Was kann Meisner gemeint haben?

Moin!

Kardinal Meisner wird kritisiert, er habe mit seiner Aussage, daß Kunst ohne Bindung an Kultur ‚entarten‘ müsse, ein Vokabular aus dem Nazi-Jargon gebraucht. An dieser Kritik ist kaum zu rütteln. Wortwörtlich sagte der Kölner Geistliche: „Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt die Kultur im Ritualismus und die Kultur entartet.“

Daß ich persönlich bereits erhebliche Schwierigkeiten habe, diesen Satz sinnentnehmend richtig zu entschlüsseln, wird durch Meisners folgende Erklärung nicht erleichtert: „Wenn man Kunst und Kultur auseinanderbringt, leidet beides Schaden.“

Wenn wir uns einen Moment davon entfernen können, nicht über die Wortwahl entsetzt zu sein, bleibt die weitaus interessantere Frage, wie Meisner ‚Kultur‘ definiert und an welcher Stelle sich ‚Kunst‘ und ‚Kultur‘ überhaupt trennen ließen. Die etwas banale Option, daß beides kategorisch zusammengehöre und andernfalls zwangsläufig einen Identitätsverlust (?) zur Folge hätte, möchte ich unbeachtet lassen. Das käme kausal der Feststellung gleich, ein menschliches Herz könne nicht außerhalb eines Organismusses existieren. Es muß demnach auch nicht näher erläutert werden, wie sich ‚Kunst‘ als etwas anderes als ein ‚Produkt menschlicher Kultur‘ verstehen läßt.

Hat Meisner nun lediglich verdeutlichen wollen, daß ‚Kultur‘ (und ebenso ‚Kunst‘) gottgegeben ist? Das erschiene mir allerdings zu profan - selbst vor dem Hintergrund aller sonst üblichen Warnungen vor Gottlosigkeit und deren Folgen. Dazu hätte es keines konkreten Bezuges auf ‚Kunst‘ bedurft.

Danke für alle Interpretationsvorschläge!

Thorsten

Hat Meisner nun lediglich verdeutlichen wollen, daß ‚Kultur‘
(und ebenso ‚Kunst‘) gottgegeben ist? Das erschiene mir
allerdings zu profan - selbst vor dem Hintergrund aller sonst
üblichen Warnungen vor Gottlosigkeit und deren Folgen. Dazu
hätte es keines konkreten Bezuges auf ‚Kunst‘ bedurft.

Hallo,

Thorsten!

Mir scheint, der Kardinal geht von der Prämisse aus, dass alle Kunst im Bereich des Kultischen entstanden ist und dass das so geblieben ist und so zu bleiben hat.
Das fängt dann schon mit den entsprechenden Interpretationen der eiszeitlichen Höhlenmalerei an.
Mögliche Gegenposition, irgendwo neulich gelesen: Die eiszeitlichen Jagddarstellungen sind keine Tierbeschwörungen von Schamanen, sondern: übermütige junge Männer haben hier ihrer Freude an erigierten Penissen und großen Tieren Ausdruck verliehen.
Natürlich kann man sagen, die ganze Aktmalerei der Renaissancezeit hat ihre Berechtigung nur durch die damit dargestellten religiösen Themen. Aber ein Schuh wird eher
umgekehrt draus: Die religiösen Themen waren die einzige legale Möglickeit für Aktmalerei.
Undsoweiterundsofort.
Schöne Grüße!
Hannes

‚Kunst‘ ist ein Unterbegriff von ‚Kultur‘

Guten Tag, Thorsten

Hat Meisner nun lediglich verdeutlichen wollen, daß ‚Kultur‘
(und ebenso ‚Kunst‘) gottgegeben ist? Das erschiene mir
allerdings zu profan - selbst vor dem Hintergrund aller sonst
üblichen Warnungen vor Gottlosigkeit und deren Folgen. Dazu
hätte es keines konkreten Bezuges auf ‚Kunst‘ bedurft.

Bestimmt nicht, denn ‚Kunst‘ ist ein Unterbegriff von ‚Kultur‘.

Freundlich grüsst

Rolfus

Hallo Thorsten,

Kardinal Meisner wird kritisiert, er habe mit seiner Aussage,
daß Kunst ohne Bindung an Kultur ‚entarten‘ müsse, ein
Vokabular aus dem Nazi-Jargon gebraucht. An dieser Kritik ist
kaum zu rütteln. Wortwörtlich sagte der Kölner Geistliche:
„Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung
abgekoppelt wird, erstarrt die Kultur im Ritualismus und die
Kultur entartet.“

Danke für alle Interpretationsvorschläge!

Ich denke, daß man nicht zuviel in seine Worte hineininterpretieren sollte. Meisner ist einfach unzufrieden, daß das neue Glasfenster im Kölner Dom abstrakt ist und man nicht die von ihm gewünschten Heiligen, Märtyrer usw. erkennen kann. Er sieht nur ein grosses Farbengewirr und fragt sich „Was hat das mit Gott zu tun?“. Das ist die selbe Reaktion, wie sie manche Leute vor ihm und mit ihm beim Betrachten abstakter Kunst haben: „Das soll Kunst sein? Das kann mein 3-jähriger Sohn auch zusammenklecksen. Man kann ja gar nichts erkennen!“ Eine ähnliche Argumentation, wie sie schon die Nazis in ihrer Ausstellung „Entartete Kunst“ gebraucht haben: „Sieht so ein deutscher Mann aus?“ und ebenfalls die Argumentation der DDR-Oberen angesichts aller Kunst, die nicht „Sozialistischer Realismus“ war: „Das ist ja reiner Formalismus“, das schlimmste Urteil, das einen DDR-Künstler treffen konnte.
Meisner ist natürlich intelligenter und verpackt das in wohlgesetzte Worte, aber die Denkweise ist die gleiche und deshalb ist auch die Wortwahl mit der „Kunst die entartet“ durchaus kein Versprecher.

Viele Grüsse
Klaus Bernstein

Hallo Thorsten

„Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung
abgekoppelt wird, erstarrt die Kultur der Kult im
Ritualismus und die Kultur entartet.“

  • ein kleiner aber nicht unbedeutender Unterschied. Du hast da ziemlich sinnentstellend zitiert, wobei sicherlich die Frage noch offen bleibt, wieviel Sinn in dem korrekten Zitat steckt.

Vielleicht daher dies:

Daß ich persönlich bereits erhebliche Schwierigkeiten habe,
diesen Satz sinnentnehmend richtig zu entschlüsseln, wird
durch Meisners folgende Erklärung nicht erleichtert: „Wenn man
Kunst und Kultur auseinanderbringt, leidet beides Schaden.“

Das erleichtert auch nicht das Verständnis des ersten Zitates, dort hat er nämlich etwas anderes gesagt. Es ging eben nicht um das Verhältnis von Kunst und Kultur, sondern von Kultus/Kult (=ritueller Gottesverehrung) und Kultur. Laut Meisner bildet beides eine Einheit - wobei hier natürlich zu fragen wäre, was Meisner denn unter ‚Kultur‘ versteht. Offensichtlich schon etwas in Richtung Kunst - ein merkwürdig banales, eingeschränktes Kulturverständnis wird da sichtbar.

Letzten Endes läuft das erste Zitat mE darauf hinaus, der Kultus (die „Gottesverehrung“) müsse sich der Kultur (Kunst) bedienen, um nicht zu einem bloßen Ritualismus ohne spirituellen Gehalt zu erstarren. Das ist mE eine durchaus akzeptable Aussage.

Problematisch ist jedoch die zweite Aussage, die in diesem Zitat steckt: in gleicher Weise bedürfe die Kultur des (zweifellos religiös gemeinten) Kultes, wenn sie nicht „entarten“ solle. Anders gesagt: Kultur (und hier wird vielleicht klar, warum Meisner allgemein von ‚Kultur‘ und nicht speziell von ‚Kunst‘ spricht) bedürfe des sakralen Elementes, um nicht zu ‚entarten‘. Anders ausgedrückt: profane, weltliche Kultur ist ‚entartete‘ Kultur. Nun ist Kulturkritik schon immer eine Domäne von Kirchenmännern gewesen - sich dabei des Jargons der Nazis zu bedienen allerdings bedenklich.

Von der Wortwahl einmal abgesehen - eine solche Denkweise und ein solches Verständnis von Kultur (als Mittel zum höheren Lob Gottes) hatte ich persönlich in Europa eigentlich seit der Renaissance für überwunden gehalten. Aber Meisners Denken ist eben nicht nur mittelalterlich, sondern auch auf eine perfide Weise demagogisch. Lt. seinem Sprecher Stephan Schmidt hat Meisner den Begriff ‚entartet‘ bewusst gewählt, um damit eine Parallele zu den „Ideologen des 20. Jahrhunderts“ zu suggerieren, sie mit „mit ihren eigenen Begriffen zu schlagen“. Das wiederum kann man eigentlich nur so verstehen: um die Verfechter eines nicht religiös gebundenen, autonomen Kulturbegriffes in die Nähe von Nazis zu rücken. Merkwürdige Relativierung …

Allerdings hat er sich damit rhetorisch selbst ein Bein gestellt. Faktisch ist es Meisner selbst, der eine rein weltliche, religiöser Konnotationen entkleidete Kultur (anders gesagt: eine autonome Kultur) mit einem Begriff aus dem Wörterbuch des Unmenschen attackiert und sich damit selbst in dessen Nähe rückt. Daran ändert auch die vernebelnde Relativierung seiner Aussage nichts („Wenn man Kunst und Kultur auseinanderbringt, leidet beides Schaden.“). Das ist zwar durchaus richtig - aber das hat er eben nicht gesagt und wohl auch kaum gemeint.

Freundliche Grüße,
Ralf

Meisners Sinn und Zweckdenken
Augenscheinlich geriert sich der Kirchenmann als Kulturwächter mit Absolutheitsanspruch. Er verkennt, dass die gesellschaftliche Kultur aus einer Vielzahl von Kernen besteht und nicht nur aus einem einzigen wie z.B. der christlichen Religion oder überhaupt Religion. Als weiterer Kern wäre z.B. die Aufklärung unbedingt zu erwähnen gewesen. Das unterdrückt er aus fundamentalistischen Motiven ganz bewusst. Er sorgt sich um Kultur meint aber nur, unter dem Vorzeichen der Staatskirche römisch-katholischer Prägung. Der Zweck seines Motives dürfte verfassungsechtlich bedenklich sein. Der Kardinal nimmt für die katholische Kirche mehr in Anspruch als ihr im öffentlichen Raum tatsächlich zusteht. Fortwährender Kirchenschwund dürfte Herrn Meissner noch lange nicht dazu veranlassen, eine Kulturkrise oder gar nur Kirchenkrise zu beschwören. Kirchgänger gibt es und wird es immer geben. Über dies ist er sich und seinem eigenem Glauben gegenüber, und das ist das verwerfliche, nicht zu schade, sich bei seiner vorgebelichen Sorge um die Kultur durch Rückgriff auf den Begriff ´entartete Kunst´ in die rituelle Wortkiste faschistoider Prägung zu vergreifen. Allgemein bestätigt sich nebenbei, dass die in religiösen Konfessionen vorherrschende Glaubensferne allen Grund zur Sorge bietet.

guvo

Moin, Thorsten,

m.E. kommt es darauf nicht an, das weiß eh niemand. Wichtiger wäre zu wissen, was er damit bezweckt. Dass er gerne provoziert, ist ja nicht neu.

Gruß Ralf

Moin!

Ciao Thorsten

Kardinal Meisner wird kritisiert, er habe mit seiner Aussage,
daß Kunst ohne Bindung an Kultur ‚entarten‘ müsse, ein
Vokabular aus dem Nazi-Jargon gebraucht. An dieser Kritik ist
kaum zu rütteln.

Aber klar ist daran zu rütteln. Nur weil ein paar sensationslüsterne Presseerzeuger, politisch korrekte Wortverdreher oder meinetwegen antikatholische Kritikaster hinter jedem Wort eine Nazi-Parole suchen, ist noch lange kein wirklicher Skandal passiert.

Ich versuche seine Wörter zu übersetzen, Kultur als Pflege von geistigem Gut, Kult als Ausführung von Religion, Religion als Verehrung von Überirdischem (aus katholischer Sicht: Gottesverehrung), Ritual als Symbolhandlung bzw. Ritualismus als vom Symbolisierten entleerte Rest-Symbolhandlung zu nehmen und gelange dann zu einem Ergebnis.

„Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung
abgekoppelt wird, erstarrt die Kultur im Ritualismus und die
Kultur entartet.“

Will sagen: Dort, wo die Pflege geistiger Güter, wie sie die Gesellschaft sich gibt, vom Unbeherrschbaren/Heiligen/Überirdischen abgekoppelt wird, mithin dort, wo jede Pflege geistiger Güter kultlos (und der Kult geistlos) wird, erstarrt die Ausübung der Religion in ihren äusseren Gestaltungen und Gestalten, der Glaube ist getrennt vom Geistigen - und die Pflege geistiger Güter ist nicht mehr ganz im strengen Sinne sich selber, sie schlägt aus der ihr eigenen Art, sie ist nicht mehr selber in Geistiges integriert.

Mitzudenken ist dabei:
Zum Geistigen gehört ja nach katholischem Verständnis auch das Geist l i c h e, sprich zum Menschengeist gehört auch der Heilige Geist irgendwie ein Stückweit dazu. Wenn ein Menschengeist sich vom Glauben lossagt, sagt er sich auch ein Stück weit von sich selber los (Überzeugung, dass das Geschöpf von seinem Dasein her bereits auf Göttliches hin angelegt sei, bzw. dass der Mensch ein Bedürfnis hat, in der Welt Überirdisches zu suchen, somit dass Glaube und Geistiges zusammengehören).

Daß ich persönlich bereits erhebliche Schwierigkeiten habe,
diesen Satz sinnentnehmend richtig zu entschlüsseln, wird
durch Meisners folgende Erklärung nicht erleichtert: „Wenn man
Kunst und Kultur auseinanderbringt, leidet beides Schaden.“

Kunst ohne Pflege geistiger Güter ist so wenig möglich wie Leben ohne Geist.

Das käme kausal der Feststellung gleich, ein
menschliches Herz könne nicht außerhalb eines Organismusses
existieren.

Obgleich man erst jetzt das Herz bei Tageslicht sieht und im engeren Sinne Herz nennt, wäre mir neu, dass man diesen extrahierten Muskel noch im Vollsinn Herz nennen möchte! Der Vergleich ist spitze!

Es muß demnach auch nicht näher erläutert werden,
wie sich ‚Kunst‘ als etwas anderes als ein ‚Produkt
menschlicher Kultur‘ verstehen läßt.

Meisner ist der Meinung, das sei gewissen Kunstschaffenden nicht klar, weil er den Eindruck hat, die Kunst werde von der ihr eigenen Kultur getrennt.

Hat Meisner nun lediglich verdeutlichen wollen, daß ‚Kultur‘
(und ebenso ‚Kunst‘) gottgegeben ist?

Und dass eine Bewusstheit dieser Gottgegebenheit der Kunst und der Ausübung des Glaubens einen Sinn verleiht. Er vermisst die Übermittlung dieser Bewusstheit durch die besprochene Kunst.

Das erschiene mir
allerdings zu profan

Von Gott zu sprechen, kann nicht profan sein. Profan heisst „im weltlichen/nichtkultischen Bereich.“ Wer von Gott spricht, begibt sich geistig in einen wenigstens nicht kultfreien Raum.

  • selbst vor dem Hintergrund aller sonst
    üblichen Warnungen vor Gottlosigkeit und deren Folgen. Dazu
    hätte es keines konkreten Bezuges auf ‚Kunst‘ bedurft.

Wenn die Rede von bestimmten Kunstschaffenden ist, die bestimmte Kunst erzeugt haben, kann dieser Bezug durchaus Sinn machen.
Meisner führte offensichtlich eine Auseinandersetzung mit den Künstlerinnen oder Künstlern, welche die Kunst im Kölner Dom schufen, denn seiner Meinung nach taten sie es offenbar kultfern oder möglicherweise auch kulturfern bzw. fern vom Geistlichen oder fern vom Geistigen.

Danke für alle Interpretationsvorschläge!
Thorsten

Gruss
Mike

Hallo Thorsten,

ich würde bei Herrn Meisner, der z.B. auch gerne von „Glaubenswissen“ redet, gar nicht erst versuchen zu verstehen, was er meint.

http://www.die-tagespost.de/archiv/titel_anzeige.asp…

http://de.wikipedia.org/wiki/Oxymoron

Gruß Gernot

Hallo Mike,
wenn Du den Thread bisher verfolgt hättest, dann wüsstest Du zumindest schon einmal, dass laut Stephan Schmidt (Pressesprecher Kardinal Meisners) dieser den Begriff ‚entartet‘ bewusst gewählt hat, um damit die „Ideologen des 20. Jahrhunderts mit ihren eigenen Begriffen zu schlagen“.

Damit hättest Du Dir diese Einlassung:

Nur weil ein paar
sensationslüsterne Presseerzeuger, politisch korrekte
Wortverdreher oder meinetwegen antikatholische Kritikaster
hinter jedem Wort eine Nazi-Parole suchen, ist noch lange kein
wirklicher Skandal passiert.

sparen können. Die „Nazi-Parole“ war bewusst gewählt worden, die brauchte man nicht „suchen“ und man muss auch kein „Wortverdreher“ sein, um sie zu sehen.

Deine Exegese Meisnerscher Aussprüche in allen Ehren - sicher hat Meisner seine eigene Definition davon, was „entartet“ ist. „Die Kultur entartet“, „wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird“ sagt er.

Nun ja - Emil Nolde oder Ernst Barlach gingen bei Herrn Kardinal Meisner wohl noch durch. Aber wie schaut es denn nun mit den Werken von - na z.B. Ernst Ludwig Kirchner, Otto Dix, Oskar Kokoschka, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, George Grosz, Paula Modersohn-Becker und Paul Klee aus? Man kann wohl sagen, dass deren Schaffen „vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt“ ist. Mithin nach Meisnerscher Definition entartete Kultur. Und da trifft sich der Herr Kardinal aufs wundersamste mit jenen, die die Werke der genannten Künstler auch schon mal als ‚entartet‘ bezeichnet haben.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo Mike,

Hallo Ralf

wenn Du den Thread bisher verfolgt hättest, dann wüsstest Du
zumindest schon einmal, dass laut Stephan Schmidt
(Pressesprecher Kardinal Meisners) dieser den Begriff
‚entartet‘ bewusst gewählt hat, um damit die „Ideologen des
20. Jahrhunderts mit ihren eigenen Begriffen zu schlagen“.

Gerade auch dieser Thread hier, den ich entgegen Deiner Behauptung gelesen habe, bringt mich zu der Überzeugung, dass das Wort „entartet“ nur als Nebeneffekt gegen Rechtsstehende gerichtet ist, insofern nämlich, als dass man ehrlich von „Entarten“ im Zusammenhang mit Kunst dann nicht reden kann, wenn Künste aus Kulturen und damit Dinge aus ihrem Zusammenhang gerissen werden. Dieses ist die Spitze gegen „rechts“, die ist aber nur ein kleines Nebenschauplätzlein zum eigentlichen Streit zwischen Meisner und gewissen Künstlern - wobei auszuloten bleibt, wen genau er meint.

Damit hättest Du Dir diese Einlassung:

Nur weil ein paar
sensationslüsterne Presseerzeuger, politisch korrekte
Wortverdreher oder meinetwegen antikatholische Kritikaster
hinter jedem Wort eine Nazi-Parole suchen, ist noch lange kein
wirklicher Skandal passiert.

sparen können. Die „Nazi-Parole“ war bewusst gewählt worden,
die brauchte man nicht „suchen“ und man muss auch kein
„Wortverdreher“ sein, um sie zu sehen.

Die Nazi-Parole mag bewusst gewählt sein, die Auseinandersetzung ging aber nur nebenbei gegen „rechtsaussen“.

Deine Exegese Meisnerscher Aussprüche in allen Ehren - sicher
hat Meisner seine eigene Definition davon, was „entartet“ ist.
„Die Kultur entartet“, „wo die Kultur vom Kultus, von der
Gottesverehrung abgekoppelt wird“ sagt er.

Somit ist die Frage zu stellen, wo und wann denn das wirklich geschieht und ob er Recht hat, wenn er damit auf gewisse Leute oder Künste anspielt.

Nun ja - Emil Nolde oder Ernst Barlach gingen bei Herrn
Kardinal Meisner wohl noch durch. Aber wie schaut es denn nun
mit den Werken von - na z.B. Ernst Ludwig Kirchner, Otto Dix,
Oskar Kokoschka, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, George
Grosz, Paula Modersohn-Becker und Paul Klee aus? Man kann wohl
sagen, dass deren Schaffen „vom Kultus, von der
Gottesverehrung abgekoppelt“ ist. Mithin nach Meisnerscher
Definition entartete Kultur. Und da trifft sich der Herr
Kardinal aufs wundersamste mit jenen, die die Werke der
genannten Künstler auch schon mal als ‚entartet‘ bezeichnet
haben.

Was - insofern als es (teilweise) stimmt - gerade beweist, dass die Wendung gegen „rechts“ lediglich ein Nebengleis bedeutet. Der Kern der Kritik geht gegen diejenigen, welche das Kultische oder gar das Kulturelle aus der Kunst heraushaben wollen - was bzw. wer dann damit gemeint ist, das ist die legitime Anschlussfrage.

Wann ist ein Kunststil mit sich überhaupt gar nicht mehr im Einklang - das scheint zunächst die Frage hinter Meisners Ausführungen zu sein, sie ist aber nicht beantwortbar, solange nicht wenigstens andeutungsweise der Einzelfall, also bestimmte Kunstschaffende in bestimmtem Umfeld, angesprochen sind.

Meisner hat nun von bestimmten Künstlern in bestimmten Räumen gesprochen. Dennoch hat er Kunst allgemein als etwas beschrieben, das auf kulturellem Hintergrund steht und sich zwar dazu nicht ständig plakativ zu bekennen braucht, sich aber auch nicht gerade willentlich davon abkoppeln sollte. Auch und gerade sakrale Kunst in einem dermassen kultischen Kontext, wie es der Kölner Dom nun einmal ist, läuft Gefahr, sich durch eine solche Verselbständigung der echten Eigenständigkeit zu entledigen.

Freundliche Grüße,
Ralf

Gruss
Mike

Nützen dir die Antworten, Thorsten?

Nützen dir die Antworten, Thorsten, oder wolltest du uns nur ein wenig
beschäftigen?

Gruss

Rolfus

Hallo Rolfus,

Nützen dir die Antworten, Thorsten, oder wolltest du uns nur
ein wenig
beschäftigen?

Das frage ich mich ganz allgemein bei manchen Fragestellern auch ab und zu…

Viele Grüsse
Klaus Bernstein