Was reizt euch bei der 'klassischen Literatur' ?

horizonte

Ich
persönlich finde die gar hochberühmten deutschen Dichter
nahezu gehirnerweichend langweilig.

kamikazeulf,

nicht jedem erschließt sich alles.
ich persönlich scheitere gelangweilt bei melville, dickens & joyce. so what?

e.c.

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Ich verbat mir oben ein pauschales, undifferenziertes Urteil
gegen alle „Klassiker“, die ja obendrein nicht definiert
wurden.

Wer bist du, dass du dir etwas verbeten kannst, wenn jemand auf anderer Leute Postings antwortet?

Ach ja, und aus dem UP:

Mit „klassischer Literatur“ sind Werke von Goethe, Schiller etc. gemeint.

Das hört sich doch arg nach deutschen Klassikern an, oder?

Kannst du etwas Sachliches dazu sagen?

Mmmh… Was genau war eigentlich sachlich an deiner Antwort auf meinen Beitrag?

Ich frage mich nur, warum du dich so getroffen fühlst.

Getroffen? Ist man das automatisch, wenn man die Unterstellung, literarisch ungebildet zu sein, von sich weißt?

Kommt mir ein bisschen wie im Kindergarten vor…

Ja, in der Tat - da hat es doch tatsächlich jemand gewagt, eine andere Meinung als du zu haben, und schon fühlst du dich bemüßigt, selbigem deshalb Unkenntnis vorzuwerfen.

Der UP hatte nach Meinungen gefragt und meine Antwort enthielt meine eindeutig als persönlich gekennzeichnete Meinung.

Das kannst du ja gerne so finden, es hat nur mit meinen
Postings, die ja ausgesprochen von Lustgewinn sprachen, so gar
nichts zu tun…

Ja, das hatten sie in der Tat nicht - mein Beitrag bezog sich nämlich auf das UP.

=^…^=

Hallo!

Die klassische, kanonische Literatur, das sind zunächst einmal Werke, die (aus unterschiedlichen Gründen) den „test of time“ bestanden haben. Es gibt sie noch, man liest sie noch, im Gegensatz zu literarischen Moden die verflogen.

  1. Manche, weil sie repräsentativ für eine Epoche sind, für ihren Begriff von Ästhetik, für das jeweilige Zeitgeschehen, für einen Abschnitt in der Literatur- und Ideengeschichte.
  2. Manche, weil sie ein neues Mittel in die Literatur eingebracht haben.
  3. Manche, weil in ihnen Motive und Themen begründet wurden, die in der Kultur- und Literaturgeschichte vielfach zitiert und variiert wurden.
  4. Manche, weil sie Meisterwerke sind.

Die ersten beiden Elemente sind vor allem historisch interessant, also für denjenigen interessant, der sich für die Zusammenhänge der Kulturgeschichte und das Heranwachsen der Literatur interessiert.

Das dritte Element mag am ehesten die eitle Bildungsbürger-Forderung „Das muss man gelesen haben“ erklären. Goethes Faust beispielsweise, mit der Gretchenfrage und des Pudels Kern, ist voll von Motiven, geflügelten Worten, Namen, Orten… die in der nachfolgenden deutschsprachigen Literatur mit derselben Selbstverständlichkeit als bekannt angenommen werden wie der Grundwortschatz. Das ist wie eine aus der Literatur gewachsene Mythologie. Sie erlaubt es, mit einem aus diesen alten Büchern geliehenen Wort ein gutes Dutzend Assoziationen im Leser zu wecken. Rosinante.

Das vierte Element ist das interessanteste, lässt sich aber wieder vielfach untergliedern. Was macht aus einem Werk ein Meisterwerk? Schon die widerstreitenden Empfehlungen der bisherigen Kommentare zeigen, dass es verschiedene Kriterien gibt und dass verschiedene Leser ihr Augenmerk auf jeweils andere Kriterien legen. Das Kriterium ist nicht immer jenes, dass das Lesen unterhaltsam ist. Es gibt quälend-schwierige Bücher wie es quälend-steile Anstiege gibt an deren Ende eine Aussicht steht.

Soviel zum Allgemeinen. Um die persönliche Frage zu beantworten: Mich reizt vor allem die Sprache. Es wäre aber sinnlos dir jetzt auch eine Empfehlung mittels meiner Vorlieben zu geben. Am Ende empfehle ich Bücher, vor denen dich andere gerade erst gewarnt haben. Lieber noch eine Warnung: Wenn du gerade anfängst, Romane und Erzählungen zu lesen, dann fang doch nicht bei Goethe und Schiller an. Welches Thema, welche Zeit… interessiert dich denn?

Gruß
Peter

Mit „klassischer Literatur“ sind Werke von Goethe, Schiller etc. :gemeint.

Das hört sich doch arg nach deutschen Klassikern an, oder?

Wenn für dich „Goethe, Schiller etc.“ ein klarer Klassikbegriff ist, dann empfehle ich dir, dich ein wenig mit dem Thema zu beschäftigen. Schon ein vernünftiger Lexikonartikel informiert einen darüber, dass das wesentlich komplizierter ist.

Und zum Grundthema ein letztes Wort von mir: „Ich finde alle Klassiker langweilig“ - wenn du im Ernst solche pauschalen Urteile sinnvoll findest - dann macht eine Diskussion zwischen uns keinen Sinn. Mit solchen Pauschalisierungen kann man nämlich nur primitiv streiten, aber nicht sachlich dikutieren.

Mmmh… Was genau war eigentlich sachlich an deiner Antwort
auf meinen Beitrag?

Nun weichst du aus. Trau dich doch, richtig zu antworten!
Karl

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eod

dann macht eine Diskussion zwischen
uns keinen Sinn. Mit solchen Pauschalisierungen kann man
nämlich nur primitiv streiten, aber nicht sachlich dikutieren.

In der Tat - da du die Beleidigungen einfach nicht lassen kannst.

Mmmh… Was genau war eigentlich sachlich an deiner Antwort
auf meinen Beitrag?

Nun weichst du aus. Trau dich doch, richtig zu antworten!

Du sprichst offenkundig mit dir selbst.

Hallo Peter,
schöne zusammenfassende Darstellung, Danke. Ich möchte mir erlauben, noch ein, zwei Gedanken hinzuzufügen, und zwar zunächst zu diesem Punkt:

  1. Manche, weil in ihnen Motive und Themen begründet wurden, die in der Kultur- und Literaturgeschichte vielfach zitiert und variiert wurden.

Das dritte Element mag am ehesten die eitle Bildungsbürger-Forderung „Das muss man gelesen haben“ erklären. Goethes Faust beispielsweise, mit der Gretchenfrage und des Pudels Kern, ist voll von Motiven, geflügelten Worten, Namen, Orten… die in der nachfolgenden deutschsprachigen Literatur mit derselben Selbstverständlichkeit als bekannt angenommen werden wie der Grundwortschatz. Das ist wie eine aus der Literatur gewachsene Mythologie. Sie erlaubt es, mit einem aus diesen alten Büchern geliehenen Wort ein gutes Dutzend Assoziationen im Leser zu wecken. Rosinante.

Da scheint mir dann doch der Rosinante vom Schwanz her aufgezäumt. Solche Werke sind nicht Klassiker, weil sie Topoi enthalten, sondern umgekehrt sind und waren diese Topoi dem Bildungsbürger gegenwärtig, weil diese Werke bis in jüngste Zeit selbstverständliches bürgerliches Bildungsgut waren, das man eben gelesen oder auf der Theaterbühne gesehen hatte und kannte. Dass diese Versatzstücke bürgerlicher Bildung als ‚Code‘ auch einer elitären Abgrenzung gegen den ungebildeten Pöbel dienten und bei so manchem selbsternannten Bildungsbürger auch nicht mehr waren als das, ist eine andere Geschichte. Zu wissen, dass das Sprichwort „die Axt im Haus erspart den Zimmermann“ ein Zitat aus Schillers ‚Wilhelm Tell‘ ist, ist nicht wirklich ein Ausweis für Bildung. Zu wissen, dass dies im Kontext des Stückes kein Lob eines Do-it-yourself-Heimwerkers ist, sondern dass dieses kleine Sätzchen treffend den Wilhelm Tell als autonomen, mündigen und (auch geistig) unabhängigen Menschen charakterisiert, der sein Leben selbst in die Hand nimmt und gestaltet und eben dafür metaphorisch-formelhaft steht - dazu gehört schon etwas mehr.

Bleiben wir bei Schillers Tell und gehen etwas näher auf Deinen nächsten Punkt ein:

  1. Manche, weil sie Meisterwerke sind.

Du stellst ja einige Überlegungen an zur Frage:

Was macht aus einem Werk ein Meisterwerk?

Was also macht aus dem ‚Tell‘ ein Meisterwerk, einen Klassiker. Natürlich als Naheliegendstes die souveräne Beherrschung der ‚handwerklichen‘ Mittel - der Sprache, der Dramaturgie. Sodann das, was ich die psychologischen Mittel nennen möchte - die Charakterzeichnung der handelnden Personen, die in den Dialogen entwickelt wird, ist differenziert und glaubwürdig, nicht holzschnittartig.

Die genannten Aspekte reichen in dieser Qualität schon hin, aus dem Stück ein Meisterwerk zu machen. Hinzu kommt die Thematik des Stücks und dessen Behandlung - die Freiheit. Und zwar geht es um politische Freiheit, um Revolution, um die moralische Rechtfertigung von Terrorismus (was ist das Attentat auf Gessler sonst?), um die Stellung des Einzelnen zu gesellschaftlichen Umwälzungen, seine gesellschaftliche Verantwortung - und auch um die Versöhnung gesellschaftlicher Gegensätze als Voraussetzung des Aufbaus einer besseren Gesellschaft.

Es ist vor allem diese nicht zeitgebundene Thematik und ihre Behandlung, die aus dem Stück nicht nur ein Meisterstück, sondern einen Klassiker macht. Klassiker bedeutet, dass das Werk Referenzcharakter hat. Das heisst, dass jeder, der in deutscher Sprache ein Drama zum Thema ‚Unterdrückung und politische Freiheit‘ verfasst, dies tunlichst in Auseinandersetzung mit dem ‚Tell‘ tun sollte. Auch wenn er selbst sein Werk nicht an dem ‚Klassiker‘ misst - die Kritik und das informierte Publikum tut es. Wenn es gelingt, von dem Thema dann nicht nur einen epigonalen zweiten oder dritten Aufguss zu produzieren sondern neue und andere Aspekte einzubringen und dazu - nicht zu vergessen - eine vergleichbare sprachliche und psychologische Meisterschaft die Hand führt, dann kann so durchaus ein neuer Klassiker entstehen. Hier in unserem Fall wären da vor allem Büchners ‚Dantons Tod‘ zu nennen und Brechts ‚Die Gewehre der Frau Carrar‘.

Ich denke, damit ist ein wenig klar geworden, was ich persönlich unter einem ‚Klassiker‘ verstehe. Es ist der Referenzcharakter solcher Werke, der sie dazu macht. Und eben daraus erhellt auch, warum es gewinnbringend sein kann, die Klassiker zu lesen - es schult das Urteil und den Geschmack. Und das nicht nur in ästethischen Fragen. Um beim Thema ‚Freiheit‘ zu bleiben - wer seinen Schiller kennt (und das heisst hier nicht nur den Tell, sondern auch die Räuber und den Don Carlos), der kann dann nur noch milde lächeln, wenn er z.B. präsidiale Phrasendrescher über ‚Freiheit‘ schwadronieren hört.

Vielleicht wird so auch deutlich, dass die Bildung, die gerade die Auseinandersetzung mit den Klassikern vermittelt, nicht wirklich etwas mit dem Sammelsurium belanglosen Faktenwissens zu tun hat, das gewöhnlich als ‚bürgerliches Bildungsgut‘ durchgeht. Diese Bildung ist das Kernstück des Projekts Aufklärung, die Befähigung zum „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“, um Kant zu bemühen. Leider erlahmt die Kraft dieses Projektes mehr und mehr und der Primat der Ökonomie wird zunehmend totalitärer. Bildung wird fast nur noch als Ausbildung missverstanden (Kulturpolitiker nehmen das Wort ‚Bildung‘ kaum noch in den Mund), Kultur als Entertainment und Konsumgut. Hochkultur darf dann noch ein wenig repräsentativen Zwecken dienen und wird ein wenig (zunehmend weniger) gefördert, in den Schulen schwindet ihr Stellenwert rapide. Kein Wunder, dass Viele die Klassiker ‚langweilig‘ finden - zumeist haben sie einfach nicht gelernt, sie zu verstehen.

Die Ignoranz in Bezug auf das eigene kulturelle Erbe wird so zum Marktfaktor - die Bestsellerlisten und noch mehr ein kurzer Rundgang durch eine Buchsupermarktfiliale beweisen es. Menschen mit Bildung kann man so einen Mist doch eigentlich nicht verkaufen, oder?

Freundliche Grüße,
Ralf

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Nun klassische Literatur ist auch ein Zeitbild, da erfährt man ein Stück wie unsere Ahnen gedacht und gelebt haben.
Ein gutes Beispiel ist für mich Theodor Storm einige werden ja den Schimmelreiter udgl. kennen.
Da wird sehr genau gezeigt wie man in vergangen Zeiten gelebt hat mit Aberglauben aber auch mit der aufstrebenden Wissenschaft.
So hat der Deichgraf Hauke Haien halt bei dem Deichbau in Holland Wichtiges abgeschaut.
Theodor Storm hat aber auch viele Gedichte geschrieben so z.B. „der Weihnachtsabend“.
http://meister.igl.uni-freiburg.de/gedichte/sto_t11…

Gruss Joe