Wasserpotenzial von bis zu -130bar bei Bäumen?

Hallo!

Ich hab schon mal im Archiv geschaut und auch gegoogelt aber keine zufrieden stellende Antwort gefunden…

Bei Mammutbäumen sagt man, dass das Wasserpotenzialgefälle bis zu -130 bar beträgt.

Dazu meine Fragen:

  1. Ist dies ein tatsählich messbarer (Unter-)Druck?

  2. Wie kommen so hohe Drucke zu Stande?

3.Eine 100m hohe Wassersäule (Mammutbaumhöhe) würde ja einen Druck von 10 bar ausüben, somit würden doch -11bar und evtl. noch ein paar zerquetschte reichen um diese (Höhen-)Differenz zu überwinden???

Vielen Dank für kompetente (und möglichst auch noch verständliche) Antworten!

gruß
ladydi

Moin, drambeldier,

Bei Mammutbäumen sagt man, dass das Wasserpotenzialgefälle bis
zu -130 bar beträgt.

da tippe ich mal auf Stammtischphysik (zum
Wasserpotenzialgefälle:

nee nich stammtisch. Im Strasburger steht geschrieben, dass das chemische Potenzial einiger Pflanzen mehr als -100bar beträgt (bei atriplex (auf salzbölden) sogar über -200bar).
die Frage ist, ob der Druck dieses osmotischen Potenzials irgendwie mit einem physikalischen Druck vergleichbar ist (wir haben ja beide Male die Einheit „bar“…)

Und bei 80%iger Luftfeuchte hat die Luft ein Wasserpotenzial von -300bar…
(bei trockener luft sogar gegen -1000bar…)

Eine Wassersäule von 100 m Höhe drückt mit 10 bar auf die
Grundfläche, das ist aber keineswegs mit Kapillarröhrchen zu
vergleichen. In denen klettert das Wasser aufgrund der
Adhäsionskräfte zwischen Wand und Flüssigkeit (fast) beliebig
hoch, für die mögliche Obergrenze in Abhängigkeit vom
Durchmesser gibt es bestimmt Berechnungen im WWW.

Naja mag bei idealen Kapillaren ne weile lang gehen; in den Tracheen und Tracheiden hast du dann aber irgendwann die immer stärker werdenden (und sich summierenden) Adhäsionskräfte, die einem weiter Steigen entgegen wirken…

Nunja; kann jemand sagen, was es mit diesen Drucken auf sich hat (chemisches Potenzial = phsyikalisches ???)?

ds
gruß
ladydi

Moin, ladydi,

Naja mag bei idealen Kapillaren ne weile lang gehen; in den
Tracheen und Tracheiden hast du dann aber irgendwann die immer
stärker werdenden (und sich summierenden) Adhäsionskräfte, die
einem weiter Steigen entgegen wirken…

da ist der Wurm drin: Die Kapillarwirkung beruht einzig und allein auf der Adhäsion. Je dünner die Kapillare, desto höher lupft es die Flüssigkeit.

Gruß Ralf

Hallo

Ja, ich meine, die geförderte Höhe ist mit einem Druck vergleichbar.
Ein solcher Druck wird sichtbar, wenn man zum Beispiel mit trockenem Holz durch Aufquellung mit Wasser Steine sprengen kann.

Es gibt aber keinen Kanal oder Behälter in dem ein solcher Druck oder Unterdruck herrscht. Ein Unterdruck von mehr als -1bar ist physikalisch nicht möglich.
Auch im unteren Teil eines Baumes, wo dann ja ein hoher Druck herrschen müßte, ist ein hoher Druck nicht unbedingt vorhanden.
Es sind einzig die Kapillar- bzw. Ko- bzw. Adhäsionskräfte vom Wasser an Cellulose als hydrophile Oberfläche.

Es gibt aber in der Natur woanders hohe Drücke, in stickstoffixierenden Knöllchenbakterien fällt mir zum Beispiel ein.

MfG

Die Kapillarwirkung beruht einzig und
allein auf der Adhäsion.

… und Kohäsion. Adhäsion und Kohäsion (Oberflächenspannung) besorgen den Antrieb, die Kohäsion alleine den Nachschub. Gleichzeitig bildet beides auch einen Widerstand, der den freien Fluss behindert: Wassermoleküle befinden sich an der Grenzschicht (Adhäsion) und behindern benachbarte Wassermoleküle (Kohäsion) am freien Fluss.

Die maximale Höhe der Wassersäule in einer idealen Kapillare beträgt

h = (2 * σ * cos δ) / (ρ * r * g)

h: Höhe in m
σ: Kapillarität von Wasser (20°C) = 0,073 N/m
δ: Randwinkel = 0° (bei vollständiger Benetzung)
ρ: Dichte von Wasser = 1000 kg/m³
r: Radius des (runden) Kapillarlumens
g: Gravitation = 9,81 m/s²

Umgeformt und für 10 m Höhe nach r aufgelöst:

r = (2 * σ * cos δ) / (ρ * h * g)
= (2 * 0,073 * 1) / (1000 * 10 * 9,81) m
= 1,4 µm

Demnach müsste eine Kapillare ca. 2,8 µm Durchmesser haben, damit Wasser - unter der Voraussetzung, das Leitsystem sei eine ideale Kapillare - darin bloß auf 10 m Höhe steigen würde. Die Tracheiden haben jedoch einen Durchmesser von 10 bis 400 µm (Strasburger). Die Kapillarkräfte können also auf den ersten Blick alleine nicht der Grund für die Steigung des Wassers sein. Außerdem: Was ist, wenn das Ende der Kapillare erreicht ist? Klar: Das Wasser steigt nicht weiter, es findet keine Strömung mehr statt.

Stellt man sich aber eine senkrechte Kapillare vor, deren Durchmesser sich am oberen Ende stark verjüngt (und weiter oben verjüngt bleibt), ist klar, dass die Steighöhe ab Erreichen dieser verjüngten Stelle unabhängig vom Durchmesser des darunterliegenden Kapillaranteils ist und weitaus höher sein kann. Ähnlich muss man sich das in Pflanzen vorstellen. Die Leitbündel enden irgendwo in den Blättern, wo sie von den Leitbündelscheiden- und Mesenchymzellen umgeben sind. Hier sind einige Abbildungen, die das verdeutlichen.

http://sols.unlv.edu/Schulte/Anatomy/Leaves/Leaves.html

Dabei sind die das Leitbündel umgebenden Zellen an ihrer Oberfläche benetzt und die Zellzwischenräume betragen nur noch einen Bruchteil des Durchmessers der eigentlichen Leitbündelzellen. Verdunstet Wasser von dieser inneren, mikroskopisch feinen Oberfläche, wird diese Oberfläche in die kleinen Zellzwischenräume gezogen und somit enorm vergrößert. Die Oberflächenspannung des Wassers wirkt dieser Oberflächenvergrößerung entgegen. Somit wird nach „unten“ ein größerer negativer Druck (Transpirationsssog) erzeugt, als es durch die einfache Rechnung weiter oben theoretisch möglich wäre.

Das Argument, dass Wasser höchstes 10 m hoch gezogen werden kann, weil sich sonst ein Vakuum bilden würde, gilt zwar für den Hausgebrauch, jedoch nicht immer. Jeder kennt beispielsweise den Siedeverzug, wenn Wasser in der Mikrowelle auf über 100°C erhitzt wird. Das Wasser siedet deshalb nicht, weil die Gaskeime bei sauberen Gläsern und sauberem Wasser (nahezu) fehlen. Ebenso braucht das Wasser im Xylem zum Sieden Gaskeime. Sprich: Der Wasserfaden reißt nur dann bei Höhen über 10 m ab (es bilden sich Gasblasen = Embolisation), wenn ausreichend viele Gaskeime vorhanden sind. Darüber hinaus ist der Zustand genau mit dem Siedeverzug in der Mikrowelle vergleichbar. Die Keime sind zwar tatsächlich in den Xylemzellen vorhanden (wie auch in jedem noch so sauberen Glas), jedoch in ausreichend geringer Zahl. Somit befindet sich das Wasser im Xylem hoher Pflanzen in einem metastabilen Zustand und kann unter idealen Bedingungen weit höher als 10 m gesaugt werden.

Dass an dieser Stelle kein Vakuum entsteht, verdankt das Wasser seiner hohen Zerreißfestigkeit (Wasserstoffbrücken, Van-der-Waals-Kräfte). Tatsächlich wurden unter Laborbedingungen bisher Werte von ca. 300 bar gemessen, theoretische Berechnungen betragen ein Vielfaches. Praktische Beispiele sind hier gezeigt (besonders S. 62-63):

http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=979397332&…

Mit dem Wissen, dass Luft -100 bis -1000 bar Wasserpotenzial erreichen kann, ist die Vorstellung des über 10 m hinaus reichenden Transpirationssogs plötzlich gar nicht mehr so abwegig. Dass diese Werte tatsächlich in vivo niemals erreicht werden, hängt u.a. damit zusammen, dass ständig Nachschub von unten kommt oder der Sog oben reguliert wird (Stomataschluss, Blattabwurf etc.). Ich vergleiche das mal mit einer Spritze. Theoretisch (und praktisch) kann ich in einer 10ml-Spritze mit dem Stempel ein Vakuum ziehen, wenn ich vorne den Konus zuhalte. Ist er aber ganz oder teilweise geöffnet, werde ich das Vakuum niemals erreichen. So viel zur Kohäsionstheorie.

Weiterhin sorgen die gelösten Teilchen in den Wurzelzellen für ein niedriges Wasserpotenzial (Stichwort „Osmose“). Die Wurzeln saugen sich so voll mit dem Wasser aus dem Erdreich (bis eben theoretisch der Druck der Potenzialdifferenz zwischen innen und außen erreicht ist) und geben es mit Hilfe aktiven, einwärts gerichteten Ionentransports an das Xylem ab, sodass in diesem Bereich wiederum ein Druck erzeugt wird, der die Wassersäule nach oben schiebt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Wurzeldruck
http://books.google.de/books?id=4A4iqWJzGhUC&pg=PA18…

Bei niedrig wachsenden Pflanzen ist er u.a. für die Guttation verantwortlich.

http://de.wikipedia.org/wiki/Guttation
http://en.wikipedia.org/wiki/Guttation

Die Mechanismen des Wassertransports in Pflanzen sind noch weit von der entgültigen Aufklärung entfernt. Ich las auch einmal in einer Internet-Quelle über Versuche mit gefärbtem oder sonstwie markiertem Wasser, bei dem nur bestimmte Wurzelteile damit versorgt wurden und dieses (bzw. dessen Markierung) schließlich im ganzen Stamm zu finden war, was dem postulierten Wasserfaden widerspräche. Leider weiß ich nicht mehr, wo das war und wer’s geschrieben hat.

LG
Huttatta

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Hallo,

zur Beantwortung der Fragen von “ladydi“ vom 21.04.2008 im Zusammenhang mit dem Hinweis:
„Bei Mammutbäumen sagt man, dass das Wasserpotenzialgefälle bis zu -130 bar beträgt“,
wäre es wichtig zu wissen, wer sich hinter „man“ verbirgt.
Ich spreche oft mit Leuten die sich u.a. mit Wasserpotentialen bei Pflanzen beschäftigen. Von keinem habe ich je gehört, daß bei Mammutbäumen das Wasserpotentialgefälle bis zu –130 bar betragen soll.
Also: Wo steht das geschrieben?

Bei den Stichwörtern: „Mammutbaum“ und „Wasserpotential“ kann vielleicht folgende Arbeit weiterhelfen:
Koch et al.: „How water climbs to the top of a 112 m tall tree“ Plant Physiol online, Essay 4.
http://3e.plantphys.net/article.php?ch=e&id=100
Die Veröffentlichung beschäftigt sich u.a. mit Fragen des Wasserpotentials in verschiedenen Höhen eines 112 m hohen Mammutbaums (Sequoia sempervirens, coast redwood).
Koch et al. schreiben im Kapitel: „What does it all mean?“ u.a.: „In such conditions we expect the water potential gradient to be steeper and tree top values of water potential to be lower (more negative) than the minimum of about – 2 MPa we measured“.
Von Koch et al. wurde also als niedrigster Wert ein Wasserpotential von – 20 bar gemessen. Es fragt sich nur, in welcher Veröffentlichung findet „man“ die fehlenden [–130 bar – (– 20 bar) =] – 110 bar?
Gruß
Wasserhahn.

[MOD]: Fullquote entfernt - bitte achtet auf Leserlichkeit