Weinflaschen lagern?

Hallo,

am letzten Samstag in einem Radiointerview des Hessischen Rundfunks:

Der Interviewpartner von der Weinforschungsanstalt in Geisenheim erklärt, dass es falsch sei, Weinflaschen liegend zu lagern. Alles Schnee von gestern. Wein müsse stehend gelagert werden! Eine Begründung dafür gab es nicht, jedoch wurde als Beispiel angeführt, dass ja auch Weinhändler den Wein i.d.R. stehend präsentieren.

Mein Weltbild ist nachhaltig erschüttert. Die Sorge um die eingekellerten Raritäten lässt mich nicht mehr ruhig schlafen. Wieso bin ich einem jahrzehtelangen Irrglauben aufgesessen? Und muss ich mir jetzt neue Regale kaufen?

Aus dem Keller grüsst ratlos
Andreas

Hallo Andreas,

Der Interviewpartner von der Weinforschungsanstalt in
Geisenheim erklärt, dass es falsch sei, Weinflaschen liegend
zu lagern. Alles Schnee von gestern. Wein müsse stehend
gelagert werden! Eine Begründung dafür gab es nicht, jedoch
wurde als Beispiel angeführt, dass ja auch Weinhändler den
Wein i.d.R. stehend präsentieren.

Das ist ja nun der größte Quatsch überhaupt. Wenn Du in den Realkauf gehst und dort die Flaschen alle stehen, daraus den Schluss zu ziehen, dass es die richtige Form der Lagerung ist…
*Kopfschüttel*
Gute Weinhändler erkennt man eben daran, dass Sie die Flaschen alle liegend lagern, vorzugsweise auch noch abgedunkelt. Es wird dann nur eine Flasche aufrecht Präsentiert, um sich besser einen Überblick übr das Angebot / Etikett machen zu können.
Der Weinhändler meines Vertrauens z.B. hat ein Präsentationsregal mit einer Vorzeigeflasche. alle anderen Flaschen lagern liegend in dunklen Boxen.

Sinn der ganzen Sache ist es, zu vermeiden dass der Korken austrocknet.
Bei irgendwelchen komischen Weinen mit Drehverschluss oder Kunststoffkorken spielt es in der Tat keine Rolle wie diese liegen. Aber das ist nun mal die Ausnahme.
Ansonsten gilt weiterhin:
Kühl, dunkel, erschütterungsfrei und bei nicht zu trockener Luft.

Gruß - Achim

Hallo Andreas,

jetzt bin ich aber ein wenig erstaunt.

Im Brett ‚Parawissenschaften‘ propagierst Du das Leben ohne Nahrung und nur mit Licht. Und hier machst Du Dir Sorgen um Deinen Wein. Was soll ich denn jetzt glauben?!

Gandalf

Hallo Gandalf,

der Teufel steckt wie immer im Detail. In diesem Fall müssen wir fein säuberlich zwischen Nahrungs- und Genussmitteln (entsprechend Lichtnahrung und Lichtgenuss) unterscheiden. Dann gibt es auch keine Gewissenskonflikte :wink:

Was ist jetzt mit den Flaschen? - Stehend oder liegend? - Ich warte auf weitere Meinungen…

Gruss,
Andreas

Hallo Achim,

dem meisten was Du schreibst ist zuzustimmen, nur einiges fordert meinen Widerspruch schon heraus :wink:

Das ist ja nun der größte Quatsch überhaupt. Wenn Du in den
Realkauf gehst und dort die Flaschen alle stehen, daraus den
Schluss zu ziehen, dass es die richtige Form der Lagerung
ist…
*Kopfschüttel*

Richtig ist, dass man die Aufbewahrungsart der „Weine“ bei Real, Lidl, Aldi, Plus usw. nicht als Masstab für sachgerechte Weinlagerung hernehmen kann und soll.
Tatsache ist aber, dass es in Geisenheim eine Langzeitstudie gab, der Ergebnis eben war, dass stehen gelagerte Weine sich besser gehalten und entwickelt haben, als liegend gelagerte Weine.
Das ist also nicht der „größte Quatsch“ überhaupt, sondern eine durch eine Studie belegte, durch kompetente Leute durchgeführte Untersuchung.

Auch bei der stehenden Lagerung von Wein stimmt natürlich Deine Aussage: „kühl, dunkel, erschütterungsfrei und bei nicht zu trockener Luft“.

Andererseits ist diese Studie auch Gegenstand heftigster Diskussionen, die unter allen möglichen Aspekten das Thema „Lagerung“ beleuchten. Ich möchte exemplarisch zwei Aspekte rausgreifen.

Korken benötigt, damit er dicht bleibt, eine gewisse Luftfeuchtigkeit und eine gewisse Eigenfeuchtigkeit - das hast Du ja auch völlig korrekt beschrieben. Andererseits sind die derzeit verwendeten (und erhältlichen) Korkqualitäten auch für den verbreitetsten Weinfehler verantwortlich: die TCA-Verseuchung des Weines, vulgo: den Korkschmecker. Dieser Fehler nimmt in dramatischem Ausmass zu, was an der größer werdenden Nachfrage nach Naturkorken, der damit verbundenen Änderungen der Produktionsbedingungen und der dadurch bewirkten Qualitätsminderung liegt.
Einen recht ausführlichen Text zu diesem Thema findest Du auf meiner HP.
http://www.ich-brauche-keine-homepage.de/Weininfos/x…
(An die Mods: wenn ihr es nicht für ok findet, dass ich hier auf meine eigene HP verweise, haut den Link bitte raus! Ich habe damit kein Problem und werde euch auch keine machen :smile: ).

Der zweite Aspekt:
Alterung und Reifung eines Weines (der dazu grundsätzlich geeignet sein muss) erfolgen über eine Vielzahl chemischer Vorgänge innerhalb der geschlossenen Flasche. Von diesen Vorgängen sind etliche noch nicht wirklich verstanden. Ein wichtiger Vorgang, den man zumindest grob verstanden hat, ist die Oxidation. Und hier ist eines sehr wichtig: Zu einer Oxidation gehört Sauerstoff. Dieser Sauerstoff ist einerseits in gelöster Form im Wein vorhanden, andererseits in der Luft enthalten, die (bei stehender Flasche) zwischen der Oberfläche des Weines und der Unterkante des Verschlusses vorhanden ist.
Bei einer korrekten Lagerung und Reifung spielt diese Luft eine Rolle. Nicht jedoch ein angeblich durch den Korken stattfindender Gasaustausch mit der Umgebung.
Werden die Flaschen nun liegend gelagert, ist die Berührungsfläche WeinLuft größer, als wenn die Flaschen stehend gelagert wird. Das hat auf den Alterungsverlauf des Weines einen erheblichen Einfluss.

Gute Weinhändler erkennt man eben daran, dass Sie die Flaschen
alle liegend lagern, vorzugsweise auch noch abgedunkelt. Es
wird dann nur eine Flasche aufrecht Präsentiert, um sich
besser einen Überblick übr das Angebot / Etikett machen zu
können.

Naja, dass ein guter Weinhändler seine Verkaufsflaschen vernünftig lagern sollte, ist selbstverständlich. Einen guten Weinhändler erkennst Du aber nicht nur daran, sondern viel mehr an Beratungskompetenz, Sortiment und Preisgestaltung. So wie Du das schreibst, klingt es, als wenn jeder, der seine Flaschen liegend lagert, ein guter Händler sei. So pauschal würde ich das nicht für richtig halten :wink:

Der Weinhändler meines Vertrauens z.B. hat ein
Präsentationsregal mit einer Vorzeigeflasche. alle anderen
Flaschen lagern liegend in dunklen Boxen.

Bene, so soll das sein.

Sinn der ganzen Sache ist es, zu vermeiden dass der Korken
austrocknet.

stimmt.

Bei irgendwelchen komischen Weinen mit Drehverschluss oder
Kunststoffkorken spielt es in der Tat keine Rolle wie diese
liegen. Aber das ist nun mal die Ausnahme.

Und hier rufe ich ganz laut: Halt!
Zum Glück sind es nicht mehr nur billigste Erzeugnisse, die mit Kunststoffkorken bzw. Drehverschlüssen oder Kronkorken versehen werden. Von „irgendwelchen komischen Weinen“ zu reden, ist also grundfalsch. Ganz im Gegenteil: langsam aber sicher gehen immer mehr Erzeuger dazu über, gerade ihre hochwertigen Produkte mit alternativen Verschlussarten zu versehen. Grund hierfür ist wiederum: das Korkproblem.
In Australien ist es mittlerweile gang und gäbe, in der Schweiz werden schon lange Drehverschlüsse verwendet, seit Jahrzehnten erfolgt die Flaschenreifung von Champagner unter einem Kronkorken und auch in Deutschland und Österreich kommt langsam Bewegung in die Sache. Es ist also nicht sachgerecht, pauschal alle Weine, die mit alternativen Verschlussarten versehen sind, als minderwertige Plörre abzuurteilen.
Auch hier gibt es Studien, wenn Dich Details interessieren, sag Bescheid.

So, Du siehst: in wesentlichen Punkten stimme ich Dir zu, nimm meine Kritik an den anderen Kleinigkeiten bitte nicht persönlich, so ist sie nämlich nicht gemeint!

Viele Grüße

mhg

5 Like

Hi Andreas,

Was ist jetzt mit den Flaschen? - Stehend oder liegend? - Ich
warte auf weitere Meinungen…

bei mir liegen sie, außer wenn der Korken raus ist, dann stehen sie :wink: (aber auch nicht sehr lange).

Leer liegen sie auch wieder meist.

Gandalf

Hallo Martin,

ich habe dazu noch ein paar Zusatzfragen:

Vor längerer Zeit hat ein Winzer behauptet, dass der Korkgeschmack innerhalb der ersten 5 Minuten nach dem Abfüllen in den Wein gelangt. Unsinn?
Bei meinen 75er und 76ern hatte ich bisher noch nie einen Kork
Glück? oder wertvolleres Korkmaterial?

Außerdem habe ich den Eindruck, dass Rotweine weniger verkorken als Weißweine. Empirisch erhärtetes Vorurteil?

Sehr gut finde ich, dass Du Dich hier so für Schraubverschluss u.ä. einsetzt.

Viele Grüße
Peter

original verkorkst…
Hallo Martin,

ein Link für Dich und alle anderen:
http://www.zeit.de/2002/22/Wissen/200222_stimmts_wei…

Gruß
Christian

2 Like

Hallo Peter,

Vor längerer Zeit hat ein Winzer behauptet, dass der
Korkgeschmack innerhalb der ersten 5 Minuten nach dem Abfüllen
in den Wein gelangt. Unsinn?

Das kann ich nicht beurteilen, halte es aber für möglich. Immerhin ist TCA bereits in minimaler Dosierung sensorisch wahrnehmbar. Sicher ist nur eines: wird eine Weinflasche mit einem TCA-verseuchten Korken verschlossen, nimmt der Wein Schaden.

Bei meinen 75er und 76ern hatte ich bisher noch nie einen Kork
Glück? oder wertvolleres Korkmaterial?

Zum einen war früher in der Tat das Korkmaterial höherwertiger. Das liegt zum einen an der damals etwas schonenderen Produktion der Korken und daran, dass das Angebot an Korken die Nachfrage noch locker befriedigen konnte.
Auf der anderen Seite ist es natürlich auch ein Stück Glück, das Du bei Deinen Beständen bisher noch keine Korkprobleme hattest.
Ich würde Dir dennoch empfehlen, Deine sensorische Sensibilität einmal zu messen. Das geht in einer Vielzahl von Seminaren recht einfach: Man nehme einen Referenzwein und lasse diesen in verschiedener Dosierung mit TCA versetzen. Dann probiere man diese Proben. So kann man ermitteln, ab welcher Konzentration man diesen Weinfehler sicher erkennt.
Diese Konzentration schwankt von Mensch zu Mensch. Es gibt Leute, die haben in Bezug auf TCA eine Wahrnehmungsfähigkeit, um die sie ein gut ausgebildeter Zollhund beneiden würde, andere merken die TCA-Verseuchung erst bei recht hoher Konzentration (die Glücklichen!).

Außerdem habe ich den Eindruck, dass Rotweine weniger
verkorken als Weißweine. Empirisch erhärtetes Vorurteil?

Nein, das ist schlichtweg falsch. Egal ob Rotwein oder Weisswein: das TCA wird von aussen eingebracht und schert sich nicht um die Farbe des Weines. Was höchstens sein kann ist, dass Du es bei Rotwein weniger merkst, da Rotwein i.d.R. eine höhere Gerbstoff- und Tannindichte hat als Weisswein. Bist Du nun beispielsweise auf Korkschmecker eh nicht so sonderlich sensibel (s.o.), dann kann bei Dir der Eindruck entstehen, dass bei Rotwein weniger Korkschmecker vorkämen als bei Weisswein.
Bei Weisswein, der oft ja filigraner in der sensorischen Wahrnehmung ist, fallen Dir die Dumpf- und Modernoten des TCA vielleicht eher auf.

Viele Grüße

mhg

1 Like

Hallo Martin,

danke für die Infos. Jetzt würde mich aber tatsächlich noch interessieren, wie Du es persönlich mit der Flaschenlagerung hälst?

Das Fazit Deiner Webseite lautet: „In eine gute Flasche Wein gehört dennoch kein Korken.“ Das spricht also für stehende Lagerung, da die Flaschen ja in die Regel (noch) verkorkt sind.

Und hier schreibst Du:

Werden die Flaschen nun liegend gelagert, ist die
Berührungsfläche WeinLuft größer, als wenn die
Flaschen stehend gelagert wird. Das hat auf den
Alterungsverlauf des Weines einen erheblichen Einfluss.

Bewertest Du diesen Einfluss positiv? Das würde dann doch (und trotz Kork) wieder für liegende Lagerung sprechen.

Damit bin ich wieder bei der Ausgangsfrage: Neue Regale oder nicht?

Gruss,
Andreas

Hallo Andreas,

danke für die Infos. Jetzt würde mich aber tatsächlich noch
interessieren, wie Du es persönlich mit der Flaschenlagerung
hälst?

Ich habe zwei Lagermöglichkeiten: die eine bei mir zu Hause im Keller mit einer Kapazitätvon ca. 300 Flaschen. Dort sind ganz normale Flaschenregale, d.h. die Weine liegen.
Hier hab ich aber nur mein „Handlager“, damit halt was da ist :wink:
In meinem großen Lager kann ich das machen wie ich will, da hab ich genug Platz. die meisten Weine lagere ich liegend, weil man dann besser stapeln kann. Champagner, alte Ports, Sherry, Madeira lagere ich ausschliesslich stehend.

Das Fazit Deiner Webseite lautet: „In eine gute Flasche Wein
gehört dennoch kein Korken.“ Das spricht also für stehende
Lagerung, da die Flaschen ja in die Regel (noch) verkorkt
sind.

Nein, da bringst Du was durcheinander. Richtig ist, dass ich der Ansicht bin, dass in eine gute Flasche Wein kein Naturkork reingehört. Das hat aber nix mit der Lagerung zu tun. Auch wenn Du die Flaschen stehend lagerst, hat der Wein auf dem Transportweg etc. genügend Kontakt mit dem Verschlusssystem, um durch TCA geschädigt zu werden. Das sind also zwei völlig unterschiedliche Sachen.

Und hier schreibst Du:

Werden die Flaschen nun liegend gelagert, ist die
Berührungsfläche WeinLuft größer, als wenn die
Flaschen stehend gelagert wird. Das hat auf den
Alterungsverlauf des Weines einen erheblichen Einfluss.

Bewertest Du diesen Einfluss positiv? Das würde dann doch (und
trotz Kork) wieder für liegende Lagerung sprechen.

Das kann man so absolut nicht beantworten. Ist die Berührungsfläche WeinLuft größer, verläuft der Alterungs- und Reifeprozess schneller. Inwieweit Du das als positiv oder negativ bewertest, hängt ganz von Deinen persönlichen Vorlieben ab. Nimm z.B. die ganzen Großflaschen: hier ist, wie der Name schon sagt, mehr Wein im Behältnis, weniger "Angriffsfläche für den Sauerstoff, ergo die Reifung verläuft langsamer, kann aber zu wesentlich besseren Ergebnissen führen, als in der Eintelflasche.
Ein Beispiel: Ein 1989er Chateau La Mission de Haut-Brion in der normalen 0,75 l Flasche ist zwar immer noch ein guter Wein, aber wohl schon über seine optimale Genussfähigkeit hinaus. Der gleiche Wein aus der Magnum ist derzeit ein absoluter Hammer und mit das beeindruckendste, was Du trinken kannst.

Damit bin ich wieder bei der Ausgangsfrage: Neue Regale oder
nicht?

Nein, keine neuen Regale. Ich bin mir recht sicher, dass Du ein größeres Optimierungspotential hast, wenn Du versuchst Deine Lagerbedingungen in Punkto a) Licht, b) Temperatur, c) Schwankungsbreite der Temperatur und d) Luftfeuchtigkeit zu verbessern.

Viele Grüße

mhg

Gruss,
Andreas

1 Like