Wenn die Tochter heiratet

dann heißt es so gemeinläuft, dass Papa traurig, eifersüchtig, und sowas ist. Beispielsweise der Verlust an „einen Konkurrenten“ oder die äußerst kritische Haltung ihm gegenüber.

Frage:

Kennt ihr da Quellen wie Erzählungen, Märchen, Literatur, aber auch Studien aus Psychologie oder philosophische Abhandlungen/Ansätze usw., die sich mit diesem Thema befassen oder dieses Thema berühren?

Jeder Ansatz und Hinweis ist wilkommen, Danke schon mal.

Franz

Hallo,

so naheliegend, dass ich mich nicht getraut hätte, das zu schreiben, wenn du nicht jeden Ansatz und Hinweis willkommen heißen würdest.

Sämtliche Märchen, in denen ein König den Freiern seiner Tochter unmögliche Aufgaben stellt. Auch solche, in denen die Prinzessinnen eingesperrt werden, um eine Heirat zu verhindern.

Viele Bauerntheaterstücke, die sich darum drehen, dass die Tochter einen mittellosen Mann heiraten möchte, aber der Vater es nicht erlaubt und sich blind gegenüber den guten Eigenschaften des Möchte-gern-Schwiegersohns zeigt. (Ich habe mich gerade wieder breitschlagen lassen, bei so einer Veranstaltung mitzumachen; seufz) - Es gibt auch Boulevardtheaterstücke, die das thematisieren, aber bei Bauerntheaterstücken scheint es besonders häufig vorzukommen.

Aber du wolltest es konkreter, oder?

Grüße
Siboniwe

Danke schon mal, und ja, ein oder zwei konkrete Beispiele eines Mädchens oder Erzählung wären hilfreich.

Franz

Ich halte es für ein Klischee. Oft in Witzen, Märchen, Geschichten und Filmen vorgeführt, in der Realität nur selten anzutreffen. Ich kenne etliche Familien in denen der Vater den Ehemann der Tochter gut leiden kann. Selbst kumpelhafte Beziehungen kann ich beobachten. Der Schwiegersohn ist also eher ein angenommener Sohn, als ein Konkurrent oder Dieb. Und das nicht nur lange Zeit nach der Hochzeit, sondern oft schon lange davor.

Woher könnte das Klischee stammen? Oder vielleicht sollte man besser fragen: aus welcher Zeit? Natürlich möchten die Eltern einen guten Ehepartner für ihr Kind finden. Dem Papa wird zur Tochter ja stets ein besonderes Verhältnis der Kontrolle und des Schutzes nachgesagt. In dem Sinne mag sich der sprichwörtliche Papa dafür zuständig fühlen, für die Tochter eine gute Partie zu finden. Und ob der junge Mann, der da vor der Tür steht seiner Tochter die Sicherheit und Versorgung bieten mag, die sich der Papa vorstellt, stellt er womöglich in Zweifel.

Und genau da komme ich zur Zeit, aus der das Klischee stammen könnte. Heute sind junge Frauen und Männer (zumindest der große Teil der in Deutschland lebenden) hochgradig selbständig, wohnen oftmals bereits in den eigenen 4 Wänden, lange bevor sie sich fest binden. Von daher muss der Vater die Tochter schon vorher in eine ungewisse Zukunft ziehen lassen. Zum Teil leben die jungen Menschen zusammen in einem Haushalt, bevor sie den Bund der Ehe eingehen. Womöglich war das früher anders, als die Tochter bis zur Hochzeit im Haus der Eltern, unter der Kontrolle des Vaters lebe. Zu einer Zeit, als der Bräutigam den Vater der Braut um Erlaubnis fragen musste. Und vielleicht empfanden damals mehr Väter Eifersucht für den neuen Mann im Leben der Tochter.

Wenn ich mir das also so richtig überlege, stammt das Klischee aus einer Zeit lange vor meiner Geburt (zumindest in den modernen Teilen Deutschlands; hinter den Bergen, da wo man immer noch gerne wie im 17. Jahrhundert leben wollen würde, sieht man die Sache vielleicht anders).

Grüße

Hi,

du hattest um Beispiele aus Märchen gebeten. Ich habe mal das erste Drittel meiner Sammlung von Grimms Märchen durchgeblättert:

Das tapfere Schneiderlein
Der Teufel mit den drei goldenen Haaren
Der Räuberbräutigam
Fitchers Vogel

In Romeo und Julia findet man sicherlich auch Hinweise Überhaupt ist die Bedeutung der Vater-Tochter-Beziehung ein alter Hut. Siehe hier, hier und finde weitere Links hier

die Franzi

5 Like

Hi,

meine Antwort an dich landet immer bei Pierre, hoffentlich findest du sie trotzdem :smile:
die Franzi

Naja, unter das Fettmarkierte fällt natürlich der klassische Ödipuskomplex, der noch immer das ‚Markenzeichen‘ der Psychoanalyse ist - die als (zu den klinischen Erfahrungen zusätzliche) kulturelle ‚Belege‘ gern auf solche Märchen und Volkserzählungen verweist, wie sie Siboniwe angeführt hat.

Als Psychoanalytiker kann man das, die Eifersucht und die Rivalität des Vater gegenüber dem Mann/Freund der Tochter, in sich und in seinen Analysanden schon gut erkennen, dem Durchschnittsvater wird das eher durch die Lappen gehen, weil der nicht gelernt hat, solche feinen, in der Regel gut zugedeckten, Regungen des Seelenlebens wahrzunehmen.

Gruß
F.

Hallo,

nein, ich halte das nicht für ein Klischee. Natürlich gibt es das: Schwiegervater und Schwiegersohn als Kumpel vereint.
Aber ich kenne diese Konstellation im realen Leben in einigen Varianten: junges Paar versteht sich gut mit den Eltern des Mannes. Dann kriselt es: der Vater ergreift die Partei der Tochter, die Mutter steht auf den Seiten des Schwiegersohns. Die Fronten sind da.
Es gibt unzählige Filme (und auch das habe ich im realen Leben schon gesehen, natürlich nicht so deutlich und überspitzt wie im Film), in dem der Vater den Freund, der die Tochter abholt, ins Gebet nimmt, ihm Schlimmstes androht, wenn er der Tochter zu nahe kommt. Natürlich ist das auch der Versuch die Tochter zu schützen - aber eben nicht nur vor Übergriffen oder auch Herzeleid zu schützen, sondern gerade auch vor willkommenem Kontakt.
Diese seltsame angelsächsische Tradition des „giving away“ der Braut - dass der Vater der Braut diese zum Altar führt und sie dort in die Hände des Bräutigams gibt. Natürlich „gibt“ er sie weiter, aber dazu muss er sie erstmal in einer Art besitzen, die zumindest ein bisschen nachdenklich macht.
Das Klischee des kleinen Mädchens das seinen Papa vergöttert (und er sie im Gegenzug wie seine Prinzessin behandelt) hat ebenso den Kern der Wahrheit.

Und in diesem Zusammenhang ist dann die Verbrüderung von Schwiegervater und Schwiegersohn auch schon wieder einen zweiten Blick wert. Dass das alles nicht voll ausgelebt und auch nicht wie FBH erwähnt realisiert wird, heißt ja nicht, dass es nicht irgendwo doch da ist und in die Beziehung hineinspielt.

Grüße
Siboniwe

Auch aus dem realen Leben der Royals?
Dann schau Dir dieses Foto von der Verlobungs-Bekanntgabe an:
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Der Gesichtsausdruck von Carl Gustaf spricht Bände, was er von der Wahl seiner Tochter hält.

Gruß
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Natürlich gibt es das. Nur selbst bei „lange davor“ heißt dies ja nicht, dass es nicht davor noch eine andere Phase gegeben hat, in der der Vater in jedem/genau diesem Freund einen Rivalen, … gesehen haben mag.

Die Märchen, bei denen es um dieses Thema geht, enden ja auch regelmäßig recht platt mit einer Auflösung dieses Problems, ohne da ins Detail zu gehen, oder über diese Auflösung hinaus zu beschreiben. Mag ja durchaus sein, dass man da in vielen Fällen auch hätte schreiben können, dass Vater und Schwiegersohn dann später ein Herz und eine Seele waren.

BTW: Schwiegermütter, ist das Thema von der anderen Seite aus betrachtet. Ja, auch da gibt es natürlich genug Beispiele, wo das Miteinander von Schwiegertöchtern und -müttern 1A ist. Aber ich kenne auch da genug Beispiele, die „besser“ als alle bösen Witze sind/bei denen es mehr oder weniger lange gedauert hat, bis sich die Mama damit abgefunden hat, dass Sohnemann nun eine zweite Frau in seinem Leben hat.

Beidgültig!

Würde meine Tochter einst heiraten, wäre ich auch eifersüchtig. So’n bisschen jedenfalls.

Das hat nichts damit zu tun, dass der Ehe Steine in den Weg gelegt werden oder wie auch immer.