Weisheitsz. warum Voll- statt Schlafnarkose?

Hallo www,

eine Frage: Warum wird eine Vollnarkose gemacht, wenn auch eine Schlafnarkose möglich ist?

Hintergrund: Habe selbst meine 4 Zähne mit Schlafnarkose rausgekriegt, weil ich davon absolut nichts mitkriegen wollte und ich schon bei den Geräuschen Panik gekriegt hätte. Das ganze lief super, nach bissl Schlaf danach war ich wieder fit, kein Horror, keine schlimmen Schmerzen. (Bin Kassenpatient und habe selbst gezahlt, aber das wars mir wert)

Eine Freundin kriegt nun ebenfalls alle 4 raus, auch sie starke Panik. Warum wird bei ihr eine Vollkarkose (mit Beatmung durch die Nase) gemacht? (in der Uniklinik) Sie wusste nicht, dass sie das auch mit einer Schlafnarkose machen könnte. Ich dachte immer, eine Vollkarkose ist eine größere Belastung für den Körper? Außerdem belegt sie als Vollnarkosepatientin ja ein Bett und verursacht somit Kosten.

(Sie ist Privatpatientin, Narkose wird bezahlt) - Ist das der Grund? Dass die Praxis einfach gern die teurere Vollnarkose-OP abrechnet? Aber die Praxis hat sie ja höchstens an die Klinik weiterüberwiesen - kassiert die da eine Provision oder was?

Danke, VG
late_bird

Servus late_bird,

natürlich wäre es gut, wenn sich noch ein Allgemeinmediziner oder Anästhesist hier einklinken würde, aber ein paar Sachen weiß ich auch:

Vier Weisheitszähne können eine ganze Weile dauern. Sie können in 20 Minuten draußen sein, wenn die Wurzeln nicht zu krumm sind und Gefäße und Nerven sich in gebührendem Abstand halten. es kann aber auch 1 1/2 Stunden dauern. Die ‚Schlafnarkose‘ von der Du sprichst, ist wahrscheinlich eine Analgosedierung mit Midazolam (Dormicum)

Dabei wird das Mittel intravenös verabreicht, die Patienten tauchen weg und bekommen dann ganz normale Lokalanästhesien (schön ist, dass dieses Mittel eine retrograde Amnesie macht - die Patienten erinnern sich hinterher nicht an all die Gewalt, die ihnen beim Zähneziehen angetan wird). Das Problem liegt in der Tatsache, dass Midazolam atemdepressiv wirkt und dass es nicht während der Applikationsdauer steuerbar ist. Anästhesisten können heute ihren ‚Gashahn‘ so fein handhaben, dass die Patienten ganz knapp unter der Beusstseinsschwelle gehalten werden können. Dabei wird recht wenig Narkosemittel/Zeit eingesetzt.

Wenn ein Mittel gespritzt wird, muss es am Anfang des Eingriffs verhältnismäßig hoch dosiert werden, weil es ja bis zum Ende reichen muss. Eingriffe, deren Dauer schlecht abschätzbar sind, möchte man gerne über die ganze Zeit gut steuern können. In einer Uni-Klinik stehen die Anästhesisten zur Verfügung - warum sollte man dann nicht den insgesamt schonenderen Weg gehen?

Ich bin vor ein paar Tagen mit einer Kombi aus Midazolam + Narkose behandelt worden: keine Nachwirkungen, hellwach nach dem Eingriff, keine Übelkeit und keine Schmerzen - so will man’s doch.

Gruß

Kai Müller

Hallo Kai,
vielen Dank für deine informative Antwort. Verstehe ich das richtig, dass man bei einer „einfacheren“ OP, wo man die Zeitdauer gut abschätzen kann, eher das Dormicum verwenden kann, aber bei einer komplizierteren, wo nicht genau abzusehen ist, wie lang es dauert, man lieber eine Vollnarkose nimmt, weil man da während der OP die Narkose noch verlängern kann z.B.?
Und, weil du geschrieben hast, bei der Schlafnarkose erinnert man sich nicht an die Behandlung, heitßt das, dass ich da eigentlich halbwach war und vielleicht Sachen mitgekriegt und gesehen hab, es aber aus meiner Erinnerung gelöscht wurde? (Ich hatte das Gefühl, ich hätte tiefstens geschlafen…) Hab aber auch schon gehört, dass Leute sich nachher an Sachen erinnert haben… Puh, wär ja gruselig!
LG, late_bird

Servus late_bird,

natürlich wäre es gut, wenn sich noch ein Allgemeinmediziner
oder Anästhesist hier einklinken würde,

Ja, gerne - wenn ich helfen kann…

Die ‚Schlafnarkose‘
von der Du sprichst, ist wahrscheinlich eine Analgosedierung
mit Midazolam (Dormicum)

Ich kenne „Schlafnarkose“ auch nicht. Wird wohl so sein.

die ihnen beim Zähneziehen angetan wird). Das Problem liegt in
der Tatsache, dass Midazolam atemdepressiv wirkt und dass es
nicht während der Applikationsdauer steuerbar ist.

Völlig richtig.

Anästhesisten können heute ihren ‚Gashahn‘ so fein handhaben,
dass die Patienten ganz knapp unter der Beusstseinsschwelle
gehalten werden können. Dabei wird recht wenig
Narkosemittel/Zeit eingesetzt.

SUPER !!! Meine Operateure hatten keine Ahnung was ich mache. Herr Müller ist richtig fit…

. In einer Uni-Klinik stehen die Anästhesisten
zur Verfügung - warum sollte man dann nicht den insgesamt
schonenderen Weg gehen?

Deswegen gibt´s uns ja auch!

Und, weil du geschrieben hast, bei der Schlafnarkose erinnert
man sich nicht an die Behandlung, heitßt das, dass ich da
eigentlich halbwach war und vielleicht Sachen mitgekriegt und
gesehen hab, es aber aus meiner Erinnerung gelöscht wurde?

Ja, das ist m. E. ein ethisches Problem:

Nur weil ich mich nicht erinnern kann heißt das nicht, dass nicht „Engramme“ irgendwo im Gehirn gespeichert sein können. Genaueres darüber habe ich nicht gelesen.

Ich habe deshalb immer „richtige Narkosen“ gemacht