Hallo Fritze,
interessante Diskussion! Zunächst: Font ist nicht unbedingt neudeutsch sondern wurde im Bleisatz schon benutzt. Laut TypoWiki (http://www.typografie.info/typowiki/index.php?title=…) handelt es sich »um eine Menge druckbarer Buchstaben«. Oder nach Robert Bringhurst: »In the world of metal type, this means a given alphabet, with all its accessory characters, in a given size.« ;o)
Der Einsatz sollte vom Einsatzgebiet abhängen. Die Frage muß immer sein: Was für Buchstaben und Sonderzeichen benötige ich denn? Für eine Einladungskarte habe ich natürlich eine viel größere Auswahl auch an frei erhältlichen Fonts als für eine umfangreiche, technische Arbeit. Man muß sich also vergegenwärtigen, welche Zeichen man benötigt und dann muß man sehen, ob der Font, welchen man einsetzten möchte, diese zur Verfügung hat. Der vielfach propagierte Einsatz der Schriftart »Symbol« hilft hier nicht wirklich weiter, denn er paßt im Grunde fast ausschließlich zu Times New Roman. Die Leute wissen das nicht und mischen dann lustig auch Symbol-Sonderzeichen mit Serifen mit Arial etc. Am besten mal in die Zeichentabelle oder ein Äquivalent schauen, ob die Zeichen gelistet sind oder nicht.
Im naturwissenschaftlich-technischen Bereich benötigt man z.B. häufiger mal griechische Buchstaben. Fonts wie Times New Roman, Arial, Frutiger, Gentium, Palatino etc. bringen diese mit und sie passen sich einwandfrei ins Schriftbild ein. Wenn man gezwungen ist, Fonts zu mischen, ist die Wahl der Brotschrift falsch und sollte überdacht werden.
Das engt die Auswahl schon ganz beträchtlich ein. Times New Roman ist weit verbreitet und damit arg angestaubt. Sie bringt allerdings eine große Zahl an Sonerzeichen bereits mit und sie ist im Regular-Schnitt gut lesbar und recht nüchtern. Hans-Peter Willberg, einer der Meister wenn es um Typografie geht, hat z.B. das Römpp-Chemielexikon in der Times gesetzt – es funktioniert einfach. Allerdings: Die Times wurde für leicht gelbliches Zeitungspapier entwickelt. Für das hochweiße Kopierpapier, welches eigentlich grundsätzlich verwandt wird, eignet sie sich letztlich nicht. Der Römpp ist aus qualitativ hochwertigem, leicht gelblichen Papier. Da geht es dann natürlich wieder. Wer es nicht glaubt, aber eigentlich auch allen Anderen sei die »Erste Hilfe in Typografie« von Willberg & Forssmann ans Herz gelegt. Dort findet man u.a. die Times auf unterschiedlichen Papiersorten und kann sich selber überzeugen. Andere nützliche Hinweise findet man ebenfalls.
Weiterhin hat die Times einige Kerning-Schwierigkeiten (Kollisionen von Buchstabenkombinationen wie (j, f), fi, fl, fä etc.). Die Palatino hat ebenfalls einen großen Zeichenumfang, läßt sich allerdings deutlich besser handhaben.
Die Gentium wurde bereits erwähnt, hat aber einen recht eigenen Charakter, der vielleicht nicht jedermanns Sache ist. Ich persönlich würde die Minion von Robert Slimbach empfehlen. Sobald man sich den kostenlosen Acrobat Reader 7 installiert hat, findet man vier Schnitte im Unterordner »Fonts«, die man installieren und somit ausprobieren kann (Achtung: Lizenzbestimmungen beachten!). Sie erhält wie die Times eine große Zahl an Sonderzeichen, enthält Text- und Tabellenziffern, einen großen Satz an Ligaturen und echte Kapitälchen. Das sog. Hinting, also die Darstellung auf dem Bildschirm, ist sehr gut, so daß sich ordentlich damit arbeiten läßt.
Bei den Serifenlosen kommt gleich die Myriad hinterher, die ebenfalls mit dem Acrobat Reader 7 im gleichen Unterordner zu finden ist. Auch sie besitzt eigentlich alles, was man so an Sonderzeichen benötigt und eignet sich recht gut als Mischung mit der Myriad (Adobe verwendet beide als Hausschriften).
Wenn man sich den »Reader« von Microsoft kostenlos herunterlädt und installiert, dann erhält man vier Schnitte der Linotype Frutiger kostenlos (auch hier gilt: Lizenzbestimmungen beachten!), welche eine der am besten lesbaren serifenlosen ist. Der Umfang der Sonderzeichen ist noch immer groß wenn auch nicht ganz so groß wie bei der Myriad und es gibt keinen echten kursiven Schnitt (schön zu sehen am e, a, f etc.).
Arial fängt mit A für abgrundtiefe Häßlichkeit an und m.E. sollten Leute, die Arial insbesondere in Drucksachen einsetzen (natürlich in 12 pt mit einfachem Zeilenabstand) sofort nach Sibirien verbannt werden.
Insbesondere Verdana, Trebuchet und Georgia werden immer wieder genannt – Leute, laßt die Finger davon! Diese Schriften sind eigens für eine optimale Lesbarkeit am Bildschirm konzipiert worden. Im Druck taugen sie nicht viel. Hier soll Office 2007 eine Brücke schlagen. Es kommt mit 6 neuen Fonts daher, welche sowohl für den Bildschirm als auch für den Druck geeigent sein sollen und der erste Eindruck ist nicht mal so schlecht (für eine Rezension: http://www.typeforum.de/modules.php?op=modload&name=…)
Wer weniger hohe Ansprüche hat, was den Zeichenvorrat angeht, der sollte sich mal hier umsehen:
http://www.praegnanz.de/essays/
http://www.alvit.de/blog/article/20-best-license-fre…
Hier finden sich links und Besprechungen zu qualitativ recht hochwertigen kostenlosen Schriften. Wem das nicht reicht, der muß sich ein anständiges Buch dazu besorgen und studieren, welche Schriften am besten welchen Zweck erfüllen (»Schriften erkennen« von Sauthoff, Wendt & Willberg ist hier empfehlenswert wie auch »Wegweiser Schrift« von Willberg).
Grüße,
Christian