Es geht mir nicht gut. Ich habe Angst vor der Zeit. Ständig guckt man nur auf die Uhr, hetzt durch sein Leben. Morgens schnell aus dem Bad, schnell ins Bad, schnell zur Bahn. Eine Stunde zur Arbeit fahren, 10 Stunden da bleiben, in der Pause schnell irgendwo etwas zu essen kaufen, schnell wieder zurück an den Arbeitsplatz, eine Stunde zurück fahren, schnell duschen, etwas essen, schon 23 Uhr, ab ins Bett sonst wir der nächste Tag noch anstrengender.
Mein Leben zieht an mir vorbei und ich leide dabei nur. Alles was schief läuft macht mich kaputt weil es den engen Zeitplan durcheinander bringt. Ich habe solche Angst Zeit zu verlieren weil ich keine habe. Ich weine oft weil ich das Gefühl habe die Kontrolle verloren zu haben. Die Zeit hetzt mich unerbittlich, schöne Momente ziehen vorbei und wenn man blinzelt sind se vorbei. Ich gehe nicht mehr raus wenn ich frei habe, unternehme nichts mehr mit Freunden, inzwischen habe ich keine mehr. Ich will nichts erleben, keinen Spass haben weil ich weiß das es vorbei gehen wird und ich es vermissen werde. Ich will nicht glücklich sein weil dann die Realität, wenn es vorbei ist, einen noch viel härter trifft.
Ich war 5 Jahre lang essgestört. Hungerte mich in den ersten Monaten von 92 auf 58 kilo runter. Dann habe ich die Kontrolle darüber total verloren und es zerstörte mich. Dann bin ich nach Berlin gezogen, es sollte ein neuer Lebensanfang werden, aber erst hier habe ich mein Leben vollkommen verloren. Seitdem ich hier bin habe ich keine Zeit mehr der Job bringt mich um. Ich gucke ständig auf die Uhr, nur um zu sehen wann ich endlich Feierabend habe oder um zu erfahren wie viel Zeit ich noch habe bis ich wieder Anfangen muss zu arbeiten. Alles zieht mich runter.
Dann gibt es Tage, manchmal sind es auch nur Momente in denen ich, meistens Grundlos, vollkommen zufrieden, frei von Selbsthass und glücklich bin. Dann lächle ich über Missgeschicke, platze fast vor Euphorie, halte es kaum aus, gebe zu viel Geld aus, will für jeden Menschen auf der Welt nur das beste und bin der Meinung das Leben wäre zu kurz für Kummer, Traurigkeit und Zweifel. Das hält aber nie lange an, meistens falle ich von einer Sekunde zur nächsten zurück in dieses tiefe schwarze Loch.
Ich mag mich nicht besonders. ich finde mich zu fett, mein Gesicht zu rund meine Stimme zu maskulin.
Wenn ich alleine bin weine ich nicht viel.
Ich habe eine Beziehung mit jemandem angefangen der mir eigentlich genau das gibt was ich brauche, Geborgenheit und Verständnis.
Aber in seiner Gegenwart weine ich sehr viel. Aber ich glaube das tue ich nur weil er ein Ventil ist, jemand der da ist, jemanden dem ich zeigen kann wie ich mich fühle. Sonst habe ich meine tiefe Unzufriedenheit und Traurigkeit einfach ertragen, oder es zumindest versucht. Allein.
Jetzt weine ich sehr oft, wegen kleiner Fehler die er macht, wenn er zum Beispiel vergisst mein Shampoo von sich zuhause mitzubringen. Banale Dinge, aber ich verurteile ihn und verletze ihn verbal. Weil mir diese Dinge Zeit rauben. Zeit die ich meiner Meinung nicht habe. Ich fühle mich alt, ich fühle mich als wäre es bald vorbei. Ich altere so schnell, das Leben geht so schnell vorbei und ich wäre viel lieber glücklich. Aber ich schaffe es nicht.
Ich denke viel nach über Dinge die ich tue und sage. Wenn ich an solche Momente zurückdenke in denen ich einfach zusammengebrochen bin und am liebsten einfach nur sterben wollte, frage ich mich warum mich diese kleinen Dinge so belasten. Aber ich weiß die Antwort darauf nicht.
Ich bin antriebs- und lostlos. Meine freien Tage verbringe ich im Bett, weil ich müde und ausgezehrt bin. Davon der Zeit hinterher zu hetzen. Selbst nach 12 Stunden schlaf bin ich einfach nur Müde, wenn ich arbeite schlafe ich zu wenig, wenn ich frei habe zu viel.
Und selbst wenn ich mir einen Wecker stelle um mal was zu schaffen an einem freien Tag, stehe ich nicht auf. Weil ich sonst jeden verdammten Tag aufstehen muss. Immer und immer wieder.
Musik ist alles für mich. Aber ich habe keine Zeit mehr um mich intensiv mit ihr zu beschäftigen. Auf der Arbeit sagte man mir ich soll im Pausenraum keine Musik hören weil ich mich lieber mit meinen Kollegen unterhalten soll. Konversation sei wichtig für das Arbeitsklima. Aber abschalten und mal kurz nur für mich sein kann ich nur mit Musik.
Ich klammere mich an ihr fest. Egal ob sie mich glücklich oder noch trauriger macht als ich es schon bin. Hauptsache sie ist da. Sie verwandelt regen in Erinnerungen
von besseren Tagen an denen ich über Festivalgelände gelaufen bin und mich gefühlt habe als könnte ich die Welt umarmen. Sie verwandelt Traurigkeit in Melancholie und Traurigkeit in Hoffnung.
Irgendwann wird sie das einzige sein das ich noch habe.
Manchmal wenn ich in der Badewanne sitze und einen Song höre der so abgrundtief traurig und schön zugleich ist, bin ich mir sicher das es ein schöner Song zum sterben sein könnte oder für eine Beerdigung.
Dieser Schmerz ist immer da, egal wo ich bin, egal was ich tue. Manchmal etwas weniger aber meistens unerträglich stark. Ich könnte es beenden. Aber dann würde ich mir die verbliebende Zeit selbst rauben. Und eigentlich finde ich das Leben zu kostbar um es einfach zu beenden.
Damit würde ich so vielen Menschen weh tun, glaube ich, meiner Mutter zumindest.
Deswegen habe ich keine Wahl. Ich muss es einfach ertragen, bis es vorbei ist.
Ich wollte schon lange zu einem Arzt gehen aber wenn ich mal frei habe komme ich einfach nicht aus meinem Bett raus und weiß auch gar nicht was ich sagen soll. Mein Freund sagt immer ich bin nur etwas überarbeitet, hat er vielleicht recht? Geht es vielen so?