Weisheitszahn, der nächste

Liebe Wissenden,

nachdem bereits der rechte untere WHZ mangels Benimm rausgeflogen ist, habe ich es diesen Sommer geschafft, mir mit einem scharfen Teil eines roten Pfefferkorns ein Loch in das Zahnfleisch über dem linken(komplett unter dem Zahnfleisch vergrabenen) unteren Weisheitszahn zu „piercen“. Das Loch ist nur stecknadelstichgroß, man sieht von dem Zahn rein gar nichts, aber ist weiterhin da und mein Arzt beglückwünschte mich zum selbst hergestellten Durchbruch.

Seitdem entzüdet sich die Ecke dort hin und wieder. Dem möchte ich gerne Abhilfe schaffen und habe für nächste Woche einen Termin zum „ausbuddeln“ gemacht. Der Zahn liegt leicht nach hinten gekippt im Kiefer und ist noch zu 3/4 im Knochen.

Nun überlege ich mir aber die ganze Zeit, ob es nicht möglich wäre, das Ganze zu öffnen, zu reinigen, über dem Zahn zuzunähen und den Zahn zu belassen. Praktisch den bis dahin immer beschwerdefreien Zustand von vor dem Pfefferkorn wieder herzustellen. Implantate liegen ja auch unterhalb des Zahnfleisches, sagt mir meine Laienlogik. Meinetwegen darf da gerne jemand rumbuddeln, das stört mich nicht so sehr, aber wenn ich das auch nur geringe Risiko, dass ein Nerv was abbekommt, umgehen kann, würde ich das tun.

Ich vermute, wenn so etwas möglich wäre, hätte mein Zahnarzt mir das bereits gesagt, aber ich habe einfach nicht daran gedacht, zu fragen. Falls ihr mir sagen könntet, weshalb man so etwas anscheinend nicht tut, sondern lieber den kompletten Zahn herausnimmt, würdet ihr sowohl meine Neugier stillen, als auch meine Entscheidung bekräftigen… (oder doch nicht…?)

lieben Dank im Voraus und einen schönen Tag,

Jana

Ein Weisheitszahn, welcher auf Grund seiner Lage im Kiefer keine Chance hat, jemals seine, ihm vom lieben Gott zugedachte Funktion, übernehmen zu können, muss als Fremdkörper betrachtet werden. Es gibt also genügend gute Gründe, ihn „auszubuddeln“.
Das Implantat wird, da es nicht wahllos irgendwo im Kiefer herumliegt, sondern an einer bestimmten, vom Zahnarzt vorgewählten Stelle im Kiefer platziert wurde, seiner prospektiven Aufgabe mit großer Wahrscheinlichkeit gerecht werden. Es ließen sich natürlich noch andere wesentliche Unterschiede zwischen Implantat und Weisheitszahn herausstellen, dass ist hier aber entbehrlich.
Den Mut zur chirurgischen Entfernung mußt Du schon selbst aufbringen, ich glaube nicht, dass Zuspruch von außen den Entschluß beflügeln könnte, allerdings ist die Gefahr den Nerv zu verletzen, doch eher gegen „sehr unwahrscheinlich“ tendierend!
Alles Gute Droskar

Guten Abend Droskar,

danke für Deine Antwort.

Dass der problemfreie Zahn keine Funktion hatte, war bisher lt. meinem Arzt keine Indikation, um ihn auszubuddeln.

Wie ich verstanden habe, ist das Risiko einer Schädigung der Nerven gegeben.
Wenn es statistisch auch nur einige Prozent sind, hilft mir das ja nicht, falls gerade ich das große Los ziehe ;o)

Daher würde mich schon interessieren, ob man wie beschrieben ohne eine Entfernung zu einem langfristig problemfreien Zustand zurückkehren könnte, da ich keine unnötigen Risiken mag.

Falls es aber keine Alternative gibt, ist das Thema für mich auch eindeutig, denn die Situation so zu belassen ist für mich keine Option.

Viele Grüße
Jana

Servus Jana,

die wenigen Male, wo bei Dir Entzündungen aufgetreten sind, waren Fälle, wo Bakterien es geschafft hatten in ausreichender Zahl und Virulenz unter die lose Zahnfleischdecke über dem Weisheitszahn zu geraten. Das kann wieder passieren.
Wenn Du den Schleimhautbereich über dem Weisheitszahn (da wo das ‚Loch‘ drin ist) beim Zähneputzen mit einbeziehst, wird es wesentlich seltener zu Entzündungen kommen.

Deine Vorstellung, dass man wieder einen dichten Verschluss der perforierten Schleimhaut anstreben sollte, geht am Problem vorbei: die dünne Decke dort liegt nur noch auf dem Schmelz des darunter liegenden Weisheitszahns, kann aber nicht mit ihm verwachsen. Jede Mundbakterie, die ihre fünf Sinne beieinander hat, will dorthin. Das wäre BTW auch so, wenn das ‚Piercing‘-Loch nicht da wäre. Dort ist es warm, feucht und der Zahnfleischdeckel stellt eine ideale Nische dar. In der Regel kann die Immunabwehr damit fertig werden. Bei einem Urlaub z.B in Gegenden, wo man gern mal mit ‚Montezumas Rache‘ rechnen muss, geht das Abwehrniveau dann plötzlich nach unten und man muss dann in Gegenden zum Zahnarzt, wo man es - gelinde gesagt - lieber vermieden hätte.

Die zahnmedizinischen Fachgesellschaften. die sich mit Deinem Anliegen beschäftigt haben sagen, dass es keinen Grund gibt, einen asymptomatischen Weisheitszahn zu entfernen, nur weil er ein Weisheitszahn ist. Deiner ist eben leider nicht asymptomatisch.

Jetzt zum Risiko der Nervverletzung:

Wenn Du Englisch kannst, hilft Dir dieser Artikel bestimmt weiter:

http://tinyurl.com/q8easuw

Aus ihm geht hervor, dass es bei der Operation durchaus zur bleibenden Schädigung wichtiger Nerven des oralen Gebiets kommen kann - die Güterabwägung kann Dir keiner abnehmen.

Ich würde an Deiner Stelle (wenn Du nicht gerade ein Sommerpraktikum an der albanischen Grenze vorhast) eine Zeitlang versuchen, den Bereich hinter dem letzten Zahn mit einer Schallzahnbürste mit zu putzen. Wenn dann die Entzündungen in Häufig- und Heftigkeit deutlich zurückgehen sollten, lass den WZ drin. Wenn Du alle 6 Wochen dicke Lymphknoten und Schmerzen beim Schlucken hast, lass’ ihn herausnehmen.

Gruß

Kai Müller

Drin lassen und ausprobieren! Bei häufig rezidivierender dentitio difficilis (erschwerter Zahndurchbruch) reift von allein der Entschluß, dem Spiel ein Ende zu setzen.
Natürlich besteht die Möglichkeit, den Nerv zu schädigen, der da im Knochen verläuft. Genausogut könnte Dir der Zahnarzt auch ein Loch in die Backe bohren.
Nichts ist unmöglich.
Der Unterkiefer hat die Tendenz bei Unfällen, im Bereich des Weisheitszahnes zu frakturieren, weil dort die Kontinuität des Knochens durch den verlagerten Weisheitszahn geschwächt ist. Im übrigen sind Situationen denkbar, wo die Entfernung des Weisheitszahnes indiziert, auf Grund des Allgemeinzustandes jedoch erschwert oder unmöglich ist und somit zu einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes beiträgt. Ich bin daher für die prophylaktische Entfernung sogenannter symptomloser Weisheitszähne.

Alles Gute Droskar

Lieber Kai,

herzlichen Dank für Deine Erläuterung und dass Du Dir so spät noch die Zeit genommen hast. Das war die Antwort auf meine Frage und hat mir sehr geholfen. Den Artikel werde ich mir in Ruhe durchlesen. Ich hatte nicht vermutet, dass die Bakterien einen Zugang zu meinem Zahn hatten, als das Loch noch nicht da war. Die Biester kommen tatsächlich durch das Zahnfleisch hindurch oder sind einfach ständig im Blut?

Den nächsten Abentuer-Urlaub werde ich dann mal hinausschieben und sehen, wie sich der Zahn so hält, aber ich denke, es muss ja eine langfristige Lösung her. Kann ich auf jeden Fall jetzt besser einschätzen. Vielen Dank!

Grüße
Jana