Weiterbildungen, Umschulungen nicht für kaufm. Gelernte?

Hallo,

ein Verwaltungsfachangestellter, 35jährig, ist seit einigen Monaten leider arbeitslos und bewirbt sich bereits bundesweit, primär auf Stellen im öffentlichen Dienst. Er wird auch regelmäßig zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, aber diese sind ausnahmslos Vorstellungsgespräche, die diese Arbeitgeber im öffentlichen Dienst führen müssen. Das spürt entweder der Arbeitslose selbst oder es wird sogar gleich zu Beginn des Vorstellungsgsgesprächs gesagt, dass es sich um ein Bewerbungsgespräch nach § 82 SGB IX handelt, ohne aber natürlich zu sagen, dass es nur ein Vorstellungsgespräch nach diesem § ist und der Arbeitslose eh keine Chance hat. Das sind dann meistens Vorstellungsgepsräche, in denen dem Arbeitslosen mehr als gelangweilte Personaler gegenübersitzen, es überhaupt gar keine fachlichen oder Psychofragen gibt. Der Arbeitslose soll sich kurz vorstellen und das wars. Hauptsache, man hat das Gespräch geführt. Jegliche Vorbereitung und das Fahren zu den meist sehr weit entfernten Orten für die Katz. Zumal der Arbeitslose sich ohnehin nicht auf alle Bereiche, die in den Stellenausschreibungen beschrieben sind, 100 %ig vorbereiten kann, weil diese ihm meistens zu 100 % wiederum fremd sind. Bereitet er sich auf einen Teil vor, kommen Fragen aus einem anderen spezifischen Teil, die er dann nicht beantworten kann. Es werden auch keine Fragen bzgl. des Allgemeinwissens und des aktuellen politischen Geschehens gestellt. Wäre WWM so einfach, würde er locker die eine Mio gewinnen, aber auch eine Bewerbung dort, war bis jetzt nicht von Erfolg gekrönt.

Das ist natürlich für den Arbeitslosen sehr deprimierend und demotivierend.

Leider hat er viele Jahre nicht im öffentlichen Dienst gearbeitet, sondern entweder in der Privatwirtschaft, aber dann auch im kaufm. Bereich oder er war leider arbeitslos insofern, dass er insgesamt 4 Jahre keinen festen Job hatte, sondern sich mit Mini-Jobs jeglicher Art über Wasser gehalten hat.

Leider hat er sich nie irgendwelche Arbeitszeugnisse über diese Mini-Jobs ausstellen lassen, vielleicht aus Naivität oder weil es ohnehin Jobs gewesen sind, die mit seinem Ausbildungsberuf oder generell mit kaufm. Berufen nichts am Hut haben. Darüber hinaus hat er ein Arbeitszeugnis über eine einjährige Anstellung nicht, da er damals bei einem Freund gearbeitet hat - im kaufm. Bereich - und nach der damaligen Beendigung das Thema „Arbeitszeugnis“ nie aufkam. Die Freundschaft zerbrach irgendwann, man lebte sich auseinander … und heute ist es für den Arbeitslosen überhaupt nicht mehr möglich, an ein Arbeitszeugnis für diese Zeit zu kommen, weil es 1. diesen Betrieb nicht mehr gibt und 2. der Arbeitslose nicht weiß, wo der damalige Freund wohnt.

Der Arbeitslose hat immer wieder bewiesen, dass er sich in neue Aufgaben schnell und erfolgreich einarbeitet.

Den Arbeitgebern im öffentlichen Dienst ist sein Lebenslauf allerdings zu „wild“ oder „bunt“. Man würde zwar bewundern und anerkennen, dass der Arbeitslose immer wieder Arbeit gefunden und aufgenommen hat, die die meisten wohl nicht machen würden, aber diese Arbeiten waren eben leider Arbeiten, die nichts, aber auch nichts, mit den ausgeschriebenen Stellen zu tun haben.

Der Arbeitslose bewirbt sich natürlich auch auf ausgeschriebene Stellen im privaten und kaufm. Bereich. Von dort bekommt er ausnahmslos die Bewerbungsunterlagen zurück, ohne zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Er hat sich bei sehr vielen Zeitarbeitsfirmen beworben, um bei denen im Bewerberpool zu sein.

Bei Bewerbungen auf Stellen im öffentlichen Dienst, gibt er seine Schwerbehinderung an, bei Bewerbungen im privaten Bereich (noch) nicht, weil ihm dazu so geraten wurde.

Ein Coach sagte ihm, dass er eine Station in seinem Lebenslauf zusammenfügen soll. Er war eine zeitlang über eine Zeitarbeitsfirma bei dessen Auftraggeber angestellt und direkt im Anschluss direkt bei dem Auftraggeber. Diese Station sollte er als einen Punkt zusammenfügen und „nur“ den Auftraggeber angeben, da er dort von Beginn an dieselben Tätigkeiten verrichtet hat. Das würde ich im Lebenslauf besser machen. Allerdings wird dieser Punkt regelmäßig nachgefragt, weil die Zeugnisse nicht ganz mit dem Lebenslauf an diesem Punkt übereinstimmen. Klar, weil über die erste Zeit ein Zeugnis von der Zeitarbeitsfirma ausgestellt ist und über die Anschlusszeit ein Zeugnis vom Auftraggeber und Arbeitgeber.

Der Arbeitlsose liest regelmäßig Stellenangebote, in denen entweder z. B. Personalsachbearbeiter oder Buchhalter gesucht werden. Diese beiden Bereiche scheinen wohl sehr gut zu laufen im kaufm. Bereich. Da der Arbeitslose sich keine Hoffnung mehr macht, überhaupt nicht mehr in den öffentlichen Dienst angestellt zu werden, weil die Herrschaften dort doch sehr konservativ und eingefahren in den ganzen Stellenbesetzungsverfahren, Einstellungen und Vorstellungen sind, will er sich beruflich umorientieren. Allerdings geht das nicht aus eigener finanziellen Kraft, sondern er benötigt dafür eine Hilfe vom Staat. D. h., er möchte ganz gerne mind. eine fundierte Weiterbildung oder noch besser eine fundierte Umschulung in einen der eben genannten Bereichen erhalten und machen. Der Arbeitslose möchte … ach, er will, definitiv arbeiten - im Bürobereich. Der gewerbliche Bereich scheidet aufgrund der Schwerbehinderung ohnehin aus und ist der Agentur für Arbeit auch bekannt. Er fragte also deswegen mal bei seiner Arbeitsvermittlerin nach und diese bekam fast einen Lachkrampf. Der Arbeitslose dürfte sich da überhaupt keine Hoffnung machen, da er ja bereits eine Ausbildung in einem kaufm. Bereich, wenn auch öffentlich-rechtlich, erfolgreich absolviert hat. Solche Weiterbildungen oder gar Umschulungen würden nur Langzeitarbeitslose bekommen, die im gewerblichen Bereich gelernt und gearbeitet haben und z. B. aufgrund ihres Alters und, oder ihrer Gesundheit nicht mehr in der Lage sind, diese Arbeiten zu verrichten. Peng! Das saß! Wie ein begossener Pudel ging der Arbeitslose aus dem Amt und wusste nicht, ob er lauthals lachen oder weinen soll. Das kann doch nicht wahr sein, oder!? Es muss doch auch entsprechende Möglichkeiten mind. für adäquate Weiterbildungen oder gar Umschulungen geben, auch für gelernte Büroleute, besonders für die, die im öffentlichen Dienst gelernt haben und schlicht und ergreifend keine Chance mehr haben, in dem erlernten Beruf zu arbeiten!? Ist es nicht Sinn und Zweck und letztlich Ziel der Agentur für Arbeit, die Arbeitslosen wieder schnellstmöglich in Arbeit zu bekommen?

Gibt es jetzt vielleicht doch noch eine Möglichkeit für den Arbeitslosen, an eine Weiterbildung oder besser an eine Umschulung in den gewünschten Bereichen zu kommen oder kann, muss er weiter so verfahren wie bisher? D. h., Bewerbungen schreiben, an Vorstellungsgsprächen teilnehmen, bei denen er ohnehin keine Chance hat … irgendwann AlG II beziehen und vielleicht nie wieder einen Bürojob bekommen? Oder gibt es einen selbstformulierten wasserdichten Antrag auf eine solche Weiterbildung oder Umschulung, aus dem hervorgeht, dass eine Weiterbildung oder Umschulung zwingend notwendig ist, um wieder einen Job zu bekommen, der auf gesetzlichen Grundlagen ruht und vielleicht sogar auf entsprechende Urteilssprechungen, in denen es um ähnlich geartete Fälle geht?

Ich freue mich auf eure hilfreichen Antworten.

Grüße

Servus,

bei dem geschilderten Zusammenhang sollte der Ansprechpartner bei der BA mal auf das Thema „Bildungsgutschein“ angesprochen werden, konkret betreffend eine Weiterbildung mit zwei Modulen FiBu-Grundlagen und SAP FI.

In der öffentlichen Verwaltung gibt es haufenweise Stellen, die zwar formal bereits den Übergang zur mysteriösen „Doppik“ vollzogen haben, aber damit nicht gut zurecht kommen. SAP hat da durchaus eine gewisse Verbreitung, und dort, wo es eingesetzt wird, sind die Leute ganz unglücklich darüber, dass sie auf dem Arbeitsmarkt nur DATEV-Leute kriegen, die vor SAP stehen wie der Ochs vor dem Scheunentor.

Wenn dann noch die „Haushaltsdenke“ aus der öffentlichen Verwaltung dazu kommt, ist man als Buchhalter aus der freien Wirtschaft völlig aufgeschmissen - umso besser für den Mitbewerber, der den Stallgeruch schon kennt und hat.

Die von der BA in diesem Zusammenhang gesponsorten Weiterbildungen sind als Schulung sehr viel besser geeignet als eine SAP-Einführung, die „on the job“ irgendwie zwischen Tür und Angel stattfindet. Wenn man da mit einer halbwegs ordentlichen Bewertung rauskommt, ist es sehr schwierig, arbeitslos zu bleiben.

Schöne Grüße

MM

Doch!!!

Hallo,

bei Personen mit einer derartigen Berufsbiografie muß eine Weiterbildung (auch Umschulung) als NOTWENDIG anerkannt werden. Auszug aus § 81 SGBIII: _(2) Anerkannt wird die Notwendigkeit der Weiterbildung bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wegen fehlenden Berufsabschlusses, wenn sie

über einen Berufsabschluss verfügen, jedoch auf Grund einer mehr als vier Jahre ausgeübten Beschäftigung in an- oder ungelernter Tätigkeit eine dem Berufsabschluss entsprechende Beschäftigung voraussichtlich nicht mehr ausüben können,_

Zwiegespräche sind offensichtlich hier nicht zielführend. Um voranzukommen stellt man eine schriftlichen Antrag auf Förderung der beruflichen Weiterbildung. Dann erhält man einen schriftlichen Bescheid. Solte der Antrag abgelehnt werden, kann man hier wieder die Begründung einstellen.
guck auch: http://www.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/publ…
Die Förderung ist aber auch davon abhängig, ob das gewählte Bildungsziel hinreichend geeignet erscheint, die Arbeitslosigkeit dauerhaft zu beenden. Deshalb empfiehlt es sich, sehr sorgfältig eine Berufsorientierung für sich durchzuführen. Wenn man in einen beruflichen Arbeitsmarkt möchte ohne nennenswerte Nachfrage, sind die Chancen gering. Aber da kann man sich ja von der AA beraten lassen. Bundesweite Mobilität ist insofern schon mal vorteilhaft.
Man muß auch damit rechnen, zur Eignungsfeststellung für das gewählte Ziel, von AA Amtsarzt und Amtspsychologen untersucht zu werden.
Da hier von gesundheitliche Einschränkungen die Rede ist, könnte auch überlegt werden, alternativ einen Antrag auf Förderung der berufliche Rehabilitation zu stellen. Mehr dazu http://www.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/publ…

Gruß
Otto