Wenn das Verkaufen im VG wirklich schwer fällt

Hallo,

ich bin abgehender Informatik-Student (Master) und habe momentan das relativ klassische Berufseinsteiger-Problem, dass der Unialltag im krassen Gegensatz zum Businessalltag steht. Was ich an der Uni gemacht habe war Computergrafik, Computer Vision, KI, maschinelles Lernen und Software-Engineering, zumeist in Java, C++ oder Matlab und wenn ich jetzt die klassische Bewerbungsanzeige durchlese, wird nach .NET, C#, php, JavaScript, HTML/XML, ASP.NET, SQL, WPF, Oracle, JBoss, usw. usw. gefragt - in vielen Ausschreibungen also eine Übereinstimmung von 5-10%
Besonders hemmend ist gerade eine Stellenausschreibung, bei der man seine Kenntnisse per Web-Formular eintragen soll und da habe ich leider das Problem, dass wir alle diese Technologien im Studium nicht angerührt haben. Vielleicht in 3/30 Punkten kann ich meine Studienkenntnisse eintragen und kenne mich auch wirklich halbwegs darin aus, bei 5 weiteren Punkten kann ich mit bestem Wohlwollen vielleicht noch Grundkenntnisse eintragen, wenn ich mich bis zum VG zumindest noch weiter in diese Technologien einlese, aber den Rest kenn ich im Prinzip unisono mit ‚keine Kenntnisse‘ ausfüllen.
Prinzipiell soll das ja kein Problem sein. Okay, dass ich bisher gar keine Praxiserfahrung habe, stellt sich jetzt rückwirkend schon als nicht wahnsinnig günstig heraus, aber dass von der Uni keine Senior-Projektleiter kommen, dürfte den Firmen ja bekannt sein. Trotzdem hab ich keine Ahnung, wie ich dem Unternehmen in so einem VG dann verklickern soll, dass ich ihr Mann bin. Ich brauche schon stundenlang, um mich überhaupt ein Anschreiben aus den Fingern zu saugen, zumal die Argumentation: ‚ich kann nix, lerne mich aber schnell in alles ein‘ laut Berufsberatungsseminaren nicht so toll sei.

Gibts für mich trotzdem Hoffnung und ein paar Tipps, wie man das angehen kann?

Hallo,

im Prinzip kommt es darauf an was gesucht wird (wie bereits erwähnt) und was der Markt hergibt. Gerade in der IT Branche scheint immer noch der/die 22 Jährige Student/in mit 10 Jahren Berufserfahrung gesucht zu werden.
Erfahrungsgemäß bekommen die Firmen aber das gesuchte nicht und müssen einen Kompromiss eingehen. Daher ist es schon wichtig ehrlich gegenüber dem Firmenrepräsentanten zu sein.
Frage ist, wie kann man darlegen, das man in der Lage ist sich neue Sprachen schnell anzueignen. Da können Projekte und Darstellung der eigenen Umgangsweise helfen.

Den Firmen ist klar (auch wenn von anderem geträumt wird), das Junge Menschen die gerade von der Uni kommen einen entsprechenden Einstieg brauchen und eine Investition bedeuten.

Klar das möchte man im ersten Step vermeiden, da es ein entsprechendes Risiko und eigenen Einsatz bedeutet!

Also nicht verzagen, an den ausgeschriebenen Stellen, sondern sich diese Sprachen einmal ansehen, scheint ja das .net know how gefragt ist.

Gruß
Sascha

Hallo,

möchtest Du denn als Informatiker mit Deinen Schwerpunkten oder als Programmierer arbeiten? Im ersten Fall musst Du sicher länger suchen und ggf eine akademische Laufbahn in Erwägung ziehen.

Im zweiten Fall musst Du Dich mit allen naturwissenschaftlichen Absolventen messen. Deine vielen geforderten Sprachen deuten darauf hin. Für Arbeitgeber, die ja global gesen 100.000e verschiedenartigster Projekte realisieren, erspart die Kenntnis der genutzten Sprachen einige Einarbeitung, es bleibt die in die spezifische Prozesstechnik und die Erfahrung als Softwareentwickler. In vielen Fällen hat ein Absolvent übrigens wirklich 10 Jahre Berufserfahrung, nämlich als Hobby-Programmierer.

Wenn Du Webseiten programmieren willst, dann sollten Deine eigenen die Referenz sein.
Wenn Du eher als Informatiker arbeiten möchtest, dann suche gezielt danach und ignoriere die Sprachbarrieren.

Gruß
achim

Das Problem mit Informatik
Hallöchen,

ich selbst bin Informatiker und hatte nach dem Studium ähnliche Probleme.
Im Studium dachte ich noch, ich sei Entwickler weil ich komplexe Programme in etwa 30 Programmiersprachen erstellen konnte - aber wenn ich sehe, was Entwickler überhaupt tun, weiß ich: ich war nie einer und werde nie einer sein :smile:

Dein Problem ist, dass Du Dich auf Entwickler-Jobs eingeschossen hast, und die verlangen leider sehr viele Qualifikationen, damit man überhaupt in der Lage ist, irgend etwas Sinnvolles beizusteuern.

Hier gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten:
a) Man findet einen Arbeitgeber, der bereit ist, hier auszubilden. Dabei muss man natürlich gehaltstechnisch Abstriche machen.
b) Man pult sich das Ganze selbst bei. Bis man in der Lage ist, die ganzen wirtschaftlich relevanten Technologien sicher zu handhaben, können aber schon einige Jahre den Bach runterfließen, wenn man autodidaktisch in die Materie einsteigen muss.

Alternativ solltest Du andere informatisch-bezogene Stellen in Erwägung ziehen. Ich selbst bin sehr glücklich geworden damit, dass ich in der Telekommunikation/Qualitätssicherung eingestiegen bin - obwohl das meinen ursprünglichen Vorstellungen sehr entgegenstand.

Löse Dich davon, dass man als Informatiker in die Entwicklung gehen muss. Ein kurzer Überblick in ITIL zeigt, dass bei einer Software sehr viele Aktivitäten notwendig sind, die in Konzernen alle mit unterschiedlichen Personen belegt sind - und die Entwicklung ist nur eine einzige davon.
Analyse, Design, Entwicklung, Test, Support, Administration, Qualitätsmanagement, Anforderungsmanagement, Datenschutz, Datensicherheit … um nur ein paar der Dinge zu nennen, in die Du als Informatiker genauso gut einsteigen könntest.

Gruß,
Michael

Hi,
also, ich würde mir an Deiner Stelle keinen Kopf um den Einstieg machen. Die wenigsten Absolventen können Praxiserfahrung in zig verschiedenen Anwendungen und Sprachen vorweisen. Dein Fachgebiet ist definitiv gesucht, die Firmen suchen händeringend nach jungen IT-Leuten. Wichtig sind eher ein zügiges Studium, gute Noten und ein positiver Auftritt. Gehe doch einfach auf eine der Absolventen-Messen und stell dich da vor. Lass Deine Karte bei möglichst vielen Arbeitgebern und alsbald wird bei Dir das Postfach überquellen vor Einladungen. Viel Erfolg!
Grüße Christian

Hallo, danke für die super Antworten. Ich versuche mal alles mit einer unter den Hut zu bringen. :smile:

In meinen Schwerpunkten zu arbeiten, wäre natürlich absolut ideal, aber da findet man ja so gut wie keine Stelle bzw. ich muss ewig weit umziehen, evtl. sogar ins Ausland. Das muss zum Berufseinstieg auch noch nicht sein. :wink:

Und Hobbyprogrammierung mit Berufserfahrung gleichzusetzen, stimmt auch nur selten. Wenn man da wirklich sehr aktiv ist und halbwegs ansehnliche Projekte auf die Beine gestellt hat, dann vielleicht, aber das ist bei den wengisten (inkl. mir der Fall). Schon alleine die Technologien, die man dort benutzt, unterscheiden sich i.d.R. ja wieder merklich von den ganzen Enterprise-Editionen.

Eigentlich würde ich schon gerne in der Software-Entwicklung arbeiten. Jedenfalls interessiert mich das am meisten und es scheint dort auch die meisten Jobs zu geben. Na klar, wenn ich eine interessante Stellenausschreibung in der Qualitätssicherung finde, werde ich mich auch da bewerben, aber das erscheint mir bisher eine ziemliche Ausnahme zu sein.
Auch auf welchem Gebiet konkret ist mir gar nicht so wichtig. Ich kann mich da für vieles begeistern. Bisher hab ich größtenteils nur Desktop-Anwendungen entwickelt bzw. was man eben so an der Uni macht. Mit Webdesign bin ich bisher noch so gut wie gar nicht in Kontakt gekommen, weils dafür aber auch keine Veranstaltungen gab. Die absoluten Basics in HTML, XML, CSS, JavaScript und php kriege ich schon noch zusammen bzw. auch sehr schnell rein, weils ja doch riesige Überscheidungen zwischen allen Programmiersprachen gibt, nur ob das nennenswerte Kennisse sind…?!
Ich finde Webdesign jedenfalls nicht weniger interessant als andere Bereiche der SW-Entwicklung - nur ist das eben noch ziemliches Neuland für mich. Dennoch wird es in so gut wie jeder Stellenausschreibung gesucht und ich will mich ja auch weiterentwickeln und nicht bis an mein Lebensende nur bei Java bleiben, weils die einzige industrietaugliche Technologie ist, die mir an der Uni über den Weg gelaufen ist.

Es ist aber auch wirklich ambivalent. Bei mir an der Uni gibts ja jährlich so eine Kontaktmesse und da erzählen einem die Personaler im Vier-Augen-Gespräch dann auch (wörtlich), dass es „reicht, wenn man schon mal programmiert hat“, wobei dasselbe Unternehmen dann wieder Bewerber mit herausragenden Studienabschlüssen, mehrjähriger Berufserfahrung in 10 Technologien und verhandlungssicherem Suaheli sucht.
Deshalb hab ich auf jeden Fall vor, mich auch auf solche Stellen zu bewerben, aber wenn man dann andererseits erzählt bekommt, man soll in der Bewerbung penibelst darauf achten, dass man seine Motivation anhand der geforderten Qualitifikationen erläutert und genauestens herausarbeiten, warum man selbst und sonst niemand anderes auf der Welt genau auf diese Stelle passt, wird es irgendwo widersprüchlich und ich etwas planlos, was ich da aufschreiben und erzählen soll.

Hobby Programmierer
Hallo,

Und Hobbyprogrammierung mit Berufserfahrung gleichzusetzen,
stimmt auch nur selten.

Hier geht es nicht um ansehnliche Projekte, sondern eher darum, mit Programmieren groß zu werden. Wer erstmals im Studium eine For-Schleife programmiert oder ein Objekt instanziiert wird selten ein Programmierer bis zum Master.

In der Regel werden für Programmierjobs (neben softskills) 3 orthogonale Dinge benötigt

  • ein Verständnis für Programme (egal in welcher Sprache)
  • Erfahrung mit der eingesetzen Plattform / Programmiersprache
  • Grundlagen um die jeweiligen Prozesse (das was programmiert werden soll) zu verstehen.

Wichtig ist hiebei das erste, wenn die beiden anderen Punkte nicht 100%tig passen, wie auch Dein Satz zeigt

dass es „reicht, wenn man schon mal programmiert hat“,

da man dies nicht im Windows-XY-Master-Black-Belt-Zertifikat lernen kann.

Ich finde Webdesign jedenfalls nicht weniger interessant als
andere Bereiche der SW-Entwicklung - nur ist das eben noch
ziemliches Neuland für mich.

Das Problem hierbei ist die riesige Konkurenz: Dein Informatik-Studium hilft Dir dabei kaum mehr als ein Biologie-Studium…

Übrigens ist C/C++ nicht irgendwie tot, und in der Industrie ist Matlab/Simulink DER Standard! Vielleicht doch in der Ingenieursbranche umsehen, wo programmierende Mathematiker gesucht werden oder alles was mit Sensoren / Automatisierung / Steuerung zu tun hat! Noch vor einem Jahr haben wir händeringend Programmierer mit mathematischem Hintergrund gesucht und auch laufend eingestellt!

Gruß
achim

Hi,

das finde ich etwas komisch. Wenn ich mal in einer Stellensuchmaschine „C++“ eingebe, finde ich eine ganze Menge offener Stellen.

Bsp. www.stepstone.de: Suche nach „C++“, Berufserfahrung: „ohne Berufserfahrung“ -> ~1.000 Stellen.

Da wird doch bestimmt auch was für dich dabei sein?

viele Grüße
Felix

Guten Abend!

Allein der Abschluß als Physiker, Informatiker oder Ing. befähigt noch nicht, das Gelernte in einem Unternehmen wertschöpfend einzusetzen. Der Absolvent verfügt über Grundlagenkenntnisse und (hoffentlich) die Fähigkeit, sich unter Anleitung in die praktische Anwendung einzuarbeiten. Anders geht es nicht, denn die Anwendungsgebiete sind so breit und schier unüberschaubar vielfältig, daß das Eingehen auf praktische Details während des Studiums so sinnlos wie unmöglich ist.

Ein Unternehmen, das Studienabsolventen einstellt, braucht deshalb Bereitschaft und personelle Ressourcen, dem Berufsanfänger die Einarbeitung in die unternehmensspezifische Nische des Fachs zu ermöglichen und dabei die vielen zunächst fachfremden Kenntnisse zu vermitteln. Bei den großen Unternehmen, die schon seit Jahrzehnten Akademiker einstellen, ist bekannt, daß bei der Einstellung eines Absolventen erst nach längerer Zeit, u. U. Jahre, mit einem nennenswerten Beitrag für die Wertschöpfung zu rechnen ist.

Die vielerorts stattfindenden Veranstaltungen zur Rekrutierung von Absolventen sind leider zum großen Teil eine Ansammlung zwar schick gekleideter, aber ahnungsloser Vermittler. Sobald jemand ein mehrseitiges Formular über den Tresen schiebt, auf dem Dutzende Programmiersprachen und Softwarepakete aufgeführt sind und manchmal sogar anzukreuzen ist, welche Version der Bewerber kennt, sollten solche Herrschaften für dich als disqualifiziert ausscheiden. Solche Leute suchen keine Informatiker, sondern Programmierknechte. Sobald eine Aufgabe soweit strukturiert ist, daß man nur noch programmieren muß, ist es Handwerk. Dafür braucht man i. d. R. keinen Hochschulabsolventen.

Im Ergebnis werden Fähigkeiten und Talente aufwendig ausgebildeter Leute mit Anwendungs-Pipifax für Webseiten irgendwelcher Online-Höker vergeudet. Dafür braucht man alles Mögliche, nur keine akademische Ausbildung als Informatiker. Vergleichbarer Unfug geschieht mit vielen Absolventen anderer MINT-Fächer. Dabei werden Perlen vor die Säue geworfen.

Informatik an sich und isoliert betrachtet ist sinnfrei. Das gilt auch für beliebige Fachrichtungen der Ingenieure, für BWLer und alle anderen Fachidioten. Irgend Brauchbares entsteht erst durch Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen. Wer nicht in verengtem Fachidiotentum verkommen möchte, braucht über das eigene Fachgebiet hinaus mindestens Kenntnisse der Schnittstellen zu allen beteiligten Disziplinen. Damit ist das studierte Fachgebiet nur der Kristallisationspunkt für breitere Vernetzung von Wissen. Vorhersehbar wirst du dabei mehr oder weniger weit neben deinem ursprünglichen Fach tätig sein, irgendwo in der Sensorik, in Spracherkennung, Bildverarbeitung oder Steuerungen von was auch immer. Durchaus möglich, daß du dich in dir bisher völlig fremde Sachgebiete etwa des Hochbaus, der Energieversorgung oder der Medizin einarbeiten mußt.

Vergiss also die Leute mit den Bewerbungsbögen mit Fragen nach irgendwelchen Programmiersprachen. Du bist vielmehr ausgebildet, dich in jede alte, aktuelle und kommende Programmiersprache einzuarbeiten und eine anwendungsspezifische Programmiersprache, ein geeignetes Datenprotokoll, eine sinnvolle Verschlüsselungsmethode u. v. m. mit detaillierter Anwendungskenntnis zu entwickeln. Die Anwendungen bis hin zum Umgang mit kaufmännischen Vorgaben können dir nicht geläufig sein. Aber das weiß jeder Arbeitgeber, der echten Bedarf an MINT-Leuten hat und über die Infrastruktur verfügt, aus Absolventen gleich Rohdiamanten die gewünschten Kostbarkeiten werden zu lassen.

Leider bestimmen die Vermittler und Zeitarbeitsbuden mit ihren Programmiersprachenlisten vielerorts das Bild. Laß dich darauf nicht ein. Durchforste die Stellenanzeigen der überregionalen Zeitungen oder suche dir den Arbeitgeber mit einem dir interessant erscheinenden Arbeitsgebiet irgendeiner Branche aus, schreibe Initiativbewerbungen.

Gruß
Wolfgang

Einspruch, Euer Ehren! :smile:
Hallöchen,

Allein der Abschluß als Physiker, Informatiker oder Ing. befähigt noch nicht, das Gelernte in einem Unternehmen wertschöpfend einzusetzen.

Volle Zustimmung.
Insbesondere ist tatsächlich der Studienabschluss „nur“ der Beweis, dass man sich systematisch in (nahezu) unbekannte, komplexe Themen einarbeiten kann - nicht dass man sie beherrscht.
Das müssen aber die Absolventen auch wissen - und viele glauben, sie wären schon irgendwelche Koryphäen und werden dann eingeschüchtert, wenn man sie mit der realen Welt konfrontiert.

Bei den großen Unternehmen, die schon seit Jahrzehnten Akademiker einstellen, ist bekannt, daß bei der Einstellung eines Absolventen erst nach längerer Zeit, u. U. Jahre, mit einem nennenswerten Beitrag für die Wertschöpfung zu rechnen ist.

Das ja, aber… ein guter Arbeitgeber sollte so aufgestellt sein, dass er eben nicht den Akademiker quasi als „nichtwertschöpfende Kraft“ einstellt, sondern auch Tätigkeiten bietet, welche Absolventen direkt wertschöpfend übernehmen können, während sie sich weiterqualifizieren!

Sobald jemand ein mehrseitiges Formular über den Tresen schiebt, auf dem Dutzende Programmiersprachen und Softwarepakete aufgeführt sind und manchmal sogar anzukreuzen ist, welche Version der Bewerber kennt, sollten solche Herrschaften für dich als disqualifiziert ausscheiden. Solche Leute suchen keine Informatiker, sondern Programmierknechte.

Einspruch!
Ganz dicken Einspruch.
Ich gebe mal ein Beispiel: Jemand, der sich mit Oracle Business Objects auskennt, arbeitet ganz anders als jemand, der meint „Datenbank? Klar, ich kann doch insert… into… schreiben?“
Und jemand, der Grails kennt, lacht sich über die Aufwände der Entwicklung mit JSP schief.
Wer dann noch mit SOAP und RMI sicher umgehen kann, der geht direkt anders vor als jemand, der nur Klassen und Methoden kennt.

Will meinen: Ich kenne Leute, die 1000-seitige Designkonzepte für Dinge schreiben, die, würden sie die aktuellsten Frameworks in aktueller Version kennen, in 10-20 Minuten umgesetzt wären.

Es geht nicht nur um den „Programmier-Knecht“. Ich habe schon Projekte verschiedenster Technologien geleitet und sehr oft kann ich mit ein paar Nebensätzen „Dafür gibt’s bei … eine Standardfunktion“ direkt wochenweise Fleißarbeit eliminieren.

Sobald eine Aufgabe soweit strukturiert ist, daß man nur noch programmieren muß, ist es Handwerk. Dafür braucht man i. d. R. keinen Hochschulabsolventen.

Wie soll ein Architekt, der die Materialeigenschaften von Eisen und Granit nicht kennt, eine vernünftige Brücke bauen?
Genauso: wie soll ein Software-Architekt, der die technischen Eigenschaften der gängigen Frameworks nicht kennt, ein vernünftiges System designen?

Wenn ich daran denke, dass ich als Absolvent null komma null Ahnung von Datenbanken hatte - und ich nach einer Woche Oracle-Tabellen aufsetzen musste… was ich da für einen Unfug angestellt habe… :wink:

Im Ergebnis werden Fähigkeiten und Talente aufwendig ausgebildeter Leute mit Anwendungs-Pipifax für Webseiten irgendwelcher Online-Höker vergeudet.
Dafür braucht man alles Mögliche, nur keine akademische Ausbildung als Informatiker.

Ich sehe das anders.
Bei uns gibt es hochqualifizierte Akademiker, die nichts lieber wollen, als zu lernen, wie man eine funktionsfähige App baut - manchmal geht es nicht nur darum, ob man dafür einen Absolventen braucht, sondern auch darum, ob es dem Absolventen etwas bringt, dies zu tun!

Vergleichbarer Unfug geschieht mit vielen Absolventen anderer MINT-Fächer. Dabei werden Perlen vor die Säue geworfen.

Ich gebe Dir insoweit Recht, wie ich einen Verwandten habe, der mit 1.0er Mathe-Diplom an einer TOP-MINT Uni abgeschlossen hat und irgendwelche Webformulare debuggt… aber der ist ja auch im Öffentlichen Dienst, wo ja aus Prinzip intellektuelles Kapital vor die Hunde geht.

Für viele ist es halt einfach ausreichend, sich auf eine €3000-Stelle als Programmierer/Techniker/… zu setzen - und so lange dort zu sitzen, bis man obsolet geworden ist. Das ist eine Charakter-Frage.

Vergiss also die Leute mit den Bewerbungsbögen mit Fragen nach irgendwelchen Programmiersprachen. Du bist vielmehr ausgebildet, dich in jede alte, aktuelle und kommende Programmiersprache einzuarbeiten und eine anwendungsspezifische Programmiersprache, ein geeignetes Datenprotokoll, eine sinnvolle Verschlüsselungsmethode u. v. m. mit detaillierter Anwendungskenntnis zu entwickeln.

Theoretisch. Aber das macht man ja seit PISA systematisch kaputt.
Der Schrei nach dem Bachelor, der weder systematisch arbeiten, noch abstrakt denken, aber eine 08/15 Multiple-Choice Klausur bearbeiten kann, war laut genug, dass die Unis ihn gehört haben und entsprechend liefern.
Jetzt keine Unterstellung an den Ursprungsposter, sondern an das Bildungssystem.

Die Anwendungen bis hin zum Umgang mit kaufmännischen Vorgaben können dir nicht geläufig sein. Aber das weiß jeder Arbeitgeber, der echten Bedarf an MINT-Leuten hat und über die Infrastruktur verfügt, aus Absolventen gleich Rohdiamanten die gewünschten Kostbarkeiten werden zu lassen.

Richtig. Entsprechend albern ist es, wenn ein Akademiker aussortiert wird wegen „Spezial-Tool #41394219 ist ihm nicht bekannt“. Solche Arbeitgeber sind inkompetent und man muss ihnen auch nicht nachtrauern.
Andererseits sollte man so was aus dem Hut zaubern können wie „Habe mich in 3 Tagen in python eingearbeitet, konnte nach 2 Wochen auch mit Hadoop umgehen…“

Leider bestimmen die Vermittler und Zeitarbeitsbuden mit ihren Programmiersprachenlisten vielerorts das Bild.

Wenn ich jedoch aus meiner eigenen Erfahrung spreche: Jemanden, der absolut prinzipiell technisch unbeleckt ist, auf das Niveau eines Entwicklers zu bringen, der selbständig anhand einer Anforderung wie „Benötigt wird ein Web Service, um aus einer relationalen Datenbank anhand (quasi) beliebiger Anfrage-Kriterien ein gewichtetes Best-Match-Resultat zu liefern“ arbeiten kann, das dauert auch locker 3-4 Jahre… da hat es doch Vorteile, wenn man jeden einzelnen dieser Begriffe schon vor Arbeitsbeginn zuordnen kann.

Gruß,
Michael

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