Hallo Beccl,
vorerst sorry, dass ich jetzt erst antworte…ich war ein paar Tage im Urlaub und deshalb nicht on.
Dein Problem gehört sicher mit zu den schwierigsten Lebenssituationen dieser Erde. Schwierig natürlich für Dich, aber auch für Deine Umwelt (z. B. für Dein Freund).
Zu Deinem Freund sei gesagt, dass es für ihn nicht einfach ist, damit umzugehen. Immerhin - so seine Denkweise - kann es jederzeit wieder geschehen. Hier belastet ihn nicht nur die Tatsache selbst, sondern dass er hilflos daneben steht und nichts machen kann. Hilflosigkeit macht uns Menschen doch am meisten Angst. Insbesondere, wenn es Hilflosigkeit gegenüber eines Menschen ist, der uns sehr nahe steht. Diese seine Gefühle musst Du verstehen.
Und nun zu Dir - ich erspar mir das, was wahrscheinlich alle zu Dir sagen würden…nämlich dass Du Dich in ärztliche Behandlung begeben solltest. Du weisst ja selber, dass Depressionen heute sehr erfolgreich behandelt werden können. Eines lass mich bitte doch hierzu anführen…ein Psychologe ist kein Psychiater! Viele Menschen haben Angst, dass sie als verrückt abgestempelt werden, wenn sie einen Psychologen aufsuchen. Mumpitz - ist totaler Quatsch!!
Bis hierhin war mein comment wissenschaftlich untermauerte Tatsache. Nun schieb ich die mal ganz weit weg und sag Dir meine ganz eigene Meinung zum Thema. Weißt Du…Depressionen hin, Depressionen her…ich finde es sehr erschreckend, wenn Menschen ihr wertvolles Leben einfach wegwerfen wollen. Und jedes(!) Menschenleben ist wertvoll! Probleme hat jeder Mensch. Der eine mehr, der andere weniger. Wir nehmen Probleme im Vergleich zu glücklichen Momenten intensiv wahr. In Wirklichkeit überwiegen die schönen Momente. Aber wir sehen sie mittlerweile als selbstverständlich. Und deshalb fallen uns diese nicht so auf. Die schlechten Momente allerdings, die treffen uns in voller Breitseite. Warum? Weil sie etwas Besonderes, weil nicht selbstverständlich und alltäglich sind.
Die Kunst der Problembewältigung besteht aus zwei wesentlichen Punkten…
Zum einen hat annähernd jeder negative Moment auch gute Elemente. Zugegeben - die schwinden im Rahmen der Problembewältigung. Aber da alles in dieser Welt in Waage ist, sind irgendwo auch diese vorhanden. Suche diese Elemente, anstatt Dich nur ausschließlich mit dem Problem zu beschäftigen.
Zum anderen gibt es ohnehin auch viele schöne Momente im Leben. Du siehst sie nur nicht, wenn Du Dich nur auf die schlechten Momente des Lebens konzentrierst. Beispiel - wann bist Du morgens aufgestanden, hast Dich im Badezimmerspiegel anlächelt und Deinem Spiegelbild gesagt, dass Du Dich toll findest? Wann bist Du das letzte Mal morgens mit Deiner Kaffeetasse in der Hand auf den Balkon gegangen und hast dem morgendlichen Vogelzwitschern zugehört? Hast Du das überhaupt je schon einmal gemacht?
Meine Meinung ist – und das ist nicht eindeutig wissenschaftlich untermauert – dass Depressionen in unmittelbarem Zusammenhang mit Lebensunzufriedenheit stehen. Lerne zufrieden mit Deinem Leben zu sein. Genieße die schönen Momente und filtere in den schlechten Momenten die positiven Elemente heraus. Schlechte Momente muss es im Leben geben. Wenn die nicht wären, dann würden wir die schönen Momente doch gar nicht wahrnehmen. Du weißt doch…wer die Dunkelheit nicht kennt, wird niemals wissen, was es bedeutet, wenn es hell ist!
Eines liegt mir noch am Herzen, was ich Dir sagen möchte. Du hast geschrieben, dass Du nur Dir selber weh tun wolltest. Das mag aus Deiner Sicht vielleicht so sein. Aber in der Realität tust Du nicht Dir, sondern Deiner gesamten Umwelt, die Dich liebt oder einfach nur gern hat, weh. Sie wären die jenigen, die zurück bleiben und mit dem Verlustschmerz ihr Leben lang leben müssen. Du ahnst gar nicht, was Du diesen Menschen antust. Du bist dann weg…kurz und schmerzlos. Die Schmerzen haben die Hinterbliebenen. Vor langer Zeit hat sich ein Freund von mir - nicht einmal einer meiner besten Freunde - in meinem Beisein erschossen. Diese Tatsache belastet mich heute noch…nach über 18 Jahren. Und seiner Familie geht es nicht anders. Mit einer solchen Handlung tut man einfach den falschen Menschen weh!
Mein Tipp:
Rede mit Deinem Freund…ganz in Ruhe ohne Zeitdruck. Mach ihm klar, dass es Dir nicht gut geht. Mach ihm den Vorschlag, dass Ihr Euch vorübergehend trennt, bis Du mit Dir selbst klar gekommen bist. Biete ihm aber auch gleichzeitig an, dass er Dich auf diesem Weg begleitet. Mit anderen Worten - laß ihn selbst entscheiden. Sage ihm unbedingt, dass Du ihn über alles liebst, die vorübergehende Trennung nur deshalb vorschlägst, um ihn nicht zu verlieren. Klingt unlogisch…aber wenn er ein wenig Verstand hat, wird er den Sinn dieser Aussage verstehen.
Und dann - mit ihm oder ohne ihn - arbeite an Dich. Arbeite an Deinem Leben. Genieße die schönen Momente. Sie sind ständig vorhanden, aber sehe sie auch! Danke wem auch immer, dass Du morgens die Augen aufschlagen darfst. Gehe lächelnd durch den Tag, durchs Leben. Und wenn Dich jemand wegen einer belanglosen Sache anmacht, dann greif ihn nicht an, sondern sag einfach mit einem Lächeln: „Hast recht!“ Du wirst Dich wundern, was dann passieren wird. Seine Sprachlosigkeit wird Dich innerlich zum Lachen bringen. Und Lachen ist so gesund für Deine Seele.
Ich wünsche Dir alles Gute…und ich würde mich sehr freuen, wenn ich wieder von Dir hören (lesen) würde.
Gerd