Welchen Sinn hat die Fuge?

Hallo zusammen!

Ich lerne gerade für eine Musikprüfung und beschäftige mich gerade mit Bachs Wohltemperiertem Klavier. Es geht darum, Fugen zu analysieren. Nun ja, musiktheoretisch kann man ja sehr viel über die Fuge sagen, also bspw. mehrstimmiges Kompositionsprinzip, kontrapunktische Stimmführung, imitatorische Themenverarbeitung, Exposition, Durchführungen, Zwischenspiele usw. usf.
Nachdem ich nun schon seit Tagen versuche, diese Fugen zu analysieren und es mir mittlerweile auch einigermaßen gelingt, ist mir eine grundsätzliche Frage aufgekommen, auf die ich bisher nirgendswo eine Antwort finden konnte. Und zwar:

Welchen Sinn hat eigentlich dieses Kompositionsprinzip?

Fand Bach, dass Musik auf diese Weise einfach besonders gut klingt?

Ich jedenfalls finde ehrlich gesagt nicht, dass das besonders gut klingt.
Manchmal klingt das für mich einfach bloß nach einem nervigen Stimmengewirr.
Gut, Bachs Fugen sind sicher sehr anspruchsvoll und durchdacht und vielschichtig…
Aber dass Bachs Fugen gut komponiert sind, impliziert ja nicht, dass sie auch gut klingen.
Jetzt kann man mir vielleicht vorwerfen, dass ich ja nur ein unerfahrener Laie bin und Bachs Musik ja gar nicht richtig verstehe. Dann frage ich mich allerdings, was an Bachs Musik so toll sein soll, wenn sich ihre Schönheit nur „Profis“ und „Eingeweihten“ offenbart…?

Oder war es eher so, dass sich dieses Kompositionsprinzip letztlich musikgeschichtlich so ergeben hat und Bach hat es eigentlich bloß übernommen und kultiviert?

Vielleicht könnt ihr mir das ja erklären. ;o)
Ich bin gespannt auf eure Antworten!

Schönen Gruß

Hallo

Welchen Sinn hat eigentlich dieses
Kompositionsprinzip?

welchen Sinn haben Bilder, Gedichte oder Photos, Skulpturen, Lieder oder Schnitzereien?

Keinen!

Ein Kunstwerk steht für sich selber.
Du kannst es mögen, aber niemand kann Dich dazu zwingen.

Man kann formale Kriterien über die Qualität von Werken heranziehen, aber einen Sinn wird man auch so nicht finden.

Eine Fuge erfüllt bestimmte formale Kriterien, bzw. muß sie erfüllen, sonst wäre es keine Fuge. Aber welchen Sinn, neee.

Bachs Musik kann man mögen, muß es aber nicht.
Ich liebe ihn, meine Ex konnte nichts mit ihm anfangen. Trotzdem bin ich nichts besseres oder sie schlechteres.

Gandalf

Strickmuster (Algorithmus) = Arbeitsmittel
Eine kurze Auflistung zu den Fakten: http://de.wikipedia.org/wiki/Fuge_(Musik)

In meiner Erinnerung findet sich der Gedanke, dass es für einen solch routinierten Musiker wie Johann Sebastian Bach durch dieses „Strickmuster“ möglich war, komplex wirkende Stücke über mehrere Minuten, basierend auf einem einfachen Thema, das er sich erst kurz zuvor ausgedacht hat, „aus dem Stand“ zu spielen, ohne sie vorher zeitaufwendig notieren zu müssen.

Eine nette Arbeitserleichterung, wenn man als Kirchenorganist jeden Sonntag etwas Neues darbieten muss. Mozart soll sich mal davor gedrückt haben und hat etwas von vor Wochen wiederholt und prompt einen Anschiss kassiert, weil es doch jemand gemerkt hat.

Gruß

Stefan

Hi,

In meiner Erinnerung findet sich der Gedanke, dass es für
einen solch routinierten Musiker wie Johann Sebastian Bach
durch dieses „Strickmuster“ möglich war, komplex wirkende
Stücke über mehrere Minuten, basierend auf einem einfachen
Thema, das er sich erst kurz zuvor ausgedacht hat, „aus dem
Stand“ zu spielen, ohne sie vorher zeitaufwendig notieren zu
müssen.

IIst sicher auch ein Grund. Aber ein bisschen klingt es bei dir zu sehr, als ob die Fuge einfacher sei als
andere Stücke, finde ich: ein Thema, und dann gleich improvisieren, ohne aufschreiben zu müssen ->
effektiv. Irgendwie hab ich es anders in Erinnerung, aber vielleicht passt ja beides doch zusammen.
Vielleicht braucht sie nicht so viel Meldievorbereitung, aber ansonsten ist die Fuge ist ja gerade eins der
schwersten, kompliziertesten, zwar mathematisch logisch aufgebauten, aber verschachteltesten
Gattungen, die zu schreiben und gar zu improvisieren die allerhöchste Kunst war, und Bach hat sie
eben gemeistert.
Ich kann verstehen, warum der UP nach dem Sinn fragt, denn meistens hört sich eine Fuge echt nicht so
schön an wie z.b. das Präludium davor, aber ich würde vermuten, der Sinn liegt genau darin, dass die
Fuge quasi eine sportliche Herausforderung war. Nette Melodien fallen vielen mal ein, aber dieses
komplexe Werk so zu beherrschen, dass es dann auch noch ordentlich klingt, war damals die
allerhöchste Kunst. Und Bach hat möglicherweise einfach aus Eitelkeit heraus so viele Fugen
geschrieben.

Judith

Oder war es eher so, dass sich dieses
Kompositionsprinzip letztlich musikgeschichtlich so ergeben
hat und Bach hat es eigentlich bloß übernommen und kultiviert?

genau so ist es. der kontrapunkt ist eine errungenschaft der renaissance, die vom barock übernommen und weiter kultiviert wurde. die fuge ist quasi höhe- und gleichzeitig schlußpunkt dieser kompositionsweise, und sie hat sich tatsächlich ein wenig richtung elfenbeinturm entwickelt, aber in erster linie nicht aus elitärem denken, sondern weil sie möglichkeiten bot, die in anderen gattungen nicht unbedingt gegeben waren. in der fuge konnte harmonisch und kontrapunktisch experimentiert werden, und das hat bach definitiv ins extrem getrieben.

ich persönlich finde die fugen wesentlich interessanter als die meisten präludien davor, aber natürlich erfordern sie ein wenig zugang. die zeitgenossen waren ja auch nicht unbedingt fans der bachschen fugen, und seine söhne haben ja die musikgeschichte stark in eine andere, schlichtere richtung beeinflußt.

gleichzeitig haben die fugen von bach historisch eine immens wichtige bedeutung. er hat darin dinge ausgelotet, die später mozart und beethoven sowie in letzter konsequenz auch schönberg und konsorten von ihm übernommen haben.

Hi Gyuri,

gleichzeitig haben die fugen von bach historisch eine immens
wichtige bedeutung. er hat darin dinge ausgelotet, die später
mozart und beethoven sowie in letzter konsequenz auch
schönberg und konsorten von ihm übernommen haben.

Zustimmung. Die besten Sachen von Mozart und Beethoven waren die, die sie schrieben nachdem sie sich mit Bach beschäftigt hatten.
Ich sage nur ‚Große Fuge Op.133‘ vom Ludwig *gänsehautkrieg*

Gandalf