Moin!
Ciao Thorsten
Kardinal Meisner wird kritisiert, er habe mit seiner Aussage,
daß Kunst ohne Bindung an Kultur ‚entarten‘ müsse, ein
Vokabular aus dem Nazi-Jargon gebraucht. An dieser Kritik ist
kaum zu rütteln.
Aber klar ist daran zu rütteln. Nur weil ein paar sensationslüsterne Presseerzeuger, politisch korrekte Wortverdreher oder meinetwegen antikatholische Kritikaster hinter jedem Wort eine Nazi-Parole suchen, ist noch lange kein wirklicher Skandal passiert.
Ich versuche seine Wörter zu übersetzen, Kultur als Pflege von geistigem Gut, Kult als Ausführung von Religion, Religion als Verehrung von Überirdischem (aus katholischer Sicht: Gottesverehrung), Ritual als Symbolhandlung bzw. Ritualismus als vom Symbolisierten entleerte Rest-Symbolhandlung zu nehmen und gelange dann zu einem Ergebnis.
„Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung
abgekoppelt wird, erstarrt die Kultur im Ritualismus und die
Kultur entartet.“
Will sagen: Dort, wo die Pflege geistiger Güter, wie sie die Gesellschaft sich gibt, vom Unbeherrschbaren/Heiligen/Überirdischen abgekoppelt wird, mithin dort, wo jede Pflege geistiger Güter kultlos (und der Kult geistlos) wird, erstarrt die Ausübung der Religion in ihren äusseren Gestaltungen und Gestalten, der Glaube ist getrennt vom Geistigen - und die Pflege geistiger Güter ist nicht mehr ganz im strengen Sinne sich selber, sie schlägt aus der ihr eigenen Art, sie ist nicht mehr selber in Geistiges integriert.
Mitzudenken ist dabei:
Zum Geistigen gehört ja nach katholischem Verständnis auch das Geist l i c h e, sprich zum Menschengeist gehört auch der Heilige Geist irgendwie ein Stückweit dazu. Wenn ein Menschengeist sich vom Glauben lossagt, sagt er sich auch ein Stück weit von sich selber los (Überzeugung, dass das Geschöpf von seinem Dasein her bereits auf Göttliches hin angelegt sei, bzw. dass der Mensch ein Bedürfnis hat, in der Welt Überirdisches zu suchen, somit dass Glaube und Geistiges zusammengehören).
Daß ich persönlich bereits erhebliche Schwierigkeiten habe,
diesen Satz sinnentnehmend richtig zu entschlüsseln, wird
durch Meisners folgende Erklärung nicht erleichtert: „Wenn man
Kunst und Kultur auseinanderbringt, leidet beides Schaden.“
Kunst ohne Pflege geistiger Güter ist so wenig möglich wie Leben ohne Geist.
Das käme kausal der Feststellung gleich, ein
menschliches Herz könne nicht außerhalb eines Organismusses
existieren.
Obgleich man erst jetzt das Herz bei Tageslicht sieht und im engeren Sinne Herz nennt, wäre mir neu, dass man diesen extrahierten Muskel noch im Vollsinn Herz nennen möchte! Der Vergleich ist spitze!
Es muß demnach auch nicht näher erläutert werden,
wie sich ‚Kunst‘ als etwas anderes als ein ‚Produkt
menschlicher Kultur‘ verstehen läßt.
Meisner ist der Meinung, das sei gewissen Kunstschaffenden nicht klar, weil er den Eindruck hat, die Kunst werde von der ihr eigenen Kultur getrennt.
Hat Meisner nun lediglich verdeutlichen wollen, daß ‚Kultur‘
(und ebenso ‚Kunst‘) gottgegeben ist?
Und dass eine Bewusstheit dieser Gottgegebenheit der Kunst und der Ausübung des Glaubens einen Sinn verleiht. Er vermisst die Übermittlung dieser Bewusstheit durch die besprochene Kunst.
Das erschiene mir
allerdings zu profan
Von Gott zu sprechen, kann nicht profan sein. Profan heisst „im weltlichen/nichtkultischen Bereich.“ Wer von Gott spricht, begibt sich geistig in einen wenigstens nicht kultfreien Raum.
- selbst vor dem Hintergrund aller sonst
üblichen Warnungen vor Gottlosigkeit und deren Folgen. Dazu
hätte es keines konkreten Bezuges auf ‚Kunst‘ bedurft.
Wenn die Rede von bestimmten Kunstschaffenden ist, die bestimmte Kunst erzeugt haben, kann dieser Bezug durchaus Sinn machen.
Meisner führte offensichtlich eine Auseinandersetzung mit den Künstlerinnen oder Künstlern, welche die Kunst im Kölner Dom schufen, denn seiner Meinung nach taten sie es offenbar kultfern oder möglicherweise auch kulturfern bzw. fern vom Geistlichen oder fern vom Geistigen.
Danke für alle Interpretationsvorschläge!
Thorsten
Gruss
Mike