Was passiert genau bei einem börsengang

hallo zusammen,

ich zerbrech mir gerade den schädel was für einen effekt der börsengang in der bilanz bewirkt!

der börsengang dient ja idr. zur kapitalbeschaffung. (ich nehme an umlaufvermögen)

vor dem börsengang hab ich eine ausgeglichene bilanz mit Vermögen und Kapital.

Wenn der Börsengang jetzt durchgeführt wird, dann wird doch aus eigenkapital grundkapital (oder irre ich).

Aber warum bekomme ich mehr kapital? Wenn ich mehr Umlaufvermögen habe, dann muss ich doch auch im Passiva mehr Kapital haben, dass dem ggü. steht?

wo ist mein Denkfehler?
Helft mir bitte!
David

Das Eigenkapital auf der Passivseite
ist ja nur eine rechentechnische Residualgröße
zum Ausgleich der Bilanz.

Vor dem Börsengang hat man eine ausgeglichene
Bilanz,
nach dem Börsengang hat man auch eine
ausgeglichene Bilanz

Wenn man im einfachsten fall 1 Millionen
einsammelt,
hat man 1 Millionen im Umlaufvermögen auf der BanK;
zum Ausgleich der Bilanz müssen dann
noch 1 Millionen auf die passivseite ins EK.

Das Grundkapital ist teil des EK,
und eine rechentechnische Größe,
um das Ek in verschiedene Posten aufzuteilen.

Der Denkfehler liegt vielleicht darin, dass du
das Ek als einen vermögensgegenstand auffasst,
das ist es eben nicht,
weil es wie oben gesagt
nur eine rechentechnische Residualgröße ist:
vermögen minus schulden ergibt die
rechentechnische Residualgröße Eigenkapital.

Hoffe das ist richtig so,
der Tag war lang.

Hallo,

ich zerbrech mir gerade den schädel was für einen effekt der
börsengang in der bilanz bewirkt!

zwei Szenarien: die Altgesellschafter verkaufen Aktien oder es werden neue Aktien ausgegeben. Im ersten Fall passiert in der Bilanz des Unternehmens gar nichts, im zweiten Fall passiert so einiges.

Am einfachsten geht es mit einem Beispiel. Gegeben sei eine einfache Bilanz:

Aktivseite Passivseite
Vorräte 100 gezeichnetes Kaital 50
 Verbindlichkeiten 50 

Nun werde das Kapital um 20 Prozent erhöht, wobei die Aktien zum doppelten ihres Nennwertes ausgegeben werden. D.h. Nominalwert 10, Ausgabepreis 20.

Aktivseite Passivseite
Vorräte 100 gezeichnetes Kapital 60
Guthaben 20 Kapitalrücklage 10 
 Verbindlichkeiten 50 

Der Nominalwert erhöht also das gezeichnete Kapital, der den Nennwert übersteigende Verkaufserlös wird der Kapitalrücklage gutgeschrieben und der Verkaufserlös fließt dem Unternehmen in bar zu bzw. erhöht das Bankguthaben.

Die Zeiten übrigens, in denen das Eigenkapital eine rechnerische Größe im Sinne der Differenz zwischen Vermögen und Schulden war, sind schon ein Weilchen vorbei. Wie man schon in obenstehendem Beispiel sieht, wird im Eigenkapital kräftig herumgebucht und seine Größe eben nicht durch den Abzug der Verbindlichkeiten von den Schulden bestimmt.

Wenn der Wert des Vermögens schrumpft, wird das auch durch Buchungssätze ins Eigenkapital getragen (bspw. über Abschreibungen) und eben nicht durch das Ermitteln einer Differenz.

Gruß
Christian

Korrektur

Die Zeiten übrigens, in denen das Eigenkapital eine
rechnerische Größe im Sinne der Differenz zwischen Vermögen
und Schulden war, sind schon ein Weilchen vorbei. Wie man
schon in obenstehendem Beispiel sieht, wird im Eigenkapital
kräftig herumgebucht und seine Größe eben nicht durch den
Abzug der Verbindlichkeiten von den Schulden vom Vermögen bestimmt.

vielen Dank!

Dass man im Eigenkapital bucht ändert nichts daran,
dass das Eigenkapital auch in den obigen Fällen
eine modelltheoretische Residualgröße ist,
die abhängig ist vom Bewertungssystem.

Dass man im Eigenkapital bucht ändert nichts daran,
dass das Eigenkapital auch in den obigen Fällen
eine modelltheoretische Residualgröße ist,

Mir war nicht bewußt, daß wir über ein theoretisches Modell reden und dazu noch über ein uraltes. In der Praxis ist Eigenkapital jedenfalls keine bloße Differenz von Vermögen und Verbindlichkeiten.

die abhängig ist vom Bewertungssystem.

Jede Position in einer Bilanz ist das Ergebnis einer Bewertung und diese Bewertung ist logischerweise auch vom Bewertungssystem bzw. den Rechnungslegungsvorschriften abhängig.

Die Bilanzpositionen wie Vorräte und Verbindlichkeiten
unterliegen in der Regel einem Bewertungsproblem.

Je nach dem wie man diese Bilanzpositionen bewertet,
ändert sich dementsprechend die Modelltheoretische
Residual Größe Eigenkapital.

Das grundlegende Modell kann z.B. durch das HGB,
das Steuerrecht oder die Internationale Rechnungslegung
determiniert werden.

Nur wenn die Bilanzpositionen keinem Bewertungsproblem
unterliegen (z.B. nur Kassenbestände)
könnte man das EK auch alleine durch das Buchen
im EK bestimmen;
wobei das EK weiterhin eine Residualgröße bleibt
(Doppelte Buchführung).

Dass das EK grundsätzlich eine Residualgröße ist,
wird mittlerweile allerdings durch einige
Eigenkapitalbestimmungen in der Internationalen
Rechungslegung (IAS) außer Kraft gesetzt.

Dann hat man das für den Einsteiger und auch Fachmann,
der die doppelte Buchführung gewohnt ist,
sehr eigenartige Problem,
dass die Grundprinzipien der doppelten Buchführung
nicht mehr gelten müssen.

Zitat:
„Nur wenn die Bilanzpositionen keinem Bewertungsproblem
unterliegen (z.B. nur Kassenbestände)
könnte man das EK auch alleine durch das Buchen
im EK bestimmen;
wobei das EK weiterhin eine Residualgröße bleibt
(Doppelte Buchführung).“

Also hier ist jetzt das direkte Verbuchen im Eigenkapital
gemeint, ohne eine Gewinn und Verlustung Rechnung,
wie es ja auch in obigen Beispielen passiert ist.

Solange man geldzugänge hat, die keinem Bewertungsproblem
unterliegen, kann man das EK dann natürlich
auch direkt bestimmen.

Wir reden scheinbar aneinander vorbei.

Die Zeiten, in denen das Eigenkapital als Subtraktion der Schulden vom Vermögen ermittelt wurde, sind lange vorbei. Tatsächlich wäre eine derartige Ermittlung nach Gob/HGB heute auch gar nicht statthaft und auch das Finanzamt hätte damit wohl so seine Probleme.

Der Betrag der einzelnen Eigenkapitalpositionen ergibt sich wie bei allen anderen Bilanzpositionen aus der Eröffnungsbilanz und den nachfolgenden unterjährigen und Abschlußbuchungen.

Das Eigenkapital kann auch nicht die Differenz von Vermögen und Verbindlichkeiten sein, weil es nicht das Eigenkapital gibt, sondern in der Regel diverse Positionen, aus denen sich das Eigenkapital zusammensetzt und die alle ihre Berechtigung haben und nicht selten verschiedenen Personen zustehen.

Natürlich kann man „modelltheoretisch“ sagen, daß das EK die Differenz von Vermögen und Verbindlichkeiten ist, aber erstens kommt man bei der Betrachtung schon ins Schleudern, wenn sich in der Bilanz Mezzanine-Produkte befinden, Sonderposten mit Rücklageanteil oder atypische stille Einlagen (verdammte Realität) und zweitens könnte man dann auch sagen, die Verbindlichkeiten seien die Differenz von Vermögen und Eigenkapital.

Will sagen: das sind eigentlich nicht einmal modelltheoretische Überlegungen, sondern bestenfalls solche, die sich für den Sowi-Grundkurs in der 12. Klasse eignen.

Kurzum: reden wir nicht über die Modelltheorie aus der grauen Vorzeit, sondern über die Realität des 20. und 21. Jahrhunderts und die war ja auch Gegenstand der Fragestellung, wenn ich den Fragesteller nicht ganz falsch verstanden habe.

Dass durch die direkte Verbuchung der Einlagen
der Gesellschafter
die Grundsätze der doppelten Buchführung und die
damit verbundene Eigenschaft des Eigenkapitals
als doppelte bewertungsabhängige
modelltheoretische Residualgröße
( resultierend aus Bilanzvergleich
oder Gewinn und Verlustrechnung,
die beide zum gleichen Ergebniss führen müssen),
aufgehoben werden,
ist deine persönliche zumindestens sehr grenzwertige
Auffassung.

Ich will ja auch nicht bezweifeln,
dass im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit sich
Anhaltspunkte dafür ableiten lassen.

Was ich nun bezweifele,
ob solche Sichtweisen im Rahmen von Einsteigerfragen
didaktisch sinnvoll sind.

Das wäre genau das gleiche,
als wenn ein 6 jähriger Erstklässler das Einmal Eins
beigebracht bekommt.
Und dann kommt eine Leherervertretung und fängt
an mit imaginären Zahlen;
und der Lösung von imaginären Differentialgleichungen
mittels Fouriertransformation.

Wenn Du meinst, daß die Erklärung, daß EK nur eine Differenz zwischen Vermögen und Schulden ist, im Zusammenhang mit der Frage nach den Auswirkungen einer Kapitalerhöhung sinnvoll ist, dann ist das halt so. Ich bin nicht dieser Ansicht. Genauso wenig bin ich der Ansicht, daß man jemanden, der nach den Auswirkungen einer Kapitalerhöhung fragt, mit der Erklärung der sich aus der Kapitalerhöhung ergebenden Veränderungen der Bilanz überfordert. Mal abgesehen davon, daß das eben der Kern der Frage ist, hatte ich auch nicht den Eindruck, daß der Fragesteller mit meiner Antwort unzufrieden oder überfordert war.

Wenn man einen Anfragenden zu 100 % zufriedenstellt,
ist wahrscheinlich auch das bessere Kriterium
als wenn man einen Halbexperten zu 90 % überfordert.