Welche Parameter kontrollieren die Evolution?

Hallo Wissende

Der Kontext meiner Frage ist die Beobachtung, dass fast alle Simulationen von evolutionärem Geschehen auf der Basis einer Fitness Funktion funktioniert. Über eine solche Funktion kann der Simulierende beliebige Bedingungen als ausschlaggebend für den Erfolg einer Mutation-Selektion definierten.

Aber diese Bedingungen sind künstlich hereingesteckt, sie ergeben sich nicht natürlich aus dem physikalisch-chemischen Kontext.

Also habe ich mir die Frage gestellt, welche Parameter oder physikalisch-chemische Größen entscheidend im evolutionären Geschehen sind, falls überhaupt etwas darüber bekannt ist.

Als naheliegendes und offensichtliches Beispiel nenne ich die Energiebilanz. Wenn ein Organismus mehr Energie aufnimmt als er verbraucht, dann kann er überleben, sonst nicht.

Aber sobald ein Organismus einen Energieüberschuss besitzt, gibt es keinen Grund warum manche Organismen aussterben oder sich effizienter durchsetzen und andere nicht. Es muss also weitere Größen geben, die das evolutionäre Geschehen kontrollieren. Aber welche?

Gruß
Thomas

Moin,

Also habe ich mir die Frage gestellt, welche Parameter oder
physikalisch-chemische Größen entscheidend im evolutionären
Geschehen sind, falls überhaupt etwas darüber bekannt ist.

die Evolution ist nicht gesteuert.

Als naheliegendes und offensichtliches Beispiel nenne ich die
Energiebilanz. Wenn ein Organismus mehr Energie aufnimmt als
er verbraucht, dann kann er überleben, sonst nicht.

Jain, die Energiebilanz ist sicher ein wichtiger Ffaktor, aber beileibe nicht der alleinige. Ab einer gewissen Stufe der Evolution spielt die Felxibilität und Anpassungsfähigkeit eine deutliche Rolle. Intelligentes Verhalten ebenso, auch Lernfähigkeit.

Gandalf

Aber sobald ein Organismus einen Energieüberschuss besitzt,
gibt es keinen Grund warum manche Organismen aussterben oder
sich effizienter durchsetzen und andere nicht. Es muss also
weitere Größen geben, die das evolutionäre Geschehen
kontrollieren. Aber welche?

Ich meine, dass alle Ressourcen entscheidend sind. Energieüberschuss genügt nicht, wenn ein konkurrierender Nachbar die im Gestein vorhandenen Mineralien effizienter heraus holt. Im Gegenteil, für einen Überschuss wird ja immer ein Preis bezahlt, also der Organismus muss mehr Enzyme einer bestimmten Sorte herstellen, dafür muss er seine Protein- Biosynthese anwerfen. Dafür braucht er Glucose, Licht oder was auch immer. Optimierung aller Komponenten ist die Kunst. Und auf jeden erfolgreichen Verbesserungsschritt durch Mutation kommen eine Million (sag ich mal so) nicht hilfreiche zufällige Mutationen.
Udo Becker

Hallo,

Der Kontext meiner Frage ist die Beobachtung, dass fast alle
Simulationen von evolutionärem Geschehen auf der Basis einer
Fitness Funktion funktioniert. Über eine solche Funktion kann
der Simulierende beliebige Bedingungen als ausschlaggebend für
den Erfolg einer Mutation-Selektion definierten.

Ja, das ist eine dürftige Simulation.

Aber diese Bedingungen sind künstlich hereingesteckt, sie
ergeben sich nicht natürlich aus dem physikalisch-chemischen
Kontext.

Doch, teils tun sie das durchaus.

Also habe ich mir die Frage gestellt, welche Parameter oder
physikalisch-chemische Größen entscheidend im evolutionären
Geschehen sind, falls überhaupt etwas darüber bekannt ist.

Es sind diverse bekannt. Mehr, als man berechnen und daher in Modellen rechnerisch erfassen kann.
z.B. Intelligenz als Faktor: welches sagen wir 1850 entwickelte Modell hätte vorhersagen könnnen, was Einstein herausfinden würde, welche Bedeutung fossile Rohstoffe gewinnen würden, dass 2000 alles globalisiert ist und reiche Leute in Milliarden rechnen, während andere vom Technomüll leben sowie dass ein großes Artensterben ansteht?

Wie soll man dergleichen Einflüsse rechnerisch in Modellen darstellen?

Als naheliegendes und offensichtliches Beispiel nenne ich die
Energiebilanz. Wenn ein Organismus mehr Energie aufnimmt als
er verbraucht, dann kann er überleben, sonst nicht.

Jein. Wenn der Nachbar eine noch positivere Bilanz hat, gewinnt der das Rennen - oder auch nicht, weil etwas anderes dazwischen kommt.

Aber sobald ein Organismus einen Energieüberschuss besitzt,
gibt es keinen Grund warum manche Organismen aussterben oder
sich effizienter durchsetzen und andere nicht. Es muss also
weitere Größen geben, die das evolutionäre Geschehen
kontrollieren. Aber welche?

Viele, sehr viele. Eigentlich alles, was die Erde incl. biologischem Leben zu bieten hat. Vulkanausbrüche können einiges ändern, das Auftauchen von Arten aus anderen Gebieten (Menschen auf Neuseeland, Kaninchen in Australlien etc.).
Klimaänderungen, Konkurrenzen zwischen Pflanzen (die wir weniger beachten) bewirken ev.Vorteile für bestimmte Pflanzenfresser oder für Schädlinge etc. Ein neuer Virus oder Pilz allein kann vieles kippen (siehe z.B. Amphibienpilz, der derzeit etliche Amphibien an den Rand des Aussterbens bringt).

Es ist halt ein arg weites Feld, in dem innerhalb der Gesetze der organischen Chemie und der Physik wirklich alles möglich ist.

Gruß, Paran

Es muss also
weitere Größen geben, die das evolutionäre Geschehen
kontrollieren. Aber welche?

Da wird nix kontrolliert. Entscheidend ist nur eine Frage: Wieviele Nachkommen produzieren die Individuen einer Art, und wieviele davon schaffen es, sich wiederum selber fortzupflanzen?
Wie sie das tun, ob durch raffinierte Nutzung des Lebensraums oder durch schiere Menge, ob effizient oder ineffizient, ist egal.

Zu Deinem Beispiel: Wenn ein Organismus mehr Energie verbraucht als aufnimmt, wird er sterben. Wenn er aber in der Lage ist, vorher ausreichend Nachkommen zu produzieren, wird die Art trotzdem überleben.
Eine noch so angepasste Art dagegen wird untergehen, wenn die Individuen unfruchtbar sind oder zu wenige Nachkommen das fortpflanzungsfähige Alter erreichen.

Die Fitnessfunktion in der Simulation definiert die Umgebungsbedingungen. Es wird eine Konfiguration gesucht, die unter bestimmten Vorgaben maximale Ergebnisse liefert. Auch in der realen Umwelt sind die Bedingungen ja an jeder Ecke anders. Die Tiefsee begünstigt das Überleben andere Arten als das Hochgebirge.

Gruß,
KHK

Hallo,

der Erfolg einer Art kann nicht mit dem Blick auf dieses Lebewesen allein verstanden werden. Ein Organismus muss in seiner Umgebung eine ökologische Nische finden, in der er existieren kann. In vielen bzw. den meisten anderen Ökosystemen ist er nicht erfolgreich (Mensch ausgenommen). Eigentlich ungeheurer trivial, in der Sahara gibts keine Frösche.

Gruss Reinhard

Hallo!

Bisher die beste Antwort auf die Frage.

Nur eine kleine Ergänzung:
Es setzt sich nicht derjenige durch, der in einem bestimmten Lebensraum den absolut besten Fortpflanzungserfolg hat, sondern derjenige der einen besseren Fortpflanzungserfolg hat als seine direkten Konkurrenten. Das sind fast nie Artfremde, fast immer Artgenossen.

Beispiel:
Damit eine Gazelle vor dem Gepard sicher ist, muss sie nicht schneller sein als der Gepard, sondern bloß schneller als das langsamste Tier in der Herde.

Michael

die Evolution ist nicht gesteuert.

Ich dachte, es kam klar heraus, dass das so nicht gemeint war. Der freie Fall ist auch nicht gesteuert, trotzdem kann ich 4 Parameter angeben, mit dem ich die Dynamik gut beschreiben bzw. verstehen kann. Eine andere Ausdrucksweise ist, dass die Dynamik durch diese Parameter gesteuert wird.

Jain, die Energiebilanz ist sicher ein wichtiger Ffaktor, aber
beileibe nicht der alleinige. Ab einer gewissen Stufe der
Evolution spielt die Felxibilität und Anpassungsfähigkeit eine
deutliche Rolle. Intelligentes Verhalten ebenso, auch
Lernfähigkeit.

Genau hier ist die Frage: welche?

Flexibilität: Diese ist wichtig, wenn sich die Umweltbedingungen ändern - ok. Aber das passiert (in der Regel) langsam. Es muss schon vorher Größen geben, die einen Organismus dazu bringen, flexible Mechanismen in Vererbung auszubilden.

Intelligenz: Die braucht eine Menge Voraussetzungen, um wirksam zu sein. Welche Parameter können einen Organismus dazu bringen, z.B. Steuerungsmechanismen des eigenen Verhaltens herauszubilden, welche ich als Grundlagen von so etwas wie Intelligenz sehe?

Man könnte sich einen Wahrnehmungs - Steuerungszyklus vorstellen, wo die Wahrnehmung z.B. eines Ressourcengefälles dazu verwendet wird, den Organismus in Richtung einer höheren Ressorcenkonzentration zu steuern.
Wann würde aber so etwas zu einem selektiven Vorteil führen?
Doch dann, wenn die Ressource knapp ist und mehr von der Ressource zu einer höheren Nachkommenrate führt und ein zufälliges Herumtreiben des Organismus ein deutlich schlechteres Ergebnis in der Zahl der Nachkommen hat.

Meine Frage bezog sich schon auf eine recht fundamentale Ebene. In diesem Beispiel wäre das also eine Ressource (z.B. ?) und die Abwägung des zufälligen Aufnehmens gegen die Zwischenschritte, die notwendig sind, einen solchen Zyklus auszubilden und in jeder Stufe auch Selektionsvorteile zu bringen.

Hallo

Ich meine, dass alle Ressourcen entscheidend sind.

Eine solche Antwort empfinde ich als Ausdruck des Nicht-Wissens oder der Resignation.

Die Möglichkeiten sind ein Kontinuum und ich habe nichts in der Hand, womit ich das Kontinuum strukturieren oder hierarchisieren kann. Da es aber unmöglich ist, die gesamte Komplexität zu modellieren, bin ich verloren, weil ich keine Handhabe habe, mit der ich das Gesamtsystem in Subsysteme oder Prinzipien aufteilen kann.

Ich gebe zu, dass diese Art des Denkens in der Biologie womöglich fremd ist (oder eventuell unangebracht), weswegen Biologen mit meiner Frage auch so viele Probleme haben.

Hallo

Es ist halt ein arg weites Feld, in dem innerhalb der Gesetze
der organischen Chemie und der Physik wirklich alles möglich
ist.

Und es ist nichts bekannt, mit dem sich dieses weite Feld strukturieren ließe?

Ich meine verstanden zu haben, dass in der Biologie hier die ungeheure Vielfalt der Proteine die Basis der Vielfältigkeit ist. Ich habe das Gefühl, dass es geradezu unmöglich ist, diese Vielfalt zu verstehen oder gar vorherzusagen.

Damit kann ich zwar beobachten, dass eine ungeheure Vielzahl von Eigenschaften selektive Vorteile oder Nachteile in einer gegebenen Umweltsituation bringt, aber welche Eigenschaften letztlich welche Vorteile bringen, kann ich erst in der Rückschau beantworten.

Hallo

Da wird nix kontrolliert. Entscheidend ist nur eine Frage:
Wieviele Nachkommen produzieren die Individuen einer Art, und
wieviele davon schaffen es, sich wiederum selber
fortzupflanzen?
Wie sie das tun, ob durch raffinierte Nutzung des Lebensraums
oder durch schiere Menge, ob effizient oder ineffizient, ist
egal.

Das „kontrollieren“ habe ich nicht so gemeint - siehe erste Antwort zu meiner Frage.

Und du gehst bereits von nicht ausgesprochenen Voraussetzungen aus.
Du nimmst Selektion als gegeben an, meine Frage bezog sich aber genau darauf, wie eine Selektion zustande kommt. Energiemangel ist ein Weg, Mangel an anderer Ressource ebenfalls.

Nimm zwei Organismen, die sich fortpflanzen und mit gewisser Wahrscheinlichkeit mutieren. Stelle eine knappe Ressource zur Verfügung (Energie - oder brauchen wir auch mehrere Ressourcen?) und lass die Organismen konkurieren.

Bildet sich alleine auf Grund dieses Setups eine Entwicklung zu effizienterer Ausnutzung der Ressource aus?

Meiner Erfahrung und Überlegung her - nein. Sobald der Organismus genug von der Ressource bekommt, entfällt der selektive Druck, auch wenn der zweite Organismus diese Ressource ebenfalls nutzt.
Nimmt der zweite Organismus die Ressource so stark in Anspruch, dass der erste nicht mehr genug bekommt, stirbt er aus, es sei denn, es gibt einen Übergangsbereich in der Nutzung der Ressource, der ein Überleben so lange sichert, dass der selektive Druck ausreicht, eine Evolution in Gang zu setzen.

Solche Szenarien habe ich im Sinn. Alleine aus der Beschreibung kann man erkennen, dass nicht alleine die Ressourcenmenge eine Rolle spielt, sondern auch zeitliche Faktoren entscheidend sind.
Aber auch die Möglichkeit, einen ganzen Bereich (im Gegensatz zu harter Grenze) der Ressource zu definieren, mit dem der Organismus leben kann (es ihm aber schlecht geht) erscheint wichtig.

Die Fitnessfunktion in der Simulation definiert die
Umgebungsbedingungen.

Ja auch, aber bei weitem nicht nur. Generell alle Mechanismen - ob innere oder äussere - die an der Fortpflanzung beteiligt sind, werden dort zusammen gefasst.
Und auch künstliche. Man könnte die Haarfarbe seiner Studenten in einer solchen Simulation einbauen und die Organismen würden sich besser fortpflanzen, wenn eine blonde Studentin das Programm bedient.

Eine Fitnessfunktion aus irgendwelchen Begründungen zu konstruieren sagt aber noch nicht, ob die Begründung in der Grundlage der „programmierten Natur“ auch korrekt ist.

Hallo

der Erfolg einer Art kann nicht mit dem Blick auf dieses
Lebewesen allein verstanden werden. Ein Organismus muss in
seiner Umgebung eine ökologische Nische finden, in der er
existieren kann. In vielen bzw. den meisten anderen
Ökosystemen ist er nicht erfolgreich (Mensch ausgenommen).
Eigentlich ungeheurer trivial, in der Sahara gibts keine
Frösche.

Du hast Recht, diese Antwort ist naheliegend- und auch nichts sagend.

Welche Parameter definieren eine ökologische Nische? Welche Eigenschaften bedingen einen Selektionsvorteil?

In der Wüste gibts wenig Wasser. Daher sind Organismen im Vorteil, die Wasser effizient speichern oder nutzen oder wenig davon brauchen - wozu Frösche nicht gehören.

Aber um einen Organismus zu bilden, der Wasser effizient nutzt, bedarf es bereits einer langen Vorgeschichte. Ich würde gerne abstrakter, elementarer herangehen. Siehe meine Antworten bei den anderen.

Moin,

Der freie Fall ist auch nicht gesteuert,

aber sicher doch.
Es gelten die Newtonschen Gesetze

Es muss schon vorher Größen geben, die einen
Organismus dazu bringen, flexible Mechanismen in Vererbung
auszubilden.

Nö anders herum.
Flexible Organismen können sich fortpflanzen.

Steuerungsmechanismen des eigenen Verhaltens
herauszubilden, welche ich als Grundlagen von so etwas wie
Intelligenz sehe?

Auch hier wieder anders herum.

Meine Frage bezog sich schon auf eine recht fundamentale
Ebene.

Du hast mehrere Antworten gekriegt, die den Sachverhalt m.E. recht gut beschreiben. Nur passen tun sie Dir offensichtlich nicht und Du versuchst dagegen zu argumentieren.

Noch mal. Die Evolution wird nicht gesteuert, sie passiert.
Es gibt keine dezidierten Mechanismen, die eine Steuerung (oder gar Regelung) darstellen.
Vieles ist Zufall, oder eigentlich so gut wie alles. Wenn ein super angepasster Organismus vor der Reproduktion stirbt, weil er gefressen wurde, sich beim Stolpern einen Knochen gebrochen hat oder warum auch immer, kann die Evolution eine völlig andere Richtung einschlagen.

Gandalf

1 Like

Du hast Recht, diese Antwort ist naheliegend- und auch nichts
sagend.

Welche Parameter definieren eine ökologische Nische? Welche
Eigenschaften bedingen einen Selektionsvorteil?

Das ist das Problem bei deiner Frage, alles kommt vor oder auch nicht - ein häufiger Selektionsvorteil ist das Futter: endeckt eine Art eine Futterquelle, die von keiner anderen genutzt wird, ist der Vorteil klar. Andrerseits ist Grasfressen nicht unbedingt ein Nachteil, solang für alle genug da ist, was wiederum in der Sahelzone nicht der Fall ist.

Ein ebenfalls häufig vorkommender Vorteil ist nicht auffallen um nicht gefressen zu werden, siehe Schmetterlinge in England, die sich an russgeschwärzte und wieder saubere Birkenstämme angepasst haben. Aber nur, wenn jemand da ist der einen fressen will. Pfeilgiftfrösche machen das gerade umgekehrt, sie wollen (natürlich nicht wriklich, die Evolution läuft eben so) auffallen um zu zeigen dass sie giftig sind.

Zurück zu deiner Frage, was ist ein Vorteil - definitiv jede Eigenschaft die ein Organismus überhaupt hat kann für ihn von Vorteil sein. Selbst schwere Krankheiten wie Sichelzellenanämie beim Menschen kommen dafür in Frage. Die Antwort auf deine Frage ist so komplex, dass sie von der Wissenschaft auch in absehbarer Zukunft nicht gegeben werden kann.

Dazu kommt: alles ist nur eine vorübergehende Lösung. Seit es sie gibt verändert sich die Erde und die Umwelt auf ihr ständig oder es passiert was, sonst wären wohl die Dinosaurier nicht ausgestorben - oder doch? Niemand wird es jeh wissen.

Gruss Reinhard

Hallo!

Nimm zwei Organismen, …

Was aus Deinem Posting nicht so ganz klar wird: Meinst Du mit den beiden Organismen zwei Individuen oder zwei Populationen? Falls letzteres: Handelt es sich um zwei Populationen der gleichen Art oder von zwei verschiedenen Arten?

Ich gehe im Folgenden davon aus, dass Du zwei Populationen verschiedener Art meinst.

die sich fortpflanzen und mit gewisser
Wahrscheinlichkeit mutieren. Stelle eine knappe Ressource zur
Verfügung (Energie - oder brauchen wir auch mehrere
Ressourcen?) und lass die Organismen konkurieren.

Bildet sich alleine auf Grund dieses Setups eine Entwicklung
zu effizienterer Ausnutzung der Ressource aus?

Meiner Erfahrung und Überlegung her - nein. Sobald der
Organismus genug von der Ressource bekommt, entfällt der
selektive Druck, auch wenn der zweite Organismus diese
Ressource ebenfalls nutzt.

Dann handelt es sich nicht um eine Konkurrenzsituation. Selektion greift aber nur, wenn es Konkurrenz gibt. Es muss also mehr Individuen geben, als durch die Ressourcen versorgt werden können.

Nimmt der zweite Organismus die Ressource so stark in
Anspruch, dass der erste nicht mehr genug bekommt, stirbt er
aus, es sei denn, es gibt einen Übergangsbereich in der
Nutzung der Ressource, der ein Überleben so lange sichert,
dass der selektive Druck ausreicht, eine Evolution in Gang zu
setzen.

In der Evolution kommt es selten vor, dass zwei verschiedene Arten um dieselben Ressourcen (also um dieselbe ökologische Nische) konkurrieren. Kommt dies doch einmal vor, hat das in der Tat fast immer das Aussterben oder die Abwanderung der konkurrenzschwächeren Art zur Folge. Die Mechanismen der Evolution sind einfach viel zu langsam, um hier zu greifen. (Ein aktuelles Beispiel wäre die Verdrängung des Eichhörnchens durch das eingeschleppte Grauhörnchen in Großbritannien).

In den allermeisten Fällen konkurrieren jedoch die Individuen ein und derselben Art um die Ressourcen. In dieser Konstellation kann es tatsächlich sein, dass eine Mutation einen Vorteil in der Konkurrenz bietet, so dass es zu einer gerichteten Selektion kommt.

Aber auch die Möglichkeit, einen ganzen Bereich (im Gegensatz
zu harter Grenze) der Ressource zu definieren, mit dem der
Organismus leben kann (es ihm aber schlecht geht) erscheint
wichtig.

Unbedingt! Nehmen wir mal Bäume. Laubhölzer nutzen die Ressourcen in Mitteleuropa viel effizienter als Nadelhölzer. Deshalb wäre (in Abwesenheit des Menschen) der überwiegende Teil Deutschlands durch Buchen- und Eichenmischwald bedeckt. Nadelhölzer hätten ihr Optimum ebenfalls bei den klimatischen Bedingungen, wie sie in Mitteleuropa vorherrschen, aber sie sind konkurrenzschwächer, weshalb sie sich in der Regel gegenüber den Laubhölzern nicht behaupten könnten (außer dort, wo sie vom Menschen künstlich angepflanzt werden). Allerdings haben die Nadelhölzer einen breiteren Toleranzbereich als die Laubhölzer, weshalb sie überall dort im Vorteil sind, wo die Lebensbedingungen nicht ganz optimal sind, nämlich im Hochgebirge und auf sandigen Böden.

Michael

Hallo Fragewurm,

Damit kann ich zwar beobachten, dass eine ungeheure Vielzahl
von Eigenschaften selektive Vorteile oder Nachteile in einer
gegebenen Umweltsituation bringt, aber welche Eigenschaften
letztlich welche Vorteile bringen, kann ich erst in der
Rückschau beantworten.

Eben, es gibt auch noch ein grosse Gruppe von Mutationen, welche sich neutral verhält. Also unter den Bedingungen unter denen sie entstanden sind, weder Vor- noch Nachteil hat.

z.B. gab es eine Resitenz gegen die Pest, schon lange bevor die Pest aufgetaucht ist. Erst mit dem Auftauchen der Pest hatten dann diese Individuen einen Vorteil (die meisten anderen wurden einfach ausgerottet).

Um eine Vorschau machen zu können, müsstest du auch die zukünftigen Umweltbedigungn kennen! Zugleich müsstest du aber auch wissen, welche Mutationen wann und wo auftreten werden.

MfG Peter(TOO)

Hallo Reinhard,

Pfeilgiftfrösche machen das gerade umgekehrt,
sie wollen (natürlich nicht wriklich, die Evolution läuft eben
so) auffallen um zu zeigen dass sie giftig sind.

Dann ist noch der Trick, wie ein Pfeilgiftfrosch auzusehen, aber nicht den Aufwnd für die Giftproduktion machen zu müssen.
Das funktioniert aber auch wieder nur, wenn man nicht in der Übezahl zu den Pfeilgiftfröschen ist (Stichwort Mimikry).

MfG Peter(TOO)

Hallo,

Da wird nix kontrolliert. Entscheidend ist nur eine Frage:
Wieviele Nachkommen produzieren die Individuen einer Art, und
wieviele davon schaffen es, sich wiederum selber
fortzupflanzen?

Logisch, aber die Voraussetzungen für Vermehrung im Sinne von mehr werden müssen gegeben sein. Sonst bedeuted die geringste Umweltveränderung (Krankheiten, Vulkanausbrüche, Klimaänderung etc.) das Aus.

Wie sie das tun, ob durch raffinierte Nutzung des Lebensraums
oder durch schiere Menge, ob effizient oder ineffizient, ist
egal.

Nein, das ist nicht egal. Schiere, aber ineffiziente Menge verhungert.

Eine effiziente Nutzung der Ressourcen wird sich selbst bei einer einzigen Art herausbilden, da diese über wenige (also im tausender Bereich, bei Neubesiedelung eines Kontinents etwas mehr) Generationen mit den Artgenossen konkurrieren muss. Und das ist nur ein Aspekt. Nahrungskonkurrenten anderer Arten gibt es meist obendrein auch. Und Abwehrmechanismen der Nahrung.

Wenn ein Organismus mehr Energie

verbraucht als aufnimmt, wird er sterben. Wenn er aber in der
Lage ist, vorher ausreichend Nachkommen zu produzieren, wird
die Art trotzdem überleben.

Stimmt nur, wenn er zumindest bis zur Vermehrung mit der zugeführten Energie auskommen. Ein Jungtier, dass mehr Milch braucht, als die Mutter liefern kann, wird ohne Nachkommen sterben.

Die Fitnessfunktion in der Simulation definiert die
Umgebungsbedingungen. Es wird eine Konfiguration gesucht, die
unter bestimmten Vorgaben maximale Ergebnisse liefert. Auch in
der realen Umwelt sind die Bedingungen ja an jeder Ecke
anders. Die Tiefsee begünstigt das Überleben andere Arten als
das Hochgebirge.

Ich habe den Eindruck, dass hier der Hase im Pfeffer liegt. Das Problem ist ja, dass Simulationen nur kleine Aspekte und grundsätzliche Prinzipien der Evolution darstellen können. Sie schaffen es nicht, die Wirklichkeit abzubilden, weil zu solcher Berechnung zuviele und großenteils schwer einschätzbare Parameter nötig wären.

Die Evolution beinhaltet quasi alle Aspekte dieser Welt. Biologische in jeder Form, geologische, klimatische etc., sogar Mond und Sonne spielen mit.

Das alles in einem Programm zu simulieren, hieße die Welt berechnen zu können. Wir können noch nicht einmal Einzelereignisse wie Erdbeben oder Vulkanausbbrüche vorhersagen oder berechnen, geschweige denn deren evolutionäre Folgen.

Ergo müssen wir uns in Punkto Evolution mit Detail-simulationen zufrieden geben, die natürlich nicht alles erklären und fehlerhaft sein können.

Paran

… Ich würde gerne abstrakter, elementarer herangehen. …

Versuch, analog Graphentheorie:

Du zeichnest ein Symbol (grosser Kreis) für ein Lebewesen, darum herum zeichnest du für jede Eigenschaft dieses Lebewesens einen kleinen Kreis, bis herab zur Konfiguration einzelner Proteine (die kann z.B. bei der Abwehr von Parasiten relevant sein). Werden wohl Millionen sein.

Jetzt machst du dasselbe für alle Lebewesen, zumindest mal die bekannten, und alle ihre Eigenschaften. Ich schätze mal das gibt so 10 Billionen kleine Kreise.

Jetzt verbindest du jeden dieser kleinen Kreise mit jedem anderen im ganzen Graphen. Das sind (n-1)!, das ist jetzt deine Arbeitsbasis - für jede dieser Verbindungen prüfst du, ob die jeweilige Eigenschaft von Art A mit der verbundenen Eigenschaft von Art B in einer Wechselbeziehung steht und ob diese evolutionär günstig oder ungünstig ist (jeweils für A und B!). Besteht keine Beziehung, kannst du die Verbindung streichen, dann musst du bloss noch das was übrigbleibt statistisch auswerten und mit etwas Glück findest du deine gesuchten Regeln.

Ich kann dir leider hier nicht angeben, wieviel die Fakultät von 10 Billionen ist, aber vielleicht findet sich jemand…

Gruss Reinhard

Stirling Formel
Moin,

Ich kann dir leider hier nicht angeben, wieviel die Fakultät
von 10 Billionen ist, aber vielleicht findet sich jemand…

das ist schon ordentlich groß :wink:
Wie groß, kann man für große n sehr gut mit der Stirling Formel berechnen/abschätzen http://de.wikipedia.org/wiki/Stirling-Formel

Gandalf