Wer ist das System?

Hallo,

Lieber D.K.:
Bitte erkläre mir aber,
1.) weshalb die Welt in dem von mir beschriebenen System
„nicht gemacht“ wird. Ich stimme aber dabei zu, dass nur ein
neuer „temporärer Zustand“ geschaffen wird.

Die Welt wird nur scheinbar von der „Macht“ gemacht. Es folgt immer die Prüfung durch die „Massen“ und die Akzeptanz wenn der „Schmerz“ nicht zu groß ist.

2.) Was Du mit dem Begriff „Massen“ meinst.
Sicherlich meinst Du damit nicht nur Wählermassen sondern
einen geistig übergeordneten,

denn der Einfluss der Wählermassen ist -wir sehen es gerade an
den geringen Unterschieden der Parteipositionen- nur grob.

Gerade aber das „zermahlen“ von Gesetzesintention in einem
Ministeriumsapparat voller Referate mit Bedenkenträgern und
„Absicherungsjuristen“ bis zur Unkenntlichkeit der
ursprünglichen Idee - genau das ist Ergebnis der „Blackbox“
SYSTEM.

Genau dort wird Politik eigentlich gemacht oder verhindert.

Und genau dort ist der Evolutionsgedanke interessant.

Sicher meine ich genau diese Strukturen, aber, (vielleicht weil wir es schon so lange gewöhnt sind, oder weil die "Macht"haber die „Massen“ besser manipulieren, Kompromisse finden) man sollte nicht vergessen, daß jeder Wähler sich auch mit nicht-parlamentarischen, ja sogar mit nicht-moralischen Mitteln von seinem Schmerz befreien wird, wenn es notwendig wird.

Der Stillstand den wir alle verspüren ist zB das was ich Schmerz nenne. Sobald der Schmerz aus Sicht der Masse in ein Ohnmachtsgefühl übergeht, werden die Mächtigen sich bewegen müssen oder neue Menschen werden mit radikalen Lösungen die Masse hinter sich bringen.

Gruß D.K.

Hallo DK,

ich denke der Unterschied zwischen „Naturevolution“ und
„Systemevolution“ ist die Anpassungsgeschwindigkeit.

Eigentlich gibt es keinen Unterschied. Evolution ist die in der Summe gerichtete Entwicklung komplexerer Strukturen mit höherer Fitneß in Bezug auf ihre Anforderungen („Umwelt“) - egal ob System oder „Natru“. Alle Aspekte der Natur (Zelle, Organ, Organismus, Gesellschaft, Biotop, Biosphäre, Kultur, …) sind auch nichts anderes als Systeme.

Die „Masse“ kann sich, bei entsprechendem „Schmerz“, rasend
schnell an neue Situationen anpassen und verändert so nicht
nur die "Macht"haber (Jäger) sondern auch die gesamte
(Jagd)Strategie.

Genau. Bleibt die Frage: Ist das _Anpassung_ oder _Evolution_? Beispiel: Der Schleimpilz (Dictyostelium) kann in Abhängigkeit vom Nahrungsangebot zwischen einzelligem und vielzelligem Dasein wechseln. Das ist eine Anpassung, keine Evolution. Noch eins: Farne und Moose haben (noch) unterschiedliche, freie Generationen (Sporophyt und Gemetophyt - was auch immer das ist, ist hier egal). Daß aus einem Befruchteten Gametophyt ein neuer Sporophyt mit ganz anderen Eigenschaften heranwächst, ist keine Evolution. Noch eins: Pilze wachsen als Mycel im Boden. Mancherorts bilden sie Fruchtkörper. Diese Bildungen sind auch keine Evolution.

Ich denke eben, dass die Wechselspiele in der Politik (und Gesellschaft und Wirtschaft - was sich eben nicht wirklich trennen lässt), im Prinzip immer die gleichen sind, die je nach Umweltbedingungen zwischen „Myzel“ und/oder „Fruchtkörper“ schwanken, aber nicht wirklich eine Entwicklung erkennen lassen. - Mit bleibt dabei unklar, ob die gesellschaftlichen Strukturen aber tatsächlich komplexer geworden sind und weiter werden (qualitativ, nicht nur quantitativ!) - was für eine Evolution sprechen würde.

Außerdem ist es möglich, daß Einzelne, Teile oder sogar der
überwiegende Teil der „Masse“ plötzlich zur „Macht“ wechseln,
sich dessen bewußt sind und aus diesem Bewußtsein
Systemevolutionäre Strategieausrichtungen beginnen.

Das war sicher schon einige Male der Fall (-> Demokratie, Sozialismus).

LG
Jochen

Aber Ole,

da höre ich einen leicht aggressiven Zungenschlag am Schluss.

Nein…

Ich will doch keine Politik-Diskussion HIER(!).

Grad darum gehts ja nicht, wenn du meine ganzen Beiträge
liest wirds vielleicht deutlicher.

Es geht um die gegenseitige Veränderung zwischen dem
handelnden Individuum und der von ihm geschaffenen
Organisation seines Handelns.

Eben!

Gruß
Walden

teilweise ot
Hallo,

Ich werde nie verstehen, wass man an Qualität „managen“
kann…

Es ist eine Schnittstelle zwischen den Disziplinen,
die Kunst besteht darin diese unter einen Hut zu
bringen.

Nein. Es ist falsch, den Menschen aus der Natur
herauszunehmen. Er ist ein integraler Teil der Natur. Für die
Entwicklung der „Natur“ ist es absolut unerheblich, ob den
Handlungen ein (vermeintlich?) freier Wille oder Sachzwänge
zugrunde liegen.

Das sehe ich auch so. Nur ist es zum Verständnis und
einer eventuell erfolgreichen Manipulation wichtig,
nicht die der Natur, sondern der individuellen.

Das hab ich nicht ganz verstanden.

Ist menschliches Handeln von der „Natur der Dinge“
oder künstlich geprägt? Es geht nicht nur um den
Status Quo, sondern auch um das Quo Vadis.

Gruß
Walden

Ja doch, lieber D.K.,
und sie werden wieder alte Normen verwenden und neue schaffen, die die Kraft, die Du als revolutionär bezeichnest, in „Sachzwänge“ bringen und des revolutionären Potentials berauben.

Zwischen den Revolutionen also werden die technokratischen Normierer, die es zunächst geben muss, damit Rechtstaatlichkeit entsteht (oft verwechselt mit „Gerechtigkeit“), ein Regelwerk schaffen, dass

  • manchmal scheinbar und
  • manchmal anscheinend
    sich verselbständigt.

Dieses Normsystem zu bändigen aber werden zunehmend immer mehr Technokraten eingesetzt und Visionäre blockiert. Diese Technokraten aber sind es,

  • die das Regelwerk geschaffen haben und
  • die sich durch das Regelwerk durchsetzen
    (das gilt übrigens genauso für technische Normierer, z.B. im Bauwesen)

Begegnet uns das, was ich als „evolutionäres System Mensch-Apparat“ bezeichnet habe,
1.) weil Menschen Spielregeln (Normen) untereinander benötigen, um eine andere Evolution („Sozialdarvinismus“) zu verhindern?
Oder ist es
2.) die Natur und damit auch die Natur des Teilbereichs Mensch,
die sich durchzusetzen versucht und es bei Menschen in „demokratischen“ Systemen, auch Teams oder Kollektiven durch die Organisationsform „Normierung“ durchsetzt?

Letzteres würde möglicherweise bedeuten, dass
1.) es keinen Sachzwang gibt, auch keine Verwaltungslogik, Rechtslogik oder ähnliche - vielleicht gar keine überhaupt.
2.) Revolutionen nicht möglich sind, bzw. nur kurze Zwischenepisoden, Störungen in der überlegenen Organisationsform „Verwaltungsapparat“ und seinen Vertretern, den Technokraten.

Ole lächelt provokant augenzwinkernd über das herrliche Dilemma
und schenkt allen erst mal köstlichen Kaffee aus.

Hallo Jochen

Die „Masse“ kann sich, bei entsprechendem „Schmerz“, rasend
schnell an neue Situationen anpassen und verändert so nicht
nur die "Macht"haber (Jäger) sondern auch die gesamte
(Jagd)Strategie.

Genau. Bleibt die Frage: Ist das _Anpassung_ oder _Evolution_?
Beispiel: Der Schleimpilz (Dictyostelium) kann in Abhängigkeit
vom Nahrungsangebot zwischen einzelligem und vielzelligem
Dasein wechseln.

ich glaube jetzt verstehe ich. In dem Fall hast du recht.
Meine Aussage ist dann:
Die Summe der Anpassungen und situativen Veränderungen führt zu einer nachhaltigen Veränderung, einer Evolution des Systems.

Gruß D.K.

Hallo Ole,

Das sehe ich anders, basierend auf der Geschichte.
Egal wo man hinblickt hatten die „Radikalen“ immer genug zu tun.
Einmal damit ihre neue Macht zu festigen aber vor allem damit, dem lange aufgestauten Haß gegen das alte System endlich ein Ventil zu öffnen.
Die Tendenz geht eher zu neuer Freiheit, eben so wenig wie möglich Regeln aufzustellen. Schließlich sind ja die Neuen und ihre Unterstützer ganz tolle Menschen die nur Gutes im Sinn haben und die schließlich die Masse von dem Joch des alten Systems und seiner Regeln befreit hat.

Das Regelwerk schafft sich ganz von selbst über Gerechtigkeitsempfinden und Vorteilsnahme, später dann noch Lobbyismus, Willkür und Korruption.
Zuerst entdeckt man Gruppen die durch eine fehlende Regel benachteiligt werden, dann findet man Gruppen die einen zu großen Vorteil nehmen können, dann erwischt man Menschen mit Macht die Gruppen mit Macht bestimmte Vorteile einbauen und der neue „Schmerz“ beginnt.

Ich denke der einzige Weg den Evolutionszyklus zu durchbrechen, sprich, daß ein bestimmtes System bestehen bleibt, ist die permanente Anpassung an den (zukünftigen) „Schmerz“ der „Masse“, sprich, Reformen. Allerdings haben demokratische Systeme da so ihre Schwierigkeiten. Ich bin mir nur nicht sicher ob es an der Demokratie liegt oder daran, daß die „Masse“ zu träge ist um sich für notwendige Reformen zu entscheiden, die sie möglicherweise vorbeugend vor kommenden Schmerzen bewahrt.

Die Lösung liegt also entweder
für unser System inkl. mehr Bildung und vor allem mehr Begeisterungsfähigkeit für die „Masse“,
oder gegen unser System, eben zu einem neuen System, das Machthabern freie Hand läßt und sie trotzdem periodisch reglementiert. Der römische „Diktator“ war ein Ansatz. Allerdings gibt uns die Geschichte einen pessimistischen Blick und zeigt, daß es das ideale System anscheinend nicht gibt, weil Menschen eben Menschen sind.

Zumindest haben die Menschen vorerst einmal entdeckt, daß man seine Machtinteressen nicht ausschließlich mit Waffen und Bündnissen festigen muß, sondern eine Win-Win-Situation langfristig immer die attraktivste ist.

Gruß D.K.