

Nun habe ich neulich ein Buch bei ihr gesehen
„Leben ohne Cannabis“ oder so ähnlich.
Ich weiss eigentlich garnicht ob sie noch kifft oder nicht,sie wirkt präsent,intelligent,aber eben immer fertig.

Eine weitere Sache ist die,dass sie sehr schnell gereizt ist.
Also nicht exrem aggressiv,aber sie versucht schon immer ihre Meinung durchzusetzen und mit einem Nein oder einer anderen Meinung kommt sie nur sehr schwer klar.

Sonst ist das Zusammenleben mir ihr aber sehr schön,da sie auch eine sehr liebe und intelligente Seite an sich hat.
Nur habe ich eben sowas noch nicht erlebt,dass jemand immer den ganzen Tag völlig fertig ist.

Ich frage mich ob das mit dem Kiffen oder eben nicht mehr Kiffen zu tun hat.

Wenn jemand sowas kennt,würde ich mich über Erfahrungen freuen!!

Danke!!

hallo elli92,
Du machst Dir, wie Du das Verhalten Deiner Freundin beschreibst, zu Recht Sorgen und bist mit Deiner Initiative erst einmal eine richtig gute Freundin.
Dazu kann ich deiner Freundin nur beglückwünschen.

Psychologisches ohne Anschauung über Internet ist immer problematisch, gleichzeitig will ich meine Assoziationen beschreiben: Von früher kenne ich es, dass Kiffen antriebschwach machen kann und dass ein Glückempfinden ohne „Rausch“ nur noch schwer möglich ist.
Vielleicht kannst Du Deiner Freundin professionelle Hilfe empfehlen, immerhin hat sie sich ein Buch gekauft, der erste Schritt dorthin. Sie könnte zu einem Arzt gehen, der sie zu einem Therapeuten schickt, oder Anlaufstellen in der Uni, die haben in der Regel viel Erfahrung. Ohne fremde Hilfe ist es meist schwer, Do solltest Dich auch nicht überfordern.

Viele Grüße

hallo elli,

es ist schwer, nur aufgrund deiner schilderung so etwas wie eine diagnose zu stellen.

wenn deine freundin viel cannabis raucht, kann es etwas damit zu tun haben, muss aber nicht. gereiztheit kann ebenfalls auftreten, wenn sie gerade nicht „drauf“ ist, muss aber nicht damit zusammenhängen.

wenn du ihr helfen willst, schlage ihr doch einen besuch bei einem psychotherapeuten vor, der nimmt sich ausführlich zeit, um eine genaue diagnose zu stellen.

gruß

Auch ich unterstütze den Vorschlag, zu einer psychologischen Beratungsstelle zu gehen. Ein direkter Termin bei einem Psychotherapeuten wird wohl nicht machbar sein.

Ich würde nicht unbedingt den Konsum von Cannabis als Hauptgrund für ihre Antriebslosigkeit sehen. Natürlich ist das EINE mögliche Erklärung - allerdings ist die etwas zu einfach. Cannabis ist vor allem eine Droge die psychisch Abhängig macht. Eine gewisse demotiviertheit beim Absetzen oder bei Übermäßigem Konsum kann vorkommen, wird aber normalerweise nicht zum Dauerzustand: Beim Dauerkonsum kommt es zur körperlichen Resistenzbildung, beim Absetzen sollte die Motivation nach wenigen Tagen steigen.

Viel eher würde ich hinterfragen ob es da eine gemeinsame, dritte Ursache gibt. Also etwas, das sie Antrieblos macht und das sie zum rauchen von Cannabis verführt, da sie so vielleicht einem unangenehmen Zustand entkommen kann.

Eine Diagnose würde ich aus der ferne nicht Wagen, allerdings ist es immer viel zu einfach alles auf Drogenkonsum zu schieben. Der Konsum kommt schließlich auch irgendwo her - wenn es nicht die Teenager Clique von damals war. Fortgesetzter Konsum, der die alltäglich Leistung enorm einschränkt, ist entweder eine schwere Sucht - oder eben aber ein anderes Problem.

Es könnte sein, dass sie den selben Schluss zieht, wie du: Dass das Kiffen Schuld sei. Aber auch das wäre üblich, sollte noch ein drittes Problem dahinter stehen, das in Wirklichkeit für die Probleme sorgt.

Es gibt eine Geschichte über „Tim (oder Lisa, wie man will), den Kiffer“.
Tim konnte niemals gut Aufsätze schreiben. Und Texte interpretieren lag ihm auch nicht. Allgemein war er nicht so der Typ, der Texte versthen konnte oder wollte - sie interessieren ihn nicht. Tim ist 15 und fängt an zu kiffen.
Ein paar Jahre später ist Tim in der Oberstufe. Er kommt ganz gut durch, könnte aber noch besser sein. Seine Noten sind unterer Durchschnitt. Er beginnt sich zu fragen wo und wie er etwas besser machen könnte. Er schaut sich seinen Cannabis-Konsum an. „Klar!“, denkt sich Tim. „Klar! Wenn ich jeden Tag kiffe, dann ist mein Ausdrucksvermögen und Textverständnis bestimmt schwer eingeschränkt. Ich lasse das Kiffen sein und werd besser.“

Tim kämpft sich also durch den (psychischen) Entzug. Er schläft ein paar Tage wenig und schlecht, ist reizbar und findet die Welt viel unlustiger und viel realer als zuvor.
Und er schreibt Deutsch mit. Er ist überzeugt, er müsse besser Abschneiden als üblich - er hat ja den Grund seiner schlechten Noten eliminiert. Oder?

Nein. Er ist nicht besser geworden. Denn der Grund für seine Noten war nicht (nur) das Kiffen, sondern hauptsächlich sein mangelndes Interesse am Fach, am Schreiben, am Analysieren von Texten. Ob nun Kiffer oder nicht - die Note wäre hier gleich geblieben. Aber das weiß Tim nicht. „Ach jetzt ist eh egal.“, sagt er und besorgt sich was Neues zum rauchen.

Tim macht das noch häufiger. Mit dem Kiffen aufhören, weil er glaubt, dadurch ein Defizit verbessern zu können, das gar keinen direkten Zusammenhang mit dem Kiffen besitzt. Durch das ständige Aufhören- feststellen, dass es umsonst war - wieder anfangen wird Tim immer tiefer in eine psychische Cannabisabhängigkeit getrieben, es fällt ihm jedes mal schwerer aufzuhören und die eigentlichen Probleme bekämpft er trotzdem nicht.

Was ich sagen will: Kiffen ist nicht toll, nicht empfehlenswert und absolut nicht Antriebssteigernd - aber es ist auch nicht der Grund und die Ursache aller Probleme. Vielmehr ist Kiffen wahrscheinlich ein Symptom, eine Folge und du solltest sie motivieren in einer psychologischen Beratung dieses „Urproblem“ zu finden, das all diese Probleme hervorruft.

Grüße,

Praefrontal