Watzlawicks Beitrag zur Kommunikationstheorie
Hi,
wir haben das ja schon diskutiert vor ein paar Tagen:
/t/watzlawick-existentieller-nexus/4948618/2
auch, wenn es da mehr um die kommunikativen Aporien, also die logischen und pragmatischen Paradoxien ging, die Konflikt- und Eskalationsszenarien aufbauen.
Die Rede von einer
Watzlawicks Kommunikationstheorie
hat sich eingebürgert, obwohl es sich um eine Theorie gar nicht handelt, sondern um eine Sammlung von Grundsätzen. Eine Theorie von ihm ist vielmehr z.B. die über die Lösungsmöglichkeiten oben genannter Konfliktszenarien: Die Konfliktpartner benötigen zur Auflösung eine zusätzliche, und zwar gemeinsam anerkannte, Reflexionsebene; oder, was auf dasselbe hinausläuft, einen Dritten im Bunde, der die Strukturen durchschaut, und sie den Konfliktpartnern transparent zu machen versteht. Eine Grundlage also für jedes Konfliktmanagement.
Daß solche Aporien nicht nur zwischen Personen, sondern (aus logischen Gründen notwendigerweise) auch _intra_persönlich existieren, hatten wir besprochen. Und damit ist dieses Theorem von ihm zugleich relevant auch, aber nicht nur für die Psychotherapie.
Was man aber spezieller unter seiner Kommunikationstheorie versteht, ist eine Sammlung von Grundsätzen, die auf Beobachtungen in jedem Interaktions-, Kommunikations- und Dialogszenarium beruhen. Die Frage
seine Anwendbarkeit auf den Alltag.
stellt sich also gar nicht. Hier wird nichts „angewendet“, sondern hier wird ein begriffliches Werkzeug geliefert, das gute Dienste leistet, um in jedem Alltagsszenarium konflikt- und eskalationsschwangere Momente zu erkennen.
Man kann also eher sagen, er hat wichtige Beiträge zur Kommunikationstheorie, genauer gesagt aber vielmehr: zur Konflikttheorie, geleistet.
Dazu zählt (aber das kennst du ja) vor allem die Liste der fünf Grundsätze, die er als „pragmatische Axiome“ bezeichnet. Deren Inhalte beziehen sich, wie gesagt, auf jede Kommunkation. Kritisierbar und kritikwürdig sind dabei jedoch die verwendeten Begriffe bzw. Begriffspaare und die Formulierungen:
Einen Grundsatz hat alpha schon genannt. „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Das ist der Grund für die Entstehung von Aporien und nicht bestreitbar (insofern also ein „Axiom“), ebensowenig wie die erste Formulierung der Widerspruchssätze von Aristoteles.
Die Unterscheidung von Beziehungs- und Inhaltsebene im Dialog ist ebenso ein wichtiger Hinweis. Wenn beide nicht auseinandergehalten werden, ist Eskalation vorprogrammiert. Allerdings ist dieses Begriffspaar viel zu plakativ und zu unscharf, um reale Dialoge zu beschreiben. Sie sind viel komplexer und daher komplizierter. Aber nützlich ist es jedenfalls.
Dann die Sender/Empfänger-Geschichte: Auch hier ist kritisierbar, daß zwischenmenschliche Dialoge in ihrer Komplexität diese Begriffsdyade der technischen Kommunikation beiweitem übersteigt. Es ist auch genauer bestimmbar, bei welchen dialogischen Momenten die Sender/Empfänger-Dyade nicht mehr hinreichend ist und folglich das technologische Analogon nicht mehr anwendbar ist.
Dann die digitalen und analogen Modi des Dialogs: Hier ist kritisierbar, daß Sprache, sprachlicher Austausch, keineswegs „digital“ ist. Auch hier sind ihm die Pferde der technogischen Analogie durchgegangen.
Und schließlich noch die Unterscheidung von symmetrischer und komplementärer Beziehung: Ebenfalls viel zu restriktiv und elementar, um die Komplexität menschlicher Beziehungen erschöpfend zu charakterisieren.
Dennoch sind diese Sätze, die in ihrer All-Behauptung dann eher „Theoreme“ sind als „Axiome“, recht nützlich, um Konfliktbewältigung zu lehren und zu lernen. Für die Praxis des Konfliktmanagements jedoch sind sie nicht hinreichend.
Gruß
Metapher