in letzter Zeit höre ich von Journalisten und Politikern immer so Sätze wie:
Was kann Politik, was kann Wirtschaft überhaupt leisten? Und was muss Gesellschaft leisten?
Wie kann Universität aktiv werden?
Mich nervt dieses Weglassen von Artikeln. Für mich hört es sich falsch an, es müsste „die Politik, die Wirtschaft“ usw. heißen.
Fragen:
Ist das korrektes Deutsch?
Wo kommt diese Ausdrucksweise her? (Früher ist mir so was höchstens mal bei links-alternativen Projekten aufgefallen: „Wir wollen Gemeinschaft leben.“ Aber jetzt hört man das ständig in den Medien.)
Warum hat sich das durchgesetzt? (Um sich abzugrenzen von der Sprache des kleinen Mannes auf der Straße und irgendwie gelehrt oder wichtig zu klingen - weil so kein normaler Mensch redet? Weil man damit so schön vage formulieren kann, wie Politiker es gern tun, um später auf nichts festgenagelt werden zu können?)
Formal: Ja. Stilistisch: Nein. Hier wird ein Abstraktum zum handelnden Subjekt gemacht, sowas gibt es nicht.
Schwer zu sagen. Verschiedene Möglichkeiten fallen mir ein, aber alle sind pur spekulativ - drum also lieber nichts an dieser Stelle.
Ganz im Gegenteil - wenn solche Aussagen im Protokoll stehen wie „Das Auto, das mir entgegenkam, wollte links abbiegen“, hat das wahrscheinlich keiner gesagt, der über irgendeine Art höherer Bildung verfügt. Das Prinzip, unbelebte Gegenstände zu handelnden Subjekten zu machen, ist hier genau gleich.
„Gebildet“ klingt eine eindeutige, präzise formulierte Sprache, bei der solche Pannen nicht passieren.
Von all seinen Beispielen kenne ich nur den Satz „Was kann Politik?“
Der scheint mir korrekt, denn man stellt sich hier die Politik als System vor, unabhängig von einzelnen Individuum, und das System (schöner Begriff hier) handelt, auch in der Realität, und oft unabhängig von den Individuen, die Funktionen in ihm ausüben.
Eine derartige Vorstellung ist bei Wirtschaft und Universität nicht möglich. Vielleicht bei dem Begriff Wirtschaft, aber sonst nicht.
Vlg. Auch Sätze wie:
Politik ist kompliziert.
Politik ist realitätsfern.
Aber das ist nicht das, worum es mir hier geht. Mich stört nichts an dem Satz „Die Wirtschaft kann dieses Problem nicht lösen“, mich stört das Weglassen des Artikels: „Wirtschaft kann dieses Problem nicht lösen“.
Der Satz „Was kann Politik?“ ist vielleicht ein schlechtes Beispiel, weil Politik sowohl die politischen Akteure meinen kann als auch politische Maßnahmen als auch „das Thema Politik“. Ich denke aber, dass es hier im Sinne von „die Politik“ (also die Akteure aus Parteien, Parlamenten, Regierungen usw.) gemeint ist, ebenso wie mit „Wirtschaft“ die Wirtschaft und mit „Universität“ die Universitäten gemeint sind. Und deshalb hört es sich für mich falsch an. Es müsste entweder heissen „Was kann die Politik tun?“ (wenn man die politische Klasse meint) oder „Was kann man mit Politik erreichen?“ (wenn man die von dieser Klasse in die Wege geleiteten Maßnahmen meint).
wenn Dich ein so schlechter Stil nicht stört, brauchst Du keine Angst davor zu haben, dass Deine Sprache besonders „gebildet“ klingen könnte .
„Die Wirtschaft“ löst überhaupt nichts, sie kauft sich auch kein Eis oder macht den Abwasch. Sie ist ein Abstraktum und nicht jemand, der etwas tun oder machen kann.
Das Weglassen des bestimmten Artikels ist eine typische Schlagzeilen-Sprache, besonders kultiviert von der mutmaßlich am wenigsten geBILDeten Zeitung in D: ‚KANZLERIN SCHON WIEDER ERKÄLTET!‘ ‚GENERAL NACH PFULLENDORF STRAFVERSETZT!‘ usw. usw.
Der Artikel plus Leerschritt macht vier Anschläge, um die die Schlagzeile größer sein kann, wenn man ihn weglässt.