Lieber Franz,
ich fürchte da hast Du Dir was angetan, was so einfach nicht zu lösen ist.
Im Idealfall wird natürlich eine Farbe (i.S.v. optischem Eindruck !) genau eine Wellenlänge reflektieren und alle anderen absorbieren.
In der Praxis kommt genau das nicht vor.
Denn eine Farbe und eine Beschichtung sind verschiedene Dinge. Betrachten wir das ganze systematisch. Du sagst, es geht um eine Automobilanwendung, dann gibt es zwei Möglichkeiten: entweder eine beschichtete (d.h. in der Regel lackierte) oder eine unbeschichtete Fläche, zum Beispiel ein Kunststoff.
BTW: verchromte Flächen sollen nicht betrachtet werden, da diese in weiten Bereichen Totalreflexion zeigen und außerdem eh´ unmodern sind.
Ad 1: Lackierte Flächen
Ein Lack ist eine wenige µm (1µm = 1/1000 mm) dicke Beschichtung, die naß aufgetragen wird und nach Trocknung bzw. Härtung einen dauerhaften Film basierend auf einem organischen Bindemittel gebildet hat. Der Lack hat dekorative und schützende Funktion. Eine Automobillackierung ist mehrschichtig, das heißt auf einer Grundierung (Primer) wird ein Decklack aufgetragen, der dann ggf. durch einen Klarlack (clear coat) geschützt wird.
Bei Belichtung (die im folgenden stets auch als IR Belichtung, d.h. Wärmebestrahlung verstanden werden soll) wird sichtbares Licht den clear coat passieren und vom Decklack in bestimmten Wellenlängenbereichen reflektiert. Wird alles reflektiert nennen wir das weiß, wird alles (naja fast alles…) absorbiert nennen wir das schwarz. Jeder Farbeindruck außer weiß bzw. schwarz bedeutet, daß Wellenlängen fehlen (= absorbiert wurden !) und die komplementäre Farbe wahrgenommen wird.
Absorbierte Wellenlängen verschwinden aber nicht (immerhin stellen sie Energie dar, die erhalten werden muß !) sondern werden in andere Wellenlängen umgewandelt und zwar stets in Quanten geringerer Energie, sprich größerer Wellenlänge. IR = Wärmestrahlung ist aber langwelliger als sichtbares Licht, daher werden dunkle Flächen wärmer als helle, es muß ja mehr absorbiert werden.
Nun kommt das eigentliche Problem: Der Lack absorbiert auch IR (das ja im Sonnenlicht drin ist). Und zwar nicht nur abhängig von der Farbe sondern vor allem von der Zusammensetzung des Lacks. Organische Stoffe absorbieren gerne IR Licht.
Dazu kommt, daß auch die Farbe die wir sehen ja nicht eine einzige Wellenlänge ist, sondern stets ein Gemisch. Fast alle Lacke enthalten eine ganze Reihe Farbpigmente um genau den richtigen Farbton zu erzeugen, außerdem noch TiO2 als Weißpigment das vereinfacht gesagt die Brillianz erhöht. Ein Metalliclack enthält darüber hinaus Metallpartikel und oft auch Perlglanz- bzw. Effektpigmente. so locker 10 bis 20 verschiedene Stoffe kommen da schon mal zusammen und alle haben ihre spezifische Absorption im IR und im sichtbaren. Das was letztendlich an Wärme bis zum Blech durchdringt wird vom Metall reflektiert und kriegt auf dem Rückweg durch den Lack eine zweite Chance.
Das UV erspare ich uns, das wird nämlich von speziellen Additiven absorbiert und letzendlich ebenfalls in Wärme umgewandelt !
Der ganze IR Wellenlängensalat heizt zum einen den Lack auf, zum anderen das Metall. Wie stark, das kann man wirklich nur durch Messen feststellen, z.B. mit einer Thermografie- bzw. Infrarotkamera oder einer geeigneten Meßapparatur basierend auf einem IR Spektrometer.
Ad 2: Kunststoffoberflächen ohne Lackierung
Hier könnte es so schön sein, wenn z.B. ein rotes Plastikteil nur aus dem Polymer und einem roten Pigment bestünde wäre man schnell einen großen Schritt weiter. Schade nur, daß fast keine Kunststoffrezeptur so einfach aufgebaut ist.
Zum einen sind die Polymere selbst verschieden: ein Polyolefin ohne große Verzweigungen und vor allem ohne Doppelbindungen ist fast IR transparent und absorbiert auch nur wenig sichtbares Licht. Polyethylen zum Beispiel.
Ein technischer Kunststoff wie ABS, PA, PMMA oder PC enthält aber bereits genug funktionelle Gruppen mit Doppelbindungen oder freien Elektronenpaaren (Stickstoff, Sauerstoff !) um reichlich IR zu absorbieren.
Außerdem enthalten die Kunststoffe eines Automobils auch noch:
- Füllstoffe wie CaCO3, Wollastonit, Kaolin, Schwerspat
- Anorganische Additive wie BaSO4 (Blanc Fixe)
- Verstärkungen, z.B. Glasfasern
- Pigmente wie TiO2, ZnS, org. oder anorg. Buntpigmente, Ruß
Es gilt also sinngemäß was auch schon für Lacke gesagt wurde: Jede einzelne Formulierung muß gemessen werden.
Wenn es denn eine sehr vereinfachte Faustformel sein darf: Je dunkler und je blauer desto höher wahrscheinlich auch die Absorption. Eine Münze werfen ist aber nicht viel ungenauer…
Liebe Grüße
Bernd
„derdirgerneeineDiagrammgeschickthättewennsdennsoeinfachwäre“
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