Was wollte eigentlich Napoleon?

Was wollte eigentlich Napoleon I. Angesichst der angehenden Erinnerungstage der Völkerschlacht stellt sich mir mal wieder die Frage: Was wollte eigentlich Napoleon? Er hat, seit er was zu sagen hatte, Europa (und nicht nur Euopa - Ägypten) mit Krieg überzogen, hat mal die Engländer versucht auszuhungern, hat mal versucht, den Russen eines auf die Mütze zu geben, aber. WAS wollte er eigentlich erreichen? Was war das Ziel?

Er konnte doch unmöglich hoffen, der Alleinherrscher Europas zuwerden; denn selbst wenn er es geworden wäre, das hätte längstens bis zu seinem Tode gehalten, und dann wäre alles wieder auseinandergefallen. So viel Realist war er ja auch wieder…

Also nochmal: Was wollte er eigentlich?

Gruß Antal

Hallo Antal,

Napoleon bezog die Legitimation seines Kaisertums in erster Linie auf seinen militärischen Erfolg. Er war also nur solange Kaiser wie er siegte und immer weiter siegte.

Gruß Hardey

Herrschaft. Nicht mehr nicht weniger.

Wenn jemand Erfolge, Macht und Herrschaft besitzt und erreicht, möchte er mehr davon
Denke mal es war reiner Egoismus und die Befriedigung der Machtausübung & Siege die ihn veranlasst haben immer mehr einzunehmen.

Das ist übrigen eine menschliche Eigenschaft die nicht nur auf Napoleon zutrifft.
Das sieht man auch an unserer Wirtschaft, der Politik und
auch in Firmen bei den Mitarbeitern / chefs.
Musst mal darauf achten.

Moin,

denn selbst wenn er es geworden wäre, das hätte
längstens bis zu seinem Tode gehalten, und dann wäre alles
wieder auseinandergefallen. So viel Realist war er ja auch
wieder…

nein war er sicher nicht.
Er wollte soviel Macht wie irgend möglich, wollte wenn es gegangen wäre auch die Weltherrschaft. Vor ihm gab es da noch einige, die ähnlich dachten und handelten, z.B. Alexander, Dschingis Khan und nach ihm Hitler.
Lies mal das Buch 'Anmerkungen zu Hitler’ von Sebastian Haffner, dort setzt er sich u.a. mit diesem Phänomen auseinander und analysiert es m.E. sehr gut.
Golo Mann hat es in seiner Rezension des Buches zusammengefasst:
_Wie das Buch überhaupt reich ist an treffenden Einordnungen oder Nicht-Einordnungen. Zum Beispiel: Was immer Hitler gewesen sei, ein Staatsmann gewiß nicht, zumal er für den Staat überhaupt keinen Sinn hatte. Er gab seinem Dritten Reich keinerlei Verfassung, kümmerte sich nicht um eine geregelte Verteilung staatlicher Funktionen, bestimmte nicht einmal seinen Nachfolger; so daß er ein Chaos hinterlassen hätte, wäre er selbst auf der Höhe seiner „friedlichen“ Erfolge, 1938, gestorben.

So auch schloß er als Sieger keine Friedensverträge. besonders mit Frankreich 1940 nicht, so waren seine Kriegsziele buchstäblich grenzenlose: das hätte nie aufgehört. Die Verweigerung von Grundgesetzen im Innern, Verträgen nach außen, hing zusammen mit seinem Widerwillen, überhaupt sieh zu binden, dieser wieder mit seiner Selbstvergottung. Künstler und Götter müssen frei von Bindung bleiben.

Die „Anmerkungen zu Hitler“ sollten in den obersten Klassen der Schulen gelesen und diskutiert werden. Dazu eignen sie sich vorzüglich; zugleich klar, informativ und provokant. wie sie sind. Aber dafür sollte ihnen ein noch einmal konzentriertes Schlußkapitel angehängt werden. Warum? Weil die Argumentation in den einzelnen Kapiteln häufig zu dem Punkt führt, wo sie eigentlich zugunsten Hitlers enden müßte oder zu enden scheinen könnte, um dann umzukippen.

Er sah manches richtig oder doch halb richtig – wenn er es nur nicht so verrückt übertrieben hätte. Er hätte ein guter Europäer sein, hätte 1938, noch einmal 1940 Europa konstruktiv einigen können – wenn er nicht Hitler gewesen wäre. Eben, er war es ja, und wäre er es nicht gewesen, dann wäre er gar nicht in die Position gekommen, in der ein ganz anderer vielleicht ein frei geeintes Europa geschaffen hätte, welches zu schaffen er selber der allerallerletzte war. Und wer das war, sollte am Ende noch einmal zusammenfassend gezeigt werden, damit die Schüler es schwarz auf weiß nach Hause tragen._

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40694126.html

Gandalf

Moin,
ich bin kein Historiker, ich weiß es nicht. Evtl. auch ein Imperium schaffen wie vor ihm die Römer? Du kannst auch weiter fragen, Was wollte Adolf? Er war ja auch davon besessen, ganz Europa zu Unterwerfen. Germanen „züchten“. Beim Adolf sieht man ja auch den „Römer-Tick“. Standarten-Führer, dann diese Standarten, der Gruß (Ave Cäsar…) und das Symbol-altgermanisches Sonnenrad.
Aber, wie gesagt, ich weiß es nicht.

Hallo & Guten Tag,

vielen Dank für die Frage; - die Absicht, sie zufriedenstellend beantworten und in einem Zehnzeiler zusammenfassen zu wollen  muss am Versuch scheitern, da es vor allem eines bleibt: Unvollständig. 

Napoleon aus heutiger Perspektive „verstehen“ zu wollen, ist unmöglich, weil automatisch heutige Maßstäbe verwendet werden. Er war ambivalent in nahezu jeder Hinsicht. Als er von Korsika aus zum ersten Mal französischen Boden betrat, um die Militärakademie zu besuchen, sprach er nicht ein Wort französisch …
 
Notwendig ist das Studium der umfangreichen sowohl historischen als auch moderneren Quellen; - sie sind in jeder Bibliothek und mittlerweile in mancherlei Hinsicht online recherchierbar. Es gibt kaum eine andere Persönlichkeit, über die annähernd so viel publiziert wurde.

Hättest du gefragt, wie das Pferd hieß, das Wellington in der Schlacht von La Belle Alliance ritt, so hätte ich ohne Umwege antworten können: „Kopenhagen.“ Den Namen von Napoleons Leibdiener, die Namen von Napoleons unglücklichen Liebschaften … all das und mehr … - , was jedoch Napoleon „eigentlich wollte“, sprengt den Rahmen.

Was mich irritiert, ist, dass es dich angelegentlich der 200-Jahr-Feier der Völkerschlacht „… wieder einmal beschäftigt …“ - Hast du dich bis heute jemals selbst eigeninitiativ mit dem Korsen beschäftigt? 

Herzliche Grüße

K. 

Danke Gandalf, für Deine Antwort, sie hat was. Ich werde Haffners Buch mal genauer durchlesen, mal sehen.

Gruß Antal

Oh je, Klaus. Ich will nur mal auf deine letzte Frage eingehen, denn die vorherigen Antworten z.B. nach seinem Pferd, hätte ich auch gewußt. Unabhängig davon, daß all dieses Zeugs (Namen von Pferd und Dienern und Geliebten (wie ich das nenne) Nonsenswissen ist. Ob man das weiß oder nicht, völlig egal.

Ja, und ob ich mich schon vorher mal mit ihm beschäftigt habe? Na ja, ich war halt in Ajaccio und natürlich auf Elba, und an der Cote, wo er gelandet war, und bin die Route Napolen mal abgefahren, und im Verkehrsmuseum in Tours, natürlich im Inavlidendom, in Waterloo, in Jena/Auerstädt etc. pp

Und immer wieder frage ich mich, was hat ihn, trotz seiner zweifelsohne vorhandenen Genialität, dennoch getrieben, immer weiterzumachen, immer weiterzumachen…

Was ist in so jemandem anders? Warum lehnt er sich nicht irgendwann zurück und sagt: „jetzt is gut“. Und genießt seinen Nachruhm?

Antal

Hallo

Was ist in so jemandem anders? Warum lehnt er sich nicht irgendwann zurück und sagt: „jetzt is gut“. Und genießt seinen Nachruhm?

Ich glaube, die erste Antwort von Hardey sagt etwas sehr Wichtiges über Napoleon aus.
Der Vergleich mit Hitler finde ich nicht besonders passend, Napoleon war doch ein völlig anderer Typ als Hitler, und auch die Situation und Vorgeschichte war völlig anders. - Aber trotzdem solltest du das Buch von Haffner lesen.

Viele Grüße

Hallo & Guten Tag.

Das Handeln und deren Motive aus der Gegenwart heraus betrachten und verstehen zu wollen unterliegt einem Handicap: Wir nehmen anders wahr und (be-)urteilen anders als früher. Zu unterschiedlichen Zeiten wird Geschichte unterschiedlich interpretiert. 

Es gibt nur einen Schlüssel zur Antwort: Den besitzt Napoleon selbst. Er wird keine weitere Antwort außer jene(n) geben, die er zu Lebzeiten hinterließ. Nachzulesen in Tagesbefehlen, Bulletins, seiner Korrespondenz - und seinen Memoiren, - die sind geschönt. 

Über kaum eine Person der Zeitgeschichte wurde so zahlreich publiziert. So erfährt der Leser auf seiner Zeitreise das, was bereits in anderen Büchern steht oder - und vor allem das, wonach man suchen muss: Seine Begabungen, seine Vorlieben, seine Geliebten. Nicht zuletzt war er eines: Ein Mann aus Fleisch und Blut. Er hinterließ Fußabdrücke, die bis heute nachwirken. 

Hättest du etwas „einfaches“ gefragt, z. B. nach dem Namen von Napoleons Pferd bei Waterloo, hätte ich geschrieben: "Das ist leicht. Es hieß ‚Marengo.‘  "

Eine Antwort auf deine gestellte Frage jedoch ist, wie erwähnt unmöglich. Napoleon allein kennt sie. Jeder, der sie für ihn beantworten möchte, spekuliert, nimmt an, unterstellt. Das ist Kaffeesatzleserei. Vielleicht liest du seine Memoiren oder besser noch, die seiner Diener  … ? :smile:

Herzliche Grüße

K. 

„Glauben Sie vielleicht, dass ich eine Demokratie begründen will: Welcher Gedanke! (…) Ruhm, die Befriedigung ihrer Eitelkeit, aber von Freiheit verstehen sie nichts. (…) Die Nation braucht einen Führer, einen durch Ruhm hervorragenden Führer, aber keine Theorien über Regierung, keine großen Worte, keine Reden von Ideologen, von denen die Franzosen nichts verstehen. Man gebe ihnen Steckenpferde, das genügt ihnen, sie werden sich damit amüsieren und sich führen lassen, wenn man ihnen nur geschickt das Ziel verheimlicht, auf das man sie zumarschieren lässt.“

vertrauliche Äußerung Napoleons gegenüber Miot de Melito, dem französischen Gesandten in der Toskana

„Hätte der Himmel gewollt, dass ich als deutscher Fürst geboren wäre und hätten sie mich einmal zu ihrem Kaiser gewählt und ausgerufen, so scheint mir noch heute, dass sie nie von mir abgefallen wären und ich jetzt nicht hier sitzen müsste.“ (Napoleon auf St. Helena, kurz vor seinem Tode)

Beides belegt: Napoleon war ein skrupelloser Machtmensch. Anders als viele andere Machtmenschen - aber ebenso wie der Machtmensch Hitler - hatte er das Glück, dass ihn das Schicksal nicht an die Spitze irgendeiner drittklassigen Macht brachte, sondern an die Spitze der zu ihrer Zeit ohnehin schon mächtigsten Nation. Dort konnten sich beide mangels anderer Legitimation (etwa Gottesgnadentum) allerdings nur genau so lange halten, wie sie Erfolge vorzuweisen hatten, sie waren also zum Erfolg verdammt, und dank der Macht dieser Nationen wie durch eigenen Instinkt hatten auch beide eine ganze Zeitlang Erfolge. Ebenso wie Hitler war Bonaparte gar kein Angehöriger dieser „seiner“ Nation, jedenfalls nicht im engeren Sinne, was beider Skrupel auch nicht gerade vergrößerte. Für Bonaparte war Frankreich das Rennpferd, auf das er setzte, so wie Hitler auf das deutsche Pferd setzte (und ihn, als der Gaul das Derby nicht gewinnen konnte, am liebsten totgeprügelt hätte, wie schon Sebastian Haffner anmerkte).

Gruß
s.

Super. Erste Antwort mutmaßlich im Internet „verreckt“, da nicht angezeigt … - erst, als Antw. Nr. 2 erschien. Was für eine Zeitverschwendung … :smile:

Das Ziele Napoleons haben sich im Laufe seiner Karriere selbstverständlich verändert.
Zunächst, nach der Revolution wollte er Frankreich aus dem Chaos heraus führen.
Beleg dafür ist sein „Code Civil“.
Mit den militärischen Erfolgen verrlor er zunehmend den realistischen Blick auf seine Möglichkeiten.
Weil er um die Endlichkeit seiner eigenen Herrschaft wusste, hatte er - spätestens nach seiner Kaiserkrönung - die Absicht Gründer einer Dynastie zu sein. Deshalb die Verehelichung von Eugen Beauharnais mit der Wittelsbacher-Tochter. Deshalb seine Ehe mit der Habsburger Prinzessin Marieluise.
Wie alle Despoten konnte er die realistischen Machtverhältnisse nicht mehr sehen. Musste auch aus wirtschaftlichen Gründen ständig „Beute“ machen -

vergleiche Adolf Hitler:
Wahre Ursachen für den 2. Weltkrieg - ohne diesen hätte auch dieser spätestens 1942 den Staatsbankrott erklären müssen.

Hallo,

die bisher geschriebenen Antworten provozieren mich jetzt doch zu dieser:

Napoleon wollte den Völkern Europas den Geist des Fortschrittes und der Aufklärung bringen.
Er wollte sie vom Joch der Kirche und des Adels befreien, seine Bürger aus der Finsterniss hin zum Lichte der Moderne führen.
Dies alles unter der Führung und am Beispiel der ruhmreichen Französischen Nation.

Beste Grüße aus dem Land der ehem. Verbündeten.

Danke, browntrout für Deine Antwort, die, wie so eine ganze Reihe anderer hier, durchaus was hat.

Aber sag, aus welchem Land „unserer ehemaligen Verbündeten“ schreibst Du? Wir hatten schon so viele…

Gruß Antal

Hmm, browntrout,

Napoleon wollte den Völkern Europas den Geist des
Fortschrittes und der Aufklärung bringen.
Er wollte sie vom Joch der Kirche und des Adels befreien,
seine Bürger aus der Finsterniss hin zum Lichte der Moderne
führen.

kann ich mit ein paar Einschränkungen für die vornapoleonischen Kriege im rechtsrheinischen Deutschland tolerieren. Aber als Napoleon zum Beispiel seinen Bruder Jerôme als König Lustik von Westfalen installierte, war das nicht unbedingt das Licht der Moderne.

Naja, wiewohl eigentlich zu konstatieren wäre, dass Jerôme sich im Rahmen seiner Möglichkeiten schon bemühte, gewissermaßen einen Musterstaat zu basteln und der Vergleich zu seinem Vorgänger, Landgraf Wilhelm sicherlich zu seinem Gunsten ausfallen sollte.

Sagen wir es also so, er hat ganz schön Bewegung in die deutsche Geschichte gebracht, aber nur zum Teil mit Absicht.

Gruß
Hardey

Hallo, browntrout,
naja, also auch deine Einlassung fordert mich zu einer Antwort heraus. Aus der Finsternis befreien kann man ja wohl jemanden eher, indem man selber eine Lichtgestalt ist.
Stellen wir die Frage doch einmal anders: Was hätte Napoleon äußerstenfalls errreichen können? Nun, hätte er bis zu seinem (verdienten späteren) Lebensende regiert, und das über einen großen Teil Europas, hätte er manch Positives bewirken können: Vielleicht wäre der Balkan nicht in der „Balkanisierung“ versunken, sondern durch den zarten Einfluss der französischen Kultur etwas veredelt worden - auch der grimmige Islam von heute wäre uns möglicherweise erspart geblieben. Russland wäre nicht in einen dumpfen Zarismus zurückgefallen. Die Deutschen? Schwer zu sagen - angesichts der Rheingrenze hätten sie sich wohl stärker gen Osten ausgerichtet.
Ganz sicher aber wäre heute das Englische nicht die Weltsprache, und ganz gewiss wäre das vernünftigste Ergebnis der Revolution, das metrische System, nicht erst heute das herrschende …

Hallo,

Aber sag, aus welchem Land „unserer ehemaligen Verbündeten“
schreibst Du? Wir hatten schon so viele…

aus Bayern. (O.K. als sich der Niedergang abzeichnete war es aus Gründen der Staatsrässon erforderlich die Seiten zu wechseln :wink:)
Aber bis zu Beginn des 20. jhdts. war die bayerische Politik immer pro französisch.
Erst als im bayerischen Parlament wirtschaftsliberale, industrienahe Kräfte Oberhand bekamen wurde der Nationalstaatsgedanke und damit das Bündnis mit den ungeliebten Preussen unter der Vormacht Bismarcks umgesetzt.
Viele Lehenwörter aus dem französischen stammen noch aus jener Zeit als französisch = modern in Bayern war. So sagen ältere Bürger heute noch Trotoir zum Gehweg und man denke nur an den Münchner Rinderschmorbraten Böfflamott (Beauf a la mode)…

Beste Grüße

kann ich mit ein paar Einschränkungen für die
vornapoleonischen Kriege im rechtsrheinischen Deutschland
tolerieren. Aber als Napoleon zum Beispiel seinen Bruder
Jerôme als König Lustik von Westfalen installierte, war das
nicht unbedingt das Licht der Moderne.

Hi,
hätte es die preussischen Reformen (Leibeigenschaft, Gewerbefreiheit, Emazipation d. Juden) jemals gegeben ohne den Druck von aussen? Nach 1815 passierte doch in Preussen nichts mehr, nicht mal die 1810 angekündigte Verfassung wurde dann noch erlassen.
Das Königreich Bayern hatte bereits 1808, zwei Jahre nach Gründung eine Verfassung, in der fast alle der preussischen Reformen bereits verwirklicht waren ,1818 dann bereits eine Volksvertretung in zwei Kammern.
Das Napoleons Bruder nicht unbedingt das hellste Licht war, hat er ja zuvor schon bestens bewiesen…
Das kommt in den besten Königshäusern vor…

Grüße
miamei