Was 'ist' Versicherung?- Eine Einführung (1)

Der nachfolgende Artikel - der bei Interesse fortgesetzt wird - soll allgemein verständlich Sinn und Zweck der Versicherung und des untrennbar damit verbundenen Versicherungsschutzes und (vielleicht) allgemein interessierende Hintergründe aufzeigen.

Ältestes „Gewerbe“ der Welt

Vielfach wird die Prostitution (= Verschaffung von sexueller Lust für Gegenleistungen) als „ältestes Gewerbe der Welt“ bezeichnet. Wer das behauptet, hat nicht richtig nachgedacht. Sehr viel älter und darüber hinaus auch weiter verbreitet ist das „Gewerbe“ Versicherung.

Der schlechte Ruf, den das „Versicherungsgewerbe“ heutzutage „genießt“, ist dagegen im System begründet, hausgemacht und in bestimmten Bereichen auch berechtigt. Die Versicherungswirtschaft hat viel zu lange gezögert, die Ursachen dieses Rufes zu beseitigen. Und tut dies auch heute noch zum Teil viel zu halbherzig. Warum dies so ist, werden Sie im Rahmen dieser Artikelserie u. a. auch erfahren.

Was ist „Versicherung“?

Versicherung ist nichts weiter als eine „Risikogemeinschaft“, die insgesamt bestrebt ist, die Folgen einer (i. d. R. negativen) „Planabweichung“ für die Gemeinschaft und/oder den Einzelnen so gering als möglich zu halten.

Jedes einzelne Mitglied einer „Risikogemeinschaft“ muß hierzu seinen Teil nach den Regeln dieser Gemeinschaft beitragen. Als Gegenleistung erfährt es die daraus gewonnene Sicherheit dieser Gemeinschaft. Und es wird „bestraft“ - z. B. durch Ausschluß oder Leistungsverweigerung - wenn es seinen Teil nicht erbringt.

Versicherung im ursprünglichen Sinn ist nicht auf den Menschen oder auf die Gattung der Säugetiere beschränkt, sondern sogar besonders stark im Insektenbereich vertreten. Besonders augenfällig ist dies bei der „Sozialgemeinschaft“ der Bienen und Ameisen. Bestimmendes „Planziel“ ist hier die Erhaltung und der Ausbau des eigenen Volkes. Jedes Tier hat zur Erreichung dieses Zieles bestimmte Aufgaben zu erfüllen und erhält als „Gegenleistung“ seine Existenzsicherung im Rahmen der Möglichkeiten des eigenen Volkes.- Das Prostitution bei diesen zu den ältesten Tiergattungen zählenden Tieren vorkommen könnte, ist übrigens bis heute noch nicht bekannt.

Nichts anderes als das, was bei Bienen und Ameisen geschieht, ist oder sollte Versicherung sein: Existenzsicherung durch eine Gemeinschaft ohne hierbei das einzelne Mitglied zu überfordern.

Das als „höherentwickelt“ bezeichnete Wesen Homo sapiens hatte als „Sozialwesen“ selbstverständlich schon von Anbeginn seiner sozialen Existenz (als „Sammler“ und später als „Jäger und Sammler“) „Versicherung“. Jedes einzelne Mitglied der jeweiligen Gemeinschaft hatte nach seiner individuellen Befähigung für das Überleben und die Sicherheit seiner Gemeinschaft zu sorgen. Und wirkte eine Gefahr auf die Gemeinschaft ein, so hatte jedes einzelne Mitglied eben so viel zusätzlich zu leisten, daß mit vereinten Kräften die Gefahr von der Gemeinschaft abgewendet werden konnte.- Der erste „Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit“ war damit geschaffen.

„Versicherung“ ist also nichts weiter, als bestimmte Risiken (= „Gefahren“) auf möglichst viele „Schultern“ (= eine Gemeinschaft) zu verteilen.

Im kaufmännischen und wissenschaftlichen Sprachgebrauch ist Versicherung auch ein spezieller Teil der „Risikoabwälzung“.

Risikoabwälzung ist nichts anderes, als ein Risiko nicht selbst zu tragen, sondern das Risiko andere tragen zu lassen. In aller Regel kostet die Risikoabwälzung Geld oder die Hingabe „geldwerter Vorteile“. Auch Versicherungen nehmen bekanntlich für ihre Leistungen Geld. Sonst könnten sie ja auch -weil sie sonst keines hätten - im Schadenfall nichts bezahlen.

Wie funktioniert „Versicherung“?

Eigentlich ganz einfach und doch sehr kompliziert. Nämlich in erster Linie nach dem Grundsatz „EINER FÜR ALLE - ALLE FÜR EINEN“.- Ein jeder zahlt mit seiner Prämie die Schadenkosten (mit), die alle Mitglieder der jeweiligen Versicherungsgemeinschaft tatsächlich haben. Der Einzelne (vom Schaden betroffene) erhält somit seinen Schaden praktisch von der Gemeinschaft ersetzt.

Man kann sich z. B. auch nicht gegen irgendetwas versichern. Zum Beispiel auch nicht gegen Feuer: Der versicherte Gegenstand brennt ab, unabhängig davon, ob er versichert ist oder nicht. Man stirbt (irgendwann einmal), egal, ob man eine Lebensversicherung hat oder nicht.

Aber gegen die (negativen) wirtschaftlichen Folgen, die bestimmte Ereignisse bewirken können, kann ich mich durch Versicherung(schutz) schützen. Mehr oder weniger zumindestens. Und praktisch nie gegen alle Folgen, die einbestimmtes Ereignis bewirken kann, wie Sie im laufe dieser Artikelserie noch sehen werden.

Ja, wie geht´s denn nun?

Zunächst einmal muß „jemand“ - also i. d. R. ein Versicherer - vereinfacht dargestellt, genau spezifizierte gleichartige (= homogene) Risiken in deren Schadeneintrittswahrscheinlichkeit und den voraussichtlichen Schadenkosten pro „Einheit“ bewerten. Daraus wird letztendlich der Risikoanteil der Kosten für die Versicherung (= Risikoprämie) errechnet. Hinzugerechnet werden dann die anteiligen Kosten für Vertrieb und Verwaltung sowie ein Gewinn und nicht zuletzt auch die entsprechenden Steuern. Das Ergebnis ist dann die Gesamtprämie pro Einheit.

Zu dieser Gesamtprämie pro Einheit muß der Versicherer nun versuchen, so viele gleichartige Risiken wie irgend möglich zu versichern, also eine Risikogemeinschaft schaffen.

Aus der eingenommenen Risikoprämie werden die (kalkulierten) Schadenkosten sowie die Rückstellungen für spätere (zufällige) Häufungen von Schadenkosten (durch mehr Schadenfälle z. B.) finanziert.

Um größere Schadenfälle bezahlen zu können, muß der Versicherer von vornherein entsprechende Rücklagen bilden (Versicherer werden deshalb in der Theorie auch als „Kapitalsammelbecken“ bezeichnet) und bei der Möglichkeit von „Größtschäden“ - die seine eigenen Möglichkeiten überschreiten (könnten) - Versicherungsschutz über eine Rückversicherungsgesellschaft beschaffen.

Aus der Risikogemeinschaft werden Schadenfälle gemeldet. Die hierzu vorliegenden Daten prüft der Versicherer daraufhin, ob der jeweilige Schadenfall nach den getroffenen Vereinbarungen zu bezahlen ist und wenn ja, in welcher Höhe Zahlungen zu leisten sind. Und zahlt dann, oder lehnt die Zahlung ab.

Dem Versicherer könnte es eigentlich egal sein, ob und wieviel er für einen Schadenfall bezahlen muß. Er könnte sogar bestrebt sein, „mehr als ein Auge zuzudrücken“ damit er dadurch seinen Kunden zufriedenstellt und an sich bindet.

Könnte eigentlich. Uneigentlich aber nicht. Denn hat der Versicherer zu hohe Aufwendungen, muß er entsprechend hohe Prämien berechnen. Und bei zu hohen Prämien wechselt der Kunde zu einer „billigeren“ Gesellschaft oder versichert sich garnicht.
Beides - aber auch nicht der unzufriedene Kunde - kann nicht in seinem Interesse sein.

Was ist der „richtige“ Versicherungsschutz?

Den „richtigen“ Versicherungsschutz gibt es nicht. Sondern nur Kompromisse, die dem gewünschten Zweck so nahe als möglich kommen, ohne den bzw. die Beteiligten zu überfordern.

Es gibt weder einen Versicherer, der „alles“ versichert, noch einen Versicherungsnehmer - so heißt der Kunde des Versicherers -der den gesamten für ihn in Betracht kommenden Versicherungsschutz bezahlen könnte oder wollte.

Deshalb muß der Versicherungsschutz den jeweiligen finanziellen Möglichkeiten angepaßt werden.

Je weniger finanzielle Mittel da sind, um so höher (muß zwangsläufig) der Aufwand für den Versicherungsschutz sein. Das klingt unlogisch, ist aber einfach erklärbar: Wenn jemand jederzeit sein Auto „aus der Portokasse“ ersetzen kann, braucht er keine Kaskoversicherung. Braucht er aber das Auto, um zur Arbeit zu kommen und kann er sich bei einem Diebstahl kein Ersatz kaufen, weil ihm das Geld dazu fehlt, muß er zwangsläufig eine Kaskoversicherung abschließen. Damit er auch nach einem Autodiebstahl zur Arbeit kommt.

Bei knappen finanziellen Mitteln muß zunächst erst einmal für die Absicherung der „akzeptablen Existenz“ gesorgt werden. Den verhungern kann man dank der sozialen Netze in Deutschland (eigentlich) nicht. Aber auf Sozialhilfe angewiesen sein, ist sicherlich auch nicht jedermanns Sache.

Zu den aus dieser Sicht unverzichtbaren Versicherungen zählen deshalb - z. t. gesetzlich vorgeschrieben - folgende:

Kranken- und Pflegeversicherung, damit Hilfe im Krankheits- oder Pflegefall bezahlt werden kann (für viele gesetzlich vorgeschrieben);

Renten- und Unfallversicherung (für beruflich tätige Menschen weitestgehend gesetzlich vorgeschrieben);

Haftpflichtversicherung, weil jeder einmal etwas verursachen kann, das er aus eigener Tasche nicht (mehr) finanzieren kann (für Kraftfahrzeugbetreiber und bestimmte Gruppen von Tierhaltern gesetzlich vorgeschrieben);

Hausratversicherung, damit man im Falle eines Falles nicht auf den Sperrmülltag warten muß;

Gebäudeversicherung, damit das was man sich mühsam erarbeitet hat, auch erhalten bleib;

Rechtschutzversicherung, wenn man um sein Recht bangt. Aber zur Existenzabsicherung nicht zwingend erforderlich.

Sinngemäß gilt dies auch für Selbstständige, Gewerbe- und Industriebetriebe. Hier muß natürlich zusätzlich ein großes Gewicht auf den Versicherungsschutz bei möglichen „Betriebsstörungen“ gelegt werden. Was dem Industriebetrieb die Betriebsunterbrechungs-Versicherung sein muß, ist für den Selbstständigen die Absicherung einer etwaigen Berufs- oder Arbeitsunfähigkeit.

Sind die Kosten für den mehr oder weniger zwingend benötigten Versicherungsschutz zu hoch, so sollte nicht auf den Versicherungsschutz verzichtet werden, sondern durch Vereinbarung von Selbstbehalten u. ä. sowie die Auswahl besonders günstiger Versicherer die Absenkung der Kosten angestrebt werden.