Hallo!
Weiss jemand, was so über den Daumen eine kleine Präsenz
kostet?
Angaben über die Standkosten der diesjährigen Cebit habe ich nicht. Rechne über den Daumen gepeilt mit 150 €/qm. Die Standmiete variiert je nach Standgröße und Lage des Stands. Für die Standmiete hast Du nur eine nackte Betonfläche. Dazu kommen mindestens Kosten für Strom und den Stand nebst Ausstattung, Standreinigung und Bewachung.
Der Quadratmeterpreis ist nur einer von vielen Punkten auf der langen Liste der Kosten für eine Messeteilnahme. Irgendjemand muß das ganze Zeug transportieren, aufbauen und wieder abbauen, man braucht Personal, mehrere Übernachtungen, An- und Abreise. Im Vorfeld der Messe muß man für Fotos, Poster, Prospektmaterial und natürlich für die Exponate sorgen. Dabei kannst Du Dich drehen und wenden, wie Du willst, die Teilnahme an Messen wie Cebit, Industriemesse, Electronica o. ä. kostet insgesamt immer einen satt 5stelligen Betrag, sofern Du Dich mit einem kleinen Stand und Mini-Mannschaft bescheidest.
Gegen Ende einer jeden Messe flüstert die veranstaltende Messegesellschaft der Presse etwas vom tollen Investitionsklima, von der hervorragenden Qualität der meisten Besucher als Bedarfsträger und Entscheider sowie von großen Verkaufsabschlüssen, die auf der Messe getätigt wurden. Von solchem hohlen Werbegewäsch sollte man besser keine Silbe glauben. Verkaufsabschlüsse auf Messen haben nämlich Seltenheitswert. Solche seltenen Fälle finden zudem nicht aufgrund, sondern anläßlich der Messe statt, waren also schon vorher in Tüte und Papier und werden nur noch publikumswirksam verwurstet.
Es geht auf einer Messe nicht unmittelbar um Verkäufe, sondern um Kontakte. Auch diese Kontakte muß man im Zuge der Messevorbereitung schon eingefädelt haben, wenn man nicht auf Zufälle angewiesen sein möchte. Sieht man sich an, welche Menschenmassen sich zuweilen durch die Gänge quälen, ist es für einen großen Teil davon nur Freizeitinteresse, ein weiterer Teil hat Interesse als Schüler oder Student, etliche Leute sammeln nur Prospekte und lassen sich mit Keksen und Kaffee durchfüttern. Entscheider mit Budget hast Du entweder vorher eingeladen oder Du wirst sie nicht antreffen.
Für den klaren Blick und für die Erfolgskontrolle sind auf der Messe geführte Gesprächsprotokolle unverzichtbar. Name des Interessenten, sein Brötchengeber, am besten die Visitenkarte und natürlich sein Wunsch gehören auf das Protokoll. Am Ende der Messe sortierst Du aus: Rumänisches Institut, das zwar Interesse, aber leider kein Geld hat; Indonesischer Interessent, der sich nur informieren wollte, mit dem aber Sprachprobleme keine Kommunikation ermöglichten, der Student auf der Suche nach einem Praktikumsplatz und der Bastler auf der Pirsch nach irgendwelchen Sachen, weil ihm Conrad zu teuer ist. Wenn man solche Zettel gleich als Ballast entsorgt, bleibt ein Häufchen mit vermeintlicher Substanz übrig. In einem weiteren Sortiervorgang schmeißt Du alles raus, was Du aufgrund fehlender Exportinfrastruktur in Deinem kleinen Betrieb eh nicht wirtschaftlich sinnvoll bedienen kannst oder wo die abenteuerlichen Sonderwünsche den Rahmen des eigenen Betriebs sprengen. Die gesamten Kosten der Messeteilnahme dividierst Du durch die Anzahl der letztlich verbleibenden Zettel und kommst damit auf die Kosten pro Kontakt. Der Betrag wird 3stellig sein.
Ein halbes Jahr nach Messeschluß nimmst Du wieder die Gesamtkosten der Messeteilnahme und dividierst sie durch die Anzahl der auf die Messe zurückzuführenden Aufträge. Du darfst aber nicht zu sehr erschrecken, wenn diese Anzahl exakt Null ist oder so klein, daß die Kosten pro Auftrag den Auftragswert übersteigen.
Über Jahrzehnte nahm ich mit eigenem Standsystem auf vielen großen Messen teil, hatte entweder meinen eigenen Stand oder war auf Gemeinschaftsständen präsent. Außerdem unterstützte ich andere Firmen, denn über einige Jahre hatte ich zusätzlich mehrere Industrievertretungen. Das Spiel ging genau so lange, bis ich herging und leidenschaftslos die Kosten pro Kontakt und die Kosten pro Auftrag ermittelte. Seitdem ist Schluß!
Die zur Entscheidung führenden Zahlen habe ich früher gar nicht ermittelt. Sie hätten möglicherweise günstiger ausgesehen, als Informationsbeschaffung und Informationsverbreitung ungleich schwerer waren, als es nämlich noch kein Internet gab. Man war auf einen kiloschweren Wälzer „Wer-liefert-was“ angewiesen, der natürlich nie erschöpfend sein konnte und schon bei Drucklegung veraltet war. Auch Fax gabs früher nicht, nur Telefon und Telex. Man mußte herumhören und herumreisen, um zu Informationen zu kommen und tagelang auf die Beamtenpost warten. Damals waren Messen sinnvoll, weil alternativlos. Wenn man aber heute Kosten und Nutzen gegenüber stellt, ist eine Messeteilnahme ineffizient. Diese Erkenntnis dürfte gewiß nicht nur für mein Tätigkeitsfeld, sondern für viele Bereiche gelten. Seltsamerweise rechnen nur wenige Unternehmen nach und machen eine Erfolgskontrolle und pflegen lieber alte Zöpfe.
Als Aussteller nahm ich zuletzt Ende der 90er Jahre an einer Messe teil. Als Messebesucher war ich zuletzt 2004 auf der Industriemesse in Hannover, weil die Messe ein Schwerpunktthema hatte, das mich besonders interessierte. Ergebnis: Die Messe ist gegenüber früheren Jahren erheblich geschrumpft, weil wohl doch das eine oder andere Unternehmen nachrechnet, was die Aktion bringt und außerdem konnte ich keine einzige für mich neue Information gewinnen. Der Wissenstand durch Internetrecherchen ging über das, was auf Ständen gezeigt wurde und was Standpersonal erzählen konnte, deutlich hinaus.
Für Publikumsmessen der Art Freizeit, Essen und Reisen o. ä. mag die Sache noch Sinn machen. Sobald man aber eine Zielgruppe genau genug beschreiben kann, würde ich den teuren Umweg über Messen nicht mehr gehen, sondern möglichst direkt die potentiellen Kunden kontaktieren.
Gruß
Wolfgang