Hallo Sabine!
wir sind derzeit auf der Suche nach einem Eigenheim. Gestern
haben wir uns ein Haus aus dem Jahre 1955 angesehen, welches
uns sehr gut gefallen hat.
Erste Tat muß sein, einen Architekten hinzuzuziehen. Unbedingt vor dem Kauf! Dabei besteht zwar das Risiko, daß ihr das Haus letztlich doch nicht kauft und trotzdem das Honorar für den Architekten bezahlen müßt, aber Überraschungen nach dem Kauf werden mit Gewißheit um ein Vielfaches teurer.
Bei einem Haus aus den 50ern muß man i. a. davon ausgehen, daß kaum mehr als der Rohbau weiterhin nutzbar bleibt. Oft reduziert sich die nutzbare Substanz noch weiter, weil etwa Änderungen am Grundriss fällig werden. In manchen Fällen wird ein Architekt nach Besichtigung und Kenntnis der Bauweise sowie der örtlichen Boden- und Geländebeschaffenheit von einer Sanierung abraten, wenn etwa mit vertretbarem Aufwand kein dauerhaft trockener Keller hinzubekommen ist oder der Untergrund in Bewegung ist. Es kann gute Gründe geben, ein altes Haus zu sanieren, aber ebenso gute Gründe, es nicht zu tun.
Der Energiebedarf eines vor mehr als einem halben Jahrhundert gebauten Hauses kann um den Faktor 10 über dem Energiebedarf eines Gebäudes in zeitgemäßer Bauweise liegen. Entsprechend hoch sind die Betriebskosten. Das ist natürlich nicht akzeptabel. Also muß nachträglich vom Keller bis zum First gedämmt und in dem Zusammenhang für Lüftungseinrichtungen gesorgt werden.
50er Jahre - das war eine Zeit drückender Wohnungsnot. Es wurde oft auf die Husche gebaut mit dem, was eben an Material verfügbar war. Von dem Verfügbaren zweigten die zumeist schon am Vormittag betrunkenen Bauarbeiter noch einen Teil für ihr eigenes Häuschen und für Schwarzarbeit ab. So kann man manches Haus aus der Zeit mit dem Fingernagel abbauen, weil der eigentlich vorgesehene Zement anderweitig landete.
Natürlich gab es zu allen Zeiten auch Häuser in sehr ordentlicher Bauweise. Womit man es aber zu tun hat, erkennt ein Laie unter viel Farbe und Paneelen nicht und plant die Sanierung eines Hauses, bei dem Wegschieben die wirtschaftlich einzig sinnvolle Lösung ist. In jedem Fall sollte das Augenmerk zunächst nicht auf so nachrangigem Kleinkram wie Wasserleitungen, E-Anlage und Fliesen gerichtet sein, weil doch von vornherein klar ist, daß solche Sachen ohnehin raus und nach sorgfältiger Planung erneuert werden müssen. Bis zum Aussuchen der Fliesen bleibt noch sehr viel Zeit. Bis dahin geht ein vorhersehbar 6stelliger Betrag in dringlichere Maßnahmen.
Im günstigsten Fall bleibt von der alten Außenhaut aufgrund erforderlicher Dämmung gar nichts sichtbar übrig. Im weniger günstigen, weil deutlich kostspieligeren und in Planung und Ausführung anspruchsvolleren Fall, muß man innen dämmen, etwa weil Auflagen des Denkmalschutzes zu erfüllen sind.
Im Moment ist alles Spekulation. Es geht nicht anders: Ziehe einen Architekten hinzu, Nur so wirst du vor einem Fehlkauf bewahrt und kannst im Fall des Kaufs den Sanierungsaufwand rechtzeitig einschätzen. Manches alte Haus wird abseits aller wirtschaftlicher Vernunft saniert. Wenn man vorher weiß, auf was man sich einläßt, ist auch das in Ordnung. Je nach Region und Marktlage bezahlt man u. U. nur den Grundstückspreis, gemindert um die Abriss- und Entsorgungskosten, weil man nach fachkundiger Beratung weiß, daß es sich um ein Abrissobjekt handelt. Viele Verkäufer suchen einfach nur einen blinden Dummen. Solche Rolle muß man sich nicht antun, ist aber schon auf dem besten Weg, wenn man bei einem 50er-Jahre-Haus an Fliesen denkt. .
Gruß
Wolfgang